Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Eine kurze Definition von Mobbing
2.1 Was ist Mobbing?
2.2 Formen von Mobbing
3. Tatort Schule
3.1 Mobbing in der Schule
3.2 Maßnahmen gegen Mobbing in der Schule
4. Mobbing in der Schule als Thema der Kinder- und Jugendliteratur
5. Der Jugendroman „Das Spiel mit der Angst“ - Inhalt und kurze Erzähltextanalyse
6. Die Protagonisten des Buches „Das Spiel mit der Angst“ und ihre Konstellation
6.1 Joost
6.2 Oscar
6.3 Anke
6.4 Desi
7. Der Umgang mit dem Thema „Mobbing in der Schule“in „Das Spiel mit der Angst“
8. Die Grenzüberschreitungen im Buch „Das Spiel mit der Angst“
9. Ein Unterrichtsversuch
10. Fazit
11. Literatur und Quellen
1. Einleitung
„ Mobbing in der Schule ist eine Realität. Es kommtüberall vor, in kleinen Land- und gro ß en Stadtschulen, in allen Schularten und allen Bundesländern. Es kann jeden einmal treffen. “ 1 Die in Kaspers Zitat deutlich gewordene Problematik von Mobbing an Schulen sollte uns als angehende Lehrkräfte alarmieren und dafür sorgen, dass wir uns damit beschäftigen, wie eine Sensibilisierung in den Schulen und damit explizit in unserem eigenen Unterricht gestaltet werden kann.
Es ist laut dem Kerncurriculum des Niedersächsischen Kultusministeriums Ziel des Deutsch- und insbesondere des Literaturunterrichts, soziale Kompetenzen als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung von Schülern/-innen auszubilden. Wir sollen ihnen vermitteln, wie man verantwortungsbewusst handelt und Kooperations- und Konfliktfähigkeit entwickelt.2
Darüber hinaus ist es wichtig, bei der Auswahl von Literatur für den Schulunterricht zu bedenken, dass das Thema eine Relevanz für die Lebenswelt der Schüler/-innen beinhalten sollte. Die Aktualität dieser Problematik zeigt auf, dass diese Parallele zur Welt der heutigen Schülerschaft - an welcher Schulform wir später auch unterrichten mögen - gegeben ist. Zudem ist es unsere Aufgabe als Lehrer/-innen des Faches Deutsch zumindest zu versuchen, Kinder und Jugendliche für Literatur zu begeistern und sie zum Lesen zu motivieren. Ist es dafür von Vorteil, die immer gleichen Werke zur Hand zu nehmen (auch, wenn sie als Klassiker gelten)?
Ist es nicht eventuell sinnvoll, mit dem Kanon der Schullektüren zu brechen und die Wahl der Literatur nach anderen Gesichtspunkten zu gestalten wie beispielsweise den Interessen und Bedürfnissen unserer Schüler/-innen?
Im Rahmen unseres Seminars „Grenzüberschreitungen in der Kinder- und Jugendliteratur“ beschäftigten wir uns mit einer Vielzahl Themen, die mancher eventuell als „Tabu-Themen“ oder „Grenzüberschreitungen“ betrachten würde, wie beispielsweise Tod, Gewalt oder Sexualität.
Anknüpfend an diese Sitzungen möchte ich im Rahmen meiner Hausarbeit den Vorschlag unterbreiten, Theo Engelens Jugendroman „Das Spiel mit der Angst“, welcher sich mit dem Thema Mobbing in der Schule beschäftigt, mit einer Schulklasse zu lesen und zeitgleich zu behandeln.
Denn, wenn wir eines bei der Beschäftigung mit einer Vielzahl an Beispielen der Kinder- und Jugendliteratur festgestellt haben, ist es die Tatsache, dass unsere Schüler/-innen meist weder zu jung noch zu unreif für eines dieser Themen sind, solange sie beim Leseprozess begleitet werden und die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen, Anregungen zu äußern oder zu diskutieren.
2. Eine kurze Definition von Mobbing
2.1 Was ist Mobbing?
Der Begriff „Mobbing“ stammt vom englischen „to mob“, was so viel bedeutet wie angreifen, über jemanden herfallen, pöbeln oder attackieren.3
Olweus' Definition konnte sich in der Wissenschaft durchsetzen und zog die begrifflichen Grenzen weiter, indem er nicht nur den Akt schwerer körperlicher Gewalt als Mobbing bezeichnet. Vielmehr finden laut Olweus Mobbingprozesse dann statt, wenn „ Personen [ … ] wiederholt undüber eine längere Zeit hinweg den negativen Handlungen durch eine oder mehrere Personen ausgesetzt werden, wobei eine negative Handlung stattfindet, wenn jemand absichtlich einer anderen Person nicht vergleichbarer Stärke Verletzungen und Unannehmlichkeiten beifügt oder beizufügen versucht. “ 4
„ Nicht jede Gewalt ist Mobbing, aber Mobbing ist immer Gewalt. “ 5 - Mit diesem „Leitsatz“ versucht Jannan, klarzustellen, dass beispielsweise eine schwere Sachbeschädigung in einer langen Reihe negativer Handlungen nicht als Sachbeschädigung, sondern als Mobbing zu werten sei. Eine Prügelei auf dem Schulhof, bei der zwei Jungen einen dritten zusammenschlagen ist jedoch nicht als Mobbing, sondern vielmehr als Körperverletzung einzuordnen. Klare Grenzen lassen sich hier jedoch nicht immer ziehen, oft sind die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen fließend.6
Es existieren vier klare Kennzeichen für Mobbing, die für eine eindeutige Unterscheidung von anderen Formen der Gewalt sorgen:
1. Kräfteungleichgewicht:
Mehreren Tätern sowie deren Mitläufern steht ein Opfer gegenüber.
