Erzbischof Anno II. von Köln. Der Aufstand des Jahres 1074 in Köln


Dossier / Travail, 2013

20 Pages, Note: 3,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Einführung in das Thema:

2. Die Person Anno von Steußlingen – Herkunft, Familie, Werdegang:

3. Anno als Erzbischof von Köln – Anfänge: 1056 – 1062:
3.1 Anno als Erzbischof von Köln – Ende: 1062 – 1074:

4. Die Annalen des Lampert von Hersfeld:

5. Der Aufstand von Köln im Jahre 1074:
5.1 Annos Tod im Jahre 1075 und sein Nachruf:

6. Schluss – Fazit:

7. Quellen und Literaturverzeichnis:

1. Einleitung - Einführung in das Thema:

Die Lebens- und Wirkungszeit des Erzbischofs Anno II. von Köln fällt in das 11. Jahrhundert. Es ist ein Jahrhundert, welches vor allem vom so genannten Investiturstreit geprägt wird. Dem Streit zwischen den weltlichen Mächten, repräsentiert durch den König und späteren Kaiser Heinrich IV. (1056-1105) von der Salierdynastie, und den geistlichen Mächten, bei denen Papst Gregor VII. (1073-1085) an vorderster Stelle stand.

Der Streit zwischen König und Papst entfachte, weil beide Seiten ihre Macht und die Macht ihrer „Institution“ über die des Anderen stellen wollten und sich beide von Gott dafür berufen fühlten.

Papst Gregor VII. handelte ganz im Sinne der Kirchenreform. Die Ziele dieser Reform beinhalteten die Abschaffung von Simonie, Nikolaitismus und der Laieninvestitur, sowie die eindeutige Vormachtstellung der Kirche gegenüber den weltlichen Mächten. Diese Forderungen waren nicht ohne Grund Bestandteil der Kirchenreform, da der Streit zwischen König und Papst auch deswegen eskalierte, weil Heinrich IV. als Laie in dem Fall ohne Kenntnis des Papstes einen neuen Mailänder Bischof einsetzte. Daraufhin belegte Papst Gregor VII. Heinrich IV. mit dem Kirchenbann und mit ihm alle seine Untertanen.

Höhepunkt dieses weltbewegenden Disputs war der berühmte Bußgang von Canossa im Winter 1076/1077. In diesem Winter überquerte Heinrich IV. gezwungenermaßen die Alpen und zog nach Italien, um beim Papst Buße zu tun, damit dieser ihn vom Kirchenbann lossagt, denn sonst würde Heinrich aufgrund eines Beschlusses der Fürsten seine Macht verlieren.

Drei Tage und Nächte, so berichtet der Chronist Lampert von Hersfeld1, harrte Heinrich IV. im Büßergewand vor den Toren Canossas aus, bis der Papst ihn empfing und ihn vom Bann lossprach, sodass er sein königliches Amt weiterhin ausführen konnte. Die Vorgänge lösten eine Vielzahl unterschiedlicher Reaktionen in den akademischen Kreisen aus. Viele Geschichtswissenschaftler interpretieren den Bußgang als Schwäche, Andere sehen darin einen geschickten Schachzug von Heinrich IV., um seine Machtbefugnisse zu behalten.

Neben dem Investiturstreit drückte der Krieg ebenfalls zwischen dem salischen König Heinrich IV. und den aufständischen Sachsen diesem Jahrhundert seinen Stempel auf.

Geschichtswissenschaftlich gesehen ist das 11. Jahrhundert eine Art Übergangsphase vom Frühmittelalter zum Spätmittelalter Europas.

Anno wurde vermutlich im Jahre 1010 in einem kleinen Ort in Schwaben geboren2 und starb 1075 in Köln3.

Diese wissenschaftliche Hausarbeit versucht die Person Annos zu erforschen.Wie konnte ein Mitglied einer freien schwäbischen Kleinadelfamilie ohne politische Bedeutung und großes Ansehen zum zwischenzeitlichen Oberhaupt eines ganzen Reiches werden?

Von der katholischen Kirche heilig gesprochen und zeitlebens den Quellen zufolge sehr beliebt im Volk, stellt sich die Frage, warum die meisten Einwohner Kölns diesen Heiligen 1074 aus der Stadt jagten und sogar töten wollten. Des weiteren ist zu klären, wie Anno sich während des Investiturstreits verhielt, den er ja in Ansätzen schon mitbekam und generell, wie seine Beziehungen zum salischen Königshaus aussahen. In diesem Zusammenhang wird auch ein Blick auf die Vorfälle 1062 in Kaiserswerth zu werfen sein.

