Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Bedingungsanalyse
1.1 Situation der Klasse
1.2 Einbettung der Stunde
Didaktische Reflexion
2.1 Kompetenzen und Inhalte des Bildungsplans
2.2 Sachanalyse – Fachwissenschaftliche Aspekte
2.2.1 Allgemeines
2.2.2 Songtext „Toleranz“ der Band Egotronic
2.3 Kompetenzen
2.4 Stundenziel
3.1 Methodische Planung mit Alternativen und Begründung
3.1.1 Einstieg
3.1.2 Erarbeitung I
3.1.3 Erarbeitung II
3.1.4 Präsentation
3.1.5 Sicherung I
3.1.6 Festigung und Reflexion
3.2 Verlaufsplan
4. Anhang
4.1 entfallen
4.2 Wortkärtchen
4.3 Arbeitsauftrag Gruppenarbeit
4.4 Arbeitsblatt für die Einzelarbeit
Quellen
5.1 Bücher und Zeitschriften
5.2 Internetlinks
Bedingungsanalyse
1.1 Situation der Klasse
Der Ethikunterricht der zehnten Klassen wird von insgesamt 24 Lernenden[1], davon neun Schüler und 15 Schülerinnen, besucht. Für den Ethikunterricht steht für Gewöhnlich nur ein sehr kleines Zimmer, welches mit Tageslichtprojektor und Tafel ausgestattet ist, zur Verfügung. Für den heutigen Unterrichtsbesuch und die spezielle Situation der Hospitation, wurde jedoch eine Raumänderung vorgenommen
Im Allgemeinen verstehen sich die Schüler der Klassen recht gut. Bei Gruppenarbeiten ist es jedoch sinnvoller, es nicht zu einem selbstständigen oder zufälligen Zusammenkommen von Gruppen kommen zu lassen, da es vor allem unter den Jungen einige Schüler gibt, die nicht gut miteinander arbeiten können.
Die Schüler sind freundlich und ich unterrichte gerne in der Klasse. Aufgrund des Alters und der Phase der Pubertät, kommt es gelegentlich zu Situationen, in welchen sich einige männliche Lernenden durch lustige Sprüche zu profilieren versuchen. Allgemein neigen die Jungen dazu, während des Unterrichts miteinander zu sprechen und auch während der Einzelarbeitsphasen kommt es immer wieder zu privaten Gesprächen.
Hier zeigt sich gleichzeitig die starke Heterogenität der Klasse. So sind es vor allem die oben genannten Schüler, ergänzt durch Falk und Jonas, welche den Unterricht aktiv mitgestalten und das Unterrichtsgespräch mit wertvollen Beiträgen bereichern. Im Gegensatz dazu gibt es einige Mädchen, welche sehr still sind und kaum aktiv am Unterricht teilnehmen. Auch … und … beteiligen sich nur sehr selten, stören jedoch des Öfteren durch private Gespräche. Hier bedarf es Ermahnungen der Lehrperson, um diese zu unterbinden. Gleichzeitig gibt es auch bei den Mädchen Lernende, welche immer wieder wichtige und interessante Gedanken in den Unterricht einbringen. Hier fallen vor allem …, … und … auf.
Einen speziellen Fall in der Lerngruppe stellt … dar. Sie ist seit einiger Zeit stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Heidelberg untergebracht und nimmt nur sporadisch am Unterrichtsgeschehen teil, da sie nur noch bedingt schulfähig ist. Wenn sie im Unterricht durch unangemessenes Verhalten auffällt, wird sie aus diesem entlassen.
Bezüglich der Kompetenzen der Schüler ist erwähnenswert, dass es der Klasse sehr schwer fällt, komplexere Texte sinnentnehmend zu lesen. Bei der Arbeit mit Texten ist es demnach von besonderer Wichtigkeit, diese zu vereinfachen.
Bereits seit Beginn des Referendariats Unterrichte ich diese Klasse. Da es sich um die zehnte Jahrgangsstufe handelt, kam es durch verschiedenste Prüfungsverpflichtungen der Schüler jedoch des Öfteren zum Ausfall des Ethikunterrichts.
1.2 Einbettung der Stunde
Zu Beginn der Arbeit mit dem Thema Toleranz setzten sich die Schüler mit einem Ausschnitt der Serie Southpark zum Thema auseinander. Hier ging es darum, dass viele Menschen Toleranz zwar fordern und wissen, was man allgemein darunter versteht, dieses Wissen aber nicht in ihren Alltag und den Umgang mit anderen Menschen integrieren. Daraufhin wurde eine Definition des Begriffes Toleranz anhand eines Textes erarbeitet, um ihn von dem Begriff der Akzeptanz abzugrenzen.
