Die erkenntnistheoretische Masterarbeit untersucht die kognitionstheoretischen Gründe und die Kontinuität der Weiterverbreitung von Vorurteilen. Das Phänomen Angst kennzeichnet die mangelnde Fähigkeit komplexe, differenzierte Kategorien des Denkens zu bilden. Die psychologischen und sozial-psychologischen Ursachen werden nicht allein der soziologisch begründeten „anerzogenen Dummheit“ (Mitscherlich, 1969) zugeschrieben, sondern explizit der unterentwickelten personalen Intelligenz, die mit der Ängstlichkeit korreliert und somit den Nährboden für vorurteilsbehaftetes Denken der gesellschaftlichen Majorität ergibt.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stellt ein Denkmuster dar, das unterschiedlich gefüllt sein kann. Dehumanisierung bis hin zur Elimination sind die Formen einer distanzierenden Verweigerung von Identifikation.
Die Intersektorale Vorurteilsforschung stellt, als ein aktuelles Beispiel der Queer- u. Gendertheorie, dar, dass diskriminierende Zuschreibungen mehrdimensional sind und auch innerhalb von Gruppenhierarchien latent oder offen gelebt werden. Daneben werden Tokeneffekte sichtbar. Diese sozialen Konkretionen des vorurteilsbehafteten Denkens lassen kaum Revisionsmöglichkeiten zu. Bipolare Zuschreibungen bestätigen und reproduzieren die tradierten Vorurteile.
Vorurteile sind immer auch mit Ressourcenverteilung, z.B. am Arbeitsmarkt, verkoppelt und so ist auch die fakultative Medizin nicht frei von Angst und Machtgefügen. Nicht-öffentliche Finanzierung und Rationalisierung führen zur sozialen Normierung. Daneben sind benevolente Vorurteile in der Pflege von Menschen mit einer Behinderung traditionell vorhanden, sie adeln die Helfenden, darin liegt ihre primäre gesellschaftliche Funktion.
Mit Canguilhems Dissertation, Versuch über einige Probleme, das Normale und das Pathologische betreffend von 1943, wird ein Perspektivwechsel möglich, der dem Selbstverständnis von Menschen mit einer Behinderung als gleichwertige Menschen entspricht. Während die Medizin-Philosophie den ideengeschichtlich verankerten Gesundheitsbegriff aus seiner starr monistischen Bipolarität löst, hin zu einem komplementären Modell des Pathologischen, erlaubt auch die exemplarisch durchgeführte theologische Interpretation des Alten und Neuen Testaments diese Sicht: Die sozialen Hierarchisierungen zu überwinden.
Inhaltsverzeichnis
- Teichoskopisches Vorwort
- EXPOSITION:
- Vorurteilsmuster nach Horkheimer
- Selbstportrait durch Andere
- Das wissenschaftstheoretische Konstrukt „Behinderung“ im historischen Abriss
- Zum Begriff des „normalen“ bei Canguilhem
- I. INDIVIDUALITÄT
- Psychologische Betrachtung: Angst, der Nährboden für Vorurteile
- I.1 Fremd ist Feind
- 1.2 Pathologie der Vermeidung
- 1.3 Lernen als gesunde Auseinandersetzung Konditionierung, Erziehung oder Erkenntnisfähigkeit des Menschen?
- II. IDENTIFIKATION
- Psycho-soziologische Betrachtung: nicht-reflektierte, tradierte Vorurteile in Gruppen
- II.1 Vermeidung, Aggression und exklusive Dehumanisierung
- II.2 Im Konfliktfall: Tokenism vs. Identifikation
- II.3 Soziale Konkretion statt Revision
- Quod erat demonstrandum
- WISSENSCHAFTSKRITISCHER EXKURS: OBJEKTIVITÄT – Das Individuum als Objekt der Professionalisierung in der Medizin und Pflege
- III. RESPONSIVITÄT
- Katharsis: Philosophische Kritik
- III.1 Kurze Chronologie der ideengeschichtlichen Verflechtungen der Begriffe von gesund, normal, und pathologisch innerhalb der fakultativen Medizin seit der Moderne
- III.3 Canguilhems Begriff der „Heilung“
- THEOLOGISCHER EPILOG
- Die Téchne der Moral vs. die Logik der Ethik
- Beispiele der Thora
- Beispiel des Neuen Testaments
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit analysiert die kognitiven Gründe und die Verbreitung von Vorurteilen. Sie untersucht die psychologischen und sozialpsychologischen Ursachen, die nicht nur auf „anerzogene Dummheit“ zurückzuführen sind, sondern auch auf unterentwickelte personale Intelligenz, die mit Ängstlichkeit korreliert. Die Arbeit beleuchtet die Rolle von Schule, Bildung und Wissenschaft in Bezug auf Inklusion und kritisches Denken. Sie analysiert die Intersektorale Vorurteilsforschung und die Auswirkungen von Vorurteilen auf Ressourcenverteilung und soziale Normierung.
- Kognitionstheoretische Grundlagen von Vorurteilen
- Rolle von Angst und unterentwickelter Intelligenz
- Bedeutung von Bildung und Inklusion
- Intersektorale Vorurteilsforschung und Gruppenhierarchien
- Soziale Konkretion von Vorurteilen und Ressourcenverteilung
Zusammenfassung der Kapitel
Das Vorwort beleuchtet den Alltag von Menschen mit Behinderung und stellt den Titel der Arbeit in den Kontext gesellschaftlicher Diskriminierung. Der erste Teil, „EXPOSITION“, widmet sich den Vorurteilsmustern nach Horkheimer, der Selbstwahrnehmung durch Andere, der wissenschaftstheoretischen Konstruktion von „Behinderung“ und dem Begriff des „Normalen“ bei Canguilhem. Der zweite Teil, „INDIVIDUALITÄT“, untersucht die psychologische Perspektive von Angst als Nährboden für Vorurteile, die Pathologie der Vermeidung und Lernen als Auseinandersetzung. Der dritte Teil, „IDENTIFIKATION“, analysiert die psycho-soziologischen Aspekte von Vorurteilen, die Vermeidung, Aggression und Dehumanisierung sowie den Konflikt zwischen Tokenism und Identifikation. Der vierte Teil, „WISSENSCHAFTSKRITISCHER EXKURS“, betrachtet die Objektivität und das Individuum als Objekt der Professionalisierung in Medizin und Pflege. Der fünfte Teil, „RESPONSIVITÄT“, behandelt die philosophische Kritik und die ideengeschichtlichen Verflechtungen des Gesundheitsbegriffs in der Medizin. Der „THEOLOGISCHER EPILOG“ betrachtet die Moral und Ethik im Kontext des Alten und Neuen Testaments.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Vorurteile, Inklusion, Behinderung, Angst, Intelligenz, Bildung, Intersektorale Vorurteilsforschung, Tokenism, Dehumanisierung, Ressourcenverteilung, soziale Normierung, Medizin, Pflege, Philosophie, Theologie.
- Quote paper
- Frauke Veigel (Author), 2014, Behinderungen für Menschen mit Inklusionsproblemen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279722