Grundlagen der Organisationstheorie. Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Unternehmenskultur und Organisatorischer Wandel


Vorlesungsmitschrift, 2006

39 Seiten

Anonym


Leseprobe


1. Grundlagen der Organisationstheorie

1.1 Begriff der Organisation

1.1.1 Der instrumentelle Organisationsbegriff

Der instrumentelle Organisationsbegriff begreift „Organisation“ primär als eine Tätigkeit beziehungsweise als das Ergebnis dieser Tätigkeit. Die Organisation ist aus dieser Sicht ein Instrument der Führung, das den betrieblichen Leistungsprozess steuern hilft. Im Rahmen dieses instrumentellen Begriffes werden wiederum zwei verschiedene, historisch unterschiedlich entwickelte Organisationsauffassungen vertreten.

a) Organisation als Tätigkeit

Ausgangspunkt dieser Begriffsbildung ist das System der Produktionsfaktoren nach Gutenberg. In diesem existiert neben den drei Elementarfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe der so genannte dispositive Faktor. Dieser bezieht sich auf die eigentlichen Kerntätigkeiten der Unternehmensführung. Der dispositive Faktor enthält neben einer intuitiven, der rationalen Analyse weitgehend entzogenen Dimension auch rational durchdringbare Führungsfunktionen. Hierzu zählt zum einen die Planung als geistiger Entwurf des zukünftigen Handelns, zum anderen der Vollzug als die Realisierung des zuvor Geplanten.

Die Organisation ist nach Gutenberg ein der Planung nachgeordnetes Vollzugsinstrument der Führung. Ihre Tätigkeit ist durch die Inhalte der Planung vorherbestimmt, sie setzt lediglich das ins Werk, was zuvor als sinnvoll und im Interesse der Unternehmensziele liegend erdacht wurde.

b) Organisation als Konfiguration

Eine dem Namen der enthält Sichtweise wichtige Gegenposition zu Gutenberg vertritt Kosiol. Für Kosiol bedeutet „Organisation“ die dauerhafte Strukturierung von Arbeitsprozessen, also die permanente, situationsunabhängige Verknüpfung der Organisationselemente Aufgabe, Person, Information und Sachmittel.

Dies allein würde ebenfalls eine tätigkeitsorientierte Sicht bedeuten. Kosiol geht im Weiteren jedoch um das Ergebnis dieser Tätigkeit. Die Organisation erscheint ihr als ein festes, formgebendes Gehäuse, das der laufenden betrieblichen Disposition vorgeordnet ist, und dessen stabiler Rahmen der betrieblichen Aufgabeerfüllung letztlich erst die so dringend benötigte Konstanz verleiht. „Organisation“ wird somit ebenfalls instrumentell aufgefasst, beschreibt aber weniger einen Prozess, als vielmehr ein spezifisches Prozessresultat. Also: das Unternehmen hat eine Organisation.

Der Kosiolsche Organisationsbegriff ist im Vergleich zu Gutenbergs Sichtweise also deutlich statischer ausgerichtet. Für letzteren bedeutet Organisieren ein situationsangepasstes Kombinieren von generellen und fallweisen Regelungen. Für Kosiol besteht Organisieren vor allem in der systematischen und möglichst dauerhaften Dekomposition und WiederZusammenfassung der organisatorischen Einzelverrichtungen.

1.1.2 Der institutionelle Organisationsbegriff

"Organisation" meint eine Art Lebensform, das heißt die Organisation ist nicht länger ein Instrument, mit dem die Unternehmensleitung ihre Ziele und Pläne verwirklicht, sondern die Organisation entwickelt gleichsam eine eigenständige Persönlichkeit. Man kann auch sagen: das Unternehmen ist eine Organisation.

