Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind die Präpositionen, die den Genitiv regieren können. Was den Genitiv betrifft, ist die Klage über den Verfall dieses Kasus mittlerweile beinahe sprichwörtlich geworden. Um so mehr lohnt es sich, den Bereich der Präpositionen mit dem Genitiv und ihren Gebrauch zu untersuchen, da hier die Bildung von Formen mit Genitivrektion sogar noch produktiv ist.
Das erste Kapitel der Arbeit widmet sich der Beschreibung der deutschen Genitivpräpositionen, indem zunächst die Wortart durch die Bestimmung ihrer konstitutiven Eigenschaften dargestellt wird. Besonders berücksichtigt wird dabei die Sonderstellung der Genitivpräpositionen innerhalb ihrer Wortart. Infolge wird das Konzept der Grammatikalisierung im Bezug auf die Präpositionen vorgestellt und diskutiert. Abschließend soll die Problematik der systematischen Rechtschreibung im Hinblick auf die Genitivpräpositionen untersucht werden.
Das zweite Kapitel betrachtet eine Auswahl vorwiegend normativ ausgerichteter Grammatiken bezüglich ihrer Angaben zum Gebrauch der Genitivpräposition. Dabei sollen Gebrauchshinweise und Regeln systematisch katalogisiert und verglichen werden, sowie im Anschluss grammatisch analysiert und kritisch bewertet werden.
Im vierten Kapitel sollen anhand einer Korpusanalyse gezielte Fragestellungen zu den Besonderheiten der Schreibung von Genitivpräpositionen, insbesondere als Vergleich von alter und neuer Rechtschreibung, dokumentiert und analysiert werden.
Der methodische Leitfaden der Arbeit orientiert sich an den Aufsätzen und der Monographie zur Grammatikalisierung deutscher Präpositionen von Claudio Di Meola.
Inhalt
0. Aufbau und Zielsetzung der Arbeit
1. Beschreibung von Präpositionen
1.1 Terminologie
1.2 Abgrenzung und konstitutive Eigenschaften der Wortklasse
1.2.1 Funktion von Präpositionen und Abgrenzung der Wortklasse
1.2.2 Flektierbarkeit und Satzgliedfähigkeit
1.2.3 Rektion
1.2.4 Stellung
1.3 Grammatikalisierung
1.3.1 Grammatikalisierung und Sprachwandel
1.3.2 Prinzipien der Grammatikalisierung deutscher Präpositionen
1.3.2.1 Morpho-phonologische Veränderungen
1.3.2.2 Semantische Veränderungen
1.3.2.3 Syntaktische Veränderungen (Stellung und Rektion)
1.4 Orthographische Besonderheiten der Genitivräpositionen
2. Präpositionen mit dem Genitiv
2.1 Präsentation der untersuchten Grammatiken
2.2 Bestandsaufnahme der Präpositionen mit dem Genitiv
2.2.1 Präpositionen mit auschließlicher Genitivrektion
2.2.2 Bestandsaufnahme der Regeln im Zusammenhang mit dem Gebrauch der Genitivpräpositionen
2.2.2.1 Relative Häufigkeit der Rektionsvarianten
2.2.2.2 Flexionsgrammatik
2.2.2.3 Stellungsvariation
2.2.2.4 Stilistik
3. Analyse der Gebrauchsregeln von Genitivpräpositionen
3.1 Grundlegende Betrachtungen Kasusvariation von Präpositionen
3.1.1 Kasuszuordnung durch Prototypisierung
3.1.2.1 Verschmelzungen aus Präposition und Substantiv
3.1.1.2 Bildungen mit grammatikalischen Suffixen
3.2 Analyse der Gebrauchsregeln
3.2.1 Realitive Häufigkeit der Rektionsvarianten
3.2.2 Flexionsgrammatik
3.2.3 Stellungsvariation
3.2.4 Stilistik
4. Korpusanalyse: Orthographie der Präpositionen mit dem Genitiv
5. Bibliographie
Anhang A
Anhang B
0. Aufbau und Zielsetzung der Arbeit
Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind die Präpositionen, die den Genitiv regieren können. Was den Genitiv betrifft, ist die Klage über den Verfall dieses Kasus mittlerweile beinahe sprichwörtlich geworden. Um so mehr lohnt es sich, den Bereich der Präpositionen mit dem Genitiv und ihren Gebrauch zu untersuchen, da hier die Bildung von Formen mit Genitivrektion sogar noch produktiv ist.
Das erste Kapitel der Arbeit widmet sich der Beschreibung der deutschen Genitivpräpositionen, indem zunächst die Wortart durch die Bestimmung ihrer konstitutiven Eigenschaften dargestellt wird. Besonders berücksichtigt wird dabei die Sonderstellung der Genitivpräpositionen innerhalb ihrer Wortart. Infolge wird das Konzept der Grammatikalisierung im Bezug auf die Präpositionen vorgestellt und diskutiert. Abschließend soll die Problematik der systematischen Rechtschreibung im Hinblick auf die Genitivpräpositionen untersucht werden.
Das zweite Kapitel betrachtet eine Auswahl vorwiegend normativ ausgerichteter Grammatiken bezüglich ihrer Angaben zum Gebrauch der Genitivpräposition. Dabei sollen Gebrauchshinweise und Regeln systematisch katalogisiert und verglichen werden, sowie im Anschluss grammatisch analysiert und kritisch bewertet werden.
Im vierten Kapitel sollen anhand einer Korpusanalyse gezielte Fragestellungen zu den Besonderheiten der Schreibung von Genitivpräpositionen, insbesondere als Vergleich von alter und neuer Rechtschreibung, dokumentiert und analysiert werden.
Der methodische Leitfaden der Arbeit orientiert sich an den Aufsätzen und der Monographie zur Grammatikalisierung deutscher Präpositionen von Claudio Di Meola.
