Strukturen der Korruption und ihre Täter


Texte Universitaire, 2007

30 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einführung in die Problematik

Korruption, ein geschichtliches, aber auch aktuelles Phänomen

Die Principal-Agent-Theorie

Tatverdächtige
Angaben zu den „Nehmern“ (Korrumpierte) -Quelle: BKA 2005-
Funktion
Nationalität
Amtsträger
Dauer der Aufgabenwahrnehmung

Angaben zu den „Gebern“ (Korrumpierer) -Quelle: BKA 2005-
Funktion
Nationalität

Art und Höhe der Vorteile für „Nehmer“ und „Geber“
Vorteile für die „Nehmer“
Vorteile für die „Geber“

Situative Faktoren des Korrumpierens
Einflüsse durch die Gesellschaft
Einflüsse durch das berufliche Umfeld
Einflüsse durch das private Umfeld

Personale Faktoren des Korrumpierens
Das Problem der Persönlichkeit aus psychiatrischer Sicht
Die „Persönlichkeit“ des Menschen
Das Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität)

Unterschiedliche Strukturen => unterschiedliche Täter (nach B. Bannenberg)
Struktur I: Einzelfall-, Gelegenheits- und Bagatellkorruption
Die Täter

Struktur II: Die strukturelle Korruption (gewachsene Beziehungen)

Struktur III: Netzwerke

Täter der Strukturen II und III
„Betrügerpersönlichkeiten“
Der typische Täter struktureller Korruption
Struktur IV: Organisierte Nicht-Wirtschaftskriminalität

Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

Einführung in die Problematik

Bis vor wenigen Jahren war Korruption noch ein Thema, welches man vor allem mit Entwicklungsländern, mit Osteuropa oder mit südeuropäischen Ländern, nicht aber mit Deutschland in Verbindung brachte.

Mittlerweile ist Korruption in aller Munde und auch in Deutschland bei aktuellen gesellschaftliche Diskussionen zu einem dominanten Thema geworden. Dass allein in Deutschland der öffentlichen Hand pro Jahr Schäden in Höhe von mehreren Milliarden (Mrd.) Euro durch Wirtschaftsstraftaten entstehen, dürfte den wenigsten bekannt sein.

Das Problem „Korruption“ stammt jedoch nicht aus Moskau oder Sizilien – wir haben es selbst erschaffen. „Ob in Politik, Verwaltung oder Wirtschaft, in kommunalen Betrieben, Medien oder Kliniken: Das Monster Korruption breitet sich metastasenartig aus.“[1] „Wir sind Zeitzeugen einer anhaltenden weltweiten Korruptionskonjunktur, die bis vor kurzem noch für undenkbar gehalten wurde. Korruption ist zu einem gravierenden Problem gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung geworden.“[2]

Korruption, ein geschichtliches, aber auch aktuelles Phänomen

Korruption ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Schon vor über dreitausend Jahren unterschied man z.B. in Ägypten und in Babylon zwischen Geschenken und legalen Zahlungen einerseits und Bestechungsgeldern andererseits.[3]

Im Deutschen Reich flossen im Jahre 1870 aus Bismarcks geheimen Welfen-Fonds jährlich 300.000 Goldmark an König Ludwig II. von Bayern als Gegenleistung für das Angebot der Kaiserkrone an König Wilhelm von Preußen, wobei Graf Max von Holnstein für seine Dienste bereits 10 % Provision kassierte.

Bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland soll ebenfalls die parlamentarische Entscheidung über den Regierungssitz mit Bestechungsgeldern beeinflusst worden sein.[4]

Und heutzutage? „Korruption hat Konjunktur: Bestechung, Ämterpatronage, Filz, Vorteilsannahme, Verknüpfung privater und dienstlicher Interessen, dubiose Beraterverträge und Rüstungsgeschäfte.“[5] Es vergeht kaum mehr ein Tag, an dem das Thema Korruption in Verbindung mit einem der o.g. Begriffe nicht in irgendeiner Form von den Medien aufgegriffen und für brisant erklärt wird. Aktuell wird die Öffentlichkeit täglich mit neuen Meldungen über schwarze Kassen und Schmiergeldzahlungen beim deutschen Vorzeigeunternehmen Siemens erschüttert. Von Schwarzgeldkonten mit weit über 200 Millionen (Mio.) Euro, von denen die Vorstandschaft und sogar die Anti-Korruptionsabteilung wusste, ist die Rede.[6]

