Wissensmanagement und unterstützende Werkzeuge im Hochschuleinsatz


Thèse de Master, 2014

103 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Wissen: Daten, Informationen und deren Stellenwert für Organisationen
2.1 Begriffliche Grundlagen
2.2 Entstehung von Wissen
2.2.1 Begriffshierarchie
2.2.2 Daten-Information-Wissen-Modell
2.2.3 Wissenstreppe
2.3 Wissensarten
2.4 Wissensträger
2.5 Organisationale Wissensbasis
2.6 Wissen in der Wertschöpfung
2.7 Wissen in Organisationen
2.7.1 Wissenslebenszyklus
2.7.2 Organisationale Intelligenz
2.7.3 Organisationales Vergessen

3. Wissensmanagement: Vom personengebundenen Wissen zur kollaborativen Wissensgemeinschaft
3.1 Grundlagen
3.1.1 Entwicklungsgeschichte
3.1.2 Begriffsdefinition
3.1.3 Informationsmanagement und Wissensmanagement
3.2 Ausgewählte Wissensmanagement-Modelle
3.2.1 SECI-Modell
3.2.2 Bausteine des Wissensmanagement
3.3 Informationstechnologie und Wissensmanagement
3.3.1 Die Rolle der Informatik im Wissensmanagement
3.3.2 Systematik IT-unterstützter Wissensmanagementsysteme
3.3.3 Wissenstransfer durch IT-unterstützte Wissensmanagementsysteme
3.3.4 Stellenwert von Gemeinschaften in Wissensmanagementsystemen
3.4 Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements

4. Wissensmanagement an Hochschulen
4.1 Einsatzmöglichkeiten in der Forschung
4.2 Einsatzmöglichkeiten in der Lehre
4.3 Einsatzmöglichkeiten in der Verwaltung
4.4 Zwischenfazit

5. Werkzeuge zur Umsetzung von Wissensmanagementlösungen und deren Potentiale im Hochschuleinsatz
5.1 Groupware
5.2 Social Software
5.3 Inhaltsorientierte Systeme
5.4 Führungsinformationssysteme
5.5 Systeme der künstlichen Intelligenz
5.6 Enterprise Content Management Systeme
5.7 Vergleich der Einsatzmöglichkeiten von Wissensmanagementwerkzeugen

6. Umsetzung einer Wissensmanagementlösung im Fachbereich Wirtschaftspädagogik der Universität Bamberg
6.1 Ausgangssituation
6.2 Anforderungsanalyse
6.3 Realisierungskonzept
6.4 Analyse potentieller Werkzeuge
6.5 Werkzeugauswahl
6.5.1 Funktionalität
6.5.2 Benutzerfreundlichkeit
6.5.3 Kosten
6.5.4 Integrationsaufwand
6.5.5 Ergebnis
6.6 Realisierung
6.7 Ausblick

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Erklärung

1. Problemstellung

„Wissen ist Macht.“

Dieses, dem Philosophen Francis Bacon (1561-1626) zugeschriebene, Zitat aus dem 16. Jahrhundert beweist auch heute noch – vielleicht mehr denn je – seine Gültigkeit (Schneckenburger 2005, 1)

In unserer heutigen Wissensgesellschaft hat sich Wissen neben Kapital, Boden und Arbeit als Produktionsfaktor längst etabliert (Drucker 1997, 18). Viele Unternehmen haben den Stellenwert dieser Form von ökonomischer Macht erkannt und setzen Wissensmanagementlösungen ein. Sie verfolgen damit das Ziel, das Wissen ihrer Mitarbeit und der Organisation zu bündeln, strukturieren und in Wettbewerbsvorteile umzusetzen (Pfiffner & Stadelmann 1995, 1 & Probst, Raub & Romhardt 2003, 3). In jüngster Zeit wurde die steigende Bedeutung von Informationen und Wissen im unternehmerischen Kontext deutlich. Der Fokus vieler Unternehmen richtete sich im Rahmen von Hypes und Schlagworten wie Enterprise 2.0, Big Data oder Industrie 4.0 stärker auf die Bearbeitung immer größer werdender Datenmengen und die kollaborative Zusammenarbeit an gemeinsamen Inhalten (Back, Gronau & Tochtermann 2009, 6, BITKOM 2014, 17 & Hoffmann & Voss 2013, 30)

Nicht nur die Dokumentation, Strukturierung und Speicherung, sondern auch der Transfer von Wissen nimmt seit langer Zeit eine wichtige Rolle in ökonomischen Bereichen ein. Im Mittelalter und in der vorindustriellen Zeit wurde berufliches Fachwissen innerhalb von Familien und Zünften übertragen (Erlach, Orians & Reisach 2013, 1). So erlernte bspw. Johannes Andreas Eisenbarth seine Künste durch eine zehnjährige Lehre bei seinem Schwager, dem Arzt, Okulisten, Bruch- und Steinschneider Alexander Biller, bevor er selbst landesweiten Ruhm als Wunderarzt erlangte (Pohl 1982, 31). Die Industrialisierung und der spätere Wandel über die Informations- bis hin zur Wissensgesellschaft änderten Berufsbilder sowie die Anforderungen und Möglichkeiten der Wissensweitergabe. Die Übertragung impliziten Fachwissens, das vorher durch jahrelanges Beobachten und Nachahmen zwischen Meister und Lehrling übertragen wurde, stellte neue Herausforderungen an die moderne Gesellschaft: Aufgrund fortwährender Erweiterung unternehmerischer Informationsbasen und Expertenfluktuation mussten Wissensmanagementlösungen entwickelt werden, um Fachwissen innerhalb der Organisationen zu bewahren und weiterzugeben (Erlach, Orians & Reisach 2013, 1f.).

Um Wissensmanagement erfolgreich einzuführen und zu unterstützen, bietet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen und Werkzeuge aus dem Bereich der Informationstechniken (Bodendorf 2003, 124)

An Universitäten und Fachhochschulen bildet Wissen die zentrale Ressource. Die Wissensentwicklung durch die Forschung und die Wissensweitergabe durch die Lehre stellen zentrale Aufgabenbereiche von Hochschulen dar (Gomezelj Omerzel, Biloslavo & Tranavcevic 2011, 118f & Schneckenburger 2005, 1). Durch das Management von Wissen bieten sich viele Möglichkeiten, die auch an Hochschulen Prozesse der Wissensentwicklung, -verteilung, -speicherung und -strukturierung unterstützen können (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, 50 & Schneckenburger 2005, 1).

