Doping im Hochleistungssport

Möglichkeiten und Grenzen der Dopingbekämpfung durch die Förderung von Fair Play Werten


Tesis (Bachelor), 2013

42 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Abgrenzung
2.1 Vielschichtigkeit und Bedeutung der Dopingproblematik
2.2Definition von Doping
2.3Förderung von Fair Play Werten als Mittel der Dopingbekämpfung

3 Verhaltensökonomische Modellierung der Dopingproblematik
3.1 Das 2 Spieler Doping Modell von Haugen
3.2 Das 2 Spieler Fair Play Modell von Eber
3.2.1 Die Integration von Fair Play Werten
3.2.2 Analyse der Fair Play Parameter
3.2.3 Zwischenergebnis 1
3.3 Berücksichtigung mehrerer Spieler
3.3.1 Modellerweiterung und Auswirkungen
3.3.2 Zwischenergebnis 2

4 Zusammenhang zwischen Fair Play Werten und Dopingverbreitung
4.1 Die sozialpsychologische Studie von Gneezy und Rustichini
4.2 Das formale Erklärungsmodell von Lin und Yang
4.3 Übertragung auf die Dopingproblematik
4.4 Zwischenergebnis 3

5 Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Auszahlungsmatrix 1

Abbildung 2: Auszahlungsmatrix 2

Abbildung 3: β- β Grafik

Abbildung 4: α-β Grafik

1 Einleitung

Ob Tour de France, Leichtathletik-WM oder Olympia. Sportliche Höchstleistungen gehen inzwischen nahezu unweigerlich mit Zweifeln einher, ob die jeweilige Leistung regelkonform, d.h. ohne Zuhilfenahme illegaler Substanzen oder Methoden seitens des betreffenden Sportlers erbracht wurde. Nicht zuletzt nach dem medial viel beachteten Dopinggeständnis des 7-maligen Tour de France Siegers Lance Armstrong herrscht in der Öffentlichkeit die Meinung vor, dass Doping zumindest im Radsport an der Tagesordnung sei. Wenn auch die Dopingproblematik im Radsport nach der Festina-Affäre bei der Tour de France 1998 nun in der Causa Armstrong wohl ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, ist sie doch bei Weitem nicht auf diesen Sport beschränkt. Der nächste große Skandal steht nun offenbar der Leichtathletik bevor, nachdem der diesjährige Jahresweltbeste über 100 Meter Tyson Gay seine WM Teilnahme an der Leichtathletik-WM im August in Moskau nach positiver A-Probe absagte und nahezu zeitgleich positive Tests des ehemaligen 100-Meter-Weltrekordlers Asafa Powell und weiterer jamaikanischer Athleten bekannt wurden.1

Seit 1972 wurden bis dato bereits 20 bei olympischen Sommerspielen errungene Goldmedaillen nachträglich wegen Dopings aberkannt. Zu den überführten Olympiasiegern zählen Ben Johnson (Leichtathletik, 1988), Marion Jones (Leichtathletik, 2000), Alexander Leipold (Ringen, 2000) sowie die deutsche Springreiter-Equipe um Ludger Beerbaum (2004). Neben Ludger Beerbaum, dessen Pferd bei dem Olympiasieg 2004 nachgewiesenermaßen gedopt war, sorgten in Deutschland insbesondere Jan Ullrich (Radsport), Dieter Baumann (Leichtathletik) und Claudia Pechstein (Eisschnelllauf) für Aufsehen.2

Der Kampf gegen Doping kann inzwischen auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückblicken. Die International Association of Athletics Federations (IAAF) untersagte bereits im Jahr 1928 als erster Sportverband das damals als die Verwendung stimulierender Substanzen definierte Doping. Systematische Dopingkontrollen wurden hingegen erst im Jahr 1966 von der Union Cycliste Internationale (UCI) und der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) bei ihren jeweiligen Weltmeisterschaften eingeführt. Weitere große Sportverbände folgten diesem Beispiel in den 1970er Jahren (vgl. World Anti-Doping Agency 2010). Zu einer Vereinheitlichung der Dopingbekämpfung kam es indes erst 1999 mit Gründung der unabhängigen World Anti-Doping Agency (WADA). Die Dopingbekämpfung war zunächst als reines Kontrollwesen ausgestaltet und verschiedene Untersuchungsmethoden sowie die Wirksamkeit der Dopingkontrollen standen im Vordergrund der Bemühungen. Erst seitdem die WADA 2003 den Welt-Anti-Doping-Code3 (WADC) vorgelegt und die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) 2005 das Internationale Übereinkommen gegen Doping im Sport4 angenommen hat, ist auch die Dopingprävention in den Fokus gerückt. Inzwischen nehmen die pädagogische Aufklärung und insbesondere die Förderung von Fair Play Werten eine zentrale Stellung bei der Dopingbekämpfung ein.