Es folgt eine präzise Ausarbeitung zu Annos vollständigem Leben mit besonderem Augenmerk auf den Kölner Aufstand von 1074 und auf seine besonderen Leistungen , sowie eventuelle Kontroversen seines Lebens.

2. Die Person Anno von Steußlingen – Herkunft, Familie, Werdegang:

Wie bereits in der Einleitung erwähnt ist Anno 1010 geboren. Der Name des Ortes leitet sich von der Burg „Stuzlinge“ ab, welches das heutige Altsteußlingen im Alb-Donau-Kreis im heutigen und damaligen Schwabenland ist4. Die Burg Altsteußlingen, wo Anno wohl das Licht der Welt erblickte, ist heute nicht mehr erhalten. Allerdings steht die St. Martinskirche von Altsteußlingen noch mit teilweise originalen und teilweise umgebauten Bauteilen. Dies ist beachtlich, da Ort und Kirche das erste mal 776 n. Chr. urkundlich erwähnt wurden und die Kirche somit eine so genannte „Urkirche“ ist und damals eine sehr große Pfarrei hatte5.

Über Annos Vorfahren gibt es einige unbewiesene Spekulationen und Thesen darüber, dass sie von dem in der Merowingerzeit bedeutendem Geschlecht der Agilolfinger abstammen sollen. Annos Familie, die Steußlinger, haben unter ihren Vorfahren einige Verwandte mit den Namen Egilolf oder Agilolf. Zudem gibt es in der so genannten „Zimmerschen Chronik“ eine Sage mit ähnlichen Beweisen für diese These6. Da dies aber nur Spekulationen aus der weiten Vergangenheit vor Annos Geburt sind, wenden wir uns den Fakten seiner näheren Gegenwart zu.

Annos Eltern hießen Walter und Engela. Sein Vater war alemannischer und seine Mutter sächsischer Abstammung, wie wir aus der „Vita Annonis Minor“ erfahren7. Von Annos vielen Geschwistern, sind folgende bekannt: Waltherus, Haymo, Engela, Adalbero, Wecelo und Otto I.8. Die Familie der Steußlinger war wohl nicht wohlhabend und hatte wohl auch keine hohen Ämter inne. Eine genaue Bezeichnung ihres mittelalterlichen Standes kann allerdings nicht gemacht werden, da sie in den Urkunden der damaligen Zeit immer andere Titel bekamen. Einer von ihnen, aus dem „Paktus Alamannorum“, einer alten alemannischen Rechtsaufzeichnung, lautet „mediani“, was so viel bedeutet, wie „mittlere Grundbesitzer“9. Wichtig ist zu wissen, dass die Steußlinger mit keinem Dynastiegeschlecht in Verbindung standen, also eine unbedeutende, wenn überhaupt klein-adelige, titelfreie Sippe ohne bislang herausragende Persönlichkeiten war.

Anno selbst wird von verschiedensten Quellen als kluger, eifriger, ehrlicher und schöner junger Mann beschrieben. Er erfuhr zunächst auf Wunsch seines Vaters eine ritterliche Ausbildung und Schulung bis er von seinem Onkel, einem Bamberger Kanoniker namens Heymo10, auf die Bamberger Domschule geschickt wurde und zu einem „vollkommenen Mann“ wurde, wie es in der „Vita Annonis Minor“ beschrieben wurde.

Da Anno nicht dem Hochadel angehörte, muss es einzig und allein an seiner außerordentlichen Klugheit, seinem Fleiß und seinen sonstigen Talenten gelegen haben, dass er schon im nächsten Kapitel der „Vita Annonis Minor“ als Schulmeister der Domschule aufgeführt wird und ihm enge und freundschaftliche Beziehungen zum Hof des salischen Kaisers Heinrich III. (1039-1056) zugeschrieben wurden.

1047 wurde von Kaiser Heinrich III. das Goslarer Pfalzstift St. Simon und Judas11 gegründet, um für sozusagen geistlichen Nachwuchs und Anwärter auf Bischofsämter zu sorgen. Laut Hermann Bauers Beitrag im Sammelband „ Sankt Anno und seine viel liebe Statt“ wurde Anno wahrscheinlich zuvor schon von Heinrich III. entdeckt, denn der Kaiser hielt sich wohl mehrfach in Bamberg auf und der fleißige Anno erregte seine Aufmerksamkeit12. Diese Entdeckung ist erneut nur durch Annos herausragende Leistungen, Verdienste und Talente zu erklären. Anno hat also den Nachteil, dass er nur niederer Herkunft ist, mit seiner Persönlichkeit und seiner Klugheit in gewisser Weise ausgeglichen und konnte somit nach größeren Würden streben13.

