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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kriegsfotografie
2.1. Geschichte der Fotografie
2.2. Entwicklung der Kriegsfotografie
3. Theorien des kollektiven Gedächtnisses
3.1. Maurice Halbwachs
3.2. Jan und Aleida Assmann
3.3. Medien des kollektiven Gedächtnisses
4. Das Foto „Napalm Girl“ und der Vietnamkrieg im kollektiven Gedächtnis
4.1. Entstehungskontext des Fotos
4.2. Wahrnehmung und Reaktion in den Medien 1972
4.3. Die Fotografie als Gedächtnismedium
4.4. Massenmedien und öffentliche Meinung während des Vietnamkrieges
5. Resümee
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wie Menschen sich an vergangene Ereignisse erinnern und wie diese Ereignisse zu verschiedenen Zeiten gedeutet werden, wird in der Geschichtswissenschaft im Rahmen der Erfahrungsgeschichte erforscht. Erinnerungen entstehen vor dem Hintergrund der individuellen Vorerfahrungen des Betrachters und bleiben nicht statisch im Gedächtnis bestehen, sondern werden im Kontext nachfolgender Ereignisse gedeutet und können sich zu jedem späteren Zeitpunkt erneut verschieben. Erinnerungen von Menschen sind also keine „objektiven“ historischen Ereignisse, sondern „subjektive“ Erfahrungen. Mit der Entwicklung der Fotografie und der Entstehung der Massenmedien im 20. Jahrhundert können auch Ereignisse in fernen Ländern ohne unmittelbare Nähe zum Geschehen subjektiv erfahren werden. Kriegsfotografien vermitteln ein vermeintlich genaues Abbild der Ereignisse. Entsprechend kann eine Fotografie wie die des „Napalm Girls“ im globalen kollektiven Gedächtnis verankert sein und ist in ihrer Wirkung nicht allein auf die Teilnehmer des Vietnamkrieges beschränkt.
Die vorliegende Arbeit gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte der Kriegsfotografie und deren wachsende und wandelnde Bedeutung im 20. und 21. Jahrhundert. Des Weiteren stellt die Arbeit die wichtigsten kulturwissenschaftlichen Theorien der Gedächtnisforschung vor, bevor diese folgend auf die wohl bekannteste Fotografie des Vietnamkrieges angewandt werden. Welche Bedeutung haben Medien im Allgemeinen und die Fotografie im Speziellen bei der Bildung des kollektiven Gedächtnisses? Welche Rolle spielten die Massenmedien während des Vietnamkrieges im Bezug auf die öffentliche Meinung zum Krieg und wie wird dieser auch aufgrund des Fotos „Napalm Girl“ heute bewertet? Durch welche Mechanismen werden einzelne Bilder zu Ikonen des kollektiven Gedächtnisses? Während des Vietnamkrieges wurden tausende Bilder in den Medien veröffentlicht. Warum sind nur eine Handvoll dieser in unseren Köpfen verankert? Resümierend soll betrachtet werden, wie sich die Rezeption des Fotos veränderte und welche Schlüsse sich daraus auf die Mechanismen des kollektiven Gedächtnisses ziehen lassen.
2. Kriegsfotografie
2.1. Geschichte der Fotografie
Die erstmalige öffentliche Präsentation der Fotografie, die im Jahre 1839 vom französischen Staat angekauft und an die Öffentlichkeit übergeben wurde,[1] fiel in eine Zeit voller gesellschaftlicher Umbrüche, die ihre schnelle technische Entwicklung und Ausbreitung begünstigte. Der Mitte des 18. Jahrhunderts zunächst in England einsetzende Prozess der Industrialisierung der Produktion, die Erfindung neuer Techniken, die menschliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzte, steigerte die Produktivität und das wirtschaftliche Wachstum in bislang unbekanntem Ausmaß. Bekannt als Industrielle Revolution veränderte dieser Prozess die Gegebenheiten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich. Das Prinzip der gottgewollten „Ordnung durch Ungleichheit“ (vgl. O. G. Oexle 1990) wurde schrittweise durch eine neue Gesellschaftsordnung nach sozialen Klassen ersetzt. Diese „europäische Doppelrevolution“ wurde vor allem von der neuen sozialen Schicht oder Klasse des Bürgertums vorangetrieben.[2]
Das vorgestellte Fotografie-Verfahren wurde Daguerreotypie bezeichnet, nach Louis Daguerre, der es basierend auf einer Erfindung von Nicéphore Niépce aus dem Jahre 1826 entwickelte.[3] Das Verfahren war noch äußerst mühselig. Die Apparate wogen bis zu 50 Kilogramm, eine Silberplatte musste unmittelbar vor der Aufnahme präpariert werden und die Belichtungszeiten konnten mehr als dreißig Minuten dauern. Vor allem aber waren die Fotografien immer Einzelstücke, da sie nicht reproduziert werden konnten. Das Verfahren wurde jedoch dank der Begeisterung an der neuen Technik rasant weiterentwickelt, so dass sich beispielsweise die Belichtungszeit bereits bis 1842 auf 40 Sekunden verringerte.[4]