1. Beschreibung von Präpositionen
1.1 Terminologie
Die deutsche Bezeichnung für die Präpositionen ist „Verhältniswörter“, da es eine konstitutive Eigenschaft der Wortart ist, „zwei Sachverhalte zueinander in Beziehung zu setzen“ (DU, 375). Das Verhältnis ist dann durch das entsprechende Verhältniswort entweder besonders gekennzeichnet (z.B. lokal oder temporal) oder bleibt unbestimmt (v.a. bei Präpositionalobjekten, wo sie nur zum Anschluss und der Kennzeichnung des Objekts dienen). Die deutsche Bezeichnung „Verhältniswort“ wird von den Grammatiken i.d.R. gemieden, ist aber eigentlich zutreffender als das entsprechende „Präposition“, was Bezug auf die Voranstellung dieser Wortart nimmt. Tatsächlich steht der überwiegende Teil der Präpositionen in Voranstellung, allerdings gibt es auch Präpositionen in Prä- und Poststellung (z.B. entlang den Bächen wachsen Blumen / Die Bäche entlang wachsen Blumen), in Zirkumstellung (z.B. um seiner Gesundheit willen), sowie Präpositionen, die nur in Poststellung vorkommen, was einen terminologischen Wiederspruch darstellt (z. B. der Einfachheit halber). Einige Autoren ziehen deshalb die Bezeichnung Adposition für die Formen vor, die verschiedene Stellungsvarianten einnehmen können (Di Meola 2000, 3f.). Lindqvist (1994) hat einen sehr weit gefassten Präpositionsbegriff und bezeichnet die Wortart als Präpositionale. Im Folgenden soll sich auch hier der gängigen Praxis angeschlossen werden, allgemein von „Präpositionen“ zu sprechen und dann bei Bedarf Ausdrücke zu verwenden, die die Stellungsvarianten (Prä-, Post-, Zirkumposition) terminologisch präziser beschreiben.
1.2 Abgrenzung und konstitutive Eigenschaften der Wortklasse
In der Grammatikbeschreibung herrscht keineswegs Einigkeit bezüglich der adäquaten Beschreibung und Klassifizierung der Wortklasse „Präposition“.
Zentrale, die Präpositionen betreffende und in der Grammatikbeschreibung immer wiederkehrende Fragestellungen sind neben der allgemeinen Funktionsbeschreibung auch die Flektierbarkeit, die Abgeschlossenheit der Wortklasse, die Rektion, und die Stellung der Elemente. Aus den Wechselbeziehungen der angesprochenen Eigenschaften untereinander und darüber hinausgehenden Überlegungen, stellt auch der Grad der Grammatikalisierung von Präpositionen einen Schwerpunkt innerhalb sprachwissenschaftlichen Beschreibung dar. Das Konzept der Grammatikalisierung von Präpositionen ist, wie in Kapitel 1.3 gezeigt werden soll, grundlegend für die spezifischen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Gebrauch der Präpositionen mit dem Genitiv und soll deshalb hier getrennt betrachtet werden. Im Folgenden werden die einzelnen Fragestellungen einführend vorgestellt:
1.2.1 Funktion von Präpositionen und Abgrenzung der Wortklasse
Den Präpositionen als Wortart kommt allgemein die Aufgabe zu, bestimmte lokale, temporale und kausale Verhältnisse auf Satzgliedebene zu bestimmen. Lehmann spricht von den „adverbiellen Grundfunktionen“ der Sprache (1982, 94). Aufgrund ihrer Eigenschaft, am Aufbau von Satzgliedern, den Präpositionalgruppen (deren Teil sie sind), konstitutiv beteiligt zu sein werden sie oft als Junktoren begriffen und im Zusammenhang mit den Konjunktionen beschrieben. Eisenberg (1999) beschreibt sie als unveränderbare Funktionswörter, die den syntaktischen Kopf einer Präpositionalgruppe bilden. Weinrich sieht in ihnen die Funktion von Junktoren, die „aus einer Basis und einem Adjunkt ein Determinationsgefüge bilden“ (Weinrich 2003, 612). Die Determination ist dann durch die Bedeutung der Präposition näher bestimmt. Auch Jung (1990) zählt sie aufgrund ihrer verknüpfenden und zuordnenden Eigenschaften, genau wie die Konjunktionen, zu den „Fügewörtern“. Ähnlich klassifizieren auch Helbig/Buscha (2001). Die Duden-Grammatik zählt seit ihrer 5. Auflage von 1995 die Präpositionen nicht mehr zu den Partikeln, sondern beschreibt sie getrennt. Bis dato wurden sie unter der Kategorie der unveränderbaren Partikeln subsummiert (vgl. Duden 1984; 1973; 1959; 1937). Engel (1988) rechnet sie ebenfalls zu den Partikeln.
Einen völlig anderen Ansatz, auf der Basis der grundlegenden Arbeit von Lehmann (1982) zur Grammatikalisierung, verfolgen die neueren Arbeiten von Lindqvist (1994), und Di Meola (2000), die Präpositionen im Sinne einer Prototypenlehre nach Rosch (1978) beschreiben. Danach wird von einem Set distinktiver Merkmale ausgegangen, welches konstituierend für einen Prototyp der Präpositionen ist. Zu klassifizierende Elemente werden folglich auf einer Skala hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten mit dem Prototyp verglichen und beurteilt, ohne jedoch scharfe Trennlinien zu ziehen. Di Meola nimmt eine Sonderstellung ein, da sich seine Definition der Präpositionen als unflektierbare „syntaktisch verknüpfende Funktionswörter“ (2000, 40) im Prinzip kaum von der traditionellen, eng gefassten Sichtweise unterscheidet. Mit seinem Modell der Differenzierung und Prototypisierung als Mechanismen der Grammatikalisierung liefert er aber ein Instrumentarium zur graduellen Beschreibung von „Präpositionshaftigkeit“, mit dem sich auch periphere und untypische Phänomene beschreiben lassen.
Die funktionswortorientierte Beschreibung der Präpositionen muss zwangsläufig von einer prinzipiell geschlossenen Klasse ausgehen. Ihre prototypischen Vertreter wie nach, für, über, in , vor, zu usw. sind „freie grammatisch Morpheme (oder Syntagmen)“ (Diewald, 1997, 65) und somit Angehörige geschlossener Klassen. Die GdS relativiert die „historisch wie funktional sekundäre Aufgabe“ (Zifonun 1997, 2076) als Funktionswörter syntagmatische Beziehungen zu markieren und unterstreicht hingegen ihre primäre Eigenschaft als Träger relationaler lexikalischer Bedeutungen (lokal, temporal, kausal usw.).