Auch im Fachbereich Wirtschaftspädagogik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg gibt es einige Ansatzpunkte, die mithilfe einer Wissensmanagementlösung effizienter gestaltet werden könnten.

Innerhalb des wissenschaftlichen Personals herrscht naturgemäß eine relative hohe Fluktuation vor. Da wissenschaftliche Mitarbeiter aufgrund von gesetzlichen Vorgaben (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 WissZeitVG) nur für einen begrenzten Zeitraum beschäftigt werden können, verlassen diese den Fachbereich nach spätestens sechs bzw. zwölf Jahren. Aktuell wird implizites Wissen häufig nur in begrenztem Umfang dokumentiert, schlecht strukturiert oder inkonsistent gespeichert. Mit dem Ausscheiden eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin[1] geht daher oft der Verlust des personengebundenen Wissens einher. Dies führt häufig zu Problemen bei der Aufgabenübertragung und der Einarbeitung neuer Mitarbeiter, zu zeitaufwendigen Informationssuchprozessen oder gar zum Wissensverlust in bestimmten Themengebieten.

Vor diesem Hintergrund soll für den Fachbereich Wirtschaftspädagogik eine Wissensmanagementlösung entwickelt werden. Dafür sollen Werkzeuge aus dem IT-Bereich eingesetzt werden, die Prozesse der Wissensexternalisierung, -dokumentierung, -bewahrung und -weitergabe unterstützen. Dadurch soll dem Verlust personengebunden Wissens entgegengewirkt, die Wissensentwicklung innerhalb des Fachbereichs gestärkt, Forschungs- und Verwaltungsprozesse effizienter gestaltet und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter verbessert werden.

Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, konkrete Einsatzzwecke von Wissensmanagement an Hochschulen zu analysieren, einen Überblick über aktuelle Wissensmanagementwerkzeuge zu schaffen und darauf aufbauend eine geeignete Lösung für den Fachbereich Wirtschaftspädagogik zu wählen, zu entwickeln und einzuführen. Dabei stütze ich mich auf eingehende Literaturrecherchen und einer Betrachtung von Wissensmanagementwerkzeugen im Hinblick auf die zu realisierende Wissensmanagementlösung. Des Weiteren werden die notwendigen Schritte zur Realisierung einer Wissensmanagementlösung für den Fachbereich Wirtschaftspädagogik dokumentiert.

Zunächst wird in Kapitel 2 der Wissensbegriff genauer betrachtet. Dazu werden begriffliche Grundlagen geklärt, der Wissensentstehungsprozess beschrieben, Wissensarten und Wissensträger differenziert sowie der Begriff der Wissensbasis und deren Stellenwert für Organisationen betrachtet.

In Kapitel 3 folgen die Erläuterung des Begriffs Wissensmanagement und dessen Entwicklung. Anschließend werden das SECI-Modell nach Nonaka & Takeuchi (2012, 90ff.) und das Modell der Bausteine des Wissensmanagements nach Probst, Raub & Romhardt (2003, 33) vorgestellt sowie die Rolle der Informationstechnik im Wissensmanagement beschrieben.

Kapitel 4 stellt Einsatzmöglichkeiten von Wissensmanagementlösungen an Hochschulen im Allgemeinen und in den hochschulischen Aufgabenbereichen Forschung, Lehre und Verwaltung im Speziellen vor.

Anschließend wird in Kapitel 5 ein Überblick über Wissensmanagementwerkzeuge geschaffen und deren Einsatzpotentiale an Hochschulen aufgezeigt.

In Kapitel 6 wird die Auswahl und Umsetzung einer Wissensmanagementlösung für den Fachbereich Wirtschaftspädagogik behandelt. Dies umfasst die Beschreibung der Ausgangssituation sowie der Anforderungsanalyse, die Vorstellung eines Realisierungskonzepts, die Analyse und den Auswahlprozess möglicher Werkzeuge sowie die Umsetzung der Wissensmanagementlösung. Ein kurzer Ausblick schließt dieses Kapitel ab.

Das letzte Kapitel fasst die Ergebnisse dieser Masterarbeit zusammen.

2. Wissen: Daten, Informationen und deren Stellenwert für Organisationen

Das Hauptaugenmerk dieses Kapitels liegt auf der theoretischen Einführung des Wissensbegriffs. Vor diesem Hintergrund werden definitorische Grundlagen, Ausprägungsformen, Wissensträger sowie die Bedeutung und die Entwicklung von Wissen in Organisationen und Unternehmungen betrachtet.

2.1 Begriffliche Grundlagen

Wissen ist ein bedeutender Forschungsgegenstand mehrerer Wissenschaftsbereiche wie beispielsweise der Philosophie, der Soziologie, der Psychologie und der Informatik. Aufgrund der sehr heterogenen Auffassungen und unterschiedlichen Forschungsperspektiven kann der Wissensbegriff nicht allgemeingültig definiert werden (Al-Laham 2003, 23).

So wird in der Betriebswirtschaftslehre der Wissensbegriff teilweise dem Informationsbegriff gleichgesetzt (Wissel 2001, 85). Im Gegensatz dazu wird in anderen Forschungsdisziplinen klar zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden (u.a. Albrecht 1993, 45, Gries 1997, 190 & Rehäuser & Krcmar 1996, 7).

Während in der Psychologie vor allem das Individuum als Wissensträger und -entwickler betrachtet wird (Zimbardo 1992, 304), nehmen in anderen Wissenschaftsbereichen externe Rahmenbedingungen und Hilfsmittel einen höheren Stellenwert ein. So finden in der Soziologie soziale Einflussfaktoren (Al-Laham 2003, 24) und in der Informatik logische Zusammenhänge bzw. Inferenzmechanismen (Ferstl & Sinz 2008, 359f.) Beachtung.

Anhand dieser Beispiele kann der Aussage

„Knowledge is a slippery and elusive concept, and every discipline has its own secret realization of it” (Scarbrough & Burrell 1996, 178) beigepflichtet werden.

Diese unterschiedlichen Begriffsverständnisse nehmen im jeweiligen Forschungskontext sicherlich ihren entsprechenden Stellenwert ein. Im Rahmen dieser Arbeit können jedoch nicht alle Blickwinkel berücksichtigt werden.