2. Häufigkeit:
Die Übergriffe finden mindestens einmal pro Woche oder häufiger statt.(Diese Einordnung von Zahlen geht auf Analysen von Olweus zurück. Dieser wertete viele Tausend Mobbing-Fälle aus und untersuchte sie auf Gemeinsamkeiten.)
3. Dauer:
Über einen längeren Zeitraum, also Wochen oder Monate, erfolgen Übergriffe.
4. Konfliktlösung:
Aus eigener Kraft ist das Opfer nicht in der Lage, das Mobbing zu beenden.7
2.2 Formen von Mobbing
Die eben erwähnten, negativen Handlungen lassen sich grob in direkte und indirekte Handlungen unterscheiden:
Bei direkten Formen sprechen wir von Handlungen, bei denen Täter und Opfer miteinander konfrontiert werden. An dieser Stelle lassen sich zudem physische und verbale Angriffe unterscheiden. Indirekte Angriffe erfolgen subtiler. Hierbei soll der Anschein geweckt werden, es bestünde keine Absicht, jemanden zu verletzen. Ein Beispiel hierfür bildet der Ausschluss aus der Gruppe.8
3. Tatort Schule
3.1 Mobbing in der Schule
Setzt man sich mit der Frage auseinander, wo Kinder- und Jugendgewalt stattfindet, stellt man fest, dass sich die Lokalitäten grob in zwei Aspekte gliedern lassen: zum einen kann Gewalt innerhalb der Schule zum anderen aber auch außerhalb der Schule ausgeübt werden. Als Grenzfall erscheint die Gewalt auf dem Schulweg, welche die Meinungen der Autoren spaltet. Während der eine Teil dafür plädiert, auch an dieser Stelle gewaltpräventiv tätig zu werden, zählen die anderen diesen Aspekt zur außerschulischen Gewalt.9
Schulische Gewalt lässt sich in physische Gewalt (beispielsweise Sachbeschädigung oder Übergriffe) sowie psychische Gewalt unterteilen.
Die psychische Gewalt gliedert sich zudem in den verbalen Bereich (Beleidigungen, Briefe, SMS, Chats oder das Verbreiten von Gerüchten) sowie den nonverbalen Bereich (Ausschluss einer Person, Erniedrigung, sich von jemandem abwenden) auf.
Die eben erläuterten Handlungen treten jedoch in unterschiedlicher Schwere auf.
Allgemein lässt sich sagen, dass mit der Häufigkeit des Auftretens einer Gewaltform die Schwere abnimmt, was bedeutet, dass man Schubsereien und Rangeleien auf dem Schulhof oft, schwere Prügeleien dagegen seltener beobachten kann.10
Was wissen wir darüber hinaus über Gewalt an Schulen?
Mit dieser Frage beschäftigten sich Fuchs, Lamnek, Luedtke und Baur und stellten einige prägnante und „typische“ Ergebnisse zur bisherigen Gewaltforschung an Schulen zusammen.11
1. Die am häufigsten innerhalb der Schule vorkommende und somit als „typische“ geltende Form von Gewalt stellt die verbale Gewalt, also (wie eben bereits erläutert) das Beschimpfen, Beleidigen oder Verbreiten von Gerüchten dar. Körperliche Gewalt hingegen findet wesentlich seltener statt.
2. Zudem wurde festgestellt, dass Gewalt an Haupt-, Förder- und Berufsschulen häufiger als an Realschulen und insbesondere Gymnasien vorkommt. Es zeigt sich, dass Gewalt von Schülern/-innen mir steigendem Bildungsaspirationsniveau abnimmt. Vermutlich ist dies durch die unterschiedliche Kontrollfähigkeiten der Schultypen zu erklären. An Gymnasien herrscht die höchste Kontrolldichte, welche sich mit der Bedeutung des dort zu erreichenden Abschlusses und dem daraus resultierenden, wirksamen Instrumentarium an Sanktionen begründen lässt. Da Hauptschulen sich immer mehr zu sogenannten „Restschulen“ entwickelt haben, scheinen schulische Sanktionsmittel hier relativ wirkungslos zu sein.
3. Gewalt ist im Bezug auf ihre Verbreitung (nicht nur an Schulen) ein dominant männliches Phänomen. Dies bedeutet nicht, dass Mädchen und Frauen einzig Opfer oder Unbeteiligte darstellen. Es zeigt sich jedoch, dass der Anteil männlicher Schüler bei zunehmender Härte der Gewalt überwiegt.