Durch wortbildungsähnliche Mechanismen wie die Univerbierung mit folgender Grammatikalisierung kann die Klasse aber theoretisch ständig um weitere Präpositionen ergänzt werden (was auch sprachgeschichtlich belegt ist), ist also durch Offenheit gekennzeichnet. Um diesem scheinbaren Wiederspruch, der sich aus der Heterogenität der Wortklasse ergibt, gerecht zu werden, unterscheidet Helbig/Buscha (2001, 353f.) „primäre“ von „sekundären“ Präpositionen. Die primären Präpositionen stellen eine Gruppe morphologisch-etymologisch opaker Wörter dar, die „eine relativ geschlossene“ Wortklasse bilden (z.B. in, bei, mit , für, gegen). Die Gruppe der sekundären Präpositionen besteht aus morphologisch komplexen, semantisch meist transparenten Ausdrücken deren Bestand potentiell erweiterbar ist (siehe Kapitel 2.3.1): infolge, anhand, hinsichtlich, ungeachtet. Helbig/Buscha zählt aber auch die nicht komplexen dank, kraft, laut dazu, wohl wegen ihrer semantischen Transparenz. Eine konzise, aber sehr differenzierte und vollständige Klassifizierung unter dem Gesichtspunkt der Grammatikalisierung und unter Einbindung der Ansätze von Helbig/Buscha und Lehmann, unternimmt Diewald (1997, 65-73).
Zur Abgrenzung gegenüber anderen Wortklassen benötigt man in der präskriptiven Grammatikbeschreibung eindeutige Kriterien, die sprachliche Ausdrücke der Klasse der Präpositionen oder einer anderen Wortklasse zuordnen. Solche Einteilungen, die scharfe Grenzen anhand von wenigen klassenkonstitutiven Eigenschaften ziehen, stoßen aber nicht selten angesichts von Randphänomenen (z.B. flektierte, präpositionsartigen Ausdrücken) auf Schwierigkeiten (siehe Kapitel 1.2.2). Ein zu weit gefasster Begriff wiederum, vermag es z.B. nicht den Unterschied zwischen präpositionsartige Phrasen wie nach dem Vorbild und Präpositionen wie aufgrund /auf Grund oder bei angemessen darzustellen. Offenbar sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Vertretern dieser Wortklasse so groß, dass sie sich einer einheitlichen Definition entziehen. Vielmehr legen einige sprachliche Phänomene innerhalb der Gruppe der Präpositionen nahe, „Präpositionshaftigkeit“ als graduelle Eigenschaft zu betrachten und typischere von weniger typischen Präpositionen zu unterscheiden, anstatt exakte Trennlinien zu ziehen. Wie bereits erwähnt betrachten sie einige Autoren, so Lindqvist (1994), Zifonun (1997) und Di Meola (2000), deshalb von vorneherein als offene Klasse und konzentrieren sich darauf, graduelle Typizität angemessen zu beschreiben und, bei Lindqvist und Di Meola, auch messbar zu machen. Lindqvist und Di Meola legen fest, was sie unter dem Ideal- bzw. Prototyp der Präposition verstehen und beurteilen sprachliche Zeichen nach ihrer Ähnlichkeit mit den definierten Vorgaben. Die GdS spricht von „konstitutiven Eigenschaften“ (Zifonun 1997, 2077), die aber weniger stark eingegrenzt sind als bei Lindqvist und Di Meola sind.
Die Einordnung der Präpositionen in den oben erwähnten Werken lässt sich grob in zwei Ansätze unterteilen: Der traditionellere, präskriptive Ansatz versucht die Wortklasse auf der Basis eines Leitkriteriums (v.a. Unflektierbarkeit) möglichst einheitlich und klar definiert abzugrenzen. Der deskriptivere Ansatz lässt sich als prototypisierend-deskriptiv charakterisieren. Präposition ist, was prototypische Eigenschaften der Wortklasse aufweist. Grenzfälle können so situationsgebunden, je nach syntaktischer Funktion, dazugezählt werden oder nicht. Die Wortklasse ist also von vorneherein offen angelegt.
1.2.2 Flektierbarkeit und Satzgliedfähigkeit
Die morpho-syntaktischen Eigenschaften der Flektierbarkeit und Satzgliedfähigkeit stellen in einigen Beschreibungen konstitutive Merkmale der Wortart Präposition dar. Eisenberg (1999) und Engel (1988) definieren sie als nicht flektierbare Einheiten, Jung (1990), Helbig/Buscha (2001), erwähnen darüber hinaus noch ihre Unfähigkeit, Satzglied zu sein. Eine solche, relativ eng gefasste Definition stellt aber die Klassifikation angesichts Formen wie entsprechend vor ein Problem. Alle vier erwähnten Grammatiken zählen die Wortform zu den Präpositionen (mit Dativrektion). Wenn man nun die Form, die äußerlich ein Partizip Präsens des Verbs entsprechen darstellt, im präpositionalen Gebrauch als erstarrtes, unveränderliches Funktionswort ansieht, um der Definition der Unflektierbarkeit gerecht zu werden, stößt man dennoch, wie Lindqvist (1994, 11) demonstriert, in den folgenden Beispielen auf Probleme:
(1) eine Arbeit entsprechend seinen Vorstellungen
(2) eine seinen Vorstellungen entsprechende Arbeit
Das flektierte entsprechende in (2) müsste nach der flexionsorientierten Definition einer anderen Wortklasse zugeschrieben werden, obwohl es starke Ähnlichkeit mit (1) hat. Lindqvist hält es für „unbefriedigend“ (1994, 11) wenn in Genus, Kasus und Numerus kongruierende Formen, die sonst wie Präpositionen gebraucht werden von der Wortklasse ausgeschlossen werden um scharfe Trennlinien aufrecht zu erhalten. Zweifelsohne „steht die Mischung von kongruierenden und nicht kongruierenden Wörtern innerhalb einer Wortklasse in schroffem Gegensatz zu vielen sprachwissenschaftlichen Bemühungen, die Wortklassen [...] scharf voneinander abzugrenzen“ (1994, 11). Aus diesem Debakel leitet Lindqvist auch die Rechtfertigung seines theoretischen Konstrukts des „P-Grades“ (Präpositionalisierungsgrad) ab, der graduelle Ähnlichkeit mit idealtypischen Präpositionen quantifiziert. Diese offene Definition ermöglicht es auch bestimmte flektierte Formen als „Präpositionale“ mit einem erhöhten „grammatischen Abstand“ zu bezeichnen (1994, 215) vom Idealtyp haben.
