Die totalitären Züge in Platons "Politeia"


Trabajo de Seminario, 2013

16 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum Begriff >Totalitarismus<

3. >Totalitarismus< bei Karl Popper
3.1 Historizismus
3.2 Die offene und die geschlossene Gesellschaft

4. Die geschlossene Gesellschaft Platons
4.1 Gerechtigkeit und die 3-Stände-Gesellschaft
4.2 Erziehung und Eugenik

5. Abschließende Bemerkungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

Die Erfahrungen mit totalitären Schreckensherrschaften haben einige Autoren dazu veranlasst, der Entwicklung nachzuforschen, die diesen Regimen vorausgeht. Einer von ihnen war Karl Popper, der seine Konzeption auf die Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Gesellschaften stützt. Letztere bilden bei ihm die Ideologie, auf welcher letztlich totalitäre Regime beruhen. Sie zeichnen sich durch ihre Rückwärtsgewandtheit aus, d.h. durch ihre Orientierung an vergangenen Gesellschaftsformen, wie den patriarchalischen Stammesgesellschaften. Ihnen stellt er die offene Gesellschaft gegenüber, die sich befreit von >magischen Stammestabus< und kritisches Hinterfragen fördert.

In seinem ersten Band von >Die offene Gesellschaft und ihre Feinde - Der Zauber Platons< geht Popper mit Platon streng ins Gericht. Bei ihm findet er nicht nur die Rückwärtsgewandtheit und Orientierung an vergangenen, geschlossenen Stammesgesellschaften; vielmehr sieht er bei Platon bereits alle wesentlichen Elemente des Totalitarismus, wie er heute verstanden wird. Wobei es sich dabei im wesentlichen handelt, habe ich in dieser Arbeit versucht zusammenzutragen, indem ich die mir als die wichtigsten erscheinenden Aspekte in Poppers Werk herausgearbeitet und mit Platons >Politeia< in Bezug gesetzt habe Um die Vorwürfe Poppers besser beurteilen zu können, habe ich der Darstellung seiner Position zunächst eine allgemeine Begriffsbestimmung vorangestellt. Den Schluss bilden einige kurze Bemerkungen, die ich den Vorwürfen Poppers entgegenhalten möchte.

2. Zum Begriff >Totalitarismus<:

Ich möchte zunächst festhalten, dass keine allgemein gültige Definition des Begriffs >Totalitarismus< besteht - was unter anderem damit zu tun hat, dass die jeweiligen Konzeptionen durch die politischen Haltungen der Autoren geprägt sind -, auch wenn er heute gemeinhin in seiner Verwendung negativ konnotiert ist und gewisse Merkmale, wie z.B. Gewaltherrschaft und Unterdrückung, meiner Wahrnehmung nach immer mit ihm in Verbindung gebracht werden. Der Begriff bezeichnet einerseits konkrete „Formen politischer Herrschaft und gesellschaftlicher Ordnung, die im 20. Jh. erstmals in Erscheinung getreten sind“1 - namentlich die bolschewistische, faschistische und nationalsozialistische Herrschaft - und welche aufgrund ihrer „charakteristischen politischen Einstellungen und Praktiken“2 als totalitär bezeichnet werden. Andererseits wird unter >Totalitarismus< ein „Typus weltanschaulicher Überzeugungen verstanden, die den Anspruch auf eine umfassende, als alternativlos behauptete Einsicht in die Geschichte und Zukunft der Gesellschaft mit dem Auftrag zur praktischen Realisierung dieser Einsicht verbinden.“3 Im Sinne einer Beurteilung des platonischen Staates hinsichtlich seiner totalitären Züge und der sich darauf beziehenden Kritik von Karl Popper, soll ein kurzer Überblick über die Merkmale totalitärer Herrschaft in den Totalitarismustheorien als Orientierung dienen:

Eine erste theoretische Grundlage des bis dato rein politischen Schlagwortes stammt von dem italienischen Priester und Politiker Luigi Sturzo, der in seinem 1926 publizierten Band >Italy and fascism< „die totalitären Merkmale des faschistischen Staates wie Ausschaltung der Opposition, Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Umwandlung der Staatsgewalten in eine einzige Macht, Errichtung einer Gewaltherrschaft“4 herausarbeitete.

Zwischen 1933 und 1945 entstanden vermehrt Totalitarismus-Konzeptionen in welchen das nationalsozialistische System im Mittelpunkt stand.5 Bei einer interdisziplinären Tagung 1939 in den USA wurde eine erste Bilanz gezogen.

Die Gemeinsamkeiten von Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus sah man a) im Monopolanspruch einer Partei und ihres Führers, b) in der Massenbasis in unteren und mittleren Schichten, c) in pseudodemokratischen Legitimierungstechniken und massenmedialen Manipulationen und d) in der rücksichtslosen Anwendung von Macht und Gewalt.6

Eine wirkungsgeschichtlich erfolgreiche Totalitarismuskonzeption wurde von C.J. Friedrich gemeinsam mit Z.K. Brzezinski entwickelt. Sie definierten sechs Elemente zur Abgrenzung totalitärer Regime von anderen Autokratien: „eine eschatologische Ideologie, Einparteienherrschaft, die Organisation einer Massenbasis, die systematische Terrorisierung der Bevölkerung, organisiert von Geheimdiensten, das staatliche Waffenmonopol und eine gelenkte Wirtschaft“7. Hannah Arendt interessierte sich vor allem für die historischen Voraussetzungen, welche dem Totalitarismus förderlich sind und sah diese in Elementen wie „Antisemitismus, Rassismus, Imperialismus, Panbewegungen, Niedergang des Nationalstaates, Untergang der Klassengesellschaft [und] Entstehung der Masse“8.

