Analyse volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt


Bachelorarbeit, 2014

54 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung: Problemstellung, Ziel und Vorgehensweise

2 Voraussetzungen für einen EU-Beitritt
2.1 Kopenhagener Kriterien
2.2 Messung wirtschaftlicher Konvergenzkriterien

3 Wirtschaftliche Analyse der Türkei
3.1 Realwirtschaft und Wachstumsdynamik
3.1.1 Wirtschaftsstruktur und Wachstum
3.1.2 Beschäftigung und Arbeitsmarkt
3.2 Geld- und Fiskalpolitik
3.2.1 Inflationsentwicklung
3.2.2 Öffentliche Finanzen
3.3 Außenwirtschaft
3.3.1 Leistungsbilanz
3.3.2 Ausländische Direktinvestitionen

4 Privatisierungsmaßnahmen zur Wettbewerbs-steigerung

5 Chancen, Grenzen und Alternativen des EU-Beitritts

6 Zusammenfassung und Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: BIP-Anteile nach Sektoren (in %, 2013)

Abbildung 2: Wachstum des realen BIPs (in %)

Abbildung 3: Konzept des integrativen Wirtschaftswachstums

Abbildung 4: Integratives Wirtschaftswachstum in der Türkei (in %)

Abbildung 5: Beschäftigungszuwachs im Industrie- und Dienstleistungsbereich nach Regionen

Abbildung 6: Inflationsraten in der Türkei (in %)

Abbildung 7: Der türkische Staatshaushalt (in Mrd. TRY)

Abbildung 8: Öffentliche Schulden (in % des BIPs)

Abbildung 9: Die Leistungsbilanz

Abbildung 10: Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und Leistungsbilanzdefizit

Abbildung 11: Zusammensetzung der Wertpapierdepotinvestitionen (in Mrd. $)

Abbildung 12: ADI Zufluss in die Türkei (in Mrd. $)

Abbildung 13: ADI Zufluss in die Türkei nach Sektoren (in 2013)

Abbildung 14: Der Privatisierungsprozess

Abbildung 15: Privatisierungszuflüsse nach Methoden (in Mrd. $, 1994 – 2013)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Importe und Exporte nach Güterkategorien (in Mio. $)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung: Problemstellung, Ziel und Vorgehensweise

Nachdem im Herbst 2005 mit der Türkei offizielle Verhandlungen für eine EU-Vollmitgliedschaft aufgenommen wurden, gewann die öffentliche Diskussion in der EU um dieses Thema deutlich an Schwung.[1] Im Fokus dieser Debatte stehen besonders die politischen, rechtlichen und kulturellen Aspekte des geplanten EU-Beitritts, die teilweise auch durch die jüngsten Ereignisse in der Türkei in den Vordergrund rückten.[2]

Als Nebeneffekt der überwiegend auf politisch-rechtlicher Ebene geführten Debatten, sind die ökonomischen Aspekte des EU-Beitrittskandidaten denen eine zentrale Bedeutung in den Beitrittsverhandlungen eingeräumt wird, in den Hintergrund gerückt.[3] Aus diesem Grund konzentriert sich die Arbeit auf die Analyse ausgewählter, für eine Vollmitgliedschaft in der EU relevanter volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei, wobei die politischen, rechtlichen und kulturellen Gegebenheiten ausgeschlossen werden, da ein Einbezug dieser Fragestellungen den vorgegebenen Rahmen der Arbeit bei weitem überschreiten würde. In diesem Zusammenhang betont Altkanzler Gerhard Schröder:

„Die Türkei gehört schon jetzt zu den 20 größten Volkswirtschafen der Welt. Und das wirtschaftliche Tempo in der Türkei ist rasant. Diese Chance müssen wir Deutschen nutzen. Deshalb bin ich ein Befürworter der EU-Mitgliedschaft der Türkei“[4]

Die systematische Analyse volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei kann die Frage beantworten, inwiefern die Forderung des Altkanzlers berechtigt ist. Daher besteht das Ziel der Arbeit darin, die EU-Beitrittsreife der Türkei auf Basis von ökonomischen Faktoren zu beurteilen.

Zu diesem Zweck werden zu Beginn der Arbeit die von den Beitrittskandidaten zu erfüllenden Voraussetzungen thematisiert. Dabei werden insbesondere die wirtschaftlichen Konvergenzkriterien hervorgehoben und die für den EU-Beitritt zu untersuchenden Wirtschaftsbereiche definiert. Im darauffolgenden Kapitel wird die wirtschaftliche Analyse der Türkei durchgeführt, wobei in Kapitel 3.1 zunächst die Realwirtschaft und die Wachstumsdynamik des Landes dargestellt werden. Der Fokus liegt dabei in der Untersuchung struktureller Entwicklungen, der Analyse des Wirtschaftswachstums und der Darstellung der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Kapitel 3.2 untersucht anhand der Preisstabilität und den öffentlichen Finanzen die Geld- und Fiskalpolitik der Türkei. Danach wird in Kapitel 3.3 auf die Außenwirtschaft des Landes eingegangen. Hierbei dienen die Leistungsbilanz und die Entwicklungen ausländischer Direktinvestitionen als wichtige Indikatoren für die EU-Beitrittsreife, weshalb diese detailliert untersucht werden. Anschließend werden die Privatisierungsmaßnahmen als wettbewerbssteigernde wirtschaftspolitische Maßnahme diskutiert. Dabei wird sowohl auf den Privatisierungsprozess als auch auf die positiven Effekte durch die Privatsierungen eingegangen. Ferner wird in Kapitel 5 untersucht, welche Chancen und Grenzen hinsichtlich einer Vollmitgliedschaft auf Basis der in den vorangegangenen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse bestehen und Alternativen zu einer EU-Vollmitgliedschaft dargestellt. Abschließend werden die Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und die ökonomische EU-Beitrittsreife der Türkei beurteilt.