In der heutigen Unternehmenspraxis gehören Werbegeschenke und kleine Aufmerksamkeiten zu den allgemeinen Geschäftsgebaren. Dies wird als alltägliche Geschäftspraxis angesehen, denn „auch kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft.“[7]

Diese Praxis bedeutet jedoch meist, dass es nicht bei kleinen Geschenken und Aufmerksamkeiten bleibt, vielmehr nehmen diese Zuwendungen kriminelle Ausmaße an, die dann schließlich in krimineller Korruption enden.

Den Schwerpunkt der folgenden Arbeit stellen Strukturen und „Täterprofilings“, in unterschiedlichen Korruptionsfällen, dar. Ausgehend von der grundlegenden „Principal-Agent-Theorie“ werden Angaben zu den „Nehmern“ und „Gebern“ beschrieben, bevor anschließend die Faktoren des Korrumpierens, sowie unterschiedliche Strukturen und Täter der Korruption erörtert und personalisiert werden.

Die Principal-Agent-Theorie

Die Principal-Agent-Theorie beschreibt einen Zweig der Wirtschaftstheorie, der die Kooperation zwischen Wirtschaftssubjekten beim Vorliegen von Interessenkonflikten und Informationsasymmetrien zum Gegenstand hat. Im Blickpunkt steht hier die vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen Vertretenem (Prinzipal) und Vertreter (Agent). In der Praxis ist diese Konstellation häufig z. B. zwischen Unternehmensgründer und angestelltem Manager zu erkennen.

Die Beziehungen kommen häufig durch einen Auftrag zwischen dem Agenten (Aufragnehmer) und dem Prinzipal (Auftraggeber) zustande. Weitere Beispiele für die Prinzipal-Agent-Beziehung sind z. B. Beziehungen zwischen Arzt (Agent) und Patienten (Prinzipal), Vorstand (Agent) und Anteilseigner (Prinzipal) oder Rechtsanwalt (Agent) und Klient (Prinzipal). Wenn der Agent häufig seinen eigenen Nutzen verfolgt, wird er dem maximalen Unternehmensziel und somit dem Nutzen des Prinzipals nicht gerecht. Man spricht in diesem Fall vom sog. „Agency-Problem“.[8]

Eine Kontrolle des Agenten ist nur bedingt möglich, da der Prinzipal nicht mit den notwendigen Informationen ausgestattet ist. Die Theorie untersucht also Möglichkeiten, mit verschiedenen institutionellen Regelungen (z.B. im Arbeitsvertrag) die Nutzensituation des Prinzipals zu verbessern.[9]

Tatverdächtige

Angaben zu den „Nehmern“ (Korrumpierte) -Quelle: BKA 2005-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Verteilung der „Nehmer“ nach Behörden und Unternehmen der Wirtschaft[10]

Die Ermittler verzeichneten in den 1.649 Ermittlungsverfahren insgesamt 8.323 Tatverdächtige, darunter 5.519 tatbereite „Nehmer“. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Behörden bzw. privatwirtschaftlichen Unternehmen liegen zu 98 % der „Nehmer“ konkrete Angaben vor.

Der größte Anteil im Bereich der Universität/Bildung (52,9 %) resultiert aus einer Vielzahl von Verfahren in Schulen und Kindergärten, deren Leiter als „Nehmer“ beteiligt waren. Gegenüber dem Vorjahr ist eine signifikante Steigerung von 41 Fällen auf 2.857 Fällen im Jahr 2005 zu registrieren. Auch im Bereich der Kommunalbehörde ist die Zahl der „Nehmer“ deutlich gestiegen. Der hohe Anteil ist damit zu begründen, dass in kommunalen Einrichtungen eine Vielzahl von Aufträgen vergeben oder Genehmigungen erteilt wurden.

Bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen ist gegenüber den Höchstwerten in den Jahren 2002 und 2003 nur eine verschwindend geringe Anzahl zu verzeichnen. Die Bereiche Baubehörde, Private Firmen, Polizei, Justiz, Verkehrsbehörde lassen wiederum leichte Zuwächse bei den „Nehmerzahlen“ erkennen. Unter dem Begriff „Sonstige“ sind Einrichtungen wie z.B. Arbeitsämter, Sozialämter, Ingenieurbüros oder Finanzbehörden zusammengefasst.

Nahezu alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung, aber auch zunehmend private Firmen/Wirtschaftsunternehmen sind nach dieser Darstellung von Korruption bedroht. “[11]

Funktion

Festzuhalten ist auch, dass bei rund 98 % der 5.519 „tatbereiten Nehmer“ Angaben zu deren Funktion zur Tatzeit vorliegen. Demnach ist der größte Teil mit 55,5 % in leitender Funktion tätig, während auf sachbearbeitende Funktionen 41,4 % entfallen. Eine Vielzahl der „Nehmer“ in leitender Position entstammt dem Bereich der Schulen und Kindergärten. Zu den „tatbereiten Nehmern“ zählen zudem mit rund 1 % die Bürgermeister (=50 Personen) sowie Sonstige zu 2,2 %.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Verteilung der „Nehmer“ nach Funktion[12]

Nationalität

Bei 99 % der tatbereiten „Nehmer“ handelt es sich um Täter deutscher Staatsangehörigkeit. „Nehmer“ mit ausländischer Staatsangehörigkeit spielten insoweit nur eine untergeordnete Rolle.

Amtsträger

87 % der Tatverdächtigen sind Amtsträger (§ 11 (1) Nr. 2 StGB), Richter (§11 (1) Nr. 3 StGB) oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (§ 11 (1) Nr. 4 StGB). Die übrigen 13 % der Tatverdächtigen sind keine Amtsträger. Sie gehören zum Kreis der Tatverdächtigen aus Verfahren gemäß §§ 299,300 StGB (Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr).

Dauer der Aufgabenwahrnehmung

Der überwiegende Teil der Tatverdächtigen war mehr als drei Jahre mit derselben Tätigkeit befasst. Der deutlich geringere Anteil geht auf die Personen zurück, die ihre Aufgabe über einen kürzeren Zeitraum ausgeübt haben. Dieser Umstand beweist, dass die Gefahr der Straffälligkeit zunimmt, je länger die jeweiligen Personen in derselben Tätigkeit verweilen. Deshalb sind Präventionsmechanismen wie Rotationskonzepte und Kontrollinstrumentarien notwendig, da die Gefahr korruptiven Handelns mit zunehmender Verweildauer bei einer Tätigkeit, gerade im Bereich des Beschaffungswesens und der Auftragsvergabe, zunimmt.[13]

Angaben zu den „Gebern“ (Korrumpierer) -Quelle: BKA 2005-

Von den 2.804 tatbereiten „Gebern“ handelten etwa 10 % ohne Bezug zu einer erkennbaren Branche (d.h. Privatpersonen). Straftäter, die sich bspw. in Haft befinden, stellen ca. 1 % dar. Die 79 %, die sich direkt einer Branche zuordnen lassen, verteilen sich wie folgt:

Mit einem Anteil von 68 % nehmen die „Geber“ aus dem Bereich Handel die Spitzenposition ein. Der hohe prozentuale Anteil des Handels ergibt sich aus einem Berliner Verfahrenskomplex, bei dem Beschäftigten von Kommunalbehörden als Beziehern von Büroverbrauchsartikeln geringwertige Naturalrabatte gewährt wurden. Damit wurde die Baubranche als langjähriger Spitzenreiter nun abgelöst. Die Bereiche Rüstung, Chemie und Grundstoffe, Transport und Logistik usw. wurden aus Gründen der Übersicht unter „Sonstige“ zusammengefasst.[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Verteilung der „Geber“ mit Angaben zur Branche[15]