Dementsprechend wird auf die Definition von Romhardt (1998, 40f.) zurückgegriffen und Wissen folgend definiert:

„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge in einem bestimmten Kontext“ (Romhardt 1998, 40f.).

Diese wird als Ausgangslage verwendet, da einerseits die Lösung von Problemen auf Grundlage von Daten und Informationen berücksichtigt wird und anderseits die Problematik des personengebundenen Wissens enthält, was das Untersuchungsziel dieser Arbeit partiell widerspiegelt.

Steinmüller (1993, 237) schreibt Wissen die Eigenschaften

„zweckrelativ, kontext- und aspektabhängig, verhaltensrelevant, deshalb nie in einem schlichten Sinn ´objektiv´“ (Steinmüller 1993, 237) zu und unterstreicht damit die enge Verknüpfung des Wissensbegriffs an die jeweiligen Wissensträger und deren subjektiv wahrgenommene (Wert-)Einschätzung von Wissen.

Ausgehend von der Problemstellung und dem Hintergrund der angestrebten Umsetzung eines personenungebundenen Lösungskonzepts zur Wissensdistribution (vgl. Kapitel 1 und 6) wird die Definition des Begriffs organisationale Wissensbasis von Probst, Raub & Romhardt (2003, 22) herangezogen:

„Die organisationale Wissensbasis setzt sich aus individuellen und kollektiven Wissensbeständen zusammen, auf die eine Organisation zur Lösung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann. Sie umfasst darüber hinaus die Daten und Informationsbestände, auf welchen individuelles und organisationales Wissen aufbaut“ (Probst, Raub & Romhardt 2003, 22).

2.2 Entstehung von Wissen

Sowohl im alltäglichen Leben (Meinke 2013,25) als auch in einigen Bereichen der Wissenschaft (Wissel 2001, 85) wird keine exakte Trennung zwischen den Begriffen Wissen und Information verwendet. Im Kontext dieser Arbeit erscheint es jedoch unerlässlich, den allgemeinen Prozess der Wissensentstehung, inklusive der nötigen Zwischenschritte, genauer zu betrachten. Dabei wird zuerst die Begriffshierarchie in der Wissensentstehung nach Rehäuser & Krcmar (1996) beschrieben, anschließend wird auf die kontinuierliche Wissenserweiterung nach Aamondt & Nygârd (1995) eingegangen und die Wissenstreppe nach North (2011) vorgestellt.

2.2.1 Begriffshierarchie

Rehäuser & Krcmar (1996, 6) beschreiben den Prozess der Wissensentstehung durch Trennung der Begriffe Zeichen, Daten, Information und Wissen (Abb. 1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Begriffshierarchie Zeichen, Daten, Informationen und Wissen

In Anlehnung an: Rehäuser & Krcmar (1996, 6)

Dabei bilden Zeichen die unterste Hierarchieebene. Ein Zeichen wird als das „kleinste bei einer Programmausführung zugreifbare Datenelement“ (Hansen 1992, 111) beschrieben und kann in Form von Buchstaben, Zahlen oder Sonderzeichen verwendet werden. Die einzelnen Zeichen stehen nicht miteinander in Zusammenhang, sondern sind als autonom zu betrachten. Die Menge aller verfügbaren Zeichen bildet einen Zeichenvorrat (Rehäuser & Krcmar 1996, 3). In dem hier angeführten Beispiel werden die Zahlen „1“, „3“, „8“ und „9“ sowie das Sonderzeichen „ , “ verwendet.

Daten bilden die nächsthöhere Stufe der Begriffshierarchie und werden durch ein Zeichen oder eine Zeichenfolge dargestellt. Die Syntax ermöglicht, diese Zeichen in sinnvoller Kausalität zueinander darzustellen. Daten können zur Verarbeitung genutzt werden, konkrete Verwendungszwecke sind jedoch nicht ersichtlich (Rehäuser & Krcmar 1996, 4). In Abb. 1 werden die einzelnen Zeichen zu der Zahl „1,389“ zusammengesetzt und bilden ein Datum.

Werden Daten einem Problembezug zugeordnet, können diese zur Zielerreichung verwendet werden. Somit werden Daten in einen bestimmten Kontext gebracht, um entscheidenden Kenntnisse über Sachverhalte zu vermitteln (Rehäuser & Krcmar 1996, 4). In dem vorliegenden Beispiel wird das Datum „1,389“ um das Währungszeichen „€“ ergänzt und in Bezug zu dem Datum „1 l“ gesetzt. Des Weiteren ist angegeben, dass es sich um eine Preisangabe für Dieselkraftstoff handelt. Somit entsteht eine Information, welche besagt, dass der Preis für einen Liter Diesel 1,389 € beträgt.

Werden Informationen praxisorientiert miteinander vernetzt und ist der Zusammenhang der Informationen bekannt, können diese unter Zuhilfenahme von weiteren Rahmenbedingungen sowie vorhandenen Erfahrungs- und Erwartungswerten betrachtet werden. Dadurch wird subjektiv Wissen konstruiert, welches zweckorientiert verwendet werden kann (Rehäuser & Krcmar 1996, 5). Ein Kraftfahrzeugführer kann die Information des Dieselpreises von 1,389 € pro Liter in Bezug zum Vortagspreis setzen, aktuelle welt- und wirtschaftspolitische Geschehnisse einbeziehen, den aktuellen Tankinhalt seines PKWs berücksichtigen oder aufgrund des durchschnittlichen historischen Wochentagspreises Preisprognosen aufstellen. Auf dieser Wissensgrundlage kann die Entscheidung getroffen werden, sofort zu tanken oder nicht zu tanken und auf eine baldige Preissenkung zu spekulieren. Dieses Beispiel setzt natürlich voraus, dass der betrachtete PKW durch einen Dieselmotor betrieben wird und genügend Kaufkraft vorhanden ist.

2.2.2 Daten-Information-Wissen-Modell

Aamondt & Nygârd (1995, 198) zeigen im konstruktivistisch geprägtem Data-Information-Knowledge Model Prozesse der kontinuierlichen Wissenserweiterung aufgrund vorhandenem Wissen auf (Abb. 2):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Daten-Information-Wissen-Modell

In Anlehnung an: Aamondt & Nygârd (1996, 6) & Ferstl & Sinz (2008, 130)

Die Abbildung der Realität in Form eines Modelles bildet den Ausgangspunkt. Hierdurch wird eine Datengrundlage geschaffen. Eine vorhandene Wissensbasis dient dazu, die gewonnenen Daten im nötigen Kontext zu interpretieren und folglich Informationen abzuleiten (Aamondt & Nygârd 1995, 198f. & Hartmann 2008, 61).