2 Voraussetzungen für einen EU-Beitritt

2.1 Kopenhagener Kriterien

Um sicherzustellen, dass offizielle EU-Beitrittskandidaten bei Erlangung der Vollmitgliedschaft ihre Rolle in der EU angemessen erfüllen können, wurden im Juni 1993 in Kopenhagen durch den Europäischen Rat objektive Rahmenbedingungen ausformuliert, die durch die Beitrittskandidaten einzuhalten sind.[5] In diesem Sinne wurde folgendes beschlossen:

„Als Voraussetzung für die Mitgliedschaft muß der Beitrittskandidat eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten verwirklicht haben; sie erfordert ferner eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten. Die Mitgliedschaft setzt außerdem voraus, daß die einzelnen Beitrittskandidaten die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen übernehmen und sich auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu eigen machen können.“[6]

Die Kopenhagener Kriterien stellen damit Anforderungen auf politischer, rechtlicher und ökonomischer Ebene und dienen als wichtige Grundlage zur Beurteilung der EU-Reife eines Beitrittskandidaten.[7] Allerdings sind die Formulierungen eher allgemein gehalten und entziehen sich deshalb einer präzisen quantitativen Messung der EU-Konvergenz von Beitrittsländern. Um eine volkswirtschaftliche Analyse zur Bewertung der EU-Beitrittsreife von Ländern durchführen zu können, ergibt sich die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen Kriterien detaillierter zu betrachten. Aus diesem Grund werden im Folgenden anerkannte, mit den Kopenhagener Kriterien konforme Konzepte zur präziseren Bewertung der wirtschaftlichen EU-Konvergenz dargestellt.

2.2 Messung wirtschaftlicher Konvergenzkriterien

Mit dem Ziel, die in den Kopenhagener Kriterien genannten Voraussetzungen einer funktionierenden Marktwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt zu konkretisieren, hat die Deutsche Bank Research einen Konvergenzindikator entwickelt. Dieser misst anhand von mehreren ökonomischen Einzelindikatoren den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes und gibt Aufschluss über die EU-Annährung, indem als Bezugsgröße für die Berechnungen die Durchschnittswerte der EU-15 herangezogen werden.[8] Folgende Bereiche werden in diesem Konzept analysiert:[9]

- Realwirtschaft
- Wachstumsdynamik
- Wirtschaftspolitik und Institutionen
- Außenwirtschaft
- Geld- und Fiskalpolitik

Während sich die Variablen in den Bereichen Realwirtschaft und Wachstumsdynamik auf detaillierte Analysen des BIPs und Produktivitätskennzahlen beziehen, konzentriert sich der Bereich Wirtschaftspolitik und Institutionen auf die wettbewerbspolitischen Rahmenbedingungen, den Bankensektor und die Liberalisierung von Handel und Devisenmärkten. Die Außenwirtschaft wird anhand des Leistungsbilanzsaldos und der Direktinvestitionen beurteilt. Ferner stellen die Inflationsrate, das Haushaltsdefizit und die öffentliche Verschuldung wichtige Indikatoren zur Beurteilung der Geld- und Fiskalpolitik dar. In der Summe stellt der Konvergenzindikator der Deutschen Bank Research damit einen Querschnitt über die volkswirtschaftliche Struktur eines Landes dar.[10]

Neben dem Konvergenzindikator der Deutschen Bank Research existieren auch die Transition Indicators der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD). Ähnlich wie die Deutsche Bank Research beurteilt die EBRD anhand der Transition Indicators, inwiefern die EU-Beitrittskandidaten die wirtschaftlichen Kopenhagener Kriterien erfüllen.[11] Dabei werden in der Bewertung folgende Bereiche unterschieden:[12]

- Märkte und Handel
- Unternehmenssektor
- Finanzinstitutionen

Im Bereich „Märkte und Handel“ wird der Grad der Preisliberalisierung sowie die Wettbewerbspolitik bewertet, wohingegen der „Unternehmenssektor“ auf die Analyse von Privatisierungsmaßnahmen fokussiert ist. Der Grad der Zinsliberalisierung und die Finanzmarktstabilität werden im Bereich „Finanzinstitutionen“ beurteilt. Somit bieten auch die Transitions Indicators der EBRD eine Möglichkeit, die Kopenhagener Kriterien messbar zu machen und auf dieser Basis die EU-Beitrittsreife von Ländern zu beurteilen.[13]

Bei einem Vergleich der Konvergenzkriterien der Deutschen Bank Research mit den Transition Indicators der EBRD fällt auf, dass die volkswirtschaftlichen Bereiche mit der dazugehörigen Auswahl an Kennzahlen, die zur Beurteilung der EU-Konvergenz von Beitrittsländern analysiert werden, nahezu kongruent sind und zu einem aussagekräftigen Konvergenzprofil beitragen. Aus diesen Gründen orientieren sich die folgenden Analysen volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei auf die durch beide Institutionen als EU-Beitritts-relevant identifizierten ökonomischen Gegebenheiten und Kennzahlen.

