Aushebelung der Rechte des Bundesrats? Zur Legitimation des Krisenmanagements in der Finanzkrise 2008/2009


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Legitimationslogik nach Jürgen Habermas

Formale Mitwirkungsrechte des Bundesrats im Gesetzgebungsprozess

Finanzmarktstabilisierungsgesetz

Konjunkturpakete I und II

Fazit

Quellen

Urheberrechtserklärung

Einleitung

Die Finanzkrise, die 2007 in den Vereinigten Staaten von Amerika ausbrach, hält die Welt noch heute in Atem. Wirtschaftseinbrüche, Bankenpleiten, Unternehmensschließungen; diese Nachrichten gehen seit nunmehr fünf Jahren täglich durch die Welt. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist davon nicht verschont geblieben. Mit der drohenden Insolvenz der Bankenholding Hypo Real Estate ist die Krise auch in Deutschland angekommen. Fest stand: es muss gehandelt werden und zwar schnell. Die Entscheidung eine Bank zu retten, die nachweislich durch Misswirtschaft ihre Liquidität einbüßte, war keinesfalls unumstritten, doch war sie notwendig. Auch auf deutscher Mikroebene ist die Finanzwelt vernetzt, nicht nur auf dem Weltmarkt. Durch Termingeschäfte leihen sich die Banken untereinander über Nacht Geld, die die Millionenmarke sprengen können. Was passiert, wenn eines der wichtigsten Güter der Bankenwelt, das Vertrauen, einfach wegbricht (Steinbrück 2010: 173)? Die Antwort liegt nahe: gerade kleinere Banken würden sehr unter dem Umstand leiden, dass sie von einem Tag auf den anderen illiquide sein könnten. Wenn eine Bank fällt, so folgen andere. Das Bankensystem könnte einstürzen wie ein Kartenhaus, Anleger könnten ihre Spareinlagen abziehen. Bilder von hunderten, vor Bankenhäusern wartenden Menschen, wie wir sie von der Weltwirtschaftskrise aus dem Jahr 1929 kennen, waren wieder denkbar. Also entschied sich die Bundesregierung, zusammen mit der Legislative und der deutschen Finanzwirtschaft, die Hypo Real Estate mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro vor der Insolvenz zu bewahren. In der Bevölkerung zeichnete sich Unbehagen ab. Warum fließen Milliarden Euro in die Rettung der Schädiger der Krise und nicht zu den Geschädigten (Steinbrück 2010: 191)? Doch genau dies versuchte die Regierung mit ihren Gesetzesentwürfen zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz und zu den Konjunkturpaketen I und II zu erreichen: das Übergreifen der Finanzkrise auf die deutsche Realwirtschaft zu vermeiden. In den Jahren 2008 und 2009 wurden Gesetzespakete geschnürt, die Politik und Wirtschaftswissenschaftler gespannt beobachteten, denn sie wurden in nicht bekannter Verfahrenskürze erlassen.

Das Ziel dieser Abhandlung besteht darin zu überprüfen ob die Beteiligung des Bundesrats an dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren während der Finanzkrise 2008/2009 rein formaler Natur war und im Laufe dieser Entwicklungen die Rechte des Bundesrats ausgehebelt wurden oder ob der Bundesrat auch substantiell an der Ausarbeitung des Finanzmarkstabilisierungsgesetzes und der Konjunkturpakete I und II mitgewirkt hat. An der Legitimationslogik von Jürgen Habermas soll diese Fragestellung überprüft werden. Dazu wird diese als erstes beleuchtet. Im weiteren Verlauf werden die formalen Mitwirkungsrechte des Bundesrats genauer betrachtet und eine Übersicht über das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und die Konjunkturpakte von 2008 und 2009 gegeben. Im darauffolgenden Fazit werden die Erkenntnisse zusammengetragen um die These - Im parlamentarischen Gesetzgebungsprozess während der Finanzkrise 2008 und 2009 wurde der Bundesrat von der Exekutiven weitestgehend ausgeschlossen - zu überprüfen.