Zentrale Elemente des institutionellen Organisationsbegriffs:

a) spezifische Zweckorientierung

Organisationen finden sich nicht zufällig zusammen, vielmehr ergibt sich ihre Daseinsberechtigung aus der Erfüllung ganz bestimmter Zwecke. Die außerordentliche Bedeutung dieses Merkmals kann man unter anderem daran ablesen, dass Organisationen von der amtlichen Statistik vorrangig nach ihrem jeweiligen Betätigungsfeld sortiert werden.

b) geregelte Arbeitsteilung

Organisationen bestehen per Definition aus mehreren Personen. Eine Organisation ist gekennzeichnet durch die absichtsvolle Zusammenlegung von Ressourcen auf der einen und gemeinsamen Interessen auf der anderen Seite. Ziel dieser Zusammenlegung ist die Erwirtschaftung einer so genannten Kooperationsrente. Hierunter versteht man den Leistungsüberschuss, den eine Ansammlung von Ressourcenträgern dadurch erwirtschaftet, dass sie darauf verzichtet, alle zur Unternehmensführung erforderlichen Tätigkeiten bzw. Potenziale alleine auszuführen bzw. ungeteilt zu besitzen. Eine Kooperationsrente wird also dadurch erzielt, dass man sich auf verschiedenen Ebenen auf bestimmte Eignungen in und Leistungen konzentriert.

c) relativ eindeutige Grenzen

Eine Organisation könnte nicht dauerhaft bestehen, wenn sie nicht über einen Mechanismus zu Unterscheidung von " Innen" und " außen" verfügen würde. Diese diskriminitorische Leistung muss erbracht werden, um Organisationsmitglieder anders behandeln zu können als Außenstehende; andernfalls würde die Mitgliedschaft in einer Organisation für die Internen uninteressant.

d) Selbsterhaltung und Kontinuität

Eine Organisation kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie eine gewisse Konstanz und Beständigkeit an den Tag legt. An ihrem Fortbestehen haben alle Interesse, gehen irgendeiner Form von ihr profitieren.

Im Zentrum des institutionellen Organisationsbegriffs steht weniger die Errichtung einer zweckmäßigen formalen Ordnung, als vielmehr die theoretische Analyse des organisierten Handels in kooperativen Sozialsystemen.

1.2 Logik und Ziel formaler Organisationsregelungen

Organisationen ziehen wesentliche Teile ihrer Gesamteffizienz aus Routine. Sie setzen darauf, dass bestimmte Ereignisse, Anforderungen, Probleme, Verrichtungen etc. immer wieder in unveränderter Form auftreten und es sich daher lohnt, einmal grundsätzliche Überlegungen über die möglichst zweckmäßigen Bewältigung dieser Situation anzustellen. Diesbezüglich bewährte Verhaltensmuster werden anschließend dauerhaft in Regeln und Vorschriften festgeschrieben. Organisatorische Regelungen sind insofern das Ergebnis der von den Unternehmensmitgliedern im Zug ihre Tätigkeit durchlaufenen Lernprozesse.

Eine solche Haltung ist letztlich Ausdruck einer Philosophie der präsituativen Regelung. Damit ist gemeint, dass sich das nach dem Eintreten eines konkreten Entscheidungsproblems Überlegungen zu dessen Lösung einsetzen, sondern dass bereits im Vorfeld Probleme antizipiert werden. „Organisiert“ ist demnach das, was Gegenstand einer dauerhaft gültige Verhaltensvorschrift ist, und somit der unternehmerischen Handlungsroutine unterworfen werden kann.

Unter diesem Aspekt konstituieren die organisatorischen Regeln die Organisationsstruktur.

Dass Regelbildung letzten Endes als das Entwerfen von Standardlösungen für Standardprobleme betrachtet werden kann.

