Geschlechtstypische Erziehung im pädagogischen Handlungsfeld Kindergarten

Ein Diskurs zwischen rollenneutraler und rollenspezifischer Theorie und Praxis


Dossier / Travail, 2014

23 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Die Aktualität der Genderproblematik - Beginn schon im Kindergarten?

2. Ein kurzer Überblick über den Forschungsstand

3. Thematisch relevante Begriffsklärungen
3.1 Erziehung und Erzieherinnen
3.2 Kindergarten
3.3 Geschlecht, Gender und Geschlechterrolle

4. Verschiedene Ansichten und Ansätze zur Geschlechtsentwicklung, Geschlechtertrennung und zum Umgang mit diesen
4.1 Psychologische Sichtweise
4.2 Soziologische Sichtweise
4.3 Sozialkonstruktivistische und feministische Sichtweise

5. Statistiken, empirische Forschungsbelege, Erfahrungen aus der Praxis im Kindergarten .
5.1 Allgemeine Beobachtungen im Bezug auf Geschlechtertrennung
5.1.1 Denken und Verhalten der Kinder 11
5.1.2 Denken und Verhalten der Erzieherinnen 12
5.2 Koedukative Praxen
5.3 Geschlechtstrennende Praxen

6. Konsequenzen für das Handeln der Erzieherinnen in der Praxis
6.1 Interaktion mit den Eltern
6.2 Selbstreflexion und Abbau von Vorurteilen seitens der Erzieherinnen
6.3 Interaktion mit Kindern anhand einiger Beispiele

7. Ein kurzes Fazit und ein Ausblick: Zusätzliche männliche pädagogische Fachkräfte als Lösung für die Genderproblematik im Kindergarten?

Literaturverzeichnis

1. Die Aktualität der Genderproblematik - Beginn schon im Kindergarten?

Die Genderproblematik ist gerade in den letzten Jahren ein spannungsgeladenes The- menfeld. In der Politik starten ständig neue Diskussionen über die Frauenquote (vgl. Caspari 2013) und in den Universitäten wird darüber diskutiert, ob die Studenten als „Stu- dierende“ oder „StudentInnen“ oder „Studenten und Studentinnen“ bezeichnet werden sollen. (vgl. Lüpke-Narberhaus 2013). Unabhängig vom Themenfeld, sobald der Begriff Gender zu Wort kommt, geht es im Wesentlichen um die Frage der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Unter diesem Blickwinkel wurde sich näher mit dem pädagogi- schen Handlungsfeld Kindergarten beschäftigt, um sich so der eigentlichen Themenfrage anzunähern. Denn die Geschlechterfrage ist auch in der Erziehungswissenschaft ein wichtiges und nicht zu vernachlässigendes Thema. Besonders die frühkindliche Erziehung hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung und Sozialisation des Kindes im Bezug auf Geschlechterfragen. Dies wird versucht in dieser Arbeit darzustellen und zu belegen. Da- bei wird versucht unter ausgewogenem Einbezug von empirischen Forschungsbelegen, Theorien und Erfahrungen aus der Praxis konstruktiv mit verschiedenen Begrifflichkeiten zu arbeiten und diese anzuwenden. Es wird sich damit auseinandergesetzt wie ge- schlechtstypische Erziehung bewertet wird. Dabei wird sie von verschiedenen Seiten be- leuchtet. Leitende Fragestellung ist hierbei welcher Umgang (durch Erzieherinnen) der „richtige“ im Bezug auf geschlechtstypisches Verhalten von Kindergartenkindern ist, wobei hier der Begriff „richtig“ relativiert werden sollte. Denn „die eine“ oder „die richtige“ Lösung, soviel kann vorweggenommen werden, gibt es nicht.

Besonders interessant zu betrachten ist das Handlungsfeld Kindergarten, da im Kinder- gartenalter der Übergang vom Nicht-Wahrnehmen zum langsamen Erkennen der eigenen Geschlechtsidentität deutlich wird, wodurch die Bildung von Geschlechtertrennung in den Kindergruppen erfolgt (vgl. Rohrmann 2008, 36). In der folgenden Arbeit wird sich aber nicht nur auf die selbstständige Einteilung der Kinder in Geschlechtergruppen sondern auch auf die Trennung der Kinder durch pädagogische Konzepte bezogen. Dies ge- schieht, da das Denken und Handeln der Erzieherin als eine zentrale Frage behandelt werden soll. Das Forschungsfeld beschränkt sich hierbei auf Kindergärten innerhalb Deutschlands, um eine möglichst differenzierte Darstellung zu gewährleisten. Ein europä- ischer oder weltweiter Vergleich erscheint im Rahmen dieser Arbeit zu komplex, da selbst in Deutschland je nach Institution unterschiedlichste Erziehungskonzepte und Auffassun- gen bestehen. Außerdem beschränkt sich die Literaturrecherche auf die letzten 25 Jah- ren, da ältere Literatur nicht aktuell genug erscheint um dem zu bearbeitenden Thema gerecht zu werden.