Legitimationslogik nach Jürgen Habermas

Die Bundesrepublik hat die Vergangenheit hinter sich gelassen, gegen Ende der 1960er erheben sich Studenten um dem Establishment die Augen zu öffnen. Die Entwicklungen in Deutschland seien beunruhigend. Alte Kriegsverbrecher nehmen immer noch am politischen Prozess teil, die Wirtschaftsleistung geht nach dem Boom, der auf den Zweiten Weltkrieg folgte, erstmals wieder zurück. In dieser Zeit begann Jürgen Habermas, Soziologe und Philosoph einige seiner bekanntesten Schriften über die Legitimation von politischer Herrschaft zu verfassen. Im Besonderen soll in dieser Arbeit seine Legitimationslogik zum Tragen kommen um später eine Beurteilung über die Rolle von Bundesregierung und Bundesrat im Gesetzgebungsprozess während der Finanzkrise, die 2007 in den Vereinigten Staaten von Amerika ausgelöst und später in die ganze Welt hinausgetragen wurde, abgeben zu können.

Die Habermas‘sche Legitimationslogik, die zwischen 1970 und 1971 entwickelt wurde, beurteilt die Ordnungsmäßigkeit sozialer und politischer Normen nach seiner Kraft der Argumentation. Im speziellen soll dies bedeuten, dass die Legitimation dieser Normen argumentativ begründet ist und das zugrundeliegende Interesse (wie beispielsweise finanzielle Hilfsleistungen aus Steuergeldern zur Verfügung zu stellen um europaweite wirtschaftliche Engpässe zu überbrücken) zwanglos kommuniziert wurde und als allgemein akzeptiert betrachtet werden kann (Fach 1974: 1). Als erste Voraussetzung muss dafür die „Grundnorm der vernünftigen Rede“ geschaffen sein, die besagt, dass der Geltungsanspruch des Regenten, bzw. „Herrschers“ nur dann gegeben ist, wenn ein „systematischer Wahrheitsbezug“ dauerhaft gegeben ist. Des Weiteren spricht Jürgen Habermas von dem vernünftigen Diskurs, der veranschaulicht, dass nicht die faktische Macht darüber entscheidet, wer die überzeugenderen Argumente hat, sondern das Argument selbst. Interessant für den Verlauf dieser Arbeit ist auch die Annahme, dass das Verfahren nicht „unter Termindruck stehen darf“ denn es muss ein angemessener Zeitrahmen gegeben sein um die Kommunikation bestmöglich austragen zu können. Außerdem solle Kommunikation „symmetrische Mitwirkungschancen“ bieten, also jedem Beteiligten die gleiche Möglichkeit geben „Deutungen, Behauptungen, Erklärungen und Rechtfertigungen“ aufzustellen und damit einhergehend im „Prüfungsverfahren für sämtliche Teilnehmer, Thesen und Beiträge“ zur Verfügung stehen zu lassen (Fach 1974: 3).

Diese ausgewählten Grundannahmen der Habermas’schen Legitimationslogik werden im Fazit noch einmal eingehend geprüft und aufgegriffen. Zunächst einmal sollen jedoch die formalen Mitwirkungsrechte des Bundesrats genauer beleuchtet und folgend die Gesetzesänderungen während der Finanzkrise 2008 und 2009 erklärt werden.

Formale Mitwirkungsrechte des Bundesrats im Gesetzgebungsprozess

Gewaltenteilung war oberstes Ziel der Alliierten, als für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Gesetzgebung ausgearbeitet wurde. Hierfür wurde die Bundesrepublik vertikal und horizontal vernetzt. Im Zuge dieser Grundgesetzgebung wurde auch der deutsche Bundesrat erschaffen. In Anbetracht des hier zugrundeliegenden Themenkomplexes soll weniger die Zusammensetzung der Zweiten Kammer erläutert werden, als vielmehr die Mitwirkungsrechte, die der Bundesrat an der Gesetzgebung besitzt.

