Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist Konstruktivismus überhaupt?
3. Didaktik
3.1. Entwicklungen in der Didaktik
3.2. Und die heutige Anschauungsweise der Didaktik?
3.3. Annahmen der konstruktivistischen Didaktik
3.4. Offene Wirklichkeit im Gegensatz zu Tatsachen
3.5. Wahrheitsrelativierung und andere Merkmale konstruktivistischer Didaktik
4. Planung des Unterrichts vor dem Hintergrund konstruktivistischer Didaktik
4.1. Abgrenzung mehrerer Planungen. Erstens: Elementare Planung
4.2. Zweitens: die ganzheitliche Planung
4.3. Situative Planungsreflexion
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit Konstruktivismus im Zusammenhang mit dem Schulunterricht und der damit verbundenen Philosophie. Zunächst werde ich einige generelle Gedanken zur Didaktik und dem Konstruktivismus äußern und anschließend die Planungsmodelle des Konstruktivismus auf Beispiele konkreter Unterrichtseinheiten übertragen.
2. Was ist Konstruktivismus überhaupt?
Bei dem Versuch, als ersten Schritt für die Arbeit eine Definition des Begriffes zu finden, gelangte ich zunächst zu der Erkenntnis, dass Pädagogik gar nicht die einzige Fachrichtung ist, bei der Konstruktivismus eine Rolle spielt. Wikipedia etwa verweist zu dem Stichwort – zusätzlich zur Pädagogik – auch noch zu den Fachrichtungen Kunst, Philosophie, Politologie, Lernpsychologie, Architektur und zu Kommunikationsmodellen; einem sehr breiten Spektrum also[1]. Das allein bedeutet, dass konstruktivistische Ideen, wenn auch im abgewandelten Sinne, in sehr vielen Künsten und Wissenschaften eine Rolle spielen. Schon deshalb ist konstruktivistisches Gedankengut wichtig und beachtenswert. Wichtiger aber noch ist die Vorstellung, dass das Schulwesen mehr und mehr nach den Ideen des Konstruktivismus arbeiten soll. Die Formel „Soviel Konstruktion wie möglich, soviel Instruktion wie nötig“ ist bezeichnend dafür.
Was also heißt Konstruktivismus im Hinblick auf das Lehramt?
Seine Didaktik sieht das Lernen als einen Vorgang an, der Wissen selbst organisiert und aufgrund der Vorstellungen des Lerners stattfindet. Daher kann der Vorgang nur individuell und unvorhersehbar sein, weil jedes Lernen aufgrund verschiedener Begründungen erfolgt. Der Lehrer muss deshalb dafür sorgen, dass die Lerner (hier: Schüler) genügend Grundlagen und Informationen haben, auf deren Basis sie lernen können und die entsprechenden Rahmenbedingungen vorhanden sind[2]. Weiter bedeutet das, dass der Konstruktivismus auf ein Anbieten von Lernmöglichkeiten ausgelegt ist, das Verfahren, in dem die Schüler lernen, ist sehr offen. Wissenserwerb muss daher in Verbindung mit dem, was die Schüler schon wissen und wie sie das neu zu lernende wahrnehmen, erfolgen und es gibt zwar die Möglichkeit, Wissen zu vernetzen, nicht aber die, es eindeutig zu definieren. Vor allem aber wird Wissen ständig erneuert und verändert. Und das Lernen ist nicht eindeutig programmierbar[3] - der Konstruktivismus geht also von einem sehr komplexen Vorgang aus, der sich viel schwieriger darstellt als man sonst vielleicht annimmt.
Eine wichtige Idee des Konstruktivismus ist das „Lernen durch Lehren“, was bedeutet, dass auch der Lehrer zugleich Lerner ist. Er hat also nicht nur lehrende Funktion, sondern eignet sich selbst auch ständig neues Wissen an, zudem soll er eine Expertenkultur schaffen[4]. Dazu jedoch später mehr.
