Die Kulturgeschichte des Reisens bezieht sich auf das zentrale Motiv der Erfahrung des Fremden aus erster Hand. Reisen bedeutet Begegnung mit anderen Menschen, anderen Kulturen und anderen Gewohnheiten. Die Gegenwart des organisierten Massentourismus wird hiervon zwar inspiriert, deutlich erkennbar ist jedoch, dass hier die Begegnung mit dem Fremden „gezähmt“, „kanalisiert“ und erwartbar gemacht wird. Dies grenzt das große Themengebiet der Kulturwissenschaft dahingehend ein, dass sich die Fremdheits- und Kulturerfahrungen im touristischen Kontext an einer vermarktbaren Inszenierung orientieren, die es in dieser Arbeit näher zu betrachten gilt. Verkürzt gesagt: Man kann den Massentourismus durchaus als ein mehr oder weniger in sich geschlossenes System betrachten, das einen Austausch mit seiner Umgebung vermeiden möchte. „Touristen wollen wissen, was sie erwartet, und ihre Freude besteht oft darin, vorzufinden, was sie ohnehin schon wissen. Eine Reise zu tun, ist für Touristen ein kontrollierter Umgang mit der Fremde“. Es soll im ersten Teil dieser Arbeit zunächst der Aspekt der Enträumlichung des Tourismus dargestellt werden. Die Globalisierung hat in vielerlei Hinsicht zu einem Verschwimmen von Kulturgrenzen geführt. Das Erfolgsrezept massentouristischer Dienstleistungen, dem Gast in der Fremde Heimat zu vermitteln, lässt ihn die bereisten Länder aus dem sicheren Schutz der eigens für ihr konstruierten Welt erkunden, in der es ihm an nichts fehlt. Der Tourist, dem auf eine exotisierende und Sehnsüchte weckende Art und Weise die Abwechslung vom Alltag versprochen wird, lokalisiert sich im Tourismus selbst, nicht in der Kultur der Zielregion. Dieses Phänomen bezeichnet die „tourist bubble“, die die Gruppierung der Reisenden als Parallelgesellschaft von der Zielregion abgrenzt. Im zweiten Teil sollen deutlicher die Beziehungsebene und die Interaktion der Gast-Gastgeber-Beziehung in den Fokus rücken. Mit dem Ansatz von Goffman lässt sich diese Beziehung als Rollenspiel analysieren, in der die Kommunikation im Sinne der bezahlten Dienstleistung als Vorderbühne und die Hinterbühne als Ort der persönlichen Identität, der Vorbereitung auf die zu spielende Rolle und der Psychohygiene dargestellt wird. Im Sinne der Aufrechterhaltung des Dienstleistungsangebots gilt eine strikte Trennung, deren Handhabung auf praktischer Ebene sowie auch auf der Beziehungsebene zu Schwierigkeiten für die Gastgeber kommen kann. (...)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Enträumlichung des (Massen-)Tourismus
- Eigenes und Fremdes: Exotisches Erleben heute
- Die ,,tourist bubble“.
- Interaktive Inszenierungen
- Die Vorder- und Hinterbühne
- Eine Studie zu Reiseentscheidung und -verhalten: Der Reiseanbieter Robinson..
- Fazit und Ausblick....
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Kontrolle und Dosierung von Fremdheit im organisierten Tourismus, indem sie den Aspekt der Enträumlichung des Tourismus beleuchtet und die Beziehungsebene zwischen Gast und Gastgeber im Kontext von Dienstleistungen untersucht.
- Die Enträumlichung des Tourismus durch die Globalisierung und die Entstehung der „tourist bubble“
- Die Inszenierung von Fremdheit und die Konstruktion exotischer Erlebnisse
- Die Interaktion zwischen Gast und Gastgeber im Rahmen des Tourismus
- Die Rolle der Dienstleistungskultur und die Erwartungen der Touristen
- Die Auswirkungen von Fremdheitserfahrungen auf die Kultur und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Kontrolle und Dosierung von Fremdheit im Tourismus ein und stellt die Verbindung von Tourismus und Arbeitsmigration in Europa nach 1945 dar. Im ersten Teil wird die Enträumlichung des Tourismus durch die Globalisierung und die Entstehung der „tourist bubble“ beschrieben. Dabei wird die Bedeutung von neuen Kommunikationstechnologien, globalen Produkten und einer fortschreitenden kulturellen Homogenisierung hervorgehoben. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Beziehungsebene und die Interaktion zwischen Gast und Gastgeber, die als Rollenspiel im Sinne von Goffman analysiert wird. Die Arbeit beleuchtet die Vorder- und Hinterbühne der Kommunikation im Tourismus und untersucht die Schwierigkeiten, die aus der permanenten Rollenkonformität für die Gastgeber entstehen können.
Schlüsselwörter
Fremdheit, Tourismus, Enträumlichung, Globalisierung, "tourist bubble", Dienstleistung, Interaktion, Gast-Gastgeber-Beziehung, Rollenspiel, Vorder- und Hinterbühne, Kultur, Gesellschaft.
- Citar trabajo
- Moritz Sturmberg (Autor), 2012, Kontrolle und Dosierung von Fremdheit im organisierten Tourismus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279652