In der darauf folgenden Stunde wurde anhand eines Comics darauf eingegangen, in welchen Situationen und gegen welche Personengruppen häufig Intoleranz verübt wird. Hier sollte verdeutlicht werden, dass selbst Personen, welche einem intoleranten Verhalten durch Mitmenschen ausgesetzt sind, sich häufig intolerant gegenüber anderen Personengruppen verhalten.
Die heutige Stunde stellt die dritte Stunde in der Unterrichtseinheit zum Thema Toleranz dar.
Didaktische Reflexion
2.1 Kompetenzen und Inhalte des Bildungsplans
In den Leitgedanken des Bildungsplanes 2004 wird deutlich, dass das Fach Ethik Schüler dazu befähigen soll, „ihr Leben selbstbestimmt und verantwortlich zu gestalten [und] sich in unserer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Wertevorstellungen und Sinnangeboten zunehmend eigenständig und urteilsfähig zu orientieren“[2]. Hier bietet sich die Beschäftigung mit dem Thema Toleranz an, da diese „die gemeinsame Basis des Zusammenlebens […] ist, die eine Beeinträchtigung der Freiheit des Mitmenschen verbietet und ihre Grundlage in der Wahrung der Würde des einzelnen Menschen hat“[3].
Genau dieser Zwiespalt zwischen Selbstbestimmung und dem Wunsch nach Individualität einerseits, andererseits aber auch der Besitz der „Fähigkeit zur respektvollen […] Begegnung mit Menschen unterschiedlicher Lebensgestaltungen, Wertorientierung, Weltanschauung und Religion (Umgang mit Pluralität)“[4] umfasst der Begriff der Toleranz.
Insbesondere im Ethikunterricht treffen Schüler mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen aufeinander.
Toleranz gegenüber dieser erwähnten Pluralität erfordert hier nicht nur die passive Hinnahme, sondern auch eine aktive und stellungnehmende Auseinandersetzung mit selbiger. Besonders wichtig ist in dieser Unterrichtsstunde, dass den Schülern deutlich wird, dass Toleranz dann ihre Grenzen hat, wenn es darum geht, Situationen einfach hinzunehmen, auch wenn die Freiheit, beziehungsweise die Würde eines einzelnen Menschen beeinträchtigt wird.
2.2 Sachanalyse – Fachwissenschaftliche Aspekte
2.2.1 Allgemeines
Toleranz ist eine Tugend, die vor allem von politisch Verantwortlichen immer wieder gefordert wird, wenn es um das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen geht. Der Begriff Toleranz leitet sich von dem lateinischen Wort „tolerare“ ab, was erdulden bedeutet. Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs bezieht sich also auf ein Gewährenlassen bzw. die Duldung fremder Sitten, Religionen, Verhaltensweisen und Weltanschauungen. Darüber hinaus bezeichnet der Begriff im heutigen Sinne oftmals auch die über die reine Duldung hinausgehende Gleichberechtigung. Man ist zwar nicht derselben Meinung wie der Gesprächspartner, räumt dessen Meinung aber einen wichtigen Stellenwert ein und achtet diese in ihrer Andersartigkeit.[5]
Diese Achtung und die damit verbundene Toleranz, kennt jedoch auch ihre Grenzen. Dort, wo das Recht anderer beeinträchtigt und die Freiheit des Einzelnen beschränkt wird, hat Toleranz ihre Grenzen.[6] Da Toleranz laut Definition der UNESCO „vor allem einen aktive Einstellung [ist], die sich auf die Anerkennung der allgemeingültigen Menschenrechte und Grundfreiheiten anderer stützt“[7] ist es wichtig, Grenzen der Toleranz genau dort zu verorten, wo diese durch ein intolerantes Verhalten anderer beschnitten werden. Wichtig ist, sich in diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, wo sich angebliche Toleranz als Gleichgültigkeit entlarvt. Problematisch ist hier vor allem der Punkt, dass Toleranz häufig mit Ignoranz verwechselt wird. Hierzu sagte Karl Jaspers: „Gleichgültigkeit ist die mildeste Form der Intoleranz“. Verschließt der Mensch demnach die Augen, selbst wenn die Rechte eines einzelnen durch das Verhalten einer weiteren Person beschnitten werden, ist in diesem Bereich nicht mehr von Toleranz, sondern von Intoleranz zu sprechen.
