Extracto
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Reden und Schweigen- Enite zwischen Tugend und Liebe
2.1 Enites Schweigen als Zeichen von Erecs Macht
2.2 Enites Reden als Liebesbeweis zu Erec
3 Zusammenfassung und Fazit
4 Quellenverzeichnis
1 Einleitung
„Wenn man sagt, daß Reden und Schweigen das Hauptthema des „Erec“ ist, dürfte man heute kaum noch Widerspruch finden.“[1]
Seit Jahrzehnten werden die Motive für das Reden und Schweigen im Erec in zahlreichen Werken diskutiert.[2] Die Analysen bedienen sich dabei ganz unterschiedlicher Themen. So geht es um das allgemeine Geschlechterverhältnis im Mittelalter, um die Erzählerrolle, Liebesbeweise, Unterwerfung, Macht etc. Beobachtet werden das Reden und Schweigen in bestimmten Zeiträumen oder in gesellschaftlichen Kontexten. Dabei wurden immer neue Interpretationsansätze gefunden.
In der folgenden Hausarbeit sollen zwei besonders interessante Motive zum Reden und Schweigen, auf Enite bezogen, untersucht werden, die vor allem das Bild der Beziehung von Erec und Enite aufzeigen sollen. Konkret geht es darum, aus welchen Gründen Enite schweigt und redet und was dies letztlich für ihre Beziehung zu Erec bedeutet.
Zum einen wird untersucht, inwiefern das von Erec erteilte Redeverbot seine Macht über Enite beweist, zum anderen wird genauer analysiert, wann Enite ihr Schweigen bricht. Hierbei soll der These nachgegangen werden, ob sie dies ausschließlich aus Liebe zu Erec oder nur aus ehelicher Verpflichtung tut.
Natürlich würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen alle Erklärungen zu finden, wie welche Rede- und Schweigemotive im Erec warum thematisiert werden. Es soll aber zumindest eine Verbindung zwischen dem Verhalten Enites und der Bedeutung der Liebe und der Ehe in der Artusepik schaffen. Bereits gefundene Interpretationen aus anderen Werken sollen dabei miteinfließen um den Zusammenhang einfacher darstellen zu können. Es geht also hauptsächlich um die Frage, ob das Redeverbot Erecs nur ein Machtspiel oder auch ein „Liebestest“ gegenüber Enite ist und ob Enite sich eventuell schon letzterem bewusst war und deshalb auch bewusst das Redeverbot gebrochen hat. Für die Beantwortung dieser Frage sollen auch Interpretationen aus der Forschung zur mittelalterlichen Liebe miteinbezogen werden.
2 Reden und Schweigen- Enite zwischen Tugend und Liebe
Ausgangspunkt der Rede- und Schweigeproblematik ist das von Erec erteilte Redeverbot gegenüber Enite.
Nach der Heirat verliert sich Erec in seiner Liebe zu Enite und vernachlässigt seine Herrschaftspflichten. Der Hof beginnt über sein desinteressiertes Verhalten zu reden und Enite erfährt von der negativen Meinung, die das Volk gegenüber Erec hat. Erstmals taucht in diesem Kontext die Liebesthematik auf, denn Enite verschweigt Erec, dass der Hof über ihn urteilt. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Enite schweigt, weil sie Angst hat Erec zu verlieren und ihm letztlich die Herrschaft wichtiger sein könnte als die mînne.
[…] als si den itewîz vernam,
des wart vil riuwic ir muot […]
Êrecke engetorste siz niht klagen:
si vorhte in dâ verliesen mite […]
(Erec, 3001- 3002; 301- 3012)
Auf die Motivik der Liebe wird im späteren Unterkapitel noch genauer eingegangen.
Als Enite Erec schlafend vermutet, klagt sie ihr Leid, nicht wissend, dass Erec sie hören kann und ihm nunmehr bewusst ist, dass der Hof verärgert ist, da er seine Pflichten nicht erfüllt hat. Erec stellt Enite zur Rede und diese eröffnet ihm nun alles, was sie vom Volke gehört hat.
s i sprach: ,wê dir, dû vil armer man,
und mir ellendem wîbe,
daz ich mînem lîbe
sô manegen vluoch vernemen sol.‘
dô vernam Êrec die rede wol.