In Zusammenhang der Mitwirkungsrechte des Bundesrats an der Gesetzgebung kann zwischen Grundgesetzänderungen, Zustimmungsgesetzen und Einspruchsgesetzen unterschieden werden. Im Falle der Grundgesetzänderung muss der Bundesrat nach Artikel 79 Absatz 2 Grundgesetz (GG) mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen, was zur Folge haben kann, dass der Bundesrat eine Änderung gegebenenfalls blockieren kann (Grundgesetz 2007: 44). Die zustimmungspflichtigen Gesetze nach Artikel 84 Absatz 1 GG betreffen alle Änderungen, die die bundesstaatliche Grundlage Deutschlands, beziehungsweise die Hoheitsrechte der Länder zum Gegenstand haben (Grundgesetz 2007: 46 f). Hier reicht eine einfache Mehrheit des Bundesrats zur Verabschiedung aus (Schmidt 2007: 203 f). Einspruchsgesetze geben dem Bundesrat die Möglichkeit gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz Einspruch zu erheben. Hier ergeben sich zwei mögliche Szenarien. Beschließt der Bundesrat den Einspruch mit der einfachen Mehrheit, kann der Bundestag den Einspruch mit der Kanzlermehrheit zurückweisen. Erheben jedoch zwei Drittel der Bundesratsmitglieder gegen ein Gesetz Einspruch, benötigt auch der Bundestag zwei Drittel an Gegenstimmen um dem Einspruch des Bundesrats abzulehnen. Kommen diese Mehrheiten im Bundestag nicht zustande, muss über das beschlossene Gesetz erneut verhandelt werden. Dieses Verfahren ist im Grundgesetz im Artikel 77 Absatz 4 festgesetzt (Grundgesetz 2007: 44).

Des Weiteren umfassen die Mitwirkungsrechte des Bundesrats auch Rahmenbedingungen für die Verhandlung an sich. Auch diese stellen sich als besonders interessant heraus, wenn man das Zustandekommen der Gesetze während der Jahre 2008 und 2009 in Zusammenhang mit der Finanzkrise genauer beleuchten möchte. Nach Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes hat der Bundesrat das festgeschrieben Recht zu den Gesetzesvorlagen des Bundestags innerhalb von sechs Wochen Stellung zu beziehen. Des Weiteren räumt das Grundgesetz dem Bundesrat die Möglichkeit ein, aus wichtigen Gründen, beispielsweise einen erhöhten Umfang der Vorlage, eine Fristverlängerung von neun Wochen zu nutzen. Auch der Fall von dringlicher Bearbeitung ist festgeschrieben: die Bundesregierung kann den Bundesrat auffordern die Verhandlungsergebnisse binnen drei Wochen, nach eventueller Fristverlängerung jedoch nach maximal 6 Wochen an den Bundestag zurückzuleiten. Die abschließende Stellungnahme des Bundesrats ist auch nach Fristablauf nachreichbar (Grundgesetz 2007: 43). Weiterführend regelt Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes, dass der Bundesrat binnen drei Wochen einen Ausschuss zusammenrufen kann, der aus Mitgliedern des Bundesrats und Bundestags besteht um einen Gesetzesentwurf zu verhandeln. Kann sich in diesem Ausschuss nicht geeinigt werden, sieht das geltende Recht vor, dass die Vorlage erneut bearbeitet werden muss (Grundgesetz 2007: 44). Die einzelnen Rechtsvorschriften werden im Laufe dieser Arbeit noch einmal aufgenommen und an dem Problembestand des Finanzmarktstabilisierungsgesetz und der Konjunkturpakete von 2008 und 2009 eingehend untersucht.

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Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Aushebelung der Rechte des Bundesrats? Zur Legitimation des Krisenmanagements in der Finanzkrise 2008/2009
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,7
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V281293
ISBN (eBook)
9783656758273
ISBN (Buch)
9783656758105
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzkrise, Krisenmanagement, Bundesregierung, Finanz- und Wirtschaftskrise, Legitimation, Bundesrat
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, Aushebelung der Rechte des Bundesrats? Zur Legitimation des Krisenmanagements in der Finanzkrise 2008/2009, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281293

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