Handelt es sich beim Konstruktivismus um ein neuartiges Phänomen? Um eine neue Art zu unterrichten? Wohl kaum. Die erkenntniskritische Theorie, die Kersten Reich zufolge von den Erfahrungen des Lernenden[5] abhängt, wurde – wenn auch nur in Ansätzen – schon bei Maria Montessori angedacht. Sie vertrat allerdings lediglich die Reformpädagogik, die die Lernvorgänge nicht ganz so differenziert betrachtet[6]. Insofern könnte man eher vermuten, dass sich der Konstruktivismus in mehreren Phasen entwickelt hat – vielleicht entwickelt er sich ja nach seinem jetzigen Stand auch noch später weiter.
Einige Ideen, die mir kamen, als ich begann, mich mit dem Konstruktivismus zu befassen, will ich aber noch äußern. Nachdem ich hörte, dass die Formel „Soviel Konstruktion wie möglich, soviel Instruktion wie nötig“ Leitsatz werden sollte, war mein erster Gedanke, dass es sich schwierig gestalten könnte, wenn z.B. Lehrer, die schon länger im Beruf sind, sich diese für sie dann neue Idee aneignen müssen. Ich dachte, dass es problematisch sein wird, von dem Sockel, auf dem einige Lehrer sitzen, herunterzukommen. Bei der Literaturrecherche für diese Hausarbeit stellte ich fest, dass ich mit der Befürchtung keineswegs allein bin. Z.B. schreibt auch Reinhard Voß, dass ein Subjektbezug, der einen radikalen Wandel der Lernkulturen mit sich bringt, stattfinden muss[7]. Insbesondere sieht Voß es als ein Problem an, dass traditionell geführte Klassen der Wandel hin zum Konstruktivismus nicht nahtlos erfolgen kann, und dass man zu dem Wandel nahezu die ganze Arbeit im Schulwesen neu erfinden muss, was eben nicht von jetzt auf gleich möglich ist. Andererseits hält er es für einen „Mythos“, zu glauben, dass man mit den älteren Unterrichtsarten alle Probleme lösen könne; ein wenig Unsicherheit hält er für heilsam, verglichen mit der Vorstellung, dass die alten Methoden für immer halt geben könnten[8]. Er fordert deshalb einen Paradigmenwechsel und wünscht, dass die „Welten in den Köpfen der Schüler“ im Unterricht wahrgenommen und zu dessen Grundlage werden[9].
An sich ist die Erkenntnis der „Welten in den Köpfen der Schüler“ nicht neu, man bedenke nur, dass jeder individuell begabt ist. Das zeigt sich schon daran, dass jeder mit bestimmten Fächern besser klarkommt als mit anderen. Das Besondere am Konstruktivismus ist bei dieser Frage offensichtlich, dass die individuellen Begabungen, Vorstellungen etc. zum Kernstück des Unterrichts werden sollen – und das am Besten von der ersten Stunde an, die ein Lehrer hält. Eine solche theoretisch leicht zu fordernde Einstellung erfordert in der Praxis ein hohes Maß an Toleranz und Flexibilität. Ob man das auch immer erbringen kann, ist die entscheidende Frage.
3. Didaktik
Didaktik ist primär die „Kunst des Unterrichtens“, später wurde der Begriff auch einfach für Unterrichtsmethodik, verwendet. Didaktik ist eine eigene Wissenschaft, die sich mit logischen und zusammenhängenden Denkmodellen sowie mit der Beeinflussung der Lernenden befasst und zudem diese mit Fakten konfrontieren soll; des weiteren beinhaltet sie aufgrund der Spontaneität, mit der Unterricht manchmal erfolgen muss, auch künstlerische Elemente[10]. Sie ist unbedingt ernst zu nehmen und liegt jedem Unterricht zugrunde.
Didaktik ist hierbei nach verschiedenen Modellen ausgerichtet. Sie kann abstrahieren und einen bestimmten Stoff vereinfachen. Zudem kann sie sich mit Wissenschaft von Lehren und Lernen beschäftigen oder deren Theorie darstellen. Sie ist allerdings auch die Theorie der Bildungsinhalte und steuert die Lernprozesse[11]. Schon an dieser Einteilung der groben Zuständigkeitsbereiche wird deutlich, wie komplex Didaktik ist und dass man sich in jedem Fall mit ihr befassen muss.