3 Wirtschaftliche Analyse der Türkei

3.1 Realwirtschaft und Wachstumsdynamik

3.1.1 Wirtschaftsstruktur und Wachstum

Um zunächst einen Überblick über die gegenwärtige Wirtschaftsstruktur der Türkei zu verschaffen und das Wirtschaftswachstum detailliert zu analysieren, ist eine kurze Darstellung der Wirtschaftsgeschichte sinnvoll.

Nach der Gründung der Republik Türkei im Jahre 1923 war das Land zunächst technisch rückständig und von der Landwirtschaft dominiert. Mit dem Ziel, die Industrie aufzubauen, wurde 1937 das etatistische Wirtschaftssystem eingeführt. Dies beinhaltete die Führung des Privatsektors durch den Staat anhand von Zielvorgaben und Preiskontrollen und die Beteiligung an kapitalintensiven Wirtschaftssektoren. Dadurch konnten erste Erfolge in der Industrialisierung des Landes erzielt werden, jedoch wurden diese Fortschritte durch den Eintritt in den zweiten Weltkrieg[14] und die damit verbundene ressourcenintensive Kriegswirtschaft aufgezehrt.[15]

In den folgenden Jahren wurde eine Importsubstitutionspolitik verfolgt. Güter, die ursprünglich importiert werden mussten, sollten im Inland produziert werden und dadurch die Importabhängigkeit verringert und die Devisenreserven geschont bleiben. Diese Wirtschaftspolitik konnte im Bereich der Konsumgüter umgesetzt werden und führte zunächst zu einer Ausweitung der inländischen Produktion. Allerdings erforderte die steigende inländische Produktion vermehrt entsprechende Vorprodukte und Investitionsgüter, die nicht im Inland hergestellt werden konnten, weshalb diese im großen Umfang importiert werden mussten, um den Industrialisierungsprozess voranzutreiben. Die hohe Importabhängigkeit der Wirtschaft führte zu einem rapiden Anstieg des Leistungsbilanzdefizits und einem Schrumpfen der Devisenreserven, was in einer schweren Wirtschaftskrise mündete.[16]

Daraufhin verfolgte die Regierung ab 1980 eine exportorientierte Wirtschaftspolitik, um das Leistungsbilanzdefizit zu beseitigen, Devisen zu erwirtschaften und die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Unternehmen zu fördern. Daher wurde die Türkische Lira abgewertet und exportierende Unternehmen durch Steuervergünstigungen und Subventionen massiv gefördert, sodass diese allmählich wettbewerbsfähiger wurden und dadurch ihre Kapazitäten ausbauen konnten. Diese Exportorientierung der türkischen Wirtschaft hält bis heute an und wurde im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung intensiviert.[17]

Die aktuelle Wirtschaftsstruktur der Türkei, mit einem nominalen BIP in Höhe von 827,2 Mrd. USD im Jahr 2013, was einem Pro-Kopf Einkommen von 10.815 USD entspricht,[18] kann als das Ergebnis dieses langfristigen Modernisierungsprozesses von einer Agrarökonomie zu einer Industrie- und Dienstleistungsökonomie interpretiert werden. Diese Entwicklung spiegelt sich in der Entstehung des BIPs wider:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: BIP-Anteile nach Sektoren (in %, 2013)[19]

Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, dominiert der Dienstleistungssektor, der sich aus den Bereichen Groß- und Einzelhandel, Gastwirtschaft, Transportwesen, Finanzdienstleistungen, Immobilien und sonstigen Dienstleistungen zusammensetzt, mit insgesamt 63% am BIP, gefolgt vom Industriesektor mit einem Anteil von 23% und dem Agrarbereich mit 9% Anteil. Während sowohl der Dienstleistungssektor als auch der Industriebereich steigende Tendenzen aufweisen, wird der Anteil des Agrarbereichs weiter sinken.[20]

In diesem Zusammenhang haben Investitionen im Industrie- und Dienstleistungssektor zur Bildung von wichtigen Schlüsselbranchen geführt. So stellt die Tourismusbranche mit einem BIP-Anteil von ca. 10,7% und 37,7 Mio. Besuchern im Jahr 2013 den wichtigsten Wirtschaftszweig dar, der nach dem öffentlichen Sektor der größte Arbeitgeber ist und 8,4% der insgesamt 24,8 Mio. Erwerbstätigen direkt oder indirekt beschäftigt.[21] Nachdem die Tourismusindustrie zwischen 1990 und 2013 verglichen mit dem BIP-Wachstum überproportionale Zuwächse verzeichnet hat, werden für die Jahre 2013-2023 durchschnittliche Wachstumsraten von 3% prognostiziert, die in etwa den prognostizierten BIP-Wachstumsraten für den gleichen Zeitraum entsprechen.[22]