4. Gewalt an Schulen wird als ein „passageres Phänomen“ beschrieben, was bedeutet, dass es einen vorübergehenden Charakter aufweist. Dieser ist nicht einzig dadurch zu begründen, dass gewaltaktive Schüler/-innen die Schule irgendwann verlassen, sondern vielmehr damit, dass Gewalt an Schulen (zumindest bis zu einem gewissen Grad) als „jugendtypisches“ Verhalten aufgefasst wird. Heute tritt diese Phase der Gewaltaktivität im Allgemeinen früher ein, was durch die Vorverlagerung der Jugendphase erklärt werden kann.
5. Insbesondere körperliche Gewalt ist reziprok, weshalb Gewalt nicht einseitig, also nur von der Täter- oder nur von der Opferseite aus betrachtet werden darf. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass Täter- und Opfersein keine getrennten Erscheinungen sind. Nur zu einem geringen Teil befinden sich also unter den Opfern „unschuldige“ Opfer, die selbst nicht zu Gewaltaktivität neigen, Gewalt also ausschließlich erdulden müssen.
Dieser Zusammenhang tritt besonders bei körperlicher Gewalt auf:
„Wer häufig geschlagen wird, schlägt auch selber überproportional häufig zu - und umgekehrt.“12.
6. Bei der eigentlichen Problemgruppe im Bezug auf Gewalt an Schulen handelt es sich um einen „kleinen harten Kern“, also nicht das Gros der Schülerschaft, das „mäßigere“ Gewalt anwendet, sondern vielmehr um den kleinen, gewaltaktiven Kern an Schülern/-innen, von welchen oft Gewalt ausgeht und dies häufig in brutalerem Maße.
7. Laut eines empirischen Befundes verläuft die Gewalt von Schülern/-innen seit Anfang der 1980er Jahre (entgegen der öffentlich-politisch vertretenen Meinung) relativ konstant. Aus Gründen der Kürze dieser Ausarbeitung werde ich an dieser Stelle nicht genauer auf Zahlen oder Statistiken, welche diesen Befund erläutern, eingehen.
3.2 Maßnahmen gegen Mobbing in der Schule
Jannan findet in seinem Buch einige klare Regeln, an die sich die Institution Schule halten muss um (so gut wie möglich) für ein gewaltfreies Zusammenleben von Schülern/-innen und Lehrern/-innen zu sorgen.
Hierzu zählt die Entwicklung einheitlicher und klarer Regeln, deren Einhaltung konsequent überwacht werden muss, aber auch eine zeitnahe Sanktion bei Verstoß gegen ebendiese Regeln.
Zudem sollten Lehrer/-innen sich bewusst machen, dass sie für die Schüler/-innen wichtige Rollen-Vorbilder darstellen und ihre Reaktionen somit das soziale Lernen der Schüler/-innen beeinflusst.
Darüber hinaus muss der Opferschutz innerhalb einer Lerngruppe Vorrang vor allen übrigen Maßnahmen haben, also in allen Bereichen innerhalb der Schule gewährleistet sein. Für Jugendliche hat sich laut vieler Studien die Schule zum zweitwichtigsten sozialen Entwicklungsraum nach der Familie entwickelt, was zur Folge hat, dass die Institution Schule und somit alle Lehrer/-innen in zunehmendem Maße erzieherische Aufgaben übernehmen werden müssen.13
4. Mobbing in der Schule als Thema der Kinder- und Jugendliteratur
Gewalt ist zu einem Bestandteil des Alltags von Kindern und Jugendlichen geworden, den wir weder ausblenden können noch dürfen. Nicht nur im Fernsehen oder Kino werden sie mit Gewalt konfrontiert, sondern auch im Klassenraum, auf dem Schulhof oder in ihrer Freizeit.
[...]
1 Kasper: Mobbing in der Schule. S. 20.
2 Vgl.: Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Kerncurriculum Deutsch. S. 10, S. 37.
3 Vgl.: Gockel: Mobbing aus pädagogisch-systemischer Perspektive. S. 20f.
4 Olweus: Gewalt in der Schule. S. 22.
5 Jannan: Das Anti-Mobbing-Buch. S. 22.
6 Vgl.: Jannan: Das Anti-Mobbing-Buch. S. 22.
7 Vgl.: Jannan: Das Anti-Mobbing-Buch. S. 26.
8 Vgl.: Alsaker: Quälgeister und ihre Opfer. S. 22f.
9 Vgl.: Jannan: Das Anti-Mobbing-Buch. S. 12.
10 Vgl.: Jannan: Das Anti-Mobbing-Buch. S. 14.
11 Vgl.: Fuchs; Lamnek; Luedtke; Baur: Gewalt an Schulen. S. 23-32.
12 Fuchs, Lamnek, Luedtke, Baur: Gewalt an Schulen. S. 27.
13 Vgl.: Jannan: Das Anti-Mobbing-Buch. S. 12-13.