Die Informationsausgestaltung dient dazu, Informationen im Rahmen von Problemlöseprozessen aufzubereiten und neue Informationen zu erhalten. Wissen trägt auf dieser Ebene dazu bei, auf Erfahrungsgrundlagen neue Informationen zu schaffen und den Stellenwert vorhandener Informationen zur Zielerreichung einzuschätzen (Aamondt & Nygârd 1995, 199f. & Hartmann 2008, 61).

Durch Lernprozesse kann die individuelle Wissensbasis zum einen um neue Informationen ergänzt, zum anderen durch neu geschaffene Verknüpfungen kontextspezifisch angereichert werden (Aamondt & Nygârd 1995, 200f. & Hartmann 2008, 61).

2.2.3 Wissenstreppe

North (2011, 36) erweiterte die Begriffshierarchie von Rehäuser & Krcmar (1996, 6) um die Bestandteile Handeln, Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit, indem er die einzelnen Komponenten in Form einer aufsteigenden Treppe anordnet und in den Kontext der Unternehmungsführung setzt (Abb. 3):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Wissenstreppe

In Anlehnung an: North (2011, 36)

Ähnlich wie auch Rehäuser & Krcmar (1996) und Aamondt & Nygârd (1995) beschreibt North (2011) die Entstehung von Wissen über die Schritte Zeichen + Syntax = Daten + Bedeutung = Information + Vernetzung = Wissen (North 2011, 36f. & Schneckenburger 2005, 10).

Die erste Erweiterungskomponente bezeichnet North (2011, 36) als Handeln . Handeln entsteht, indem Entscheidungsträger vorhandenes Wissen anwenden wollen (Motivation zur Problemlösung) bzw. dies auch dürfen (Befugnis zur Problemlösung). Durch Handlungen wird Wissen nach außen sichtbar und in Form von Performanz messbar (North 2011, 38).

Werden Handlungen situationsadäquat umgesetzt, entsteht Kompetenz. Hierbei ist entscheidend, dass Personen ihr Wissen in einem konkreten Zusammenhang einsetzen, um ein aktuell vorliegendes Problem zu lösen (North 2011, 38).

Die Wettbewerbsfähigkeit bildet die höchste Stufe der Wissenstreppe. Sind Kompetenzen eines Wissensträgers bzw. mehrerer Wissensträger im Verbund einzigartig oder höherwertiger als die von Konkurrenten, können sich Wissensträger positiv von Wettbewerbern absetzen. Im Kontext von Unternehmungen werden in der Regel Kernkompetenzen betrachtet, die die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung begründen (North 2011, 38f.).

Die Anordnung in Treppenform ist folgend begründet:

„Ist eine Stufe der Treppe nicht ausgebildet … so „ stolpert “ man beim Begehen der Wissenstreppe. Die Umsetzung von Geschäftsstrategien oder das operative Geschäft wird behindert“ (North 2011, 39, Kursivdruck im Original).

Zusätzlich führt North (2011) die Handlungsfelder strategisches Wissensmanagement, operatives Wissensmanagement und Informations- und Datenmanagement ein.

Die Aufgabe des strategischen Wissensmanagements ist es, die Wissenstreppe von oben nach unten zu analysieren. Hierdurch soll aufgedeckt werden, welche Kompetenzen, welche Handlungen und welches Wissen nötig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung zu erhöhen oder zu stabilisieren. Das Hauptaugenmerk des operativen Wissensmanagements verläuft von unten nach oben. Das Ziel ist es, die einzelnen Stufen zu verknüpfen und individuelles Wissen zu kollektiven Wissen zu überführen. Daten- und Informationsmanagement bilden dabei die Operationsbasis des Wissensmanagements (North 2011, 39).

2.3 Wissensarten

Die Klassifizierung von Wissen ist ähnlich inhomogen wie die Definition des Wissensbegriffes. Es haben sich – je nach Forschungsinteresse und -perspektive – mehrere Unterscheidungskriterien von Wissen etabliert. Diese Kategorisierungen sind nicht überschneidungsfrei und ergänzen sich teilweise (Al-Laham 2003, 30).

An dieser Stelle werden Unterscheidungen zwischen Fakten- und Regelwissen, zwischen prozeduralem und deklarativem Wissen sowie zwischen implizitem und explizitem Wissen vorgenommen.

- Faktenwissen und Regelwissen:
- Faktenwissen ist das Wissen über reale Sachverhalte. Die Wahrheit der Sachverhalte kann geprüft werden und ist gegenwartsbezogen (Sackmann 1992, 142).
- Regelwissen baut auf Konstruktionsverfahren sowie Verhaltensregeln auf und ist vorgehensbezogen. Hierzu werden Fakten aufgrund von bekannten Vorgehensweisen und Methoden miteinander verknüpft und analysiert (Sackmann 1992, 142).
- Prozedurales Wissen und deklaratives Wissen:
- Prozedurales Wissen bezieht sich auf den Ablauf mehrerer Handlungen in Form von Verarbeitungsprozessen. Es ist nur schwer verbalisierbar, dynamisch und kann von Wissensträgern abgerufen werden, ohne dass komplexe Informationen schrittweise abgerufen werden müssen (Baumgartner 1993, 71 & Schneckenburger 2005, 20).
- Deklaratives Wissen wird aus vorliegenden Informationen wie Büchern oder Dokumenten gewonnen. Es ist leicht verbalisier, speicherbar und lässt sich durch einfache Aussagen konstruieren (Baumgartner 1993, 70 Schneckenburger 2005, 19).
- Implizites und explizites Wissen:
- Implizites Wissen ist an Personen gebunden und kann nicht oder nur unvollständig dokumentiert und weitergegeben werden. Implizites Wissen ist meist ein wichtiger Bestandteil von Aufgabenverrichtungsprozessen und kann dazu von Wissensträgern unbewusst abgerufen werden (Lehner 2012, 58).
- Explizites Wissen ist eindeutig verbalisier- und dokumentierbar sowie nicht an Individuen gebunden. Explizites Wissen kann in Form von Textdokumenten oder Formeln weitergegeben werden (Lehner 2012, 58).