Neben dem Tourismus ist die Textil- und Bekleidungsindustrie in der Türkei ebenfalls von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Sie hat im Jahr 2013 einen Anteil am BIP in Höhe von 8% und beschäftigt knapp 600.000 Mitarbeiter.[23] Mit einem Anteil von 4% am weltweiten Handel mit Textilien und Bekleidung, ist die Türkei weltweit unter den zehn größten Textilexportnationen.[24] Bedingt durch zunehmende Konkurrenz aus asiatischen Ländern und den damit verbundenen Kostendruck, konzentriert sich die durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägte Industrie auf die Herstellung von qualitativ hochwertigen Produkten. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen und die Branche nachhaltig prägen.[25]

Weiterhin ist die Automobilindustrie mit etwa 400.000 Arbeitsplätzen in der Türkei ein vergleichsweise junger aber bedeutender Wirtschaftszweig. So stieg die Fahrzeugproduktion in den Jahren 2002 – 2013 im Durchschnitt um 10,53% pro Jahr auf über 1,1 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2013 an. Besonders im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge konnte sich die Türkei als größter Hersteller in Europa durchsetzen. Die aktuelle Verbreitungsrate von Automobilen mit 165 pro 1.000 Einwohnern liegt weit unter dem EU-Durchschnitt von 500 pro 1.000 Einwohnern. Dieser niedrige Motorisierungsrad kombiniert mit steigender Kaufkraft macht den türkischen Automobilmarkt attraktiv, weshalb die Branche auch in Zukunft von großen Wachstumsraten profitieren wird.[26]

Auch die türkische Maschinenbauindustrie mit Wachstumsraten von bis zu 20% pro Jahr zwischen 1990 und 2013 gewinnt an Bedeutung für die Wirtschaft. Dieser Sektor wird dominiert von innovativen kleinen und mittelständischen Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit sich besonders in den niedrigen Arbeitskosten begründet. Die Regierung plant, diesen für den Industrialisierungsprozess bedeutenden Sektor massiv auszubauen. So soll im Jahr 2023 das Exportvolumen der türkischen Maschinenbauindustrie von gegenwärtig 22,5 Mrd. USD auf 100 Mrd. USD steigen und ein Anteil am Weltmarkt in Höhe von 2,3% erreicht werden.[27]

Abschließend ist der landwirtschaftliche Sektor zu erwähnen, der nach wie vor eine wichtige Rolle in der türkischen Wirtschaft einnimmt und weltweit führend in der Produktion von Feigen und Haselnüssen ist. Er trägt 9% zum BIP bei und vereint 25% aller Erwerbstätigen. Dass allerdings ein Viertel aller Erwerbstätigen nur 9% zum BIP beitragen, ist ein strukturelles Problem der türkischen Wirtschaft, das in Kapitel 3.1.2 behandelt wird.[28]

Die vorangegangen Ausführungen zur allgemeinen Wirtschaftsstruktur der Türkei stellen eine solide Grundlage dar, um weitere Analysen durchzuführen und wirtschaftliche Zusammenhänge präzise abzubilden. In diesem Zusammenhang hat das BIP seit der Aufnahme offizieller EU-Beitrittsverhandlungen im Jahr 2005, mit Ausnahme der Jahre 2008 und 2009, was auf die globale Finanzkrise zurückzuführen ist, große Zuwächse verzeichnet. Die folgende Abbildung verdeutlicht dies:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Wachstum des realen BIPs (in %)[29]

Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4,4% im Zeitraum von 2005 – 2013, ist die Entwicklung des BIPs positiv zu beurteilen. Daher ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auch der Wohlstand der Türkei seit 2005 deutlich gestiegen.[30]

Es ist aus Abbildung 2 jedoch nicht ersichtlich, ob dieses Wachstum nachhaltig und integrativ[31] ist, was für den möglichen EU-Beitritt ein wichtiges Kriterium darstellt.[32] Aus diesem Grund wird im Folgenden der Integrationsgrad des türkischen Wirtschaftswachstums untersucht. Hierzu verwendet die Türkische Zentralbank das Konzept von Anand et al., das integratives Wachstum von zwei Elementen abhängig macht. Diese sind zum einen das Pro-Kopf Einkommen und zum anderen die Vermögensverteilung.[33] Um den Zusammenhang vom Pro-Kopf Einkommen und der Vermögensverteilung darzustellen, werden Social Mobility Curves (SMC) verwendet, die das Pro-Kopf Einkommen in Abhängigkeit vom Einbezug der Bevölkerung von arm zu reich, widergeben. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht dies:

Abb. 3: Konzept des integrativen Wirtschaftswachstums[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf der Abszisse werden beginnend von den armen Bevölkerungsschichten hin zu den reichen Bevölkerungsschichten, die gesamte Bevölkerung abgebildet. Die Ordinate gibt das Pro-Kopf Einkommen für einen bestimmten Anteil der Bevölkerung wider. So gilt für beide Kurven, dass sich bei der Betrachtung der gesamten Bevölkerung (i=100) ein Pro-Kopf Einkommen in Höhe von B ergibt, was dem Durchschnittseinkommen der Bevölkerung entspricht. Wird allerdings nur 80% der Bevölkerung betrachtet, sinkt das Pro-Kopf Einkommen. Daraus lässt sich ableiten, dass die reichsten 20% ein überdurchschnittliches Einkommen beziehen und dadurch eine Ungleichheit in der Vermögensverteilung vorliegt. Diese Ungleichheit ist in der Kurve AB stärker ausgeprägt als in A1B, da die Kurve A1B ein höheres Pro-Kopf Einkommen für alle Bevölkerungsteile vorsieht und damit einen größeren Anteil des Einzelnen am Durchschnittseinkommen impliziert. Eine Verschiebung der SMC nach oben impliziert daher ein integratives Wachstum der Wirtschaft.[35]