3. >Totalitarismus< bei Karl Popper:

Der Begriff des Totalitarismus wird von Popper nicht näher erläutert, er scheint bei ihm weitgehend identisch mit >Kollektivismus< zu sein. „Die totalitäre Staatsauffassung“, so Popper, „[...] ist die Moral der geschlossenen Gesellschaftsordnung - der Gruppe, des Stammes, der Horde; sie ist nicht individuelle, sondern kollektive Selbstsucht.“9 Ihm geht es allerdings weniger um eine Definition als vielmehr darum, den Ursprung totalitärer Systeme zu verstehen. Sein Werk versucht „einen Beitrag zum Verständnis dieser [totalitären] Ideen und zur Bedeutung unseres ewigen Kampfes gegen sie zu leisten“10. Trotzdem lässt er natürlich durchblicken was er unter Totalitarismus versteht indem er die totalitären Merkmale des platonischen Idealstaats kennzeichnet (siehe Kapitel: Die geschlossene Gesellschaft Platons). Doch um die Totalitarismuskonzeption von Karl Popper zu verstehen, muss zunächst seine zugrundeliegende Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Gesellschaften erläutert werden, da geschlossene (Stammes-) Gesellschaften für ihn den Ursprung totalitärer Systeme darstellen. Als Motiv für jene Gesellschaftskonzeptionen die er >geschlossen< nennt, sieht er die Vorstellung eines gesetzmäßig verlaufenden Geschichtsprozesses, welche er als >Historizismus< bezeichnet. Im folgenden gehe ich kurz auf diese grundlegenden Auffassungen Poppers ein.

3.1 Historizismus:

Popper führt den Begriff >Historizismus< ein, um ein ihm zufolge grundlegendes, jedoch weitverbreitetes Missverständnis der wissenschaftlichen Methode der Sozialwissenschaften darzulegen. Es besteht in der Annahme, „daß eine wahrhaft wissenschaftliche oder philosophische Haltung der Politik gegenüber und ein tieferes Verständnis des Soziallebens im allgemeinen auf einer Betrachtung und Deutung der menschlichen Geschichte beruhen muß“11. Diese Annahme kann zu der Vorstellung führen, dass Gesetze in diesen Entwicklungen erkennbar sein müssen und infolge deren Entdeckung Prophezeiungen über zukünftige Entwicklungen möglich sind.

Konsequenterweise würde dies einen strengen Determinismus der menschlichen, also der sozialen und kulturellen Geschichte bedeuten und zu einem ethischen Nihilismus führen. Doch charakteristisch für die meisten Historizisten sei die „Tendenz, den letzten Konsequenzen des Historizismus auszuweichen“12, indem der stetigen Veränderung ein Unveränderliches - etwa ein die Veränderung bestimmendes Gesetz, oder die >Ideen< bei Platon - zugrunde gelegt wird. Hand in Hand mit einer historizistischen Einstellung geht die außerordentliche Bedeutung des Kollektivs oder der Menschheit, wohingegen die Bedeutung des Individuums in den Hintergrund tritt - ein Aspekt der, wie ich später noch zeigen werde, nach Popper wesentlich für geschlossene Gesellschaften und somit in weiterer Folge für totalitäre Systeme ist. Dem Historizisten stellt Popper zunächst den Sozialtechniker gegenüber.

Er [der Sozialtechniker] hält den Menschen für den Herrn seines eigenen Geschicks, und er glaubt, daß wir ebenso, wie wir das Antlitz der Erde verändert haben, auch die Geschichte des Menschen in Übereinstimmung mit unseren Zielen beeinflussen oder verändern können; der Sozialtechniker glaubt nicht, daß uns diese Ziele durch unseren historischen Hintergrund oder durch geschichtliche Tendenzen auferlegt werden […].13

Platons Lehre ist für Popper das früheste Beispiel einer Kombination aus Historizismus und Sozialtechnik. „Diese Kombination ist für eine beträchtliche Anzahl von Sozialphilosophen und politischen Philosophen charakteristisch, deren Lehrgebäude später utopische Systeme genannt wurden.“14 Nur in aller Kürze an dieser Stelle: Popper unterscheidet die >utopische Sozialtechnik<, die zunächst ein Ideal definiert und alle politischen Handlungen gemäß diesem Ideal ausrichtet - hier besteht die Gefahr dass der Zweck alle Mittel heiligt -, von der >Sozialtechnik der kleinen Schritte<, die sich darauf beschränkt, die konkreten gegenwärtigen Übel zu bekämpfen, ohne dabei diese kleinen Schritte aus einem übergeordneten idealen Gesellschaftskonzept abzuleiten.15

[...]


1 H.J. Sandkühler, Enzyklopädie Philosophie, Hamburg, 2010, S. 2758.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel, 1998, S. 1297.

5 Ritter, S. 1298.

6 Ebd.

7 Sandkühler, S. 2759.

8 Ritter, S. 1298.

9 Karl R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde - Der Zauber Platons, Tübingen, 2003, S. 130.

10 Popper, S. 3.

11 Popper, S. 12.

12 Popper, S. 28.

13 Popper, S. 29.

14 Popper, S. 31.

15 Vgl. Popper, S. 187ff.

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Die totalitären Züge in Platons "Politeia"
Universidad
University of Vienna  (Philosophie)
Curso
Platons: Politeia
Calificación
1
Autor
Año
2013
Páginas
16
No. de catálogo
V279823
ISBN (Ebook)
9783656736059
ISBN (Libro)
9783656736028
Tamaño de fichero
511 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Platon, Politeia, Der Staat, Karl Popper, Totalitarismus, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Platon Kritik, Historizismus
Citar trabajo
Simon Rauter (Autor), 2013, Die totalitären Züge in Platons "Politeia", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279823

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