Als si der rede hete gedaget,
Êrec sprach: ,vrouwe Ênite, saget,
waz sint iuwer sorgen
die ir dâ klaget verborgen?‘ […]
(Erec, 3029- 3037)
Daraufhin trifft Erec die Entscheidung, zur âventiure aufzubrechen. Enite soll Erec begleiten, dieser erteilt ihr in diesem Zusammenhang das besagte Redeverbot, welches eines der wichtigsten Motive des gesamten Romans darstellt. Eine konkrete Begründung, warum Enite schweigen muss wird jedoch nicht ausdrücklich gegeben.[3]
In den folgenden zwei Unterkapiteln sollen nun zwei mögliche Erklärungen untersucht werden, warum Erec Enite zum Schweigen zwingt.
2.1 Enites Schweigen als Zeichen von Erecs Macht
Britta Bussmann nennt in ihrem Text als einen möglichen Grund für das Redeverbot, dass Enite „[die] Kritik des Hofes zwar wahrgenommen, dieses Wissen aber gegenüber ihrem Mann verschwiegen und ihm damit eine benötigte Zurechtweisung verweigert [hat].“[4]
Zudem zwingt Erec Enite beim Aufbrechen zur Aventiure-Fahrt voran zu reiten. „Der gefahrenvolle Posten der Vorhut bedroht Enites Sicherheit und Leben. Erec setzt die zumindest bis dahin von ihm geliebte Frau potentiell dem Tod aus.“[5]
Somit könnte Erec das Redeverbot und das Voranreiten während der âventiure vorrangig als Strafe verhängt haben.
Albrecht Classen wiederum sieht im Redeverbot eine Art Eingeständnis von Erec, der sich seiner Schuld nun bewusst ist und „dann aber auf Enite sein Schuldbewusstsein projiziert und ihr ein Schweigegebot auferlegt.“[6]
Beide Interpretationsansätze vereinen ein entscheidendes Motiv im Artusroman: Die Macht und Überlegenheit des Mannes.
Egal, ob Erec das Redeverbot als Strafe oder durch Übertragung seiner eigenen Schuld auf Enite verhängt, so hat er doch überhaupt die Macht Enite das Reden zu verbieten. Erec droht Enite sogar mit dem Tod, sollte sie das Verbot brechen:
Niuwan bî dem lîbe,
der schoenen vrouwen Êniten,
daz si muoste vür rîten,
und verbôt ir dâ zestunt
daz ze sprechenne ir munt
zer reise iht ûf kaeme,
swaz si vernaeme
oder swaz si gesaehe
diese kumberlîche spaehe
muoste si geloben dô,
wan si vorhte sîne drô.
(Erec, 3095- 3105)
Anhand des Redeverbots wird die Überlegenheit Erecs und symbolisch die des Mannes am Hof deutlich. „Enite wird durch das Verhalten ihres Ehemannes nicht nur zeichenhaft ihres Standes beraubt, sie büßt auch ihre Identität vollständig ein.“[7] Allgemein galt im Mittelalter, dass das Reden ein Ausdruck von Macht und starker Persönlichkeit ist, das Schweigen hingegen Gehorsam und Tugendhaftigkeit darstellt.[8]
Die Macht Erecs in diesem Zusammenhang wird auch deutlich durch die Konsequenzen, die er Enite androht. Sie muss sich zwangsläufig in den Gefahrensituationen, die den beiden bevorstehen zwischen ihrem und Erecs Leben entscheiden.
w arne ich mînen lieben man,
dâ genim ich schaden an,
wan sô hân ich den lîp verlorn.
wirt aber diu warnunge verborn,
daz ist mîns gesellen tôt.
(Erec, 3160- 3164)
Mit der Entscheidung, dass sie notfalls ihr Leben für das ihres Mannes opfern will, zeigt sie sich als „standhaft“ und „korrigiert ihr Fehlverhalten aus Karnant“[9].
[...]
[1] Bumke, 2006, S. 113.
[2] Vgl. ebd., S. 113.
[3] Vgl. Bumke, 2006, S. 113.
[4] Bussmann, 2005, S. 7.
[5] Fritsch-Rößler, 1999, S. 41.
[6] Classen, 1993, S.32.
[7] Bussmann, 2005, S. 15.
[8] Vgl. Bumke, 2006, S. 117.
[9] Vgl. Bussmann, 2005, S. 19.
- Citar trabajo
- Franziska Schmidt (Autor), 2014, Bedeutung und Funktion von Enites Reden und Schweigen im Erec, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279711
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