Für das Ausmaß einer möglichen Ungleichheit in der Vermögensverteilung, ist die Abweichung des betrachteten Bevölkerungsanteils vom Durchschnittseinkommen bedeutend, wobei wie folgt definiert ist:[36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

bildet somit die Fläche unterhalb der SMC ab. Auf Basis dieser Ausführungen kann im nächsten Schritt der Income Equity Index (ω) hergeleitet werden, der als ein Maß für die Ausprägung der Vermögensverteilung zu interpretieren ist:[37]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, kann maximal den Wert von annehmen, weshalb ω zwischen 0 und 1 normiert ist. Wenn ω den Wert 1 annimmt, ist eine absolute Gleichverteilung des Vermögens erreicht. Je weiter sich ω dem Wert 0 nähert, desto ausgeprägter ist die Ungleichverteilung.[38]

Die Türkische Zentralbank greift auf dieses Konzept zurück, um das Wirtschaftswachstum zu bewerten. In diesem Zusammenhang wurde der Zeitraum von 2003 – 2011 analysiert, wobei der Dateninput aus zwei unterschiedlichen Datenerhebungen besteht. Die erste Datenerhebung bezieht sich auf den Zeitraum von 2003 – 2005 und die zweite auf den Zeitraum von 2006 – 2011. Um mögliche Inkonsistenzen bei der Zusammenführung der Datenbasen zu vermeiden, wurde die Entwicklung für das Jahr 2006 aus der Betrachtung ausgeschlossen.[39]

Damit ergibt sich für das integrative Wirtschaftswachstum der Türkei folgendes Ergebnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Integratives Wirtschaftswachstum in der Türkei (in %)[40]

Neben dem Wachstum des realen Pro-Kopf Einkommens wird auch die Zunahme des Income Equity Indexes (ω) dargestellt. In den Jahren 2003 – 2005 haben sowohl das Pro-Kopf Einkommen als auch der Income Equity Index deutliche Zuwächse verzeichnet. So ist in diesem Zeitraum das Pro-Kopf Einkommen durchschnittlich um 6,3% pro Jahr gewachsen, während sich die jährlichen Wachstumsraten des Income Equity Indexes im Durchschnitt auf 3,2% beliefen. Dadurch hat das Pro-Kopf Einkommen zwischen 2003 – 2005 etwa doppelt so stark zum integrativen Wachstum beigetragen, als die Ausprägung der Vermögensverteilung. In den Jahren 2007 – 2011 ist das Pro-Kopf Einkommen bedingt durch die globale Finanzkrise im Jahr 2008, auf 2,4% durchschnittliches jährliches Wachstum gesunken, während der Income Equity Index durchschnittliche Wachstumsraten von 1,1% verzeichnet hat. Für den gesamten Zeitraum von 2003 – 2011 hat das Pro-Kopf Einkommen jährlich im Durchschnitt um 3,9% zugelegt, während der Income Equity Index durchschnittlich um 1,9% pro Jahr gewachsen ist. Insgesamt ist dies als ein integratives Wachstum für die Volkswirtschaft zu werten, da sowohl das Pro-Kopf Einkommen als auch der Income Equity Index gestiegen sind. So haben auf gesamtwirtschaftlicher Ebene alle Bevölkerungsschichten vom Wachstum der vergangenen Jahre profitiert. Dieses nachhaltige und integrative Wachstum wird mittelfristig zur Bildung einer kaufkräftigen Mittelschicht führen, was im Hinblick auf den möglichen EU-Beitritt positiv zu bewerten ist.[41]

Nachdem die Wirtschaftsstruktur und das Wirtschaftswachstum der Türkei dargestellt und analysiert wurden, thematisiert das nächste Kapitel die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt des Landes.

3.1.2 Beschäftigung und Arbeitsmarkt

Im Hinblick auf eine mögliche EU-Aufnahme der Türkei, sind die Beschäftigung und der Arbeitsmarkt wichtige Merkmale. So befürchten Kritiker, dass es zu einer EU-weiten Massenzuwanderung von unqualifizierten Arbeitskräften kommt, wenn die Türkei der EU beitritt.[42] Um diese Behauptung der Kritiker ökonomisch zu untermauern bzw. zu widerlegen, werden daher im Folgenden die Beschäftigung und die Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes in der Türkei untersucht.

