Das Fantastische in Maupassants "Le Horla"


Seminar Paper, 2004

17 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Gliederung :

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Formelle Merkmale dieser Novelle
2.2. Der Erzähler
2.3. Die Bedeutung des Ortes
2.4. Das Übernatürliche
2.5. Stilistische Besonderheiten

3. Zusammenfassung

1. Einleitung :

« Le réaliste, s’il est un artiste, cherchera, non pas à nous montrer la photographie banale de la vie, mais à nous en donner la vision plus complète, plus saisissante, plus probante que la réalité même. »1 Dieser Ausspruch Maupassants im Vorwort zu seinem Roman « Pierre et Jean » steht stellvertretend für den gesamten Schaffenskomplex des Schriftstellers, der neben einigen Romanen vor allem durch seine zahlreichen gesellschaftskritischen Novellen Bekanntheit erlangte. Diese zeichnen sich durch den unvergleichlichen Stil Maupassants aus, die Wirklichkeit aus einer Perspektive zu zeigen, die den zeitgenössischen Leser aus seiner verblendeten Realität holen sollte. Die Aufdeckung der bürgerlichen Scheinmoral in Abgrenzung zu den Verhältnissen des einfachen Menschen prägte Maupassants Schreiben genau so wie die Kritik an den politischen Missständen seiner Zeit.2 Dennoch ist das Werk Maupassants heute keineswegs unzeitgemäß oder veraltet. Vielmehr haben vor allem seine fantastischen Novellen nichts von ihrer Faszination, nichts von ihrer intensiven Aussagekraft verloren. Auch heute noch ist Guy de Maupassant, neben Poe in Amerika und E.T.A. Hoffmann in Deutschland, der Meister des fantastischen Schreibens.

Im Rahmen des Seminars beschäftigte ich mich intensiver mit der Novelle „Le Horla“, die in ihrer Endversion von Maupassant im Jahre 1887 als fantastische Novelle verfasst wurde.3 An dieser Stelle stellt sich die Frage, inwiefern

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„Der Horla“ sich gängigen Charakterisierungspunkten fantastischer Literatur unterordnet. So spielt zum Beispiel der Aspekt der Wirklichkeit in fantastischen Novellen insofern eine besondere Rolle, als dass Wahrheit und Wirklichkeit eine nicht klar trennbare Beziehung eingehen. Sowohl das Spiel mit den verschiedenen Ebenen der Wahrheit, als auch Maupassants differenzierte Wirklichkeitskonzeption finden hier Eingang. In diesem Zusammenhang soll hier näher auf die Aspekte eingegangen werden, durch die die Novelle unmissverständlich dem fantastischen Genre zugeordnet werden kann. Dabei soll zunächst auf die äußere Form und die wesentlichen strukturellen Merkmale eingegangen werden, wobei die Verbindung zu den Leitthemen der Handlung in Vergleich zu allgemein gängigen Themen fantastischer Literatur gesucht wird. Anschließend erfolgt eine genauere Auseinandersetzung mit der Figur des Erzählers, der Beschreibung und Bedeutung der Atmosphäre bzw. der Umgebung, und der Darstellung des Übernatürlichen und dessen Einbettung in die Geschichte. Schlussendlich soll noch auf die stilistischen Mittel eingegangen werden, die die Grundstimmung der Novelle von Anfang an prägen, natürlich mit Bezug auf die erwähnten Besonderheiten.

2. Hauptteil

2.1. Formelle Merkmale dieser Novelle

Auffallend ist zunächst einmal die Tagebuchform. Im Zeitraum vom 8. Mai bis zum 10. September wird dem Leser die unglaublich erscheinende Geschichte eines Mannes präsentiert, der, im Glauben von einer unbekannten Macht besessen zu sein, mehr und mehr dem Wahnsinn verfällt und anschließend den Plan fasst, Selbstmord zu begehen, um seinem Schicksal zu entfliehen. In unregelmäßigen Abständen verfolgt der Leser die zunehmende Verwirrung des Erzählers, wobei die Handlung zwischen den Einträgen nicht nachvollziehbar ist und nur erahnt werden kann, was zur Verstärkung des Spannungsmomentes beiträgt. Die Länge der einzelnen Einträge variiert je nach Verfassung des Erzählers und dem Geschehen. So findet man auch Einträge, die nur aus einem Satz bestehen und sehr fragmentarisch wirken. Oft hat man deshalb den Eindruck, direkt an den Gedanken des Erzählers