In einer etwas systematischeren Sichtweise sind Koordinations-, Informations- und Motivationsfunktion formaler Regelungen zu unterscheiden. Hinsichtlich der Koordinations- und Informationsfunktion kann gemäß obiger Überlegungen unterstellt werden, das Regeln:

- Die Verhaltensunsicherheit der Kooperationspartner reduzieren;
- die Aufgabenträger mit Informationen versorgen;
- die Effizienz und Verlässlichkeit der Entscheidungsfindung verbessern sowie
- durch klare Abgrenzung von regelbetroffenen und nicht-regelbetroffenen Bereichen identitätsstiftend wirken

Organisationen bieten ihren Mitgliedern darüber hinaus intrinsische Anreize. Sie stellen mithin Mittel der individuellen Bedürfnisbefriedigung dar und erscheinen dem Einzelnen daher auch als Gratifikationsreservoir. Regeln besitzen insofern unbestritten auch eine Motivationsfunktion.

Damit Regeln ihre Funktionen erfüllen können, müssen sie langfristig angelegt und in ihrem Inhalt weitestgehend stabil sein. Was aber geschieht, wenn die Routinisierbarkeit der betrieblichen Entscheidungen abnimmt. Hier nur so viel: Organisationen müssen ihre Regeln kontinuierlich pflegen, d. h. von Zeit zu Zeit auch auf ihre Berechtigung überprüfen, um den positiven Wirkungen aufrechterhalten zu können.

Zusammenfassend kann das Hauptziel organisatorischer Regeln darin gesehen werden, durch Information und Belohnung das Verhalten der Organisationsmitglieder zu kanalisieren.

1.3 Zentrale Regelungstatbestände der Organisationsgestaltung

Versteht man „Organisation“ vorwiegend als Tätigkeit, dann spielen drei Grundfragen eine besondere Rolle:

a) Generelle versus fallweise Regelung

Dieses Problem bezieht sich auf die Frage, ob ein Unternehmen generelle Organisationsregelungen angestrebt, oder ob es das Unternehmen als geeigneter ansieht, einzelfallbezogener Regelungen zu treffen, also für jeden Geschäftsvorfall eine gesonderte

Anordnung ergehen zu lassen. Gutenberg beantwortet diese Frage durch das Substitutionsgesetz der Organisation. Dieses Gesetz geht davon aus, dass es im Zuge der Unternehmensentwicklung zu einer permanenten Ersetzung fallweise durch generelle Regelungen kommt, da hierdurch bei häufig vorkommenden Tatbeständen Effizienzvorteile erzielt werden können. Die generellen Regelungen sind wiederum Ausdruck einer zunehmenden Organisationserfahrung.

Insgesamt ergibt sich somit ein optimaler Regelungsgrad, der dann erreicht ist, wenn der Grenznutzen einer weiteren generellen Regelung gleich Null ist, also keinen weiteren Regelungsnutzen mehr stiftet.

b) Ausmaß der Regelungsdichte

Je mehr Regeln in einem Unternehmen etabliert werden, umso stärker wird der betriebliche Leistungsprozess standardisiert. Stellt sich somit die Frage nach der Intensität, mit der das Handeln der Organisationsmitglieder durch festgesetzte Regeln vorbestimmt wird. Diesen Tatbestand beschreibt der Begriff des organisatorischen Normierungsgrades.

Organisatorische Regeln schränken den Handlungsspielraum des einzelnen ein und sollen:

- Verhalten vorhersagbar machen
- Verhalten effizient machen
- Verhalten nachvollziehbar machen
- Verhaltenserfahrungen übertragbar machen

c) Formale und informale Regelungen

Die klassische Organisationstheorie widmet sich allein formal-rationalen Gestaltungsvorgängen. Unverkennbar ist jedoch, dass es in jedem Unternehmen ein neben einander von formalen und informalen Regelungen gibt. Während die formalen Regelungen bewusst gestaltet, personenunabhängig formuliert und häufig schriftlich dokumentiert sind, sind informalen Bestimmungen personenabhängig und undokumentiert. Diese informalen Regelungen wurden als Konkurrenz und Störfaktor der formalen Ordnung begriffen. Diese Sichtweise hat sich heute zu Gunsten einer tendenziellen Aufwertung formaler Regelungen als einem stabilisierenden und gleichzeitig flexibilitätserhaltenden Faktor im Unternehmen gewandelt.