Im Folgenden wird nun ein kurzer Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben und einige Arbeitsbegriffe geklärt, damit anschließend mit der eigentlichen Bearbeitung der Fragestellung begonnen werden kann.

2. Ein kurzer Überblick über den Forschungsstand

Das Thema der geschlechtstypischen Erziehung in Kindergärten bzw. Kindertageseinrich- tungen ist ein neues und wenig erforschtes Gebiet und es gibt folglich auch dort noch er- hebliche Forschungsdefizite. Der Umgang mit dem Geschlecht wurde bis heute haupt- sächlich im Handlungsfeld Schule behandelt (Rendtorff 2011; Krüger 2011; Jäkel 2004).

Trotzdem lassen sich einige Aussagen und Ergebnisse in der neueren Literatur zum The- ma finden. Dabei ist anzumerken, dass sich diese untereinander teilweise widerspricht. So kann laut Tim Rohrmann zwischen der wissenschaftlichen und pädagogischen Mainstream-Forschung (Tim Rohrmann, 2008, 2009) der Frauen- (Rendtorff 2006; Rend- torff & Moser 1999) und der Männerforschung (Schnack & Neutzling 1999/2000; Conell 2002) unterschieden werden. Auch in den verschiedenen Nachbardisziplinen wie der so- ziologischen (Chodorow 1985; Hagemann-White 1984) und der psychologischen (Eckes & Trautner 2000; Bussy & Bandura 1999, 2004) Forschung gibt es erhebliche Unterschie- de bei den Forschungsgegenständen, in den Begriffsdefinitionen und Forschungsausbli- cken (vgl. Rohrmann, 2009 S.14f).

3. Thematisch relevante Begriffsklärungen

3.1 Erziehung und Erzieherinnen

Da Erziehung ein allumfassender Begriff ist, wird er speziell auf die für die Arbeit relevan- ten Felder eingegrenzt und mit diesem so definierten Erziehungsbegriff wird im weiteren Verlauf gearbeitet werden. Die Basis der Erziehung stellt das Einwirken und die damit verbundene Absicht etwas zu bewirken oder zu erreichen auf den Heranwachsenden dar. Hiermit wird automatisch impliziert, dass hier von einer Erziehung ausgegangen wird, die sich auf das Bestreben den Zögling zur Mündigkeit zu führen bezieht. Das heißt der Pro- zess des Erziehens sollte in der Regel mit Beendigung des 18. Lebensjahres, spätestens mit Beendigung des 24. abgeschlossen sein (vgl. Miller-Kipp; Oelkers 2012, S. 205). Es wird sich also nicht auf das „lebenslange Lernen“ bezogen, welches sich durch den Begriff der Bildung beschreiben lässt. Folglich soll in dieser Definition hauptsächlich auf die inten- tionale Erziehung in dem Sinne, dass die „Maßnahmen beabsichtigt“ sind und eine „be- stimmte Intention“ (Kraus-Prause; Kraus; Nonnenmacher 1995, S. 83) haben, eingegan- gen werden. Der funktionale Teil der Erziehung, der sich nur schwer vom Begriff der Sozi- alisation trennen lässt (vgl. ebd), soll - soweit dies möglich erscheint - ausgeklammert werden. Dies geschieht, da sich der folgende Text hauptsächlich mit der Frage des akti- ven Handelns und Erziehens beschäftigen wird. Die Ausnahme hierbei bilden die Hand- lungen der Erzieherinnen, da sich das intentionale indirekte nur schwer von außen betrachtet vom funktionalen Handeln unterscheiden lässt.

Die Erzieherin hat hierbei die Aufgabe diesen Prozess angemessen auszuführen. Außer- dem hat sich die Erzieherin bei all ihren Entscheidungen konsequent an den Rechten, Bildungsprozessen, Interessen und den Lebenslagen des Kindes bzw. denen der Eltern zu orientieren. Formal wird die Erzieherin im Kontext Kindergarten als „staatlich anerkann- te, sozialpädagogische Fachkraft“ (Tenorth & Tippelt 2012, S. 202) gesehen, deren Kernauf- gabe darin besteht, die Kinder zu betreuen, zu bilden und zu erziehen (vgl. ebd.). Es ist ausdrücklich von der weiblichen Form des Erzieherberufs die Rede, da sich Folgendes auf das Handeln der Erzieherinnen beschränkt. Dies geschieht nicht etwa um das männli- che Geschlecht zu diskriminieren oder auszugrenzen, sondern weil der Beruf des Erzie- hens ein stark weiblich dominierter (vgl. Rohrmann 2008, S. 142) ist und die Ausnahmen, die diejenigen des männlichen Geschlechts bilden, eine neue Diskussion starten würden und thematisch nicht in den Rahmen dieser Arbeit passen würden. Zudem ist in vorlie- gender Literatur meist allgemein von der Erzieherin die Rede.

3.2 Kindergarten

Das Arbeitsfeld der Erzieherin ist wie vorhin schon erwähnt der Kindergarten1. Der Kin- dergarten ist eine Einrichtung im vorschulischen Bereich für Kinder im Alter von drei Jah- ren bis zum Beginn der Schulpflicht und eine Unterkategorie der Kindertagesstätten (KiTas) (vgl. Böhm 2000, S. 290). In einigen Einrichtungen verschwimmen die Begriffe, da wird beispielsweise der Begriff KiTa synonym zum Kindergarten verwendet (vgl. Hüller 1992, S. 50-53). Wenn hier also die Rede von Kindergarten ist, werden auch anders be- nannte Institutionen miteinbezogen, solange sie der Definition des Begriffs Kindergarten entsprechen. Teilweise wird in den Forschungsergebnissen die KiTa zusammenfassend benannt und nicht in die einzelnen Institutionen unterteilt. Hier wird davon ausgegangen, dass die Ergebnisse kongruent auf den Kindergarten übertragen werden können. Der Kindergarten wird kontrovers diskutiert. Zum einen wird er als Kinderfürsorge gesehen, d.h. er hat eine familienunterstützende und -begleitende und -entlastende Funktion, was sich unter anderem dadurch zeigt, dass der Kindergartenbesuch freiwillig ist. Zum ande- ren dient er jedoch auch zur Vorbereitung auf die Schule (vgl. Böhm 2000, S.290f und Kraus-Prause; Kraus; Nonnenmacher 1995, S.159f) und somit dazu den Kindern „beste Entwicklungs- und Bildungschancen zu ermöglichen“ (Tenorth & Tippelt 2012, S. 391).

3.3 Geschlecht, Gender und Geschlechterrolle

Der Begriff des Geschlechts allgemein kann in der Sozialforschung zwischen „Sex“ und „Gender“ unterschieden werden. Mit dem Begriff „Sex“ wird das Geschlecht anhand der körperlichen Merkmale definiert. „Gender“ hingegen bezeichnet das gesellschaftliche, soziale oder auch kulturelle Geschlecht (vgl. Faulstich-Wieland 2012, S. 274). Wenn in dieser Arbeit die Rede von Geschlecht ist, handelt es sich zumeist um das soziale Ge- schlecht. Ist das biologische Geschlecht („Sex“) gemeint, so wird dies explizit erwähnt oder es lässt sich aus dem Kontext erschließen. Die Begriffe lassen sich nicht immer exakt voneinander trennen, da „Gender“ oftmals „Sex“ beinhaltet. Dennoch wird versucht, möglichst sauber mit den Begriffen zu arbeiten. Fritjof Bönold, der sich ausgiebig in sei- nem Buch „Geschlecht - Subjekt - Erziehung“ mit dem Thema befasst hat, sieht das „Ge- schlecht als Produkt der Praxis und nicht als Ausgangspunkt“ (Bönold 2003, S. 71). Dies unterstützt die Definition des „Gender“-Begriffs, welcher weitestgehend des Verständnis- ses wegen hier durch den Begriff des Geschlechts ersetzt werden wird. Weiterhin greift Bönold die Thematik der Geschlechterrollenzuschreibung auf. Laut ihm sind die Ge- schlechterrollen - im Kindesalter auch Geschlechtertypisierung genannt - verschiedene Verhaltensfiguren, die typisierten Erwartungen entsprechen (vgl. ebd., S 39). Zu unter- scheiden sind die Geschlechterrollen allerdings von den Stereotypen. Diese sind vorur- teilsbehaftet und das Gegenüber ist der Überzeugung, dass ganz spezifische Merkmale so wie Gegenstände, Aktivitäten oder Eigenschaften des anderen Geschlechts so zu sein haben, wie es den gängigen Gesellschaftserwartungen entspricht und damit auch den verbundenen Verhaltenserwartungen, Normen und Verpflichtungen (vgl. Tenorth & Tippelt 2012, S. 284). Bönold allerdings betrachtet auch die Geschlechterrollen kritisch und ver- gleicht sie mit den Rollenstereotypen:

„Die Rollentheorie verstärkt das Denken in zwei Schubladen und polarisiert heterogene Geschlechtsverhältnisse.“ (Bönold 2003, S. 44)

Im Kontext dieser Arbeit wird hingegen versucht, dem Rollenbild in den ersten Kapiteln neutral gegenüber zu stehen um gegen Ende darüber zu reflektieren. Im Folgenden wer- den nun verschiedene Sichtweisen auf, unter anderem, die Geschlechterrolle vorgestellt.

4. Verschiedene Ansichten und Ansätze zur

Geschlechtsentwicklung, Geschlechtertrennung und zum Umgang mit diesen Vorweg soll erwähnt sein, dass eine komplett zutreffende Einordnung in eine bestimmte Fachdisziplin kaum möglich erscheint. Es gibt immer wieder Überschneidungen und teil- weise widersprechen sich die Ansichten sogar innerhalb einer Fachdisziplin. Trotzdem wird der Versuch gestartet die verschiedenen Ansichtsweisen systematisch einzuordnen. Alle Ansätze beziehen sich im wesentlichen auf die Entwicklung von Kindern im Kinder- gartenalter.

4.1 Psychologische Sichtweise

Die psychologische Sichtweise auf die Geschlechtsentwicklung lässt sich vor allem an den Ansichten der Entwicklungspsychologie festmachen. Laut dieser

„... neigen Jungen dazu aktiver, impulsiver, energischer, und körperlich aggressiver zu sein. Mädchen sind dagegen tendenziell ängstlicher, unselbstständiger, emotional sensib- ler, folgsamer, haben eine wirksamere Selbstkontrolle, verstehen selbstbezogene Emotio- nen besser und können geschickter indirekte soziale Aggressionen in die Wege leiten.“ (Berk 2011, S. 366)

Die so vorgetragene Entwicklungspsychologie geht also von einer Rollentrennung und einem eindeutigen Unterschied zwischen beiden Geschlechtern aus. Damit ist aber noch nicht geklärt in wie weit dieses geschlechtstypische Verhalten entsteht, für gut befunden wird oder wie damit umgegangen werden soll. Hier stimmen die Ansichten der beiden behandelten Autorinnen (Berk und Bischof-Köhler) im wesentlichen überein. Laut Berk gibt es biologische Voraussetzungen für die Geschlechtstypisierung der Kinder (vgl. ebd., S. 367), wesentlich entscheidender aber sind die Umwelteinflüsse wie Eltern und soziales Umfeld (vgl. ebd., S. 367-371). Kinder lernen geschlechtstypische Verhaltensweisen durch Nachahmung wodurch sich dann langsam das Bewusstsein einer Geschlechtszu- gehörigkeit entwickelt (vgl. ebd., S. 371). Es ist zwar nicht explizit die Rede von Erziehe- rinnen, dennoch wird hieraus schlussgefolgert, dass auch diese eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Geschlechtsidentität des Kindes spielen. Der Ansatz von Doris Bi- schof-Köhler ist hier ein wenig anders gelagert. Ihre Aussage hierzu lautet:

„Geschlechtsunterschiede im Verhalten und Erleben sind nicht biologisch angelegt; sie werden sozial hergestellt oder sind das Produkt kognitiver Verarbeitungsprozesse.“ (Bischof-Köhler 2004, S. 369)

Daraus folgert sie, dass dies zum Großteil durch soziokulturelle Theorien zu begründen sei. Diese lassen sich in vier Haupttheorien untergliedern. Der Psychoanalyse, den Beha- viorismus, der sozialen Lerntheorie und dem Kognitivismus2. Die Psychoanalyse, be- gründet von Sigmund Freud, geht davon aus, dass Kinder die Rolle des gleichgeschlecht- lichen Elternteils übernehmen und sich damit identifizieren. Die laut Bischof-Köhler kri- tisch zu betrachtende Konditionierungstheorie (Behaviorismus) erklärt sich das ge- schlechtstypische Verhalten der Kinder durch das Erziehungskonzept des Bestrafens und Belohnens. Laut der sozialen Lerntheorie „[werden] Geschlechterrollen […] durch Nach- ahmung erworben“ (ebd., S. 370). Der durch Lawrence Kohlberg begründete Kognitivis- mus schließlich fasst zusammen, dass sich Kinder durch den Wissenserwerb über ihre Geschlechtszugehörigkeit in ihrem Verhalten sich danach richten können. Dazu müssen sie ihr eigenes und das Geschlecht der anderen bestimmen, wodurch sie stereotypisches Wissen erwerben und so ihr geschlechtskonformes Verhalten verbindlich machen (vgl. ebd.). Beide Autorinnen stehen der Geschlechtstypisierung kritisch gegenüber. Deshalb schlägt Berk vor, Kinder am besten möglichst spät mit Geschlechtsstereotypen zu kon- frontieren und wenn Kinder sich geschlechtstypisch äußern und verhalten, diesem entge- genzuwirken und Gegenbeispiele aufzuzeigen (vgl. Berk 2011, S. 373).

4.2 Soziologische Sichtweise

Aus soziologischer Sicht ist es wichtig sowohl den historischen Verlauf als auch den jetzi- gen Stand der Gesellschaft zu betrachten. Geschlechterrollentypische Verhaltensmuster haben eine lange Historie und sind deshalb auch wichtig für den heutigen Zustand der Gesellschaft. Diese ist nach Zimmermanns Auffassung daran interessiert die Verhaltens- muster beizubehalten, das heißt sie sollen übernommen und nicht in Frage gestellt wer- den. Zunehmend gewinnt aber auch die individualisierte Ausgangslage an Bedeutung. Der Aufbau einer geschlechtlichen Identität ist offener und das Kind muss nicht so strikt imitieren, sondern kann auch selbstreflexiver und nicht mehr „typisch“ sein (vgl. Zimmer- mann 2006, S. 176). Dennoch gibt es aber nach wie vor im Kindergartenalter geschlechts- typisches Verhalten. Die Abkehr von diesem ist nur schwach und langsam zu sehen und es gibt kaum empirische Nachweise dafür (vgl. ebd., S.177). Zimmermann beschreibt hierbei verschiedene Ansätze: Zum einen sieht er geschlechtsrollentypische Sozialisation als rituelles Arrangement. „Jungen und Mädchen werden von Anfang an unterschiedlich behandelt“ und sind „unterschiedlichen Erwartungen ausgesetzt“ (ebd., S. 186). Auf die Frage hin, wieso die kleinen biologischen Geschlechtsunterschiede um ein Vielfaches sozial erweitert worden sind, wird mit den Arrangements in sozialen Situationen (also den kulturellen Phänomenen) geantwortet. Des weiteren führt er noch die Ansätze des Kogni- tivismus (nach Kohlberg) als rationalen Vorgang und die des Behaviorismus als Modell- lernen aus, die beide bereits oben erwähnt wurden. Zuletzt kommt Zimmermann auf den Konstruktionsprozess zu sprechen, welcher im folgenden Kapitel behandelt wird. Eine konkrete Antwort auf die Frage, welche Konsequenzen diese Erkenntnisse nun in Bezug auf die Praxis haben sollten, ließ sich im Rahmen der Recherche nicht ergründen. Inter- pretativ könnte aber gefolgert werden, dass auch hier ein geschlechtsspezifisches Han- 8

[...]


1 Der Begriff der Erzieherin/des Erziehers wird unter Umständen auch in anderen (sozial-)pädagogischen Institutionen verwendet, hier geht es aber ausdrücklich nur um den Erzieherberuf im Kindergarten

2 Anzumerken sei, dass die soziokulturellen Theorien sich ebenso der Soziologie zuordnen lassen können. 7

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Geschlechtstypische Erziehung im pädagogischen Handlungsfeld Kindergarten
Sous-titre
Ein Diskurs zwischen rollenneutraler und rollenspezifischer Theorie und Praxis
Université
University of Augsburg
Note
1,7
Auteur
Année
2014
Pages
23
N° de catalogue
V281131
ISBN (ebook)
9783656757122
ISBN (Livre)
9783656838036
Taille d'un fichier
874 KB
Langue
allemand
Mots clés
geschlechtstypische, erziehung, handlungsfeld, kindergarten, diskurs, theorie, praxis
Citation du texte
Melissa Myrenne (Auteur), 2014, Geschlechtstypische Erziehung im pädagogischen Handlungsfeld Kindergarten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281131

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