Während Doping in der Sport- und Verhaltensökonomie Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten war und der Bestand von Abhandlungen insbesondere über moralische, ethische, psychologische und medizinische Aspekte des Dopings praktisch unüberschaubar ist, wurde die Bedeutung von Fair Play Werten im Rahmen dieser Problematik von der Wissenschaft bislang eher vernachlässigt. Dabei könnte der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen der Ausprägung von Fair Play Werten und der Dopingverbreitung wichtige Erkenntnisse für die Dopingprävention liefern. Diese Arbeit wird die Dopingproblematik in Abschnitt 2 zunächst in einen größeren Zusammenhang einordnen, eine Definition für Doping liefern, die Bemühungen zur Förderung von Fair Play Werten vorstellen und das in der Analyse eines Zusammenhangs zwischen Doping und Fair Play Werten liegende Ziel der Untersuchung konkretisieren. Abschnitt 3 enthält die verhaltensökonomische Modellierung der Dopingproblematik. Zur Verdeutlichung der Grundproblematik wird das Doping Modell von Haugen (2004) vorgestellt, welches durch Eber (2008) um Fair Play Werte ergänzt wurde. Dabei zeigt sich, dass in Abwesenheit von Fair Play Werten die Entscheidung für Doping aus Sicht des einzelnen Athleten die dominante Strategie darstellt und erst die Einführung von Fair Play Werten ein Gleichgewicht unter Dopingverzicht ermöglicht. Es folgt eine detaillierte Analyse der Fair Play Parameter sowie eine Betrachtung der Auswirkungen der Spieleranzahl auf die Fair Play Parameter. Abschnitt 4 befasst sich mit dem von Lin und Yang (2006) entwickelten formalen Erklärungsmodell zu den Ergebnissen einer Studie von Gneezy und Rustichini (2000). Die Studie lieferte das auf den ersten Blick unerwartete Ergebnis, dass die Unpünktlichkeit von Eltern beim Abholen ihrer Kinder aus dem Kindergarten nach erstmaliger Einführung einer pauschalen Verspätungsstrafe entgegen klassischer ökonomischer Annahmen zunahm und auch nach Aufhebung der Strafe nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Niveau zurückkehrte, sondern vielmehr auf dem mittlerweile höheren Niveau verharrte. Lin und Yang kamen bei der Analyse dieser Studie unter anderem zu dem Schluss, dass mit weiterer Verbreitung des Verstoßes gegen die soziale Norm (hier: Pünktlichkeit) die soziale Norm selbst an Stärke verliert. Dies gilt insbesondere auch für die zunächst sozialkonform handelnden Personen, wodurch der Verstoß zunehmend als akzeptables Verhalten angesehen wird und in der Folge eine Massenreaktion induziert wird. Es wird untersucht, inwieweit sich dieser „Schneeballeffekt“ auf die Dopingproblematik übertragen lässt. Abschnitt 5 fasst zusammen.