Formale und informale Phänomene besitzen eine enge Verbindung zu den Prozessen der Fremd- und Selbstorganisation. Auch hinsichtlich dieser Begriffe fand in der Forschung inzwischen eine Umbewertung statt: die Fremdorganisation wurde im Zusammenhang mit dem Leitbild eines allwissenden Organisators gesehen und zunächst als einzig rationale Form organisatorischen Gestaltens betrachtet. Das entsprechende Leitbild wurde ganz wesentlich durch die Kosiolsche Organisationsphilosophie geprägt. Hiernach gibt es einige professionelle Organisatoren, die nicht nur über vollständige Informationen hinsichtlich der zweckmäßigsten Struktur verfügen, sondern auch über ein monopolistisches Durchsetzungsvermögen.

Im Laufe der Popularisierung des betriebswirtschaftlichen Systemansatzes wurde diese Sichtweise zunehmend kritisiert. In dieser Folge trat dann auch das Konzept der mikrosystemischen Selbstorganisation stärker den Vordergrund. Hiermit sind vor allem selbstständige Verbesserungen der in einem Unternehmen eingesetzten Methoden auf den unteren Systemebenen gemeint. Jeder eine Schnelle kann und darf demnach vorgegebene Verfahren, Methoden, Instrumente usw. im Interesse einer effizienteren Aufgaben erfüllen verbessern. In diesem Sinne tritt neben die gemachte die spontane Ordnung.

Ziel der Organisationsgestaltung ist es demnach, die Haltungsspielräume der Organisationsmitglieder auf ein kritisches Minimum beschränken. Als Grundsatz gilt: so viel Regelung wie nötig, so viel Freiraum wie möglich.

1.4 Instrumentvariablen der Organisationsgestaltung

Eine der bislang ungeklärten Fragen ist diejenige nach der Erfassung und Konzeptionalisierung von Organisationsstruktur. Also: Welche generellen Dimensionen besitzt das Aufbau- und Ablaufgerüst einer Organisation?

Es soll von fünf Dimensionen der formalen Organisationsstruktur ausgegangen werden. Da diese letztendlich die Stellgrößen repräsentieren, mit denen die betrieblichen Organisationsgestalter die von ihnen gewünschte Strukturkonstellationen einrichten können, darf mit einiger Berechtigung auch von Instrumentvariablen der Organisationsgestaltung gesprochen werden.

a) Spezialisierung

Als Spezialisierung bezeichnet man eine bestimmte Form der Arbeitsteilung, bei der Teilaufgaben unterschiedlicher Art entstehen. Durch innerorganisationale Spezialisierung sollen Lern- und Übungseffekte bewirkt werden.

Die im Rahmen der Spezialisierung vordringlichen Entscheidungsprobleme betreffen zum einen die Art und zum anderen die Tiefe der Spezialisierung. Das erste Problem berührt vor allen Dingen die Frage, nach welchen Kriterien eine Stelle zu schaffen ist. Das zweite Problem führt zu der Frage, wie viele stellen oder Hierarchieebenen im Unternehmen eingerichtet werden.

b) Koordination

„ Regelungen, die der Abstimmung arbeitsteilige Prozesse und der Ausrichtung von Aktivitäten auf die Organisationsziele dienen.“

Der im Unternehmen entstehende Koordinationsbedarf ist ein unmittelbares Ergebnis der Arbeitsteilung, welche vertikal Hierarchien und horizontal verschiedene, in der Regel voneinander entkoppelte Arbeitsteilung entstehen lässt.