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teilzuhaben und nicht an erst nachträglich verfassten Tagebucheintragungen. Wehr bemerkt hier treffend die beinahe schon monologischen Züge der oftmals elliptisch

verkürzten Ausführungen. Die Wahl der subjektiven Tagebuchform ermöglicht dementsprechend eine Unmittelbarkeit der Handlung, die stärker kaum sein könnte. Erzähl- und Erlebnisperspektive fallen annähernd zusammen.4

Auffällig ist des Weiteren die ungleiche „Verteilung“ der zeitlichen Einträge. So findet man in den ersten Tagen noch relativ regelmäßige Eintragungen, jedoch im Zeitraum vom 3. Juni bis zum 6. Juni und wiederholt vom 6. August bis zum 21. August eine starke Häufung der Einträge. Eine Erklärung dafür kann nur auf der Ebene der Handlung zu finden sein, was bedeuten würde, dass sich die Ereignisse und Vorfälle, derer sich der Erzähler ausgesetzt sieht, kritisch zuspitzen bzw. sich gleichsam häufen und überschlagen. Dies wird in den folgenden Abschnitten zu beweisen sein.

Die thematischen Bezüge fügen sich in die gängigen Handlungsaspekte fantastischen Schreibens ein. Dazu gehört, wie Raymond und Compère aufführen5, vor allem die Unterdrückung der Grenzen, die gewöhnlich zwischen Kategorien wie Leben und Tod, dem Natürlichen und dem Übernatürlichen, der Vergangenheit und der Zukunft oder auch dem Menschlichen und dem „Nicht-Menschlichen“ bestehen. Bezüglich der Novelle „Le Horla“ wären primär drei Leitthemen zu nennen: die schmale Grenze zwischen Wahnsinn und geistiger Gesundheit, die Furcht vor dem Unerklärbaren, und das Ende der menschlichen Vorherrschaft auf der Erde. Auf das Problem der Abgrenzung von Wahrheit und Wirklichkeit wurde bereits verwiesen.

2.2. Der Erzähler

Der Leser erlebt das Geschehene aus der Perspektive des Ich-Erzählers. Dieser berichtet in seinem Tagebuch von der zunehmenden Verwirrtheit seines Verstandes. Grund dafür ist der „Horla“, den er zunächst noch nicht als solchen zu

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[...]


1 Merlot, André, Précis d’histoire de la littérature française. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1972. S. 136.

2 Grimm, Jürgen (Hrsg.), Französische Literaturgeschichte. Stuttgart: Metzler, 1999. S. 281.

3 Maupa ssant schrieb zwei Versionen des Horla – Vergleich dazu Schurig-Geick, S. 78ff.

4 Wehr, Christian, Imaginierte Wirklichkeiten: Untersuchungen zum „récit fantastique“ von Nodier bis
Maupassant. Tübingen: Narr, 1997. S.186.

5 Raymond, F. und D. Compère, Les maîtres du fantastique en littérature. Paris: Bordas, 1994. S.46.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Das Fantastische in Maupassants "Le Horla"
College
University of Potsdam  (Romanistik)
Course
Guy de Maupassant - Romane und Novellen
Grade
2,0
Author
Year
2004
Pages
17
Catalog Number
V28131
ISBN (eBook)
9783638300063
File size
442 KB
Language
German
Notes
Analyse von Maupassants « Horla » auf die Merkmale hin, die ihn zu einem typischen Vetreter fantastischer Literatur machen.
Keywords
Fantastische, Maupassants, Horla, Maupassant, Romane, Novellen
Quote paper
Mandy Dobiasch (Author), 2004, Das Fantastische in Maupassants "Le Horla", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28131

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