Di Meola knüpft seine Definition der Präpositionen hingegen ebenfalls an die Unflektierbarkeit. Seine Untersuchungen (2000, 143) und (1999, 344-351) zur präpositionalen Form entsprechend berücksichtigen nur den Aspekt der Rektion und ignorieren die von Lindqvist angesprochene Problematik.
1.2.3 Rektion
Ein zentrales konstitutives Merkmal der Präpositionen ist in den verschiedenen Wortklassifizierungsansätzen die Rektion. Eine Betrachtung der Rektion der Präpositionen, insbesondere der Genitivpräpositionen, erfordert auch eine tiefergehende Beschäftigung mit der Rolle der Kasus im Deutschen. Auf den Genitiv, seine Stellung im heutigen Deutsch und seine Rolle im Rahmen der Grammatikalisierung von Präpositionen soll an späterer Stelle, in Kapitel 1.3.2.3 eingegangen werden.
Eine Präposition verbindet sich mit anderen Elementen zu einer Präpositionalgruppe, deren Kasus sie als syntaktischer Kopf regiert (Eisenberg 1999, 188). Solche Elemente sind typischerweise Nominal- oder Pronominalphrasen (Zifonun 1997, 2077). Die prototypischen Kasus deutscher Präpositionen sind nach Lindqvist und Di Meola der Dativ und der Akkusativ. Der Genitiv ist peripher. Auffällig ist jedoch, dass es eine asymmetrische Verteilung der Rektionstypen zwischen den Gruppen der morphologisch einfachen einerseits, und den morphologisch komplexen (semantisch transparenten) Präpositionen andererseits gibt. Letztere, die dich weiter in monolexematische (z.B. dank, angesichts, vorbehaltlich) und polylexematisch (z.B. auf Grund, aus Anlass, in Bezug auf, im Gegensatz zu) unterscheiden lassen, weisen eine deutliche Präferenz für die Genitivrektion auf .
Ein Großteil der Präpositionen können nur einen Kasus regieren:
(3) Du darfst nicht mit ihm sprechen. [Dativ]
(4) *Du darfst nicht mit er/seiner/ihn sprechen.
(5) Des Geldes halber. [Genitiv]
(6) *Das/dem Geld(e) halber.
Daneben existiert aber auch eine konsistente Anzahl von Präpositionen, die zwei (oder selten: drei) Kasus regieren können:
(7) Binnen eines Monats. [Genitiv]
(8) Binnen einem Monat. [Dativ]
(9) Sie stand hinter der Tür. [Dativ]
(10) Sie stellte sich hinter die Tür. [Akkusativ]
(11) Ich geriet außer mir [D] / mich [A] vor Wut; Er ging außer Landes. [G]
Wenn Präpositionen zwei Kasus regieren, kommen in der Regel nur die alternativen Kombinationen Dativ/Genitiv und Dativ/Akkusativ vor, wobei nur die letztere semantisch relevant ist, also Bedeutungsunterschiede bewirken kann (vgl. Di Meola 1998, 205; Eisenberg 1999, 188):
(12) Binnen eines Monats = Binnen einem Monat [G/D]
(13) Er läuft auf die Straße ≠ Er läuft auf der Straße [A/D]
Da sich diese Arbeit schwerpunktmäßig mit dem Gebrauch der Genitivpräpositionen beschäftigt, sollen die Besonderheiten des Dativ/Akkusativ Kasuswechsels hier ausgeblendet und stattdessen die Genitivrektion näher untersucht werden.
Der Kasuswechsel Genitiv/Dativ ist laut Eisenberg (1999, 188) stilistisch determiniert. Di Meola (2000, 158) sieht Unterschiede der beiden Rektionsvarianten in der Normakzeptanz begründet. Daneben lässt sich aber auch ein stellungsbedingter Kasuswechsel (vgl. Kapitel 1.2.4) und ein Kasuswechsel aus Gründen der flexivischen Eindeutigkeit nachweisen (Dativrektion, wo der Genitiv nicht eindeutig gekennzeichnet ist). Die grammatische Analyse der Rektionsvarianten bei Genitivpräpositionen soll in Kapitel 3 vorgenommen werden, da sie eng in Verbindung mit den normativen Gebrauchshinweisen der in Kapitel 2 untersuchten Grammatiken steht.
Die GdS nennt neben den bereits erwähnten Gründen von Kasusvariation auch noch die Variation aufgrund mangelnder Integration von Präpositionen fremdsprachlichen Ursprungs in das deutsche Sprachsystem. Die Ausdrücke per, pro, via werden nur mit artikellosen Substantiven verbunden (Zifonun 1997, 2083), was eine Bestimmung der Rektion allerdings schwer macht, und kommen mit Akkusativ und Dativ vor.
Da Kasusrektion ist bei den meisten Klassifizierungsansätzen notwenige Bedingung der Wortart Präposition ist, stechen die sogenannten „kasusfrei“ gebrauchten Präpositionen ins Auge. Die verschiedenen Grammatiken reagieren sehr unterschiedlich in ihren Deutungen dieses Phänomens. Weinrich (2003, 625) spricht von „vorzugsweise kasusfrei[em]“ Gebrauch von bestimmten Präpositionen (ab, bis, je, nebst, per, pro, nebst) und meint damit den nicht-erkennbarem Kasus bei Nomen im Adjunkt ohne Artikel und ohne attributives Adjektiv. Wenn eine Kasuswahl in bestimmten Kontexten zwingend ist, so Weinrich, führt das zu Unsicherheiten in der Kasuswahl. Helbig/Buscha
Uneinigkeit besteht auch bei der Einordnung von als und wie, die teils als Präpositionen ohne Kasusforderung, teils als Konjunktionen beschrieben werden. Die GdS (1997, 2077) bezeichnet sie als Adjunktoren und nicht als Präpositionen, da sie keinen eigenen Kasus regieren, sondern nur den Kasus einer Bezugsphrase an die eingeleitete Adjunktorphrase weiterleiten. Nach der Darstellung der GdS beschränkt sich Kasuslosigkeit bei Präpositionen auf bestimmte syntaktische Verwendungsweisen von bis, seit und von, wenn sie vor Präpositional- oder Adverbphrasen stehen, die nur durch die innere Präposition regiert werden (z.B. bis [ vor die Tür]; von [ganz vorne]).