2.2.2 Songtext „Toleranz“ der Band Egotronic
Genau diese Problematik der Toleranz greift die Band Egotronic in ihrem Lied „Toleranz“ auf ironische Art und Weise auf. In den ersten beiden Strophen werden Dinge aufgezählt, die angeblich schon „ok“ sind. Beispiele hierfür sind eine rechtradikale Einstellung, Vorurteile gegen Homosexuelle und ein unangemessenes Verhalten gegenüber Frauen.
In der zweiten Strophe wird das übertriebene Toleranzverständnis einiger Menschen in der Gesellschaft implizit kritisiert. Hier wird erneut ironisch gefordert, man solle doch mal locker bleiben, auch wenn jemand betrunken mal „aggro“ werden würde. Wir seien ja „ein freies Land“, in welchem man tolerant sein müsse.
Darauf folgt der Satz „Eure Toleranz kotzt mich an“. Darauf folgend wird erneut aus der Perspektive einer anderen Person gesprochen, welche es schon verstehen kann, wenn ein Arbeitsloser „ohne Perspektive“ auf einen „Schwarzen“ losgehe oder ein Jugendlicher im Jugengclub „Heil Hitler“ schreie. Erneut folgt daraufhin der Satz „Eure Toleranz kotzt mich an.“
In der letzten Strophe werden Aspekte, die in der Gesellschaft immer wieder mit Toleranz in Verbindung gebracht werden, aufgezählt. Man solle „Verständnis zeigen“, sich in die Personen hineinversetzen, „tolerant sein“ und sie doch einfach akzeptzieren.[8]
Allgemein wird hier thematisiert, dass ein überzogenes Toleranzverständnis in der Gesellschaft dazu führt, dass auch intolerantes Verhalten bestimmter Personengruppen hingenommen wird, um nicht als intolerant zu erscheinen. Ist dies jedoch der Fall, verhält man sich in gewisser Art und Weise selbst intolerant, was den Songtextschreiber „ankotzt“. Es wird hier also nicht die Tugend „Toleranz“ an sich kritisiert, sondern eher, das häufig auch Situationen toleriert werden, in welchen die Freiheit und Rechte einzelner Personen beschnitten werden.
2.3 Kompetenzen
Fachkompetenz:
Die Schüler:
- erkennen, dass es Situationen gibt, in denen Toleranz an ihre Grenzen stößt, indem sie sich in Einzel- und Gruppenarbeit mit dem Songtext „Toleranz“ auseinandersetzen
- erkennen, dass Situationen, in denen die Freiheit oder Rechte eines anderen beschnitten wird, nicht tolerierbar sind, indem sie gemeinsam ein Tafelbild entwickeln und sich später eigenständig, anhand eines Arbeitsblattes, mit der Thematik auseinandersetzen
Personale Kompetenz:
- festigen ihre Kompetenz der Selbstwahrnehmung, indem sie sich Situationen überlegen, in welchen sie sich durch Ignoranz oder Gleichgültigkeit selbst intolerant verhalten haben
Soziale Kompetenz:
Die Schüler:
- üben ihre Kommunikationsfähigkeit, indem sie ihren Gruppenmitgliedern die Auswahl ihrer Wortkärtchen vorstellen und diese begründen
- üben sich in tolerantem Verhalten, indem sie während des Gesprächs die Meinung der anderen Gruppenmitglieder ernst nehmen und auch divergente Meinungen zulassen
- festigen ihre Kooperationsfähigkeit, indem sie sich in der Gruppe auf 3-4 Wortkärtchen einigen
Methodische Kompetenz:
Die Schüler:
- erweitern ihre Lernfähigkeit, indem sie sich auf die noch unbekannte Methode des Assoziationsmemorys einlassen.
- erweitern ihre Medienkompetenz, indem sie zu einem Songtext (mit Hilfe von Assoziationskärtchen) eine Kernaussage formulieren
[...]
[1] mit „Schüler“ oder „Lernende", beziehe ich mich in folgendem Unterrichtsentwurf immer sowohl auf Mädchen, als auch auf Jungen.
[2] Bildungsplan 2004, S. 44.
[3] ebd., S. 44.
[4] ebd., S. 45.
[5] vgl. Link „Toleranz“
[6] vgl. Höffe, 1977, S. 256.
[7] Link „UNESCO Toleranz“
[8] vgl. Songtext