Die Fotografie wurde bereits frühzeitig durch die Presse adaptiert, trotz der anfänglichen Schwierigkeiten der Kommerzialisierung. In den 1840er Jahren wurden zunächst noch Abzüge in Zeitschriften eingeklebt, bevor in den 1850ern bereits Vervielfältigungen in Auflagen von mehreren tausend möglich waren. Der endgültige Siegeszug der Fotografie in der Presse setzte mit dem 1882 patentierten Autotypie-Verfahren ein, mit dessen Hilfe massenhaft und preiswert Fotografien in der Presse vervielfältigt werden konnten. Die Präsenz von Fotografie im Alltag nahm ständig zu. Doch auch wenn es nun technisch möglich war Fotografien in der Presse zu platzieren, wurde dies erst Anfang des 20. Jahrhunderts gängig, in Tageszeitungen sogar noch später.[5]
2.2. Entwicklung der Kriegsfotografie
Das neue Verfahren wurde relativ schnell genutzt, um Kriege der Zeit darzustellen. Der erste fotografisch festgehaltene Krieg war der Texas-Krieg (1846-1848), von dem jedoch nur wenige Bilder existieren.[6] Erst der Krim-Krieg (1853-1856) wurde umfangreich fotografiert. Die wohl bekanntesten Fotos sind die des britischen Fotografen Roger Fenton, der im Februar 1855 nach Russland reiste. Die Bilder vermittelten jedoch keine konkrete Vorstellung vom Krieg, da sie die Soldaten nur fernab von der Front zeigten, vermeintlich um die Familien der Soldaten nicht zu beunruhigen.[7]
Die ersten konkreten Vorstellungen vom Schrecken des Krieges wurden während des amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865), u. a. durch die Bilder des amerikanischen Fotografen Mathew B. Bradys, vermittelt.[8] Der Bürgerkrieg war auch der erste Krieg, in dem Kriegsfotografie eine wichtige Rolle spielte.[9] Die Veröffentlichung von Erinnerungsbänden in den Jahren nach dem Krieg signalisierte auch die erstmalige Nutzung von Fotografien in der öffentlichen Erinnerung an den Krieg.[10]
Im Zuge des Ersten Weltkrieges nahm die Zahl der Kriegsfotografen, im Vergleich zu den zuvor fotografisch dokumentierten Kriegen, enorm zu. Der Stand der Technik ermöglichte nun auch Soldaten Amateurfotografien zu machen. Das fotografieren an der Front wurde im Vergleich zum Amerikanischen Bürgerkrieg, in dem sich die Fotografen noch frei an der Front bewegen durften, nun jedoch stark reglementiert, da die kriegsführenden Parteien die Fotografie als Instrument der Kriegspolitik sahen.[11] Die Verbote scheinen jedoch nicht sonderlich verfolgt worden zu sein, denn es wurden zahlreiche Bilder von Soldaten während des Krieges veröffentlicht.[12]
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die zentrale Lenkung der Kriegsfotografien stärker als noch im Ersten Weltkrieg durchgesetzt. Es wurden sowohl in Deutschland als auch in den alliierten Ländern Bilder veröffentlicht, die positive Darstellungen der eigenen Soldaten abbildeten. Diejenigen, auf denen Zerstörungen und Leichen zu sehen waren, wurden zensiert. Oft verübten bereits die Fotografen bei der Auswahl Selbstzensur.[13] Diese Selbstzensur der Fotografen war ein wichtiger Bestandteil dessen, welche Bilder aufgenommen und veröffentlicht wurden. Erst als es für die Menschen nicht mehr nachvollziehbar wurde, warum ein Land an einem Krieg teilnimmt, änderte sich diese Haltung. Laut John Morris setzte dieser Wandel mit dem Koreakrieg ein.[14]
[...]
[1] Freund, Gisèle. Photographie und Gesellschaft. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1979. S. 25
[2] Kruse, Wolfgang. Studienbrief der Fernuniversität Hagen, Kurs 03503, KE 3. S. 4
[3] Freund. Photographie und Gesellschaft. S. 28-29
[4] Ebd. S. 32-33
[5] Jäger, Jens. Fotografie und Geschichte. Historische Einführungen Bd. 7. Frankfurt/Main; New York: Campus, 2009. S. 65
[6] Paul, Gerhard. Bilder des Krieges, Krieg der Bilder: Die Visualisierung des modernen Krieges. Paderborn : München: Schöningh; Fink, 2004. S. 61
[7] Freund. Photographie und Gesellschaft. S. 117-118
[8] Freund. Photographie und Gesellschaft. S. 118
[9] Paul. Bilder des Krieges, Krieg der Bilder. S. 66
[10] Ebd. S. 68
[11] Jäger. Fotografie und Geschichte. S. 148
[12] Ebd. S. 134
[13] Freund. Photographie und Gesellschaft. S. 180-181
[14] Ebd. S. 180
- Quote paper
- Sabrina Runge (Author), 2014, Kriegsfotografie und kollektives Gedächtnis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280665
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