Di Meola (2000, 46f.) macht gemeinsam mit Lindqvist (1994, 57ff.) auf die Existenz kongruenzbedingter Verwendung ohne Kasusforderung von außer, statt und ausgenommen aufmerksam, und ergänzt noch weiter Beispiele aus dem semantischen Bereich der mathematischen Operationen (z.B. einschließlich, abzüglich usw.).
1.2.4 Stellung
Die Stellung, bildet ebenfalls ein konstitutives Merkmal der Wortklasse. Die lateinisch praepositio (‚Voransetzung’) bezeichnet die häufigste Stellung, in der die Vertreter dieser Wortklasse anzutreffen sind. Die GdS (1997, 2077) betrachtet, neben der Eigenschaft der Rektion, die Voranstellung der Präpositionen als eine grundlegende Charakteristik der Wortklasse. Daneben existiert aber auch die Nachstellung hinter der Nominalphrase (Postposition), sowie ihre diskontinuierliche Umschließung (Zirkumposition):
(14) Prästellung: Sie hat es für ihn getan.
(15) Poststellung: Sie hat ihm zuliebe auf alles verzichtet.
(16) Zirkumstellung: Sie hat all das um ihrer Ehe willen getan.
Neben Formen, die nur in einer Stellungsvariante vorkommen können, gibt es auch einig Formen, die sowohl in Prä- als auch in Poststellung vorkommen. In diesem Fall kann man auch von Adpositionen sprechen (Di Meola 1999, 344). Der Stellungswechsel kann dabei auch mit einem Rektionswechsel verbunden sein.
Prä- und Poststellung:
(17) Ihre Rivalin nahm gegenüber dem Tisch platz.
(18) Nun saß sie ihrer Feindin gegenüber.
Prä- und Poststellung mit Rektionswechsel:
(19) Dem Gerichtsmediziner zufolge geschah der Mord gegen halb eins.
(20) Zufolge des Gerichtsurteils wurde sie des Mordes für schuldig befunden.
Einige Präpositionen sind in einer bestimmten Bedeutung an eine bestimmte Stellung gebunden. Das polyseme nach lässt in Poststellung keine temporale Bedeutung zu.
(21) Nach ihrer Flucht aus dem Gefängnis setzte sie sich ins Ausland ab.
(22) Dem Anschein nach hält sie sich in Argentinien auf.
Die GdS bezeichnet um...willen als „die einzige eindeutige Zirkumposition“ (1997, 2084), die anderen potentiellen Zirkumpositionen sind laut GdS eng mit der Fragestellung bezüglich der abtrennbaren und nicht-abtrennbaren Präfixverben verbunden. Nicht-inkorporierbare, postponierte Elemente können als Pospositionen interpretiert werden und gegebenenfalls mit den vorangestellten Präpositionen als Zirkumfixe eine Einheit bilden (Zifonun 1997, 2086):
(23) Wir fuhren von Frankfurt aus.
In (23) ist aus in der gleichen Bedeutung nicht zu ausfahren inkorporierbar und folglich als Postposition zu interpretieren. Durch eine Stellungsprobe ist das leicht zu verifizieren:
(24) *..., dass wir von Frankfurt aus fuhren.
Schwieriger wird es zu unterscheiden, wenn eine Interpretation sowohl eine inkorporierte (24) als auch eine nicht-inkorporierte Lesart (23) in Postposition zulässt. Die Varianten unterscheiden sich dann in Akzentstruktur und Bedeutung. Die inkorporierte Lesart kommt dann einer „Konversion der Präposition in ein abtrennbares Verbpräfix“ gleich (Zifonun 1997, 2087):
(25) dass wir durch den Wald durch gekrọchen sind
(26) dass wir durch den Wald dụrchgekrochen sind
Einige polylexematische Formen aus primärer Präposition und substantivischem Element erlauben neben der Prästellung auch die diskontinuierliche Zirkumstellung. Die angeschlossene Nominalphrase geht dann dem substantivischen Element voraus. Eine solche Struktur entsteht, wenn man zu einem Substantiv, das von einer primären Präposition regiert wird ein Genitivattribut hinzutritt, das dann potentiell dem Substantiv vorangestellt werden kann. Die entstehende Phrase kann als Zirkumposition reanalysiert werden, wenn das substantivische Element und die primäre Präposition als eine Einheit betrachtet werden. Solche pränominalen Genitivattribute sind aber in der Regel stilistisch stark markiert (vgl. Ballweg 1998, 162), im Falle von von... wegen zu festen Wendungen erstarrt: (z.B. von Amts/Rechts wegen).
1.3 Grammatikalisierung
Ein Wandel von lexikalischen Einheiten zu Funktionswörtern wird als Grammatikalisierung bezeichnet. Die ausführlichsten Untersuchungen zum Thema Grammatikalisierung liefert Lehmann (1995[1982]): „Thoughts on Grammaticalization“ und spezieller Di Meola (2000): „Die Grammatikalisierung deutscher Präpositionen“.