Organisationen sehen sich demnach zwei widerstreitenden Gestaltungsaufgaben gegenüber: Arbeit um der hiermit verbundenen Effizienzvorteile willen zu teilen und diese Teilung anschließend wieder durch zusammenfassende Aktivitäten zu überwinden. Beide Aufgaben sind ihrem Wesen nach gegensätzlich, den wir stärker die Organisation ihre Aufgaben differenziert und spezialisiert, umso größere Anstrengungen muss sie wiederum zur Integration unternehmen.

c) Konfiguration

Die Konfiguration beschreibt die äußere Form des organisationalen Stellengefüges, bezieht sich also im Wesentlichen auf die Aufbauorganisation. Dabei der Analyse der äußere Form des Stellengefüges den Instanzen eine besondere Beachtung geschenkt wird, kann man diese Dimension auch als formales Leitungssystem betrachten.

In größeren Organisationen existiert in der Regel eine Vielzahl von Funktions- und Verantwortungsbereichen. Auf diese Weise entsteht ein mehrstufiges, hierarchisch gestaffeltes System von Instanzen, die untereinander sowie mit diversen Ausführungs- und Beratungsstellen verknüpft sind. Die daraus entstehende Konfiguration kommt vor allen Dingen in den allgegenwärtigen Organigrammen zum Ausdruck.

d) Delegation

Mit Entscheidungsdelegation ist die umfangmäßige Verteilung der Entscheidungsbefugnisse in einer Organisation gemeint.

Die Entscheidungsdelegation ist letztlich umso größer, je mehr Entscheidungsbefugnisse auf Grund genereller Regelungen offiziell an untere Hierarchieebenen abgegeben werden.

Während die Instrumentvariable „Konfiguration“ die äußere Struktur der bestehenden Entscheidungsbeziehungen beschreibt, bezieht sich der Begriff der Delegation erste Linie auf inhaltliche und intensitätsmäßige Aspekte, das heißt er sagt etwas über die Art und Umfang der übertragenen Entscheidungsbefugnisse aus.

e) Formalisierung

Als Formalisierung bezeichnet man den Einsatz schriftlich fixierter organisatorischer Regeln.

Die wichtigsten Dimensionen der Formalisierung:

- die schriftliche Niederlegung organisatorischer Verhaltensregeln;
- die Formalisierung des internen Informationsflusses sowie
- die Formalisierung der Leistungserfassung und -beurteilung

1.5 Ausgewählte Ansätze der Organisationstheorie

1.5.1 Bürokratieansatz

Ein Grundthema in Max Webers Schaffen war die Analyse des von ihm ausgemachten Prozess der Rationalisierung. Dieser Prozess vollzieht sich nach Weber vor allem in drei menschlichen Lebensbereichen: auf der Ebene der Institutionen, der Weltbilder und Glaubenssysteme sowie der praktischen Lebensführung. Im vorliegenden Rahmen interessiert insbesondere die Rationalisierung auf der Ebene der Institutionen, in die auch das nachfolgend skizzierte Bürokratiemodell gehört.

Ausgangspunkt seiner Analyse ist die Unterscheidung dreier zentraler Herrschaftsformen des Menschen:

- traditionelle Herrschaft
- charismatische Herrschaft
- legale Herrschaft

Für Weber ist Bürokratie eine besondere Form der Herrschaftsausübung. Dementsprechend begreift er die traditionelle und charismatische Herrschaft als vorrationale Herrschaftsformen; nur die legale Herrschaft ist letztlich rational.