1049 ging er dann an den Hof des salischen Kaisers Heinrich III. und arbeitete in der Hofkanzlei 14, um 1054 Propst von Goslar zu werden15. Aus seinen Hofkaplänen suchte sich Heinrich III. immer wieder die Anwärter auf hohe geistliche Ämter aus und wer wie Anno das Glück hatte in der Hofkanzlei zu arbeiten und teilweise mit dem Kaiser zu reisen, hatte wegen dieses riesigen Schrittes und dieses enormen Vertrauensbeweises große Chancen auf so ein hohes Kirchenamt.

Wahrscheinlich ist jedoch, dass er schon vor seiner Ernennung zum Propst in das Goslarer Domstift aufgenommen wurde16. In wie weit und ob überhaupt Anno während seiner Zeit am Hof von Heinrich III. und als Propst von Goslar Einfluss auf die Regierungsgeschäfte des Kaisers nehmen konnte, ist unklar. Allerdings genoss er die Anerkennung des Kaisers und seines Hofstaats, denn ohne diese Anerkennung und eine gewisse Aufmerksamkeit, wäre er nicht zu einem von ihnen aufgestiegen.

Am 11. Februar 1056 starb der bisherige Erzbischof von Köln, Hermann II. Vorher hatte dieser, Anno auf seinem Sterbebett zu seinem designierten Nachfolger heraufbeschworen17.

Am 03. März des selben Jahres wurde Anno, nicht wegen Hermanns letzten Worten, sondern wegen Kaiser Heinrichs Zusprache und Vertrauen, zum Erzbischof von Köln geweiht.

Laut der jüngeren Vita Annos geschah dies mit Zustimmung des Volkes. Allerdings ist aus anderen Quellen bekannt, dass das Volk keineswegs zufrieden war mit Anno als Hermanns Nachfolger. „Die Zeit war stammesbewußt und standesstolz.“, so Hermann Tüchle in seinem Beitrag „Anno, Reichsbischof und Reformer“ im Sammelband „Sankt Anno und seine viel liebe statt“ . Die Kölner wollten einen Nachfolger mit einer würdigen und edlen Herkunft, und eine große, berühmte Persönlichkeit aus ihrer Region. Stattdessen bekamen sie einen gewöhnlichen Propst ohne Adelstitel, der zu allem Überfluss auch noch kein Rheinländer, sondern Schwabe war und kein Mitglied eines edlen Geschlechts. Aber der Erzbischof wird nun mal vom Kaiser selbst bestimmt und investiert und seinem Willen hatten die Kölner nichts entgegenzusetzen.

Die Vita Annonis Minor, verfasst von einem Siegburger Mönch, ist durchgehend in lobendem Ton verfasst und fast gänzlich frei von kritischen Tönen . Sie ist die einzige mir bekannte Quelle, in der geschildert wird, dass die Kölner Bürger der Wahl Annos zu ihrem Erzbischof zugestimmt hätten. Allerdings wird schon diese Äußerung in einer Fußnote widerlegt18. Das heißt, dass man mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, dass Annos Amtsantritt bei der Mehrzahl der Kölner Bürger Unzufriedenheit und Wut hervorgerufen hat. Die Menschen in seiner neuen Diözese waren also zu Beginn nicht auf seiner Seite. Diejenigen Menschen aus dem Reich, die Anno kannten und wussten, was er ohne verwandtschaftliche Beziehungen und ohne bedeutenden Namen für einen bis dato unvergleichlichen, erfolgreichen Karriereaufstieg erreicht hatte , die mussten wohl schon damals gewusst haben, was für ein vielschichtiger, talentierter und interessanter Mann nun an der Spitze des Kölner Erzbistums stand.

Um seinen Aufstieg noch einmal knapp zusammen zu fassen: Vom angefangenen Ritterdienst in der heimischen Schwäbischen Alb, zum Schüler und späterem Lehrer am Bamberger Domstift, dann zum Hofkaplan des Kaiser Heinrichs III. und bald zum Goslarer Propst aufgestiegen, wurde Anno am 03.03.1056 zum neuen Erzbischof von Köln geweiht und investiert.