2 Abgrenzung

2.1 Vielschichtigkeit und Bedeutung der Dopingproblematik

Doping ist ein vielschichtiges gesellschaftliches Problem. Es lässt sich nicht einem einzigen Bereich der Wissenschaft und Forschung zuschreiben. Die disziplinübergreifende Natur der Dopingproblematik verdeutlicht sich exemplarisch an der Zielsetzung des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2009 ins Leben gerufenen Verbundprojekts „Translating Doping – Doping übersetzen“ der Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Sportwissenschaft und der Technischen Universität Berlin, Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte.5 Das Projekt hat sich „schwerpunktmäßig die Übersetzung und Transformation der Dopingthematik zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sowie eine zielgruppen-spezifische Aufbereitung der Forschungsresultate für Sportler, Politiker, Medien, Lehrer/Schüler und Studenten sowie die interessierte Öffentlichkeit“ zum Ziel gesetzt (Projektwebsite, Ziele). Unterteilt ist dieses Projekt in die Schwerpunktbereiche Ethik, Recht und Wissenschaftstheorie. Dem Anspruch einer solch übergreifenden Behandlung der Dopingproblematik kann und soll diese Arbeit nicht gerecht werden. Vor allem die ethischen Aspekte werden überwiegend unberücksichtigt bleiben. Der Autor liefert keine wertende Stellungnahme zu Fragen der Gerechtigkeit und Fairness im Zusammenhang mit Doping oder der proklamierten Zielsetzung Dopingbekämpfung. Vielmehr soll vor dem Hintergrund praktizierter Dopingbekämpfung verhaltensökonomisch aufgezeigt werden, warum Sportler dopen und wie sich Fair Play Werte auf diese Entscheidung auswirken, insbesondere ob die Förderung letzterer geeignet ist als Mittel der präventiven Dopingbekämpfung zu fungieren.

Um die Bedeutung der Dopingproblematik zu erfassen, ist es erforderlich, sich die systemischen Verflechtungen des Sports, von dem ganze Wirtschaftszweige abhängen, vor Augen zu führen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sieht Sport als ein „wachsendes gesellschaftliches und wirtschaftliches Phänomen, das einen wichtigen Beitrag zu den strategischen Zielen Solidarität und Wohlstand der Europäischen Union leistet“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007, S. 2). Sie sieht den Sportsektor aber neben wirtschaftlichen Zwängen, der Ausbeutung junger Sportler, Rassismus, Gewalt, Korruption und Geldwäsche explizit auch der Bedrohung durch Doping ausgesetzt. Auch die UNESCO sieht Doping gegenwärtig als eine der größten Bedrohungen des Sports an. Eine im Auftrag des österreichischen Bundeskanzleramts, Sektion Sport, in Auftrag gegebene Studie von Dimitrov et al. (2006) konstatiert die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Sports in Europa. Demnach sei der Sport in seiner weitesten Definition, die neben sportrelevanten Kernbereichen der Wirtschaft auch weitere sportrelevante Wirtschaftsbereiche wie Tourismus, den Gesundheitsbereich, Werbung und Versicherungstätigkeit umfasst, für eine jährliche totale Bruttowertschöpfung von 407 Mrd. Euro oder einem Anteil von 4,58% der gesamteuropäischen jährlichen Bruttowertschöpfung (EU-25) verantwortlich. Die durch die Sportwirtschaft in Europa generierten totalen Kaufkrafteffekte werden mit 391 Mrd. Euro beziffert. Der aus dem Sport in vorgenannter weitester Definition folgende direkte Beschäftigungseffekt betrage 10.263.486 Arbeitsplätze. Addierte man zu diesem Wert indirekte und induzierte Beschäftigungseffekte, so biete der Sport allein in Europa 15.022.660 Menschen einen Arbeitsplatz. 7,9% aller Arbeitsplätze in Europa seien damit direkt oder indirekt vom Sport abhängig. Aus diesen Zahlen ergibt sich unschwer die Bedeutung des Wirtschaftsguts Sport. Vor dem Hintergrund dieser enormen Bedeutung erklärt sich auch das gesellschaftliche und politische Bestreben nach Schadloshaltung des Sports vor Bedrohungen wie sie unter anderem von Doping ausgehen. Was die Verbreitung von Doping angeht, so soll der Anteil dopender Leistungssportler von 1 bis 2 Prozent (offizielle Statistik der von der WADA durchgeführten Kontrollen) bis zwischen 20 und 35 Prozent (Randomized Response-Technique; abhängig von Erhebungsjahr und -methode) reichen. Ungeachtet dieser Statistiken soll der Dopingmissbrauch indes bereits epidemische Ausmaße annehmen und die Dunkelziffer kaum noch zu überschauen sein (vgl. Gregor 2010; Daumann 2009; Pitsch/Maats/Emrich 2009; Geipel 2008; Bette/Schimank 2006).