Tabelle 1 dient zur Verdeutlichung der Differenzierung von implizitem und explizitem Wissen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen

In Anlehnung an: Lehner (2000, 236)

Zum Handeln und Problemlösen greifen Personen in den meisten Fällen auf verschiedene Wissensarten zurück, die nicht klar und trennscharf zugeordnet werden können. Die Wissensbasis eines Menschen verändert sich kontinuierlich, indem neues Wissen durch Lernprozesse, Vernetzung und Erfahrung entstehen. Diese Kombination verschiedener Wissensarten, die Dynamik der menschlichen Wissensbasis und der schlechten Dokumentierbarkeit einiger Wissensarten stellen bei der Erfassung von Wissen eine große Hürde dar. Die Aufgabe des Wissensmanagements ist es hierbei, speicherbares Wissen zu sichern und nicht speicherbares Wissen möglichst formalisierbar abzubilden sowie Wissensbasen agil zu gestalten (Lehner 2012, 58).

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird in erster Linie die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen verwendet.

2.4 Wissensträger

Neben der Klassifizierung von Wissensarten wird in der Literatur auch zwischen Wissensträgern differenziert. Unter einem Wissensträger ist im Allgemeinen ein körperliches Element zu verstehen, welches Wissen aufnehmen kann. Dabei können Individuen, Gemeinschaften, Printmedien oder Datenträger als Wissensträger figurieren (Amelingmeyer 2002, 52 & Schneckenburger 2005, 12) Je nach Forschungsperspektive wird auch dieser Begriff uneinheitlich untergliedert (Al-Laham 2003, 35f.). Eine häufig verwendete Kategorisierung stellt die Unterscheidung von personellen, materiellen und kollektiven Wissensträgern nach Amelingmeyer (2002, 54-67) dar:

Eine Person ist ein personeller Wissensträger. Diese kann implizites und explizites Wissen in Form von Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen zur Problemlösung abrufen. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Hierarchieebene die Person zugeordnet ist oder welchen sozialen Status diese besitzt. Personelle Wissensträger unterscheiden sich von materiellen Wissensträgern unter anderem dadurch, dass sie über Kreativität und Intuition verfügen (Meinke 2013,240 & Schneckenburger 2005, 12).

Materielle Wissensträger dienen dazu, Wissen personenunabhängig zu speichern und verfügbar zu machen. Auf ihnen ist explizites Wissen produktbasiert, computerbasiert, audiovisuell oder druckbasiert verfügbar. Materielle Wissensträger sind – mit Ausnahme der Verwendung künstlicher Intelligenz – nicht in der Lage, selbst neues Wissen zu schaffen (Oelsnitz & Hahmann 2003, 103 & Schneckenburger 2005, 13).

Sowohl mehrere personelle Wissensträger als auch der Einsatz mehrerer materieller Wissensträger oder eine Kombination von personellen und materiellen Wissensträgern, werden als kollektive Wissensträger bezeichnet. Durch diese Zusammenschlüsse ist es möglich, positive Synergieeffekte zu erzeugen. Aufgrund dieser Synergieeffekte kann das entstandene kollektive Wissen höherwertiger eingeschätzt werden als das individuelle Wissen der jeweiligen Wissensträger zusammen. Die Grundlage hierfür bildet die Interaktion innerhalb des Kollektivs (Schneckenburger 2005, 13 & Zahn & Greschner 1996, 47). Es gilt zu beachten, dass nur verfügbares Wissen materieller und personeller Wissensträger in die Wissensgemeinschaft einfließen kann. Es ist beispielsweise möglich, dass Menschen ihr individuelles Wissen absichtlich nicht preisgeben oder dass aufgrund von Datenschutzrichtlinien und eingeschränkten Zugriffsrechten Wissen auf Speichermedien nicht verfügbar ist (Oberschulte 1996, 52).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Klassifizierung von Wissensträgern

In Anlehnung an: Oelsnitz & Hahmann (2003, 103)

Hier ist festzuhalten, dass die Interaktion zwischen materiellen Wissensträgern zukünftig wohl rapide steigen wird. Im Rahmen des Schlagwortes Industrie 4.0 sind durch selbstständige Kommunikation maschineller Aufgabenträger hohe Wertschöpfungspotentiale erkennbar (BITKOM 2014, 17). Die Grundlage stellt die Vernetzung intelligenter maschineller Aufgabenträger dar. Dabei können unterschiedliche unternehmerische und gesellschaftliche Bereiche – beispielsweise automatisierte Fertigungsprozesse, intelligente Infrastruktursysteme oder selbstständig agierende und kommunizierende Fahrzeuge – auf intelligente M2M-Kommunikation zurückgreifen. Dementsprechend ist auf infrastruktureller sowie auf volks- und betriebswirtschaftlicher Ebene den kollektiven materiellen Wissensträgern eine hohe Bedeutung zuzuschreiben. Der Betrachtung personeller Wissensträger muss jedoch weiterhin Beachtung geschenkt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es essenziell, kollektive Wissensbasen mittels Wissensmanagementlösungen zu schaffen und sowohl personelle als auch materielle Wissensträger mit dieser zu verknüpfen.

2.5 Organisationale Wissensbasis

Das gesamte Wissen, das einer Organisation zur Verfügung steht, wird als organisa- tionale Wissensbasis bezeichnet. Sie enthält sowohl implizites als auch explizites Wissen von personellen, materiellen und kollektiven Wissensträgern einer Organisation (Meyer 2007, 38f.). Pautzke (1989, 79) visualisierte die organisationale Wissensbasis mittels eines horizontalen Schichtenmodells, wie in Abb. 4 dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Schichtenmodell einer organisationalen Wissensbasis

In Anlehnung an: Pautzke (1989, 79)

In der ersten Schicht befindet sich Wissen, das von allen Mitgliedern kommuniziert und geteilt wird (bspw. organisationsweit verbreitete Wertbilder oder organisationsweit verfügbare Informationen). In der zweiten Schicht wird individuelles Wissen von Mitgliedern verortet, welches für die Organisation prinzipiell verfügbar ist (bspw. Fachkenntnisse oder die Erfahrung eines Mitglieds). Diese beiden Schichten bezeichnet Pautzke (1989, 78) als die aktuelle organisationale Wissensbasis (Oelsnitz & Hahmann 2003, 108 & Pautzke 1989, 78f.).