In diesem Zusammenhang ist die Erwerbsquote in der Türkei mit 50,8% im Jahr 2013 vergleichsweise gering. Das liegt hauptsächlich an der geringen Erwerbsquote der Frauen in Höhe von 30,8% im Jahr 2013.[43] Es gibt allerdings deutliche Unterschiede zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. So beträgt die Erwerbsquote im ländlichen Bereich bei Frauen 37% (2013) und bei Männern 71,2% im selben Jahr.[44] Die Hauptbeschäftigung in den ländlichen Gebieten stellt die Landwirtschaft dar, die etwa 25% aller Erwerbstätigen vereint und nur 9% zum BIP beiträgt.[45] Dieses strukturelle Problem ist darauf zurückzuführen, dass der Agrarsektor von kleinen Familienunternehmen mit geringer Produktivität geprägt ist, die vorzugsweise unbezahlte Familienmitglieder zur Verrichtung der Arbeit einsetzen.[46] Aus diesem Grund ist auch die Arbeitslosenquote im ländlichen Bereich mit 5,5% (2013) geringer als der Landesdurchschnitt in Höhe von 9,2% (2013).[47] Da die Erwerbsquote der Frauen in städtischen Gebieten lediglich 26,1% beträgt und damit deutlich geringer ausfällt als im landwirtschaftlichen Bereich,[48] ist dies ein Indikator dafür, dass sich viele Frauen dem Erwerbsleben entziehen, sofern sie aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit ausscheiden.[49]

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Erwerbsquote ist das Bildungsniveau. So steigt die Erwerbsquote sowohl im städtischen als auch im landwirtschaftlichen Bereich mit zunehmendem Bildungsniveau deutlich an. Allerdings ist der durchschnittliche Bildungsgrad der in der Landwirtschaft Beschäftigten sehr gering, weshalb diese außerhalb der Landwirtschaft begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten haben.[50]

Dadurch, dass aus dem landwirtschaftlichen Sektor immer mehr unqualifizierte Arbeitskräfte freigesetzt werden, stimmen Anforderungsprofil und Fähigkeitsprofil häufig nicht mehr überein, wodurch es zu einem Wachstum des informellen Sektors kommt. Dies hat negative Auswirkungen auf die Produktivität, Einkommensverteilung und den allgemeinen Lebensstandard der Menschen, weshalb die Reduktion der informellen Beschäftigung eines der wichtigsten Herausforderungen für die türkische Wirtschaftspolitik darstellt.[51] Zu diesem Zweck werden neben den unzureichenden Qualifikationen großer Bevölkerungsteile weitere Ursachen beleuchtet und Lösungsvorschläge ausgearbeitet.

Ein wichtiger Grund für die Bildung des informellen Sektors ist der einheitliche Mindestlohn der Türkei in Höhe von 67% des Durchschnittseinkommens, der sich als hohe Arbeitskosten für viele Arbeitgeber in der Türkei niederschlägt. Dies wirkt sich insbesondere auf den türkischen Niedriglohnsektor aus, indem seitens der Arbeitgeber aus Kostengründen die Schwarzarbeit der formalen Beschäftigung vorgezogen wird. Dies wird besonders in den weniger entwickelten, ländlichen Regionen praktiziert. Daher könnte eine Differenzierung des Mindestlohns nach Regionen und Altersgruppe dazu beitragen, die Schwarzarbeit zu reduzieren.[52]

Daneben spielen strenge Regeln hinsichtlich Abfindungszahlungen ebenfalls eine große Rolle, die besonders kleine und mittelständische Unternehmen finanziell stark belasten können. Da die Voraussetzung für eine Abfindungszahlung die Kündigung durch den Arbeitgeber erfordert und die Abfindungssumme von der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters abhängt, haben Beschäftigte mit einem unbefristeten Vertrag in der Regel wenig Anreiz den Arbeitgeber zu wechseln. Dies verhindert zum einen mögliche Produktivitätssteigerungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, die durch den Wechsel von Mitarbeitern aus unproduktiven Bereichen in produktive Sektoren hätten entstehen können. Zum anderen können sich Arbeitgeber nur mit verhältnismäßig hohen Kosten von Mitarbeitern trennen. Um daher das Risiko hoher Abfindungszahlungen zu umgehen, haben Arbeitgeber einen Anreiz, einen Teil ihrer Mitarbeiter auf Basis von Schwarzarbeit zu beschäftigen. Dem sollte durch eine flexiblere Ausgestaltung von unbefristeten Arbeitsverträgen und damit zusammenhängend einer Liberalisierung der Bestimmungen zur Abfindungszahlungen, entgegen gewirkt werden.[53]

Ungeachtet der Problematik der informellen Arbeit, konnten im Zuge des Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre zahlreiche Arbeitsstellen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen werden. Dies verdeutlicht die folgende Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Beschäftigungszuwachs im Industrie- und Dienstleistungsbereich nach Regionen[54]

Aus Abbildung 5 geht hervor, dass der Beschäftigungszuwachs der vergangenen Jahre im Industrie- und Dienstleistungsbereich insbesondere in den ländlichen Regionen der Türkei stattgefunden hat, statt in den urbanen, westlichen Gebieten. Der Begriff „Anatolian Tigers“ beschreibt in diesem Zusammenhang junge mittelständische Unternehmen in Zentral- und Ostanatolien, die im vergangenen Jahrzehnt von starkem Wachstum profitiert haben und besonders in der Textil- bzw. Nahrungsmittelindustrie oder im metallverarbeitendem Gewerbe tätig sind. Diese haben seit 2002 mit einer durchschnittlichen Steigerung der Beschäftigung um 5% zum türkischen Job-Wachstum erheblich beigetragen, wohingegen ihr Beitrag zum Pro-Kopf Einkommen verglichen mit den westlichen Regionen, gering ausfällt. Das ist darauf zurückzuführen, dass diese Beschäftigungsmöglichkeiten häufig im Niedriglohnbereich entstanden sind und keine hochwertigen Qualifikationen erfordern. Daher haben dadurch in erster Linie gering qualifizierte profitiert, wodurch die vergleichsweise geringe Arbeitslosenquote in ländlichen Regionen weiter zurückgegangen ist.[55]

