Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Eine kritische Beleuchtung des ethischen Konsums
2. Identifizierung der Einflussfaktoren auf ethisches Konsumverhalten
2.1 Einflussfaktoren auf die generelle Bereitschaft
2.2 Einflussfaktoren auf die Umsetzung der Absicht
2.3 Synthese zu einem holistisches Modell
3. Beispielhafte Entwicklungsprognose des ethischen Konsumverhaltens
4. Zusammenfassung und zukünftige Bedeutung des ethischen Konsums
5. Literaturverzeichnis
1. Eine kritische Beleuchtung des ethischen Konsums
Nachdem in den 80er Jahren die Gesundheit ein wichtiger Aspekt des Konsums wurde, entwickelte sich im Laufe der Bio-Bewegung der ethische Konsum, bei dem auch ökologische und tierrechtliche Auswirkungen des Güterverbrauchs in die Kaufentscheidung aufgenommen wurden. Auch der faire Handel gewann im Zuge dieser Strömung an Bedeutung.1
Aber die Bewegung hin zu verantwortungsvollem Konsum wurde auch kritisiert und dieser ein nur verschwindend geringer Einfluss auf das Gesamtergebnis zugeschrieben, ähnlich einer „Fahrradbremse am Interkontinentalflugzeug“2. Insbesondere bei Fragen des Klimawandels trifft diese Kritik zu, da ein einzelner Konsument nicht genug Treibhausgase einsparen kann, um diesen aufzuhalten. Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl Güter, durch deren Einkauf auch der einzelne Verbraucher einen signifikanten