Bürokratische Herrschaft als Gegenentwurf zur feudalabsolutistischen Herrschafts- und Verwaltungsform. Dort:

- Machterlangung durch Wahl, Erbe oder Protektion
- Entlohnung aus „Pfründen“
- Willkür und Profitgier
- Bestellung auf Zeit

In einer Bürokratie:

- Beamtenverhältnis beruht auf einem Kontrakt
- Beamte werden aufgrund ihrer Fachqualifikation ausgewählt (erst Stelle, dann Person)
- Beamtenarbeit und -entlohnung geschieht nach festen Regeln
- Beamter als Hauptberuf auf Lebenszeit

Aus diesen Grundmerkmalen ergeben sich Berechenbarkeit, Sachlichkeit und Unpersönlichkeit der Aufgabenerfüllung als wesentliche Bürokratiewirkungen. Die Bürokratie ist als generalisierbares Organisationskonzept auf der Basis dieser Wirkungen allen anderen Verwaltungsformen überlegen.

Die Dysfunktion der Bürokratie bestehenden im Überblick darin, dass

- ihre Regeln zum Selbstzweck werden und die andernorts gepriesene Maschinenartigkeit zu Starrheit und Entscheidungsschwäche mutiert;
- blindes Befolgen von Regeln die betriebliche Disziplin überbetont und proaktives Verhalten verhindert;
- die für Bürokraten typische strickte Arbeitsteilung ein Denken in Ressorts fördert;
- Entscheidungen zwar verlässlich, aber falsch sind
- die unter rein sachlichen Kriterien begrüßte Unpersönlichkeit der Aufgabenerfüllung zu vom menschlichen Einzelschicksal unbeeindruckten Entscheidungen führt.

Weber weist zudem auf Stellenvermehrung und Regelungswut als extreme Auswüchse bürokratische Organisationen hin. Dieser Stellenvermehrung kommt im Parkinsonschen Gesetz zum Ausdruck. Das Gesetz besagt, dass ich das Verhältnis von Verwaltungs- zu wertschöpfenden Stellen in Großorganisationen stetig zu Gunsten der wertschöpfenden Stellen verschiebt.

1.5.2 Situativer Ansatz

Grundthese:

Es gibt keine universell effizienten Organisationsstrukturen. Vielmehr sind diese kontingent, also von diversen Einflussfaktoren abhängig.

Basisprämissen des situativen Ansatzes:

- Es gibt jeweils nur eine richtige („kongruente“) Struktur, die die Überlebensfähigkeit der Organisation sichert.
- Die situativen Bedingungen sind von der einzelnen Organisation als gegeben und unbeeinflussbar anzusehen.
- Für jede Organisation ist ein bestimmtes Maß bzw. Niveau an Effizienz verbindlich, wenn sie im Wettbewerb bestehen will.

Kritik am situativen Ansatz:

- Vernachlässigung wichtiger Einflussfaktoren und der Zusammenhänge zwischen diesen (z.B. Unternehmensphilosophie)
- Überbetonung formaler Strukturen und Parameter
- Überbetonung zwar messtechnisch signifikanter, aber nicht unbedingt strukturrelevanter Einflussfaktoren
- struktureller Anpassungsprozess als mechanisch ablaufende Kausalsequenz
- Unterstützung einer innovationsfeindlichen („konservativen“) Organisationsgestaltung

1.5.3 Populationsökologischer Ansatz

Grundthese:

Die Umwelt einer Organisation, nicht deren Gestalter und Lenker, entscheidet über den dauerhaften Fortbestand der Organisation.

Analyseeinheit ist nicht die einzelne Organisation, sondern die Organisationspopulation, welche sich durch die „Abstammung“ der Organisation aus einem gemeinsamen „Genpool“ definiert. Dieser „Genpool“ sorgt dafür, dass die Mitglieder einer Population über vergleichbare Technologien, Strukturen etc. verfügen und ist damit für die Gleichartigkeit bestimmter Organisationsformen verantwortlich.

Auslese vollzieht sich unter Wirkung dreier zentraler ökologischer Prozesse: Variation, Selektion, Retention

Folge: radikaler Wandel in bzw. von Organisationen ist nahezu unmöglich!