Die Arbeitslosenquote der städtischen Gebiete und insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit von 20% (2013) blieben davon jedoch unberührt.[56] Um die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren, müssen vor dem Hintergrund der dynamischen demografischen Entwicklung zum einen sowohl die „Anatolian Tigers“ als auch die in der Westtürkei ansässigen türkischen Unternehmen wettbewerbsfähiger werden und schneller wachsen, um dadurch mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Zum anderen muss das veraltete Bildungssystem erneuert und stärker an die Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden.[57]

Insgesamt konnte die Arbeitslosigkeit von 10,6% im Jahr 2005 auf 9,2% im Jahr 2013 geringfügig gesenkt werden. Die geringe Erwerbsquote der Frauen, die ausgeprägte informelle Beschäftigung und die hohe Jugendarbeitslosigkeit stellen wichtige Problemfelder dar. Diese sollten daher vor einer EU-Aufnahme überwunden werden, um den EU-Standards zu genügen und mögliche negative Auswirkungen auf die EU zu verhindern.

Nachdem in diesem Kapitel die EU-Beitrittsreife der Türkei anhand der wirtschaftlichen Wachstumsdynamik und den Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt untersucht wurden, beschäftigt sich das nächste Kapitel mit der Geld- und Fiskalpolitik des Landes.

3.2 Geld- und Fiskalpolitik

3.2.1 Inflationsentwicklung

Die türkische Wirtschaft war zwischen 1980 und 2002 stets mit hohen Inflationsraten bis zu 70% konfrontiert, die das Ergebnis von strukturellen Problemen waren. Ein anhaltendes Haushaltsdefizit, massive Geldmengenerweiterungen und die Instabilität des Finanzsektors waren dabei die wesentlichen Ursachen, wodurch auch die Glaubwürdigkeit der türkischen Zentralbank infrage gestellt wurde. Zwar wurden in dieser Zeitperiode auch Maßnahmen diskutiert, um die hohen Inflationsraten zu reduzieren, jedoch konnten diese aufgrund von politischen Unsicherheiten nicht umgesetzt werden. Nach der schweren Finanzkrise 2001 wurde allerdings im Rahmen von Stabilisierungsprogrammen des Bankensektors auch der Bekämpfung der Inflation eine hohe Priorität eingeräumt. Seit diesem Zeitpunkt hat die Türkische Zentralbank die Gewährleistung der Preisstabilität als wichtigstes Ziel in ihre Agenda aufgenommen.[58] Dadurch konnten die chronisch hohen Inflationsraten ab 2002 deutlich reduziert werden, was in folgender Abbildung dargestellt wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Inflationsraten in der Türkei (in %)[59]

Aus Abbildung 6 geht hervor, dass zwischen 2002 und 2004 die Inflation um etwa 20 Prozentpunkte reduziert werden konnte und dadurch auch das Ziel der Zentralbank übertroffen wurde. Ab 2005 wird das vorgegebene Inflationsziel aufgrund von deutlichen Energiepreiserhöhungen überwiegend nicht mehr erreicht, jedoch bewegt sich die Inflation zumeist im einstelligen Bereich, was für die Türkei dennoch als Erfolg gewertet werden kann.[60]

Der Erfolg in der Inflationsbekämpfung ist zum einen auf strukturelle Reformen wie die Haushaltskonsolidierung und die Bankenstabilisierung und zum anderen auf deutliche Produktivitätssteigerungen bei etwa konstantem realem Lohnniveau zurückzuführen. Für die kommenden Jahre sieht die Türkische Zentralbank ein Inflationsniveau von 5% vor.[61]

Insgesamt werden diese Entwicklungen zur Sicherstellung der Preisstabilität von der Europäischen Kommission positiv bewertet. Da die Europäische Zentralbank allerdings eine Inflationsrate von etwa 2% anstrebt, wird im Hinblick auf die mögliche EU-Aufnahme der Türkei weiterhin eine Reduzierung der Inflationsrate empfohlen.[62] Neben der Inflationsentwicklung, sind auch die Entwicklungen der öffentlichen Finanzen von Bedeutung, worauf im Folgenden eingegangen wird.

3.2.2 Öffentliche Finanzen

Auch im Bereich der öffentlichen Finanzen konnten positive Entwicklungen erzielt werden. Dies verdeutlicht die folgende Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Der türkische Staatshaushalt (in Mrd. TRY)[63]

In Abbildung 7 ist zunächst zu erkennen, dass die Staatsausgaben inklusive der Zinsbelastung die Staatseinnahmen übersteigen und dadurch seit dem Jahr 2006 ein Haushaltsdefizit die Konsequenz ist. In den Jahren 2008 – 2009 wird das Haushaltsdefizit aufgrund steigender Zinsbelastung zwischenzeitlich höher und sinkt ab 2010 infolge geringerer Zinsbelastung wieder ab. Dies illustriert die starke Abhängigkeit des türkischen Haushaltssaldos von den Zinsaufwendungen. Ein positiver Aspekt ist allerdings, dass die laufenden staatlichen Einnahmen die staatlichen Ausgaben ohne Zinsbelastung übersteigen und dadurch ein Primärüberschuss erzielt wird. Dies ist sowohl auf eine disziplinierte Ausgabenpolitik als auch auf erhöhte Steuereinnahmen, insbesondere im Bereich der indirekten Steuern, zurückzuführen.[64]

[...]