Der Bereich der Präpositionen sind Grammatikalisierungsprozesse sowohl in synchroner als auch in diachroner Betrachtung beschreibbar. Besonders interessant ist ihre Analyse im Frühstadium, wenn aus syntagmatisch und freien und semantisch vollwertigen Ausdrücken durch Grammatikalisierung präpositionsartige Phrasen entstehen. Einen „im heutigen Dt. sehr produktiven Typ“ stellen Verbindungen wie traditionelle Präposition + Nominalphrase + traditionelle Präposition dar (Lindqvist 1994, 191). In diesen peripheren Bereich polylexematischer sekundärer Präpositionen dringen durch Grammatikalisierung neue Ausdrücke ein und erweitern den Bestand. Ausgangspunkt dieses Prozessen ist die Reanalyse der syntagmatischen Struktur. Das Prinzip der Reanalyse basiert nach Di Meola (2000, 59-62) auf der Uminterpretierung sprachlicher Strukturen, indem man durch eine Gliederungsverschiebung die ursprüngliche hierarchische Beziehung zerstört und neu aufbaut. Beispiele hierfür wären in Bezug auf oder in Form. Es gibt aber auch Beispiele bei den monolexematischen sekundären Präpositionen. Charakteristisch ist bei der Reanalyse, dass in Folge zeitweise „eine Asymmetrie zwischen Form und Inhalt“ (Di Meola 2000, 13) produziert wird, die durch den Kategoriewechsel des sprachlichen Ausdrucks ausgelöst wurde. Diese Asymmetrie wird erst dann behoben, wenn die „Ikonizität zwischen inhaltlicher und formaler Struktur wiederhergestellt“ ist (Di Meola 2000, 13), was zum Beispiel durch einen Wechsel von Post- zu Prästellung oder einen Rektionswechsel geschieht. Es handelt sich demnach um ein Phänomen, das den fortschreitenden Prozess der Grammatikalisierung begünstigt bzw. bedingt. Das ikonische Prinzip, was hier zum Tagen kommt nennt Di Meola das „Prinzip der funktionalen Auffälligkeit“, das er folgendermaßen definiert: „Vom Gesichtspunkt der Ikonizität ist es gut, wenn die syntaktische Funktion einer bestimmten Struktur sofort erkennbar ist und verschiedene Funktionen ein und derselben Struktur formal auseinandergehalten werden.“ (2000, 239).
Di Meola (2000, 143) demonstriert den Vorgang an folgendem Beispiel:
(1) Den Vorstellungen seines Vaters teilweise entsprechend, hat er seine Berufswahl getroffen.
(2) Den Vorstellungen seines Vaters entsprechend(,) hat er seine Berufswahl getroffen.
(3) Entsprechend den Vorstellungen seines Vaters hat er seine Berufswahl getroffen.
Das Partizip Präsens entsprechend aus (1) wird in (2) als Präposition in Poststellung reanalysiert (was durch den Wegfall des Kommas orthographisch gekennzeichnet werden kann). Das Ergebnis der Reanalyse wird durch die Prästellung in (3) verdeutlicht. Der fortgeschrittenste Grad an Grammatikalisierung wäre ein Rektionswechsel vom strukturkonformen Dativ von entsprechend zum Genitiv (gemäß dem Prinzip der maximalen Differenzierung):
(4) Entsprechend der Vorstellungen seines Vaters hat er seine Berufswahl getroffen.
Die obigen Beispiele sollen vor allem die Prozesshaftigkeit, die Dynamik der Grammatikalisierung darstellen, die ausgehend von der Reanalyse sprachlicher Strukturen einen Prozess in Gang bringt, der zahlreiche Wechselwirkungen nach sich zieht. In einer Art Kettenreaktion verändert sich das sprachliche Umfeld der Präpositionen und bedingt weitere Veränderungen. Die lineare Abfolge solcher Prozesse ist aber nicht notwendigerweise zwingend, vielmehr stehen die sprachlichen Ausdrücke in dreidimensionalen Wechselbeziehungen zu den morpho-phonologischen, syntaktischen und semantischen Faktoren.
Die funktionalen Prinzipien, die bei der Grammatikalisierung von Präpositionen zu Tage treten lassen sich gut am Beispiel der Unterscheidung bzw. Reanalyse von Präpositionalphrasen und Präpositionen illustrieren:
Der Übergang zwischen einer Präpositionalphrase und einer Präposition ist meist fließend. Dementsprechend ist es nicht leicht, deutliche Trennlinien zu ziehen. Prinzipiell können Präpositionalphrasen, die in unmittelbarer Nähe zu Nominalphrasen stehen, dann als präpositionsartig interpretiert werden, wenn sie nicht weiter spalt- oder modifizierbar sind, das heißt eine feste Einheit bilden. Sie zeichnen sich im Vergleich zu freien Syntagmen durch große syntagmatische Kohäsion (Fügungsenge) aus (Diewald 1997, 69). Einschübe oder Veränderungen sind bei fortschreitender Grammatikalisierung nicht mehr erlaubt. Beispiele nach Diewald (1997, 69):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ähnliches gilt auch für Adverbialphrasen des Typs PP+Adverb und für Nebensätze der Struktur was +NP+Verb, die dann als Zirkumpositionen interpretiert werden können:
Sie trafen sich immer um die Mittagszeit herum.
Was den Job betrifft, waren sie sich einig.
Ausschlaggebend für die Klassifizierung ist der Präpositionalisierungsgrad solcher sprachlicher Ausdrücke. Er drückt sich unter anderem in ihrer Variabilität aus, die eine Reanalyse als Präposition erschwert und in ihrer erstarrten Formelhaftigkeit, die eine Reanalyse begünstigt. Bei der Präpositionalisierung findet also ein dynamischer Übergang von einem prinzipiell autonomen, zu einem fester ins System integrierten Zeichen statt, was ein für die Grammatikalisierung charakteristischer Prozess ist. Oder anders ausgedrückt: Inhaltswörter bewegen sich in Richtung Funktionswörter.