Anno war zudem auch der erste seines Geschlechts der einen so hohen, bedeutenden politischen Rang innehatte und verhalf laut Dietmar Lück mitunter seinem Bruder Werner (1063-1078) und seinem Neffen Burchard (1058-1088) zu ihren Bischofsämtern in Magdeburg und Halberstadt19. Auch andere Verwandte Annos bekamen mit seiner Hilfe kirchliche Ämter während seiner Amtsperiode, worauf vermehrt Anschuldigungen des Nepotismus gegen Anno aufkamen.

„Politischer Rang“ deswegen, weil die Bischöfe und Erzbischöfe in dieser Zeit, oder andere geistliche Würdenträger, nicht nur die geistlichen, sondern auch die weltlichen Aufgaben ihrer Diözese oder ihres Geltungsbereichs übernahmen. Werner und Burchard waren aber nicht die einzigen aus Annos Verwandtschaft, denen er zu politischen Ämtern verhalf. Die Steußlinger und die mit ihrer Verwandtschaftslinie in Verbindung gebrachten Personen, stellten in circa 80 Jahren drei Erzbischöfe und drei Bischöfe in Westfalen und Sachsen20. Die meisten oder vielleicht sogar alle hatten ihr Amt dem Größten unter ihnen zu verdanken, nämlich Anno.

3. Anno als Erzbischof von Köln – Anfänge: 1056 – 1062:

In diesem Kapitel steht nun Annos Zeit als Erzbischof von Köln im Vordergrund und zwar zunächst die Zeit vom Amtsantritt an 1056 bis kurz vor den Vorfällen von Kaiserswerth 1062.

Den Abschluss des dritten Kapitels bildet dann die Zeit Annos von der Königsentführung bis zum Aufstand 1074. Dieses bedeutende Ereignis bildet mit seinem Tod 1075 das vorletzte fünfte Kapitel und leitet den Schlussteil und das Fazit ein. Zuvor in Kapitel vier werden die Annalen des Lampert von Hersfeld, als eine der wichtigsten erzählenden Quellen zum 11. Jahrhundert, analysiert.

Wie bereits erwähnt, stieß Anno bei seinem Amtsantritt in Köln wohl auf viel Spott und Ablehnung der Kölner Bürger. Sein Einfluss am Hofe war allerdings immer noch vorhanden. Da aber der bisherige salische Kaiser Heinrich III. im Oktober des Jahres von Annos Bischofsweihe 1056 starb, trat sein Sohn Heinrich IV. , der vorsichtshalber schon 1053 zum König gewählt worden war, weil Heinrich III. an Gicht litt, die Nachfolge an. Weil Heinrich IV. aber zu dieser Zeit 1056 noch ein unmündiges Kind war, leitete Kaiserin Agnes, seine Mutter, die Reichsgeschäfte solange bis ihr Sohn volljährig wurde.

Soweit die Theorie, die Realität sah anders aus. Die Fürsten und andere Verantwortliche im Reich waren unzufrieden mit ihrer Regentschaft. Sie soll schwach und leicht zu beeinflussen gewesen sein. Die meisten Ratschläge zum Umgang und zur Verwaltung ihres Reiches holte sie sich aber nicht von Anno, der immerhin seit 1057 Erzkanzler der heiligen Römischen Kirche und demnach ihr Erzkanzler war21, sondern vom Bischof von Augsburg ein22. Es ist wohl nicht abwegig anzunehmen, dass dies Anno sehr gekränkt hat.

Nach und nach entstand eine regelrechte Opposition gegen Agnes. Düsterwald geht sogar davon aus, dass Anno diese Opposition kräftig geschürt hatte, nachdem seine Versuche der Kaiserin zu helfen und ihre Regentschaft zu schützen, nicht gefruchtet haben.

Als Anno 1058 einen mächtigen rheinischen Pfalzgrafen namens Heinrich von den Ezzonen in einer Fehde stürzte, gewann er den Berg Siegburg und damit die absolute Macht im Rheinland23. Der Siegberg oder auch Michaelsberg genannt und die darauf platzierte Burg, sollte für Anno fortan von Bedeutung sein. Denn er hatte viele Intentionen und Pläne, die er als Erzbischof verwirklichen wollte und deswegen war er vor allem auch ein Bauherr. Während seiner Amtszeit 1056-1075 gründete er mehrere Kanonikerstifte und Abteien. Aber zu der Abtei in Siegburg fühlte sich Anno schon immer hingezogen und mochte sie ganz besonders, weswegen er sich auch dort hat beisetzen lassen. Die Siegburger dankten ihm seine Zuneigung, indem sie ihm einen prunkvollen Schrein fertigten, den sogenannten „Annoschrein“.