Grund: strukturelle Trägheit durch:

- das Wirken von Interessengruppen in der Organisation, welche angesichts unterschiedlicher Ziele mit politischen Manövern notwendige Anpassungsentscheidungen verhindern
- unvollkommene Information und beschränkte Informationsverarbeitungsfähigkeit der Entscheider
- bereits getätigte Ausgaben für Ausstattung und / oder Strategie (sog. „sunk costs“)
- externe Beschränkungen

Kritik am populationsökologischen Ansatz:

- zentrale Begriffe (Trägheit, Population u.a.) sind unpräzise
- Organisationsumwelt kann z.T. selbst gewählt werden
- organisationale Trägheit nimmt in letzter Zeit eher ab
- Ausleseprozess der Umwelt bleibt konzeptionell unklar; Elimination ist nicht der dominante Selektionsmechanismus
- grundlegendes Missverständnis des Ausleseprozesses: negative statt positive Selektion
- Umwelt verfolgt i.d.R. kein völlig zweckfreies Vorgehen
- keine wirklich handlungsrelevanten Aussagen

1.5.4 Herrschaftspolitischer Ansatz

Grundthese:

Die Organisation ist ein Instrument der gesellschaftlichen Herrschaftssicherung und wirtschaftlichen Kapitalansammlung.

Drei Grundbedingungen für Herrschaft:

- legitimierende Ideologie
- akkumulationsfähige Basis
- diskriminierende Kategorisierung

2. Aufbauorganisation

2.1 Grundbausteine von Organisationen

Unter aufbauorganisatorischer Perspektive können mit Mintzberg fünf verschiedene Grundbausteine von Unternehmen differenziert werden, die in unterschiedlicher Weise zu Zielfindung und Erfolg des Unternehmens beitragen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

a) strategische Spitze

Die strategische Spitze umfasst die maßgeblichen Entscheidungsträger einer Organisation. Institutionell wird hiermit ein Personenkreis beschrieben, der über weit reichende Entscheidungskompetenzen verfügt. Die Aufgabe der strategischen Spitze ist neben der direkten persönlichen Überwachung der nachgeordneten Instanzen vor allem die Bestimmung der übergeordneten Unternehmenspolitik sowie die grobe Vorgabe der sich hieraus ableitenden Unternehmensstrategien; die strategische Spitze ist insofern Träger des normativen und strategischen Managements. Ihr obliegt ferner die repräsentative Vertretung des Unternehmens nach außen sowie die interessengeleitete Einflussnahme auf die Spitzenvertreter des gesellschaftlichen politischen Unsystems. In diesem Grundbaustein werden insbesondere konzeptionelle und analytische Fähigkeiten benötigt.

b) mittlere Linie

Die mittlere Linie umfasst alle Entscheidungsträger, die in einer direkten Brückenfunktion zwischen der strategischen Spitze und dem operativen Kern stehen. Die mittlere Linie besteht idealtypisch aus Vorarbeitern, Meistern, Abteilungs- und Hauptabteilungsleitern. Ihre Hauptaufgabe ist es, die von der Unternehmensleitung erlassenen Oberziele in operationale Zwischen- und Unterziele zu zerlegen. Das Mittelmanagement muss der Hauptteil des Personals führen, das heißt die Belegschaft steuern und motivieren. Hierfür sind insbesondere methodische und soziale Fähigkeiten erforderlich.

c) operative Kern

Der operative Kern ist für die eigentliche Erstellung der Güte oder Dienstleistungen in einer Organisation verantwortlich. Seine Aufgabe ist die physische Transformation der erhaltenen Ressourcen in die vermarktbare Unternehmensleistung. In Abhängigkeit von der Technologie

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und Art der Organisation ist der operative Kern unterschiedlich groß und weit reichend; in ihm werden vor allem technisch handwerkliche Fertigkeiten benötigt. Der operative Kern ist in erster Linie Weisungsempfänger. Sogleich sind in ihm die zu verrichtenden Tätigkeiten am stärksten konkretisiert und vorgeschrieben.