1.3.1 Sprachwandel
Die diachrone Perspektive ermöglicht es die Resultate, und je nach Überlieferungslage auch die Entwicklung der Zwischenstufen von Grammatikalisierungsprozessen bei Präpositionen zu dokumentieren. Im Zuge des beschriebenen Grammatikalisierungsvorgangs büßt ein sprachliches Zeichen durch Erosion an phonologischer Substanz ein und geht nicht selten eine enge Verbindung mit anderen benachbarten Elementen der Zeichenkette ein. Charakteristische Phänomene von Sprachwandel sind oft das Resultat abgeschlossener Grammatikalisierungsprozesse. So ist beispielsweise das Dentalsuffix der schwachen Präterita wie sag-te in den germanischen Sprachen möglicherweise mit dem Verb tun (<westgerm. *dō-) in Verbindung zu bringen. Noch in gemeingermanischer Zeit wurden, wenn die Theorie zutrifft, freie Formen von tun durch Enklise (Klitisierung ist häufig in Verbindung mit Erosion anzutreffen) an Verbalformen gebunden und zu Präteritalsuffixen grammatikalisiert. Ein weiteres Beispiel wäre das englische Modalverb will, das auch als Futuranzeiger grammatikalisiert wurde, und (nur) dann phonologisch zu `ll reduziert werden kann (Di Meola 2000, 7). Im Bereich der deutschen Präpositionen ist das Beispiel binnen anschaulich, das aus einer Verschmelzung von ahd. be innan (Kluge 1999, 112) entstanden ist.
Als Zwischenstufen von Grammatikalisierung ist der Bereich der Stellungsvarianten besonders repräsentativ. Wie infolge noch ausführlicher dargestellt werden soll, bedeutet Grammatikalisierung in der Regel Annäherung an die prototypischen Eigenschaften der Präpositionen., was auf die Stellung bezogen die Entwicklung hin zur Prästellung als Konsequenz hat. Di Meola stellt eine solche Entwicklung anhand eines Korpus historischer Texte z.B. für gemäß, bar, gegenüber, entlang u.v.a. fest, die früher bevorzugt in Poststellung und heute hingegen in Prästellung verwendet werden.
Grammatikalisierung ist aber ein kontinuierlicher Prozess, der sich keineswegs nur in der diachronischen Sprachbetrachtung niederschlägt, sondern dessen Dynamik sich auch bei synchroner Betrachtung beobachten lässt.
1.3.2 Prinzipien der Grammatikalisierung deutscher Präpositionen
Di Meola hat in seiner Monographie zur Grammatikalisierung deutscher Präpositionen die linguistischen Wirkungsprinzipien systematisch herausgestellt, die maßgeblich an Präpositionalisierungsprozessen beteiligt sind. Besonders die Untersuchung marginaler Präpositionen können Grammatikalisierungspfade aufzeigen, da diese Bereiche besonders oft und besonders stark dem Sog der erwähnten Wirkungsprinzipien ausgesetzt sind, und eine Dynamik aufweisen, anhand derer Grammatikalisierung anschaulich beschrieben werden kann. Besonders hervorzuheben sind in diesem Bereich die eingangs schon kurz beschriebenen präpositionsartigen Präpositionalphrasen, die noch nicht vollständig grammatikalisiert (präpositionalisiert) sind.
Wie bereits in Kapitel 1.2 erläutert, ist es möglich durch deskriptive Analyse des Präpositionsbestandes im Deutschen einen Katalog prototypischer Merkmale empirisch feststellen, der dann per Definition als klassenkonstitutiv gelten kann. Grammatikalisierung lässt sich dann als Annäherung die prototypischen Eigenschaften der besagten Kategorie beschreiben und quantifizieren. Di Meola hat die Liste solcher Eigenschaften, die zuerst Lindqvist (1994) herausgearbeitet hat, weiter systematisiert und ergänzt.
Da die Annäherung an den Prototyp einen dynamischen Prozess darstellt, also eine Veränderung von einer Struktur A zu einer Struktur B, lässt sich das Phänomen auch aus einem anderen Blickwinkel beschreiben: Im Zuge dieser Annäherung entfernt sich das sprachliche Zeichen immer mehr von seiner Ursprungsstruktur, Di Meola spricht in diesem Zusammenhang von Differenzierung (2000, 132). Aus der Kombination der Grade der Prototypisierung und der Differenzierung ergibt sich dann der Grad der Grammatikalisierung.
Lindqvist (1994) drückt den Sachverhalt nicht durch die dynamische Dichotomie von Differenzierung und Prototypisierung aus, sondern beschreibt den „P-Grad“ als Skala auf der sich Formen, die sich in einer Entwicklung befinden, mehr oder weniger weit vom Idealtyp der Präposition positionieren.
Die folgenden Unterkapitel sind den strukturellen Veränderungen gewidmet, die in Zuge der Grammatikalisierung vonstatten gehen:
1.3.2.1 Morpho-phonologische Veränderungen
Bei fortschreitender Grammatikalisierung kann man einen Schwund der Lautsubstanz der betroffenen sprachlichen Ausdrücke feststellen. Lindqvist (1994) beschreibt ausführlich den Zusammenhang zwischen der phonetischen Substanz und dem Grad der Präpositionalisierung, wobei idealtypische Präpositionen möglichst kurz sind. Neben der phonetischen Länge/Kürze stellt Lindqvist (1994) für das Deutsche und Schwedische auch lautliche Assimilationserscheinungen infolge von Univerbierung fest:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Deutlicher sind solche lautlichen Angleichungen, die in früheren Sprachstufen stattfanden und Eingang in die Schriftsprache gefunden haben. Die morphologische Transparenz ist dann nicht mehr gegeben:
ahd. in bor ‚in die Höhe’ / in bore ‚in der Höhe’ > mhd. enbor(e)/ embor > nhd. empor.
Die phonologische Erosion bewirkt also auch einen Rückgang der morphologischen Transparenz eines solchen Ausdrucks, wie das Beispiel binnen (ahd. be + innan) erkennen lässt. Di Meola (2000, 133) und (2002, 103) spricht in diesen Zusammenhang von morpho-phonologischer Differenzierung, die im Rahmen der Grammatikalisierung ein Unterprinzip des funktionalen Prinzips der maximalen Differenzierung darstellt. Zweck der maximalen Differenzierung ist es, Unterschiede zur Ausgangsstruktur zu maximieren, um eine Verwechslung von Inhalts- und Funktionswort auszuschließen.