3.1. Entwicklungen in der Didaktik
Didaktik hat sich durch die Epochen zeitgemäß weiterentwickelt. War es im Mittelalter noch üblich, einen religiösen und außerdem obrigkeitshörigen Unterricht zu pflegen, so lässt sich leicht erkennen, dass bereits vor wenigen Jahrhunderten diese Art der Didaktik als überholt galt. Stattdessen hat sich nun eine am Wissen orientierte Didaktik durchgesetzt, die den Glauben sehr stark zurückgedrängt hat[12]. Das bedeutet unter anderem, dass sich die Autorität des Wissens durchgesetzt hat und nicht mehr mit Drohungen usw. operiert wird, um Schüler gefügig zu machen.
Die Moderne hofft, dass die besseren Argumente eine Debatte gewinnen. Die Voraussetzung für die Lerner besteht dann im inhaltlichen Fachwissen, was von der Didaktik untersucht werden soll. Zudem war bereits im 17. Jahrhundert zu beobachten, dass wohl im Zuge der Aufklärung die Lehrenden professionalisiert und ihre Bildung in den Vordergrund gerückt werden sollte. Erstmalig kam auch die Lehrerausbildung als eigene Fachrichtung auf. Heute selbstverständlich, damals ein Novum[13] !
Wichtig ist dabei, dass sich Verfahren wie die Reflexion bemerkbar machten, zugleich auch Ideen wie der wissenstechnologische Optimismus, d.h. man hoffte auf den Fortschritt des Wissens in allen Bereichen des Unterrichts. Außerdem brach sich die sozial- kulturelle Orientierung bahn, man wollte also Rücksicht auf die Herkunft der Lerner nehmen und darauf, dass nicht jeder die gleichen Voraussetzungen hat. Zu guter letzt ließ sich auch das konstruktive Lehrverständnis erkennen, was bedeutet, dass man auf eine Entwicklung des Lernens hoffte – was aber noch nicht reichte, um alle Lernvorgänge hinreichend zu steuern[14].
Zwischen Moderne und Postmoderne kam es dann zu einem Übergang, der die Möglichkeiten des Denkens weiter öffnete und Ambivalenz bezüglich der Didaktik ermöglichte. Das bedeutet, dass Didaktik nunmehr den Erfolg des Lernens versichern, zugleich aber auch verunsichern kann. Eine Beliebigkeit soll daraus aber nicht resultieren, vielmehr soll Didaktik nun einen Pluralismus an Denkmöglichkeiten zulassen und Möglichkeiten offen lassen. Das heißt, dass es nun zu Konflikten kommt zwischen Vertiefungen des Kontextes und andererseits kurzfristigen Lernerfolgen[15] - was davon jeweils erstrebenswert ist, hängt wohl vom Inhalt des Stoffes ab.
Postmoderne Ideen gehen generell davon aus, dass es nie eine allein richtige Anschauung gibt, sondern alles kritisch betrachtet werden muss, selbst das, was gemeinhin als selbstverständlich gilt. Was aber nicht heißen soll, dass alles diskutabel sei[16], es ist etwa eindeutig, dass in einem rechtwinkligen Dreieck a²+b²=c² ist. Es heißt lediglich, dass die Didaktik in der Postmoderne inhaltlich und methodisch offen ist gegenüber Neuerungen. Gegenüber den Zwängen des langfristigen Erfolgs und ständigen Fortschrittes, wie er in der Moderne gefordert wird, erkennt die Postmoderne durchaus auch kurzfristige Lernerfolge an, wahrscheinlich gerade weil das Wissen immer schneller überholt wird. Reich geht deshalb davon aus, dass nicht nur Risikocharakter in der Didaktik genutzt und anerkannt werden soll, sondern grundsätzlich Wahrheit und Wissen relativ anzusehen sind und Wissen schneller erworben werden muss[17]. Didaktik hat sich also in der Vergangenheit immer dem Zeitgeist angepasst und soll dies auch heute tun, im Zeitalter des Internets sind wissenschaftliche Erkenntnisse eben schneller überholt als noch vor 30 Jahren. Ich meine, dass diese Forderung durchaus nachvollziehbar ist, damit Lehrern nicht vorgeworfen wird, sie seien auf einem inaktuellen Wissensstand. Andererseits stellt sich die Frage, ob sich jede Entwicklung überall bemerkbar machen muss und ob alles, was neu ist, deswegen automatisch gut ist. Reich schreibt dazu auf derselben zitierten Seite, dass Fortschritte auch Rückschritte sein können. Ich sehe ein Risiko darin, dass man durch dauerndes Aktualisieren die Kontinuität verlieren kann (kann, nicht muss) und dadurch möglicherweise der Halt verloren geht. Ich meine, dass man nicht pauschal sagen kann, dass das Wissen immer relativ sein muss – an Grammatikregeln etwa ändert sich nicht so schnell etwas, als dass man jedes Jahr ein neues Regelwerk einführen müsse.