2.2Definition von Doping

Für jede wissenschaftliche Diskussion ist es erforderlich, ein einheitliches Verständnis der zentralen Begriffe zugrunde zu legen. Hier ist bei der Dopingproblematik bereits eine Schwachstelle zu identifizieren. Zwar wurde über die Jahre mehrfach der Versuch unternommen, Doping zu definieren. Die Definitionen waren indes anfänglich moralisch überladen und sind im Laufe der Zeit sukzessive verrechtlicht worden (vgl. Asmuth 2010). An einer positiven, möglichst exakten und inhaltsreichen Begriffsdefinition von Doping fehlt es bis heute.

Entsprechend der Definition des Deutschen Sportbunds aus dem Jahr 1952 bezeichnete Doping demzufolge „die Einnahme eines jeden Medikaments – ob es wirksam ist oder nicht – mit der Absicht der Leistungssteigerung während des Wettkampfes“ (zitiert nach Haug 2006, S. 28).

Diese Definition war gleich in mehrfacher Hinsicht defizitär. Von der Zielsetzung her betrachtet, sei zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar gewesen, ob Medikamente im Leistungssport nicht grundsätzlich erwünscht sein müssten, da sie den professionellen Athleten in seinem Ziel der Leistungssteigerung unterstützen und - richtig eingesetzt - auch der Gesundheit der Sportler dienen würden. Weiterhin sei der Begriff der Leistungssteigerung unterbestimmt, da Leistungssteigerung zugleich Zweck des Trainings und Wettkampfes, sofern über Medikamente erreicht jedoch Gegenstand des Verbots war (vgl. Asmuth 2010). Letztlich setzt eine Dopingüberführung anhand dieser Definition immer auch den Nachweis der subjektiven Absicht voraus. Nicht jede Medikamenteneinnahme ist verboten, sondern nur eine solche die mit der Absicht der Leistungssteigerung erfolgt. Abgesehen von einem Geständnis des Sportlers dürfte der Nachweis einer solchen Absicht indes erheblichen Schwierigkeiten unterliegen und damit nicht praktikabel sein. Zudem hätte eine solche Definition das heute weit verbreitete Doping mit körpereigenen Substanzen (z.B. Eigenblutdoping) nicht erfassen können.

Der Europarat definierte Doping im Jahr 1963 sodann als „die Verabreichung oder den Gebrauch körperfremder Substanzen in jeder Form und physiologischer Substanzen in abnormaler Form oder auf abnormalem Wege mit dem einzigen Ziel der künstlichen und unfairen Steigerung der Leistung im Wettkampf“ (zitiert nach Haug 2006, S. 28). Auch diese Definition umfasst Doping mit körpereigenen Substanzen nicht. Zudem bleiben hier die Begriffe „künstlich“ und „unfair“ weitgehend unbestimmt. So sei es zwar unstrittig, dass sich der Sportler fair verhalten soll. Was Fairness im Einzelfall konkret bedeute, bleibe indes strittig (Asmuth 2010).

Der sogenannte „Medical Code des IOC“ brachte 1967 erstmals eine verrechtlichte Definition von Doping. Danach bestand Doping aus 1. der Verwendung von Substanzen aus den verbotenen pharmakologischen Wirkstoffgruppen und/oder 2. der Anwendung verbotener Methoden. Das IOC stellte zwar in einer Teildefinition von 1999, nach der „die Anwendung eines Mittels (Wirkstoff oder Methode), das potentiell schädlich für die Gesundheit von Sportler/Sportlerinnen ist und/oder die Leistung steigern kann“ als Doping gilt, noch ein letztes Mal auf eine subjektive Komponente ab (Asmuth 2010). Um die Praktikabilität der Dopingbekämpfung zu gewährleisten, hat die WADA 2003 indes den World-Anti-Doping-Code (2004) vorgestellt, der von subjektgebundenen Elementen abstrahiert und in der revidierten Fassung (2009) inzwischen von allen internationalen Sportfachverbänden anerkannt worden ist. Danach wird Doping in zwei Schritten bestimmt. Zunächst definiert Artikel 1 des WADC Doping als das Vorliegen einer oder mehrerer der in Artikel 2 festgelegten Verstöße gegen die Anti-Doping-Bestimmungen. Artikel 2 des Codes enthält sodann eine Auflistung verbotener Substanzen wie beispielsweise Stimulanzien, Narkotika und Anabolika sowie verbotener Methoden wie Blutdoping oder Gendoping. Hinsichtlich der verbotenen Substanzen erfolgt eine weitere Präzisierung dahingehend, ob diese lediglich während oder auch außerhalb des Wettkampfs oder auch nur bei bestimmten Sportarten verboten sind. Die Definition erfolge somit im Ergebnis durch „eine möglichst exakte Bestimmung desjenigen Bereichs von Handlungen […], die nicht erlaubt sind. Die positive Liste besteht insgesamt also aus negativen, d.h. ausschließenden Bestimmungen dessen, was im Sport erlaubt ist“ (Asmuth 2010, S. 8). Zwar bleibt diese Definition einen positiven Begriffsinhalt schuldig. Auch birgt sie die Gefahr, die ständige Entwicklung neuer Medikamente zu Zwecken des Dopings zu fördern, da nach dieser Begriffsdefinition erlaubt ist, was anhand der Liste nicht explizit verboten ist und somit neue Medikamente, solange sie noch nicht in der Liste erfasst wurden, nicht dem Verbot unterfallen. Die Definition bietet indes den Vorteil, dass klar ersichtlich ist, was zum jeweiligen Zeitpunkt erlaubt und was nicht erlaubt ist.