[1] Vgl. Europäische Kommission (2013a)

[2] Vgl. Die Welt (2014)

[3] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2014)

[4] Gerhard Schröder (2010)

[5] Vgl. Europäische Kommission (2013b)

[6] Europäischer Rat (1993), S. 13

[7] Vgl. Europäische Kommission (2013b)

[8] Vgl. Deutsche Bank Research (2002), S. 16

[9] Vgl. Deutsche Bank Research (2002), S. 17

[10] Vgl. Deutsche Bank Research (2002), S. 18

[11] Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (2010a)

[12] Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (2010b)

[13] Vgl. European Bank for Reconstruction and Development (2010a)

[14] Die Türkei trat im Februar 1945 symbolisch in den zweiten Weltkrieg ein, ohne dass es zu militärischen Auseinandersetzungen kam, Vgl. Schuß (2012), S. 333

[15] Vgl. Schuß (2012), S. 333

[16] Vgl. Schuß (2012), S. 334 f.

[17] Vgl. Schuß (2012), S. 335 f.

[18] Vgl. OECD (2014a)

[19] Vgl. OECD (2014a)

[20] Vgl. OECD (2014a)

[21] Vgl. World Travel & Tourism Council (2014), S. 9 f.

[22] 013a), S. 10

[23] Vgl. Republic of Turkey Prime Ministry Investment Support and Promotion Agency (2Vgl. OECD (2014b)

[24] Vgl. Utz / Hibbeler (2010), S. 3

[25] Vgl. Utz / Hibbeler (2010), S. 4 ff.

[26] Vgl. Republic of Turkey Prime Ministry Investment Support and Promotion Agency (2013b)

[27] Vgl. Republic of Turkey Prime Ministry Investment Support and Promotion Agency (2013c)

[28] Vgl. Republic of Turkey Prime Ministry Investment Support and Promotion Agency (2013d)

[29] Vgl. OECD (2014c)

[30] Vgl. OECD (2014c)

[31] Integratives Wirtschaftswachstum in diesem Kontext beschreibt das Verhältnis von Wohlfahrtssteigerung und gerechter Vermögensverteilung, Vgl. Anand et al. (2013), S. 3

[32] Vgl. Kapitel 2.1

[33] Vgl. Anand et al. (2013), S. 5 f.

[34] Vgl. Anand et al. (2013), S. 6

[35] Vgl. Anand et al. (2013), S. 7

[36] Vgl. Anand et al. (2013), S. 7

[37] Vgl. Anand et al. (2013), S. 7

[38] Vgl. Anand et al. (2013), S. 7 f.

[39] Vgl. Taskin (2014), S. 8 f.

[40] Vgl. Taskin (2014), S. 10

[41] Vgl. Taskin (2014), S. 10 ff.

[42] Vgl. Auswärtiges Amt (2014)

[43] Vgl. Turkish Statistical Institute (2014a)

[44] Vgl. Turkish Statistical Institute (2014a)

[45] Vgl. Kapitel 3.1.1

[46] Vgl. Levent (2010), S. 173

[47] Vgl. Turkish Statistical Institute (2014a)

[48] Vgl. Turkish Statistical Institute (2014a)

[49] Vgl. Levent (2010), S. 173

[50] Vgl. Levent (2010), S. 174

[51] Vgl. Levent (2010), S. 179 f.

[52] Vgl. OECD (2012), S. 82 ff.

[53] Vgl. OECD (2012), S. 91 ff.

[54] Vgl. OECD (2012), S. 83

[55] Vgl. OECD (2012), S. 85

[56] Vgl. Turkish Statistical Institute (2014a)

[57] Vgl. OECD (2012), S. 91

[58] Vgl. Basci (2005), S. 382 ff.

[59] Vgl. Central Bank of the Republic of Turkey (2014a)

[60] Vgl. Central Bank of the Republic of Turkey (2007), S. 1 ff.

[61] Vgl. Basci (2005), S. 384 ff.

[62] Vgl. Europäische Kommission (2013c), S. 20

[63] Vgl. Central Bank of the Republic of Turkey (2014a)

[64] Vgl. Central Bank of the Republic of Turkey (2014b)

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Analyse volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt
Hochschule
Hochschule Aschaffenburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
54
Katalognummer
V280412
ISBN (eBook)
9783656756941
ISBN (Buch)
9783656756965
Dateigröße
1472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Türkei, Wirtschaft Türkei, Türkei Wirtschaft, Analyse Türkei, Volkswirtschaft Türkei, EU-Beitritt Türkei, EU-Beitritt, Volkswirtschaftliche Analyse
Arbeit zitieren
Ismail Budak (Autor:in), 2014, Analyse volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280412

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