Eine solche „Brüchigkeit des Wissens“ sieht Kersten Reich selbst auch, wie er nur einige Zeilen weiterschreibt. Ein Problem besteht für ihn darin, dass durch die sinkende Halbwertszeit des Wissens Lehrer manchmal nicht hinterherkommen und von einigem Wissen verspätet bzw. zu spät erreicht werden[18]. Und genau das ist doch das Hauptproblem: Wenn Lehrer selbst nicht mehr auf dem jüngsten Stand ihres Faches sind und z.T. von Schülern belehrt werden, wirkt das lächerlich. Wenn sie daher versuchen, sich ständig zu aktualisieren, besteht aber auch die Gefahr, dass sie sonst zu nichts mehr kommen (sofern sie es zu exzessiv betreiben). Eine weitere Möglichkeit, Wissen zu vermitteln, was schon älter, aber dennoch weiterhin gültig ist, birgt die Gefahr, dass man dann als überholt da steht. Ein gesunder Mittelweg zwischen diesen drei Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen scheint mir die geeignete Synthese zu sein, was natürlich leichter gesagt als getan ist. Ich meine damit, dass man nichts ganz ausschließen soll und auch gerne auf älteres Wissen zurückgreifen kann – im ausgewogenen Maße jeweils.
3.2. Und die heutige Anschauungsweise der Didaktik?
Es gibt eine Seite der Pflicht und eine der Freiwilligkeit. Die der Pflicht stützt sich vor allem auf geschriebene und ungeschriebene Regeln und andere Konventionen. Sie ist der „Ich soll“- oder Inhaltsseite zuzurechnen. Sie funktioniert aufgrund der Kontrolle durch einen Fremdsinn. Die Beziehungsseite, die die andere Hälfte der didaktischen Vorstellung ausmacht, besteht aus dem Eigensinn bzw. der Beziehungsseite. Sie entspricht dem „Ich will“- Teil, der zur Autonomie der Lerner gehört[19].
[...]
[1] Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:Search?ns0=1&search=konstruktivismus&fulltext=Suche , Internetzugriff am 26. Juli 2007
[2] Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivistische_Didaktik , Internetzugriff am 26. Juli 2007
[3] Ebd., einige Zeilen weiter.
[4] Ebd., einige Zeilen weiter.
[5] Anmerkung: Ich schreibe der Einfachheit halber immer in der männlichen Form. Die weibliche ist bei mir aber immer ausdrücklich mitgemeint.
[6] Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivismus_%28Lernpsychologie%29 (Internetzugriff am 26. Juli 2007)
[7] Reinhard Voß: „Unterricht aus konstruktivistischer Sicht – Die Welten in den Köpfen der Kinder“, erschienen 2002 bei Hermann Luchterhand Verlag in Neuwied, S. 2 f.
[8] Ebd., S. 4.
[9] Ebd., S. 5.
[10] Siehe http://arbeitsblaetter.stangl- taller.at/WISSENSCHAFTPAEDAGOGIK/DidaktikModelle.shtml , Internetzugriff am 26.7.2007.
[11] Alle Informationen stammen von derselben Homepage.
[12] Quelle: Kersten Reich: „Konstruktivistische Didaktik – Lehr und Studienbuch mit Methodenpool“, erschienen 2006 beim Beltz Verlag Weinheim und Basel, S. 43
[13] Ebd., S. 44 f.
[14] Ebd., S. 45 f.
[15] Ebd., S. 48 f.
[16] Ebd., S. 50.
[17] Ebd., S. 52 f.
[18] Ebd., S. 55 f.
[19] Ebd., S. 58 ff.