Aufgrund ihrer weiten Verbreitung und Akzeptanz in den für diese Arbeit relevanten Bereichen des Sports wird die Definition von Doping, wie sie im World-Anti-Doping-Code der WADA niedergelegt ist, in dieser Arbeit ohne weitere Wertung seitens des Autors der Analyse zugrunde gelegt.

2.3Förderung von Fair Play Werten als Mittel der Dopingbekämpfung

Die klassische Dopingbekämpfung kennt zwei wesentliche Parameter. Zum einen die Entdeckungswahrscheinlichkeit, welche wesentlich durch Häufigkeit und Qualität der Kontrollen bestimmt wird. Zum anderen das drohende Strafmaß im Falle einer Dopingüberführung.

Was die Entdeckungswahrscheinlichkeit angeht, so haben die Olympischen Spiele in London 2012 das schärfte Kontrollregime aller Zeiten erlebt. Von den knapp 10500 teilnehmenden Athleten wurden insgesamt 6250 Dopingproben genommen. Jeder Medaillengewinner und insgesamt annähernd 50% der teilnehmenden Athleten wurden auf über 240 verbotene Substanzen geprüft. Das Kontrollteam bestand aus über 1000 Personen und das Labor wurde während der Spiele 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche betrieben (Inside Sport 2013). Diese Zahlen wirken zunächst beeindruckend. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit bei den Olympischen Spielen damit keinesfalls auch nur annähernd bei 50% lag. Dopingkontrollen haben mehrere Schwachstellen. Verbotene Substanzen können aufgrund von Messfehlern oder Messungenauigkeiten unentdeckt bleiben. Es gibt zudem Methoden, die die Nachweisbarkeit der Substanzen im Körper des Athleten verschleiern. Und nicht zuletzt ist der Kampf gegen Doping ein Katz und Maus Spiel, bei dem die dopenden Sportler durch die Entwicklung bis dato unbekannter oder nicht nachweisbarer Substanzen immer einen Schritt voraus sind. Per definitionem des Dopings kann schließlich eine nicht auf der Liste stehende, aber den auf der Liste stehenden Substanzen in ihrer Wirkung gleich kommende Substanz, nicht als Doping gewertet werden.

Was die Strafen angeht, so wurde auch hier über die Jahre eine deutliche Verschärfung vorgenommen. Monetäre Strafen wurden mit zeitlich befristeten Sperren kombiniert und bei wiederholtem Verstoß gegen Anti-Doping Bestimmungen droht inzwischen eine lebenslange Sperre. Rückzahlungen von Sponsorengeldern waren bislang hingegen unüblich. Diese Tatsache ist nicht unbedeutend, da eine Vielzahl von Athleten durch Sponsorenverträge inzwischen weit mehr als durch Preisgelder verdient. Im Zuge der Dopingaffäre um Lance Armstrong ist aber nun auch bei den Sponsoren und der Justiz ein Umdenken zu erkennen.6 Dennoch waren die Strafdrohungen bislang nicht ausreichend um Sportler effektiv vom Dopingmissbrauch abzuhalten. Die mittlerweile astronomisch hohen Siegprämien und Sponsorengelder dürften für eine Vielzahl von Sportlern bislang das Risiko wert gewesen sein.