Funktion

Der Hauptanteil der „Geber“ ist mit 85,2 % in der oberen Führungsebene zu finden. Betroffen sind hierbei Firmeninhaber (6,4 %), Geschäftsführer (75,0 %) und Leitende Angestellte (3,8 %). Privatpersonen (7,2 %) und Angestellte ohne höhere Führungsverantwortung (2,8 %) gehören weiterhin zum Kreis der tatbereiten „Geber“. Auffällig dabei ist die hohe Zahl an Straftätern, die mit einer Quote von 2,4 % vertreten sind und somit gleichauf mit dem Bereich der „Sonstigen“ (2,4 %) registriert wurden.[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Funktion der „Geber“[17]

Nationalität

Auch hier stellen mit 96 % deutsche Staatsangehörige die Mehrheit dar. Wie schon zuvor bei den „Nehmern“ spielen ausländische Staatsangehörige bei den „Gebern“ nur eine untergeordnete Rolle.[18]

Art und Höhe der Vorteile für „Nehmer“ und „Geber“

Vorteile für die „Nehmer“

Im Jahr 2004 waren nicht etwa Bargeldzuwendungen oder Sachzuwendungen die häufigste Form des Vorteils, sondern die tatbereiten „Nehmer“ ließen sich größtenteils Zuwendungen in Form von Bewirtungen oder Ausrichtung von Feiern zukommen. Im Jahr 2005 hat sich wieder eine deutliche Verschiebung von Bewirtung/Feiern hin zu Sachzuwendungen ergeben. Neben den schon erwähnten Zuwendungen in Form von Bargeld und Sachgegenständen wurden Teilnahmen an Veranstaltungen, Reisen und Bordellbesuche gewährt. Die Ermittler konnten in zwölf Bundesländern Zuwendungen in Höhe von insgesamt über 27 Mio. Euro feststellen.[19]

Vorteile für die „Geber“

Bei den „Gebern“ sind die Erlangung von behördlichen Genehmigungen und die Erlangung von Geschäftsaufträgen die am häufigsten genannten Vorteile. Ein großer Anteil davon hängt jedoch mit dem oben bereits erwähnten Verfahren aus Berlin zusammen. Überdies stellte man die Bezahlung von fingierten Rechnungen oder die Beeinflussung der Strafverfolgung fest. Es wurden zudem Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse sowie sonstige Wettbewerbsvorteile gewährt. Die Behörden verzeichneten hier, im Jahr 2005, materielle Vorteile auf Geberseite im Wert von 505 Mio. Euro.[20]

[...]


[1] Leyendecker, H., Die Korruptionsfalle; Wie unser Land im Filz versinkt, Reinbek 2004, Vorwort

[2] Gehl, G., Korruption: Krebsgeschwür der demokratischen Gesellschaft, Weimar 2004, S.7

[3] Vgl. Dietz, M., Korruption – Eine institutionenökonomische Analyse, Berlin 1998, S. 11

[4] Vgl. Bannenberg, B., Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, Portrait einer Wachstumsbranche, München 2004, S. 23

[5] Vgl. Bannenberg, B., Schaupensteiner, W., a.a.O., S.11

[6] Vgl. Ott, K., Balser, M., Geständiger Mitarbeiter belastet Siemens schwer, [Stand: 27.11.2006]

[7] Schilling, A., Dolata, U., Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland, Murnau 2004, S.121

[8] Vgl. Schilling, A., Dolata, U., a.a.O., S. 33-35

[9] Der Brockhaus Wirtschaft, a.a.O., S. 468

[10] Quelle: Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 7-8

[11] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 7-8

[12] Quelle: Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 7-8

[13] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 9

[14] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 10

[15] Quelle: Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 10

[16] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 11

[17] Quelle: Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 11

[18] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 11

[19] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 12

[20] Vgl. BKA 2005, a.a.O., S. 13

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Strukturen der Korruption und ihre Täter
Auteur
Année
2007
Pages
30
N° de catalogue
V279999
ISBN (ebook)
9783656730248
ISBN (Livre)
9783668137288
Taille d'un fichier
637 KB
Langue
allemand
Mots clés
strukturen, korruption, täter
Citation du texte
M. A. Uwe Dolata (Auteur), 2007, Strukturen der Korruption und ihre Täter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279999

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