d) Technostruktur

Die Technostruktur umfasst vor allen Dingen Stellen zur Integration der arbeitsteiligen Prozesse. Ihr gehören typischerweise Spezialisten für Arbeitsgestaltung, Planung, Kontrolle und Budgetierung an. Die von diesen Spezialisten entwickelten Abläufe reduzieren das zur Gesamtabstimmung der arbeitsteiligen Prozesse erforderliche Ausmaß an persönlicher Weisung dadurch, dass sie ihre koordinative Funktion durch Programme wahrnehmen lassen. Die Experten der Technostruktur standardisieren Prozesse, Fähigkeiten oder Ergebnisse und prägen insgesamt das System der Arbeitskontrolle. Hierdurch gewinnen sie vor allem in Organisationen mit einem hohen Automatisierungsgrad mitunter beträchtlichen Einfluss.

e) Unterstützende Einheiten

Die unterstützenden Einheiten sind besondere Servicestellen. Wegen ihres ausgesprochenen Spezialcharakters können Sie aufbauorganisatorisch relativ leicht von den übrigen Einheiten getrennt werden. Servicestellen sind z. B. die Betriebskantine, das Lohnbüro, die Buchführung. Hier werden entweder Tätigkeiten gebündelt, die mit dem eigentlichen unternehmerischen Wertschöpfungsprozess nichts zu tun haben, wurde Experten versammelt, die die oft eher generalistisch orientierte Unternehmensleitung auf fachlich hohem Niveau beraten.

Mintzberg begnügt sich nicht mit der Auflistung organisatorischer Aufbauelemente. Der weist auch darauf hin, dass sich diese Grundbausteine, jener situativen Hintergrund einer Organisation, in unterschiedlicher Größe und Bedeutung gegenüberstehen können. Diese durch die verschiedenen Ausprägungen der Bausteine begründen unterschiedliche Strukturtypen, die verschiedenen Arbeitszusammenhängen unterschiedlich Effizienz sind.

Im Folgenden sollen die drei interessantesten Strukturen drüben näher betrachtet werden.

Neue Maschinenbürokratie weist in ihrem operativen Kern fast ausschließlich hoch standardisierbare Routineaufgaben auf. Die meisten Unternehmen dieses Strukturtyps agieren in vergleichsweise stabilen Umwelten: sei es, dass sich die Kundenbedürfnisse kaum ändern oder dass der Staat in gesetzliche Rahmen des Wettbewerbs lange Zeit unverändert lässt. Dies trifft sowohl auf viele öffentliche Unternehmen in einstmals stark regulierten oder subventionierten Branchen. Angesichts der größten teils standardisierbaren Routineaufgaben ist der Spezialisierungsgrad im operativen Kern groß und die Koordination durch Programme und Pläne eines der Hauptmerkmale dieser Unternehmen. Dementsprechend besitzt die Technostruktur eine besonders große und die mittlere Linie als Koordinationsinstanzen eine besonders geringe Bedeutung.

Der operative Kern in der Spezialistenbürokratie besteht vorrangig aus hoch qualifizierten Experten. Da diese ihre Aufgaben selber strukturieren, kommt der Technostruktur in diesen Unternehmen häufig wenig Bedeutung zu. Etwas anders sieht es mit den unterstützenden Einheiten aus, da diese ihre Leistungen häufig direkt den sich selbst steuernden Experten zur Verfügung stellen und von diesen folglich oft stark in Anspruch genommen werden.

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Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der Organisationstheorie. Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Unternehmenskultur und Organisatorischer Wandel
Jahr
2006
Seiten
39
Katalognummer
V281580
ISBN (eBook)
9783656756613
ISBN (Buch)
9783656756620
Dateigröße
877 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
organisation
Arbeit zitieren
Anonym, 2006, Grundlagen der Organisationstheorie. Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Unternehmenskultur und Organisatorischer Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281580

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