Diese unbefriedigende Situation war ein Hauptgrund für die der Dopingbekämpfung verschriebenen Verbände und Institutionen zum Überdenken der bisherigen Strategie.

Im Zentrum der neuen Anti-Doping Strategie steht nun neben weiterer Optimierung und Koordinierung der Kontrollen die Prävention und damit Aufklärung der Athleten (vgl. World Anti-Doping Agency 2009). Im Rahmen der Prävention nimmt die Förderung von Fair Play Werten einen zentralen Platz ein.

So ist die WADA inzwischen auf allen großen Sportevents mit ihrem Outreach Program vertreten, dessen Ziel darin liegt, Athleten und Betreuer sowie Gefolge über Doping zu informieren und in der „Say NO! to Doping“ Kampagne zu vereinen.7 Um künftige Sportlergenerationen möglichst frühzeitig im Fair Play Gedanken zu erziehen wurde das Programm um „The Play True Generation“ ergänzt.8 Dieses an Sportler unter 18 Jahren gerichtete Programm soll jungen Athleten eine Plattform bieten, auf der sie ihr Engagement für den Gedanken des Fair Play demonstrieren und mehr über dopingfreien Sport lernen können. Die WADA ist ausweislich der Programmzielsetzung davon überzeugt, dass diese Anti-Doping Community maßgeblich zu dem Ziel dopingfreier Wettkämpfe beitragen kann, indem sie das Interesse und die Aufmerksamkeit der jungen Sportler gewinnt und ihnen vermittelt, dass sie mit der Entscheidung über einen Dopingverzicht nicht allein stehen.

Seitens der UNESCO (2006) heißt es, dass neben den Bemühungen zur Durchsetzung und Beachtung der Anti-Doping Konvention ein neuartiges Anti-Doping Programm eingeführt wurde, welches insbesondere Bildung und Kompetenzvermittlung beinhaltet. Dazu vertritt die UNESCO die Auffassung, dass Fair Pay Werte, wenn sie effektiv anerzogen werden, nachhaltige Auswirkungen auf den Kampf gegen Doping im Sport haben werden. Auch von der IAAF (2012) heißt es mittlerweile, dass die Dopingprävention durch Bildung und Erziehung - insbesondere im Hinblick auf junge Sportler - Priorität genießt. Auf nationaler Ebene verkündet die NADA auf ihrer Website die Abkehr von einem reinen Kontrollwesen: „Mindestens genauso wichtig wie ein repressives Vorgehen sind Maßnahmen im präventiven Bereich. Diese umfassen sowohl die Information als auch die Motivation und die Stärkung von Kompetenzen“ (Nationale Anti Doping Agentur 2013). Auszugsweise heißt es aus der Verfassung der NADA unter III. Stiftungszweck: „Zweck der Stiftung ist die Förderung des Sports. Sie möchte das Fair-Play im Sport durch geeignete pädagogische, soziale, medizinische, wissenschaftliche und sportliche Maßnahmen fördern, insbesondere […] 5. durch die Erstellung und Verbreitung von Aufklärungs- und Erziehungsmaterial zur Problematik des Dopings im Sport“ (ebd.).

Wie vorstehende Beispiele verdeutlichen, wird inzwischen der Förderung von Fair Play Werten im Rahmen der Dopingbekämpfung seitens der mit der Bekämpfung befassten Institutionen zentrale Bedeutung zugeschrieben. Mit Blick auf die lange Geschichte einer durch ein reines Kontrollwesen geprägten repressiven Anti-Doping Politik und der durch die jüngsten Dopingskandale gerade in den letzten Jahren gereiften Erkenntnis der offensichtlichen Aussichtslosigkeit dieser Politik, könnte in der Verlagerung zu gezielterer Prävention so etwas wie der berüchtigte Griff nach dem letzten Strohhalm zu sehen sein. Vielleicht kann ein grundlegendes Umdenken der Athleten hin zu einem moralischeren Verständnis von Sport und Fair Play in Zukunft aber tatsächlich einen großen Beitrag dazu leisten, Doping aus dem Sport zu verbannen. Dazu ist es erforderlich, nachzuvollziehen, welche Anreize die Sportler zu einer Entscheidung zum Doping oder Dopingverzicht bewegen und wie sich diese Entscheidung möglicherweise durch Fair Play Werte in Richtung Dopingverzicht leiten lässt.