Die morpho-phonologischen Differenzierung kann dementsprechend als formale Erosion betrachtet werden, welche die Lautsubstanz reduziert und z.B. Flexionselemente von Substantiven in Präpositionalphrasen eliminiert. Di Meola (2000, 133) nennt als einziges Beispiel das Dativ -e in Phrasen wie auf dem Weg(e), im Fall(e), im Lauf(e),im Sinn(e), zum Zweck(e).
Lindqvist (1994, 157f.) verbindet mit dem Schwund des Kasusmorphems und der damit verbundenen Reduktion der Phon- und Silbenzahl (Schwund an Lautsubstanz) eine Abnahme der Akzentuierungsquantität, Faktoren, die alle einen Maßstab für den Grad der Präpositionalisierung darstellen. Idealtypische Präpositionen sind nach Lindqvist kurz und keinem ausdrucksseitigen Paradigma ähnlicher Wortformen zuzuordnen, Di Meola ergänzt hier noch „etymologisch opak“, also morphologisch nicht mehr transparent. Die obigen Präpositionalphrasen sind also in ihrer endungslosen Form näher am Idealtyp der Präpositionen.
Nun ist dem aber entgegen zu halten, dass das ohnehin im Standarddeutschen nur noch schwach implementierte, optionale Dativ -e gerade in solchen formelhaften Phrasen eines seiner letzten Rückzugsgebiete hat. Von einer Grundform im Falle als autonome, nicht grammatikalisierte Form, die dann in entsprechender Verwendung präpositionalisiert wird und zu im Fall erodiert, ist also nicht auszugehen. Vielmehr scheint es gerade umgekehrt zu sein: in präpositionaler, d.h. formal erstarrter Verwendung ist die sonst schwindende Dativendung besonders gut konserviert. Di Meola wiederspricht sich dabei selbst, wenn er einerseits das Dativ -e in einer Präpositionalphrase als Kriterium der Distinktivität auf paradigmatischer Ebene einstuft (2000, 103), und ihm somit ein erhöhtes Maß an Grammatikalisierung bescheinigt und andererseits dessen formale Eliminierung als Erosionserscheinung im Zuge der Entwicklung zum Funktionswort darstellt. Hier verläuft die morpho-phonologische Differenzierung offenbar genau umgekehrt: die Dativendung bei wenig grammatikalisierten Präpositionalphrasen wie in (1) kann als stilistisch markiert gelten, während man ihren Erhalt in präpositionaler Verwendung (mit Genitivrektion) wie in (2), tendenziell durchaus als formale Differenzierung zur besseren Unterscheidung vom unmarkierten, niedrig grammatikalisierten im Fall ohne Kasusendung deuten kann:
(1) Davon kann im vorliegenden Falle nicht dir Rede sein.
(2) Die CDU will im Falle eines Sieges bei der Bundestagswahl das Gesetz rückgängig machen.
Festzuhalten bleibt allerdings, das ein Dativ -e dort, wo es stehen kann auch aus „rhythmischen Gründen“ (DU, 223) immer möglich ist. Ob es dann als markiert oder nicht zu gelten hat, entscheidet auch die Stilebene in der es Verwendung findet.
Am ehesten ist das Phänomen mit dem von Di Meola (2000, 160-163) beschriebenen Konflikt zwischen Differenzierung und Prototypisierung zu erklären. Die Annäherung an die prototypischen (morphologischen, semantischen, syntaktischen und orthographischen) Eigenschaften der Präpositionen kann dann mit dem Prinzip der maximalen Differenzierung in Konflikt geraten, wenn bestimmte wenig grammatikalisierte Formen Eigenschaften der prototypischen Präpositionen aufweisen und dann, im Zuge der Differenzierung sich vom Prototyp wieder entfernen. Di Meola (2000, 163) nennt zwei Konfliktfälle: Stellungswechsel von Prästellung zu Post-oder Zirkumstellung und Dativpräpositionen, die Genitivrektion annehmen. Hier wäre also in Bezugnahme auf das Phänomen der Dativendungen präpositionsartiger Präpositionalphrasen noch ein morpho-phonologischer Konfliktfall zu ergänzen. Hier gerät die Distinktivität der Dativendung als Ausdruck von Differenzierung mit der Prototypisierung durch Reduzierung der Lautsubstanz in Konflikt.
1.3.2.2 Semantische Veränderungen
Bei der Entwicklung vom Inhalts- zum Funktionswort im Zuge der Grammatikalisierung verblassen die lexikalischen Bedeutungen der entsprechenden Wörter allmählich. Auf diese Weise vollzieht sich eine Differenzierung gegenüber der ausgangs voll ausbildeten Semantik eines Inhaltswortes, die man funktional als Desemantisierung bezeichnen kann. Es bleibt aber festzuhalten, dass „trotz der semantischen Verblassung die ursprüngliche Bedeutung weiterwirkt“ (Di Meola 2000, 134):
(1) Dank seiner Hilfe sind wir schnell fertig geworden.
(2) Dank der lahmenden Konjunktur befinden wir uns in einer Wirtschaftskrise.
Das Beispiel (1) zeigt, dass hier noch Elemente der ursprünglichen Bedeutung, die in Verbindung mit dem Verb danken an positive Ursachen geknüpft ist, in einem negativen Kontext nicht recht hinpasst. Di Meola geht soweit, einen Satz wie
*dank der Hinterachse hat das Auto den Elchtest nicht bestanden (2000, 134)
mit einem Sternchen zu versehen, und somit als ungrammatikalisch zu bezeichnen. Obwohl die spezifische Semantik des Ausdrucks den Gebrauch sicherlich einschränkt liegt hier m.E. kein ausreichender Grund vor, von einem Verstoß gegen die Grammatik zu sprechen. Denn erstens ist die positive/negative Beurteilung relativ, wie Beispiel (3) zeigen soll, und zweitens kann mit einer solchen untypischen Verwendung auch Ironie oder andere Stilmittel gekennzeichnet werden.
(3) Dank der Hinterachse hat das Auto den Elchtest nicht bestanden und die
Konkurrenz hatte allen Grund zum Jubel.
[...]
- Arbeit zitieren
- Hagen Augustin (Autor:in), 2003, Der Gebrauch von Präpositionen mit dem Genitiv im Deutschen - Theoretische Grundlagen und Korpusanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28137
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