Die dritte Schicht umfasst implizites Wissen, welches der Organisation aufgrund bestehender Transferbarrieren nicht zur Verfügung steht. Dieses Wissen wird auch als privates Wissen bezeichnet, da es an Personen gebunden und der Organisation nicht verfügbar ist (bspw. individuelles Wissen aus der Freizeitgestaltung oder fachliches, implizites Wissen, das nicht preisgegeben wird). Ferner ist der Wert dieses Wissen für die Organisation nicht messbar. Die vierte Schicht enthält Wissen darüber, an welchen externen Stellen organisationsrelevantes Wissen potentiell verfügbar ist. Dieses Metawissen ist nicht sofort verwendbar und muss entwickelt werden. Pautzke (1989, 79) bezeichnet die dritte und vierte Schicht als latente organisationale Wissensbasis, da das Wissen im Verborgenen liegt (Oelsnitz & Hahmann 2003, 108 & Pautzke 1989, 78f.).

Die fünfte Schicht bildet das sonstige weltweit vorhandene Wissen. Bruchteile davon können von der Organisation – insofern es zugängig ist – genutzt werden (Oelsnitz & Hahmann 2003, 108 & Pautzke 1989, 78f.).

2.6 Wissen in der Wertschöpfung

Als Ergänzung zu den klassischen Produktionsfaktoren Boden, Kapitel und Arbeit wird auch Wissen bzw. Information, häufig als Produktionsfaktor bezeichnet. Wissen trägt in Unternehmungen dazu bei, Arbeitsabläufe effektiver und effizienter zu gestalten. Der Anteil von Wissen an der gesamten Wertschöpfung kann dabei bis zu 80 % betragen (Bürgel & Zeller 1998, 54 & Palass 1997, 114).

Wissen ist allerdings nicht nur Produktions-, sondern auch Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor. Für den Erfolg einer Unternehmung ist es notwendig, eine erfolgsträchtige Strategie zu finden, welche auf herausragenden Ideen beruht. Die Möglichkeit, Innovationen zu schaffen und Marktpositionen zu stärken bzw. zu erhalten, gründet folglich auf der verfügbaren Menge an Informationen und Wissen (Picot 1990, 6f.).

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht muss Wissen auch als Kernkompetenz und Schlüsselfähigkeit betrachtet werden. Das intelligente Kapital einer Unternehmung oder Organisation kann nur schwer von Wettbewerbern imitiert werden, da es zu einem großen Teil auf menschlichen Fähigkeiten und implizitem Wissen aufbaut. Aus gleichem Hintergrund ist Wissen zudem kaum substituierbar. Durch Vernetzung, Transfer und Neuerwerb bietet Wissen sehr große Potentiale, um die Marktposition einer Unternehmung zu stärken oder neue unternehmerische Ideen zu entwickeln (Oelsnitz & Hahmann 2003, 25-30).

2.7 Wissen in Organisationen

„Wissen kann leben und sterben“ (Herbst 2000, 12). Einerseits kann Wissen in Organisationen durch Lernprozesse, Vernetzung und Wissensanwendung als selbstproduzierendes und sich selbst aufrechterhaltendes Netzwerk betrachtet werden (North 2011, 36 & Zeleny 1987, 61). Andererseits ist es auch möglich, dass ein Kollektiv durch Vergessen oder durch Ausscheiden eines Wissensträgers aus der Wissensgemeinschaft Wissen verliert (Herbst 2000, 12f.). Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden auf die Entwicklung kollektiver Wissensbasen genauer eingegangen.

2.7.1 Wissenslebenszyklus

Wie auch alle anderen Produktionsfaktoren unterliegt auch die Ressource Wissen einem stetigen Wandel. Durch diese Dynamik entsteht ein Wissenslebenszyklus, wie in Abb. 5 dargestellt (Herbst 2000, 13 & Lack 2004, 40):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Wissenslebenszyklus

In Anlehnung an: Herbst (2000, 13)

Aufgrund neuer Erfahrungen, Informationen oder Verknüpfungen wird Wissen aufgebaut und kann mit neuem Wissen oder neuen Informationen bis hin zur Reife erweitert werden. Wird das Wissen allerdings längere Zeit nicht abgerufen oder als nutzlos betrachtet, tritt der Prozess des Vergessens bis zum Verfall des Wissens ein. In diesem Zusammenhang sind nicht die vollständige Wissensbasis eines Individuums oder eines Kollektivs, sondern nur einzelne Teilbereiche betroffen. In diesen Teilbereichen wird zu verschiedenen Zeitpunkten Wissen erlangt oder vergessen. Die Wissensbasis ist somit als komplexes System mit mehreren Teilbereichen, deren Ausprägungen einem fortwährenden Wandel unterliegen, zu sehen. Diese Dynamik ist durchaus auch als vorteilhaft zu betrachten, da durch das Vergessen scheinbar nutzlosem Wissens Möglichkeiten zum Erwerb neuem Wissens und differenzierte Sichtweisen entstehen, die positiv zur Problemlösung beitragen können. Ferner können Wissenslücken oder Nichtwissen unter Umständen dazu beitragen, effektiver zu handeln (Herbst 2000, 13 & Roehl 2002, 38).

2.7.2 Organisationale Intelligenz

Im Rahmen dieser Masterarbeit ist es notwendig, Prozesse des Wissenserwerbs vorrangig aus der Perspektive einer Organisation zu untersuchen. Dementsprechend ist zu prüfen, wie kollektive Wissensträger Wissen aufbauen, erweitern und verwalten können.

Oberschulte (1996, 46) definiert den Begriff der organisationalen Intelligenz als „Fähigkeit einer Organisation …, Antworten auf neue Fragestellungen zu finden“ (Oberschulte 1996, 46). Diese gründet auf den Subdimensionen organisationale Lernfähigkeit, organisationales Wissen und organisationales Gedächtnis. Das kollektive Wissen einer Organisation kann dabei durch organisationale Lernprozesse erweitert werden (Oberschulte 1996, 46f.):

Organisationales Wissen stellt den Grundbaustein organisationaler Intelligenz dar und wird durch alle verfügbaren Kenntnisse und Fähigkeiten einer Organisation repräsentiert, die zur Lösung eines Problems herangezogen werden können. Das organisationale Wissen setzt sich aus dem auf materiellen Wissensträgern zugängigem Wissen und dem verfügbaren Wissen personeller Wissensträger zusammen (Oberschulte 1996, 51f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Subdimensionen organisationaler Intelligenz

In Anlehnung an: Oberschulte (1996, 47)

Oberschulte (1996, 53) bezeichnet die Fähigkeit, Wissen organisationsweit persistent zu sichern und bei Bedarf abrufen zu können, als organisationales Gedächtnis. Dabei ist sowohl das via materieller Wissensträger verfügbare Wissen als auch das abrufbare Wissen personeller Wissensträger zu verstehen (Oberschulte 1996, 53).

Die organisationale Lernfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, neues Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzunehmen und nutzbar zu machen. Dabei beeinflusst eine hoch ausgeprägte organisatorische Lernfähigkeit das organisationale Lernen positiv (Oberschulte 1996, 50).

Durch organisationales Lernen kann die organisationale Wissensbasis erweitert und somit auch die organisationale Intelligenz entwickelt werden. Dabei ist zu beachten, dass durch das Lernen mehrerer Organisationsmitglieder Synergieeffekte entstehen können (Oberschulte 1996, 48-50).

Zur Entwicklung organisatorischer Intelligenz sind alle drei Subdimensionen wichtig. Es ist jedoch möglich, eine niedrig ausgeprägte Dimension durch eine hoch ausgeprägte Dimension zu kompensieren. So kann beispielsweise neues Wissen durch hohe Lernfähigkeit schnell aufgenommen werden, wodurch ein geringes organisationales Gedächtnis ausgeglichen werden kann (Oberschulte 1996, 47).

2.7.3 Organisationales Vergessen

Wissensbasen können sich nicht nur erweitern, sondern auch verringern. Im Bereich von Organisationen wird der Wissensverlust als organisationales Vergessen bezeichnet. Scheiden personelle Wissensträger dauerhaft oder temporär aus der Organisation aus, führt das oft dazu, dass das implizite Wissen des Mitarbeiters dem Kollektiv nicht mehr verfügbar ist. Desgleichen kann Outsourcing oder die Aufspaltung von Teams zum Verlust von Wissen und Kompetenzen führen. Auch der Verlust oder die Zerstörung eines materiellen Wissensträgers kann das organisationale Wissen negativ beeinflussen. Somit können sowohl auf individueller als auch auf kollektiver oder elektronischer Ebene Wissenseinheiten verloren gehen, die zum Erfolg einer Organisation beitragen können (Bouncken & Golze 2007, 99 & Kofranek 2011, 1).

Tabelle 3 zeigt einige Beispiele für Formen des organisationales Vergessens auf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Formen des organisationalen Vergessens

In Anlehnung an: Bouncken & Golze (2007, 100)

Organisationales Vergessen beeinflusst die Aktualität und den Umfang der Wissensbasis. Es können aber auch Möglichkeiten entstehen, vorhandene Informations- und Wissensbestände zu bereinigen und somit zur Neustrukturierung oder Berücksichtigung neuer Perspektiven beitragen (Bouncken & Golze 2007, 99).

3. Wissensmanagement: Vom personengebundenen Wissen zur kollaborativen Wissensgemeinschaft

Wie in Kapitel 2 beschrieben, nimmt Wissen einen sehr hohen Stellenwert in Unternehmen und Organisationen ein. Um dem gerecht zu werden, sind Lösungen notwendig, die unterschiedliche Wissensarten und Wissensträger im Organisationsverbund berücksichtigen. Das vielfältig verbreitete und in mehreren verfügbaren Formen ausgeprägte Wissen bedarf Strukturierung und Administration, um zur Entwicklung und zum Erfolg einer Organisation beitragen zu können. Hierzu ist es nötig, auf Managementmethoden zurückzugreifen (Lehner 2012, 16f.). Darauf aufbauend wird im Folgenden der Begriff des Wissensmanagements untersucht: Neben den begrifflichen Grundlagen werden ausgewählte wissenschaftliche Modelle vorgestellt und Wissensmanagement aus dem Blickfeld der Informationstechnologie betrachtet. Abschließend wird auf einige allgemeine Erfolgsfaktoren von Wissensmanagementsystemen eingegangen.

3.1 Grundlagen

In diesem Kapitel wird zunächst auf die Entwicklungsgeschichte von Wissensmanagement eingegangen. Anschließend wird eine Begriffsdefinition für diese Arbeit festgelegt sowie Wissensmanagement und Informationsmanagement voneinander abgegrenzt.

3.1.1 Entwicklungsgeschichte

Erste, dem Wissensmanagement zuordenbare wissenschaftliche Arbeiten, wurden bereits in den 1960er Jahren veröffentlicht und behandelten den Wissensbegriff vorwiegend im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen (Schüppel 1996, 186). Die vom Chemiker und Philosophen Michael Polanyi 1966 publizierte Monografie The Tacit Dimension (Polanyi 1966) stellt dabei die vermutlich bedeutsamste Veröffentlichung dieser Zeit dar. In den 1970er und 1980er Jahren verfolgte man das Management explizitem Wissens in Unternehmen vor allem auf Führungsebene (Lehner 2012, 29f.).

Durch gesteigerte Wahrnehmung des Produktionsfaktors Wissen begannen Unternehmen, sich intensiv mit Wissensmanagement auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf Globalisierung und gesteigerten Wettbewerb wurden Lernprozesse effektiver gestaltet und versucht, die unternehmerische Produktivität zu erhöhen. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden auch erste Softwarewerkzeuge und Wissensportale zum Management von Wissen in Unternehmen eingesetzt. Die weite Verbreitung des Internets und der Einsatz von Business-Intelligence-Methoden verstärkten diesen Trend. Wissensmanagement wurde zum Modethema in Unternehmen und Hauptbestandteil einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Konferenzen. Die vorhandenen Wissensmanagementlösungen konnten allerdings den teilweise überzogenen unternehmerischen Zielen nicht gerecht werden (Lehner 2012, 30f. & Schüppel 1996, 187).

Etwa ab dem Jahr 2005 begann – verbunden mit den Schlagworten KM Governance, Enterprise 2.0 und Big Data – ein weiterer Entwicklungsabschnitt. Unternehmer und Wissenschaftler befassten sich mit der Kontrolle, Steuerung, Verarbeitung und Entwicklung umfassend gewordener Datenmengen in Wissensgemeinschaften (Back, Gronau & Tochtermann 2009, 6, Hoffmann & Voss 2013, 30 & Lehner 2012, 31).

3.1.2 Begriffsdefinition

Ähnlich wie der Wissensbegriff wird auch das Wissensmanagement aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Perspektiven untersucht. Aufgrund der vielfältigen Einsatzzwecke in unterschiedlichen Bereichen scheint es nicht möglich, auf eine allgemeingültige Begriffsbestimmung zurückzugreifen (Heisig 2005, 13 & Lehner 2012, 34).

Als Verständnisgrundlage dieser Arbeit wird zunächst die Definition von Romhardt (1998, 45) gewählt:

„Wissensmanagement bildet ein integriertes Interventionskonzept, das sich mit Möglichkeiten zur Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der organisatorischen Wissensbasis befasst“ (Romhardt 1998, 45).

Dieser systemorientierte Ansatz beschreibt die Administration und die Evolution einer Wissensbasis im System bzw. in Teilsystemen einer Organisation.

Ergänzend dazu stellen Oelsnitz & Hahmann (2003, 101) die Entwicklungsfähigkeit organisationaler Wissensbasen durch Lernprozesse heraus (Abb. 7):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Wissensmanagement im Kontext von Lernen und Wissen

In Anlehnung an: Oelsnitz & Hahmann (2003, 101)

Die gegenwärtige organisationale Wissensbasis wird durch die Bestandsgröße Wissen beschrieben. Die Stromgröße Lernen wirkt auf die Wissensbasis einer Organisation ein und verändert diese. Die Aufgabe des Wissensmanagements liegt in der Verwaltung und gesteuerten Entwicklung des organisationalen Wissensbestandes (Oelsnitz & Hahmann 2003, 101).

3.1.3 Informationsmanagement und Wissensmanagement

Die Begriffe Informationsmanagement und Wissensmanagement bzw. Information und Wissen werden – je nach Perspektive der Forschungsdisziplin – teilweise synonym verwendet (Welter 2005, 50). Diese Begriffe weisen durchaus viele Gemeinsamkeiten auf, trotzdem unterscheiden sie sich in einigen wesentlichen Punkten (Rehäuser & Krcmar 1996, 11 & Welter 2005, 31f.). Deswegen wird im Kontext dieser Arbeit zwischen den Begriffen des Informationsmanagements und des Wissensmanagements differenziert.

Trivialerweise befasst sich das Informationsmanagement mit der „Gestaltung und Lenkung der Wahrnehmung, Verarbeitung, Speicherung und Nutzung von Information im Unternehmen“ (Welter 2005, 75, Kursivdruck im Original), während das Wissensmanagement dieselben Aufgaben im Hinblick auf das Wissen im Unternehmen erfüllt (Welter 2005, 75). Information und Wissen unterscheiden sich folglich in mehrerer Hinsicht:

Die Verbreitung und Vervielfältigung von Informationen geschieht einfach und zu geringen Grenzkosten, etwa durch das Kopieren von Daten auf materiellen Wissensträgern wie Speichermedien oder Papierausdrucken (Rehäuser & Krcmar 1996, 11). Des Weiteren liegen Informationen nur in Form des leicht verfügbaren und einfach zu duplizierenden expliziten Wissens vor (Nakamori 2006, 4).

Die Weitergabe und Reproduktion von Wissen hingegen ist schwieriger und kostenintensiver bezüglich der Vervielfältigungs- und Grenzkosten. Die Ursache dafür liegt darin begründet, dass Wissen vordergründig auf personelle Wissensträger bezogen wird. Zudem berücksichtigt Wissen sowohl explizites als auch das im Verborgenen liegende und nur schwer vervielfältigbare implizite Wissen. Demzufolge ist die Vervielfältigung und Entwicklung von Wissen wegen nötiger (Weiter-) Bildungskosten zeit- und kostenintensiver oder gar nicht möglich (Nakamori 2006, 4 & Rehäuser & Krcmar 1996, 11-13).

Wie bereits in Kapitel 2.2.2 beschrieben, bauen Information und Wissen aufeinander auf. Wissen entsteht, indem Informationen vernetzt werden (Rehäuser & Krcmar 1996, 6). Infolgedessen treten auch beim Management von Informationen und Wissen Wechselwirkungen und Verknüpfungspunkte auf, sodass die Integration des Informationsmanagements in das Wissensmanagement und vice versa nötig ist (Müller-Merbach 1999, 95).

3.2 Ausgewählte Wissensmanagement-Modelle

Da – wie bereits in Kapitel 3.1.2 beschrieben – unterschiedliche wissenschaftliche Betrachtungsweisen bezüglich dem Management von Wissen vorherrschen, haben sich mehrere, teilweise konkurrierende, Modelle entwickelt. Auch hier konnte kein einheitlicher Modellierungsansatz entwickelt werden (Lehner 2012, 71).

[...]


[1] Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird Folgenden der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.

Fin de l'extrait de 103 pages

Résumé des informations

Titre
Wissensmanagement und unterstützende Werkzeuge im Hochschuleinsatz
Université
University of Bamberg  (Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik; Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik)
Note
1,3
Auteur
Année
2014
Pages
103
N° de catalogue
V281209
ISBN (ebook)
9783656747055
ISBN (Livre)
9783656746997
Taille d'un fichier
1060 KB
Langue
allemand
Mots clés
Wissensmanagemt;, Wissensmanagementsysteme;, WMS;, Wirtschaftinformatik;, Wirtschaftspädagogik;, Informatik;, Hochschule;, Universität;, Effizienz;, Organisationales Vergessen;, Organisationale Wissensbasis;, SECI-Modell;, Bausteine des Wissensmanagements;, Wiki;, Enterprise Content Management Systeme;, ECMS;, Alfresco;, Sharepoint;, Typo3;, CMS, Content Management Systeme;, Fluktuation;, Nutzwertanalyse;, Hochschuleinsatz;, Wissen an Universitäten;, Johann Andreas Eisenbarth;, Doktor Eisenbarth;, Wissensmanagement IT;, Werkzeuge;
Citation du texte
Martin Zithier (Auteur), 2014, Wissensmanagement und unterstützende Werkzeuge im Hochschuleinsatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281209

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