3 Verhaltensökonomische Modellierung der Dopingproblematik

3.1 Das 2 Spieler Doping Modell von Haugen

Grundlage der verhaltensökonomischen Modellierung der Dopingproblematik durch Haugen (2004) ist ein einfaches 2x2 Spiel. Zwei risikoneutrale Spieler treten in einem Wettkampf mit jeweils zwei möglichen Strategien gegeneinander an. Die beiden möglichen Strategien lauten Doping (D) oder Dopingverzicht (DV). Beiden Spielern steht dasselbe Dopingmittel zur Verfügung, welches bei beiden Spielern als gleichermaßen wirksam angenommen wird. Die Strategiewahl, d.h. die Entscheidung darüber, ob der Wettkampf von dem jeweiligen Spieler unter Zuhilfenahme von Doping oder unter Verzicht auf Doping geführt wird, erfolgt bei beiden Spielern gleichzeitig und unabhängig voneinander. Die Entscheidung fällt vor dem Wettkampf und das Spiel ist nicht wiederholbar. Aufgrund der Einmaligkeit der Entscheidung werden etwaige Erfahrungswerte der Spieler hinsichtlich der Strategiewahl des Gegners ausgeblendet.

Während Haugen dem Modell die Annahme zugrunde legt, dass die einseitige Einnahme des Dopingmittels durch einen Spieler dazu führt, dass dieser den Wettkampf mit Gewissheit gewinnt, wird hier davon ausgegangen, dass die einseitige Einnahme lediglich zu einer Erhöhung der Gewinnwahrscheinlichkeit des dopenden Spielers führt. Diese Änderung des Modells von Haugen ist einerseits geeignet, auch den von Haugen formulierten Einzelfall gewisser Gewinnwahrscheinlichkeit zu umfassen, andererseits wird das Modell verallgemeinert und eignet sich formal besser für die Zwecke dieser Arbeit.

Unter diesen Annahmen beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit beider Spieler sowohl in einem Szenario beidseitigen Dopingverzichts als auch in einem Szenario beidseitigen Dopings p1 = p2 = ½. Im Falle einseitiger Dopingeinnahme gewinnt der dopende Spieler den Wettkampf mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit pD = ½ + ∆p, während sich die Gewinnwahrscheinlichkeit des auf Doping verzichtenden Spielers entsprechend auf pDV = ½ - ∆p verringert.

Haugen definiert sodann die für beide Spieler identischen Nutzenfunktionen möglicher Wettkampfresultate. Für beide Spieler beträgt danach der tatsächliche Nutzen eines Sieges Ui (S) = a mit a > 0. Der Nutzen einer Niederlage wird zu Ui (N) = 0 normalisiert und die Kosten der Dopingüberführung betragen Ui (Ü) = - c mit c > 0. Die Wahrscheinlichkeit der Dopingüberführung wird durch r mit r > 0 angegeben.

Zu beachten ist, dass das Modell davon ausgeht, dass sich die Kosten einer Überführung des Dopingmissbrauchs in c erschöpfen, während das durch a definierte Preisgeld für den erreichten Sieg dem Spieler in jedem Fall erhalten bleibt.

Entscheiden sich beide Spieler für die Strategie Dopingverzicht (DV), beträgt der erwartete Nutzen jeweils U1 (DV/DV) = U2 (DV/DV) = ½ U (S) = ½a.

Wählen beide Spieler die Strategie Doping (D), so errechnet sich der erwartete Nutzen jeweils zu U1 (D/D) = U2 (D/D) = ½ U (S) + ½ U (N) + r U (Ü) = ½a – rc.

Einseitiges Doping führt nun dazu, dass der gedopte Spieler den Nutzen UD (D/DV) = (½ + ∆p) U (S) + r U (Ü) = ½a + ∆p a – rc erwarten kann. Der nicht gedopte Spieler gewinnt den Wettkampf mit der verringerten Wahrscheinlichkeit pDV, was zu einen erwarteten Nutzen von UDV (DV/D) = (½ - ∆p) U (S) = ½a - ∆pa führt.