Die 5 Hauptbauwerke Annos sind die beiden Kölner Kanonikerstifte St. Maria ad gradus (1057) und St. Georg (vor 1059). Ersteres wurde bereits von seinem Vorgänger Hermann II. geplant. Sowie die beiden Benediktinerabteien im Kölner Raum: Siegburg (um 1060) und Grafschaft (1072) und Saalfeld (1070/71) in Thüringen24.

3.1 Anno als Erzbischof von Köln – Ende: 1062 – 1074:

Die Jahre vor 1062 widmete der Erzbischof Anno hauptsächlich seinem Bistum und war bestrebt, es und seine Umgebung zu bereichern und zu stärken, anstatt sich in Reichsangelegenheiten zu sehr einzumischen. Dies änderte sich allerdings drastisch mit dem so genannten Staatsstreich von Kaiserswerth 1062.

Wie aus den Annalen des Lampert von Hersfeld hervorgeht, waren die einflussreichsten Fürsten und kirchlichen Würdenträger, wie auch Anno, höchst unzufrieden mit der vormundschaftlichen Regenschaft der Kaiserin Agnes. Wenn in vorherigen Kapiteln noch von einer „möglichen“ Opposition gegen die Kaisern gesprochen wurde, ist diese Vermutung nun zum Fakt geworden. 1062 also planten der Erzbischof Anno von Köln, Herzog Otto von Bayern und Graf Ekbert25 die Entführung des jungen Kaisers nach Köln, um ihn nach ihren Wertvorstellungen und Interessen zu erziehen. Sicher hatte diese Verschwörung noch weitere Mitwisser aber an der tatsächlichen Ausführung des Plans waren hauptsächlich nur diese drei beteiligt.

Der junge Salier-König Heinrich der IV. weilte in der Pfalz zu Kaiserswerth und wurde mittels einer List oder durch die Überredungskünste Annos ans Rheinufer gelockt, mit der Absicht , man wolle ihm ein neues, prunkvolles Schiff zeigen. Schließlich ging der nichtsahnende Heinrich auf das Schiff und erst als es abrupt ablegte, begriff Heinrich die List. Die Annalen berichten, dass der junge König in Panik und aus Angst vor Gewalt in den Rhein sprang, um zu flüchten. Diese Flucht hätte tödlich in den reißenden Fluten des Rheins enden können, wenn Graf Ekbert ihn nicht gerettet und zurück an Bord gebracht hätte. Der König wurde beruhigt und nach Köln gebracht und die Mutter des jungen Heinrichs zog sich auf ihre Privatgüter zurück, ohne Anstalten gemacht zu haben, zu ihrem gerade entführten Sohn zu reisen26.

Die Reichsgeschäfte übernahmen nun die Fürsten und Bischöfe, obwohl zunächst Anno an der Spitze aller Beteiligten stand , da der König immerhin in seine Diözese verschleppt worden war. Neben Anno als Erzbischof von Köln hatte auch der Erzbischof von Mainz zunehmend einen großen Einfluss auf die Erziehung des Königs und die Verwaltung des Reiches. Spätestens jetzt, da die Reichsregierung mitsamt König in Köln weilte und nach den gestifteten Klöstern Annos für seine Diözese, dachten die Kölner bestimmt anders über ihren Erzbischof, mit dem sie zu Beginn noch so unzufrieden waren. Jetzt war er aber ohne Zweifel mit den ganz Großen des Reiches zu vergleichen27.

Auch dass Anno den Streit zwischen Papst Alexander II. (1061-1073) und dem von Kaiserin Agnes ernannten Gegenpapst Cadalus beziehungsweise Honorius II. (1061-1064) beilegte, indem er sein Vertrauen Alexander II. gab28, wird ihm viel Bewunderung eingebracht haben aber auch neue Feinde aus den Reihen der Reformgegner.

Der Gegenpapst wurde jedenfalls ernannt, weil das deutsche Herrschertum an der Wahl des Alexander II. nicht beteiligt war und dieser Umstand den deutschen Fürsten und Kaiserin Agnes nicht gefiel. Mit der endgültigen Niederlegung dieses Streites auf der Synode zu Mantua am 31. Mai 106429 wurde Alexander II. als rechtmäßiger Papst anerkannt und Anno bezog, gewollt oder ungewollt, mit diesem Schritt Position zur Reformbewegung der Kirche, die Alexander II. vertrat. Er wurde also von hier an von viele als Repräsentant der Kirchenreform angesehen und war somit auf „römischer Seite“. Nachfolger Alexanders wurde übrigens der berühmte Papst Gregor VII. (1073-1085).

Inzwischen hatte sich allerdings im Reiche eine Opposition gegen Anno gebildet, angeführt von einem engen Freund der Salier, dem Erzbischof Adalbert von Bremen. Laut des Artikels über Anno in der Allgemeinen Deutschen Biographie war es klug für Anno zu dieser Zeit, schon 1063, nachzugeben. Von nun an leitete Adalbert hauptsächlich das Reich und Annos Hauptaufgabe war die Unterweisung und Erziehung von Heinrich IV.

Laut den Annalen des Lampert von Hersfeld, war die Beziehung zwischen Anno und dem jungen König allerdings nicht so freundschaftlich, wie es zunächst erscheinen mochte.

Denn als der König 1065 im Zuge der traditionellen Schwertleite für mündig erklärt worden war, wollte er gewaltsam auf Anno losgehen, den anscheinend in seinen Augen gehassten Entführer und Erzieher30.

Auch Adalbert von Bremen konnte sich nicht lange durchsetzen als Vertrauter des Königs, denn nun wollten die Fürsten, darunter auch Anno von Köln, ihn stürzen, weil er angeblich eine „tyrannische Herrschaft“31 mit dem König ausübte. Anno und der Erzbischof von Mainz hielten 1066 einen „Reichstag“ in Trebur ab, um dem König eine Nachricht zu überbringen. Er solle sich entweder von Adalbert von Bremen lösen oder abdanken. Natürlich dankte der Salier nicht ab, sondern verstieß Adalbert von Bremen widerwillig vom Hofe, sodass nun wieder die Bischöfe und Fürsten und auch Anno, Anteil an der Verwaltung der Reichsgeschäfte nehmen konnten. Nachfolger Adalberts im Bistum Bremen wurde Kuno, ein Neffe Annos und ein weiterer Beweis für Annos Nepotismus32.

[...]


1 Annalen von Lampert von Hersfeld, Seite 407

2 Düsterwald, Erich, S. 38

3 Düsterwald, Erich, S. 43

4 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Bauer, Hermann, S. 11

5 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Bauer, Hermann, S. 12

6 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Bauer, Hermann, S. 22+23

7 Vita Annonis Minor, S. 9

8 Lück, Dieter, S. 203

9 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Bauer, Hermann, S. 23+24

10 Lück, Dieter, S. 60

11 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Bauer, Hermann, S. 25

12 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Tüchle, Hermann S. 68

13 Lück, Dietmar, S. 86

14 Düsterwald, Erich, S. 38

15 Lück, Dietmar, S. 84

16 Lück, Dietmar, S. 97

17 Vita Annonis Minor, S. 13

18 Vita Annonis Minor, S. 13

19 Lück, Dietmar, S. 30

20 Lück, Dietmar, S. 43

21 Monumenta Annonis, S. 15

22 Düsterwald, Erich, S. 38

23 Düsterwald, Erich, S. 39

24 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Verbeek, Albert, S. 183

25 Annalen von Lampert von Hersfeld, S. 75

26 Annalen von Lampert von Hersfeld, S. 75

27 Sankt Anno und seine viel liebe statt: Diederich, Toni, S. 169

28 Lindner, Theodor: „Anno II.“, in: Allgemeine Deutsche Biographie

29 Lindner, Theodor: „Anno II.“, in: Allgemeine Deutsche Biographie

30 Annalen von Lampert von Hersfeld, S.95

31 Annalen von Lampert von Hersfeld, S.107

32 Annalen von Lampert von Hersfeld, S.111

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Erzbischof Anno II. von Köln. Der Aufstand des Jahres 1074 in Köln
Université
University of Siegen  (Philosophische Fakultät)
Note
3,0
Auteur
Année
2013
Pages
20
N° de catalogue
V280479
ISBN (ebook)
9783656841975
ISBN (Livre)
9783656841982
Taille d'un fichier
485 KB
Langue
allemand
Mots clés
erzbischof, anno, köln, aufstand, jahres
Citation du texte
Manuel Freudenstein (Auteur), 2013, Erzbischof Anno II. von Köln. Der Aufstand des Jahres 1074 in Köln, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280479

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