Für die beiden Spieler mit zwei möglichen Strategien ergibt sich daraus die folgende Auszahlungsmatrix 1:

Abbildung 1: Auszahlungsmatrix 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Analyse der Auszahlungsmatrix ergibt, dass beidseitiger Dopingverzicht aus kollektiver Sicht den pareto-optimalen Zustand darstellt, da ausgehend von diesem Zustand (1) kein Spieler besser gestellt werden kann, ohne dass (2) der andere Spieler zugleich schlechter gestellt würde. Der summierte Erwartungsnutzen beider Spieler ist bei diesem Zustand am höchsten, weil die den Erwartungsnutzen mindernde Komponente der Kosten einer Dopingüberführung (- rc) nicht zu berücksichtigen ist.

[...]


1 Dazu Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14.07.2013, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/doping/leichtathletik-gay-powell-und-simpson-unter-doping-verdacht-12282207.html.

2 Jan Ullrich war in den sogenannten Fuentes-Dopingskandal verwickelt und wurde 2012 vom Internationalen Sportgerichtshof CAS verurteilt. Sämtliche nach dem 1. Mai 2005 errungenen Titel und damit auch der Sieg bei der Tour de France 2007 wurden annulliert. Dieter Baumann wurde wegen einer positiven Dopingprobe vom 18. September 2000 bis zum 21. Januar 2002 gesperrt. Zwar wurde er vom Deutschen Leichtathletik Verband aufgrund der als Zahnpasta-Affäre bekannt gewordenen Umstände freigesprochen, doch erkannte die IAAF den Freispruch nicht an. Claudia Pechstein wurde im Februar 2009 von der Internationalen Eislaufunion ISU für zwei Jahre gesperrt. Sie ging gegen die Sperre juristisch vor, unterlag jedoch in allen Instanzen. Ein medizinisches Gutachten aus dem Jahr 2010 bescheinigte Pechstein eine vererbte Blut-Anomalie, welche die verdächtigen Blutwerte erklären könnte, die zur Sperre geführt haben. Auf die Sperre hatte das Gutachten keinen Einfluss mehr, jedoch erhob Pechstein 2012 eine Schadensersatzklage gegen die ISU.

3 Ursprünglich World Anti-Doping Code (2004), inzwischen in revidierter Fassung als World Anti-Doping Code (2009) in Kraft. Eine weiter überarbeitete Fassung ist für 2014 vorgesehen.

4 International Convention against Doping in Sport (2005).

5 Die Projektwebsite ist abrufbar unter www.translating-doping.de.

6 Gegen Lance Armstrong wurde inzwischen Strafantrag seitens des US-Justizministeriums gestellt. Armstrong soll Sponsorengelder in Millionenhöhe unter anderem an seinen ehemaligen Hauptsponsor, das staatliche Unternehmen US Postal zurückzahlen. Vgl. dazu die Meldung des Magazins stern vom 24.04.2013, abrufbar unter www.stern.de/sport/sponsorengelder-justizministerium-fordert-millionen-von-armstrong-2001721.html.

7 Nähere Informationen zum Outreach Program der WADA finden sich unter www.wada-ama.org/en/Education-Awareness/Outreach-Program/.

8 Nähere Informationen zum Play True Generation Program der WADA finden sich unter www.wada-ama.org/en/Education-Awareness/YOUTH-ZONE/Play-True-Generation/.

Final del extracto de 42 páginas

Detalles

Título
Doping im Hochleistungssport
Subtítulo
Möglichkeiten und Grenzen der Dopingbekämpfung durch die Förderung von Fair Play Werten
Universidad
University of Hagen  (Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik)
Calificación
1,0
Autor
Año
2013
Páginas
42
No. de catálogo
V279315
ISBN (Ebook)
9783656735250
ISBN (Libro)
9783656735243
Tamaño de fichero
922 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Doping, Fair Play, Verhaltensökonomie, Sportökonomie
Citar trabajo
Philipp Kynast (Autor), 2013, Doping im Hochleistungssport, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279315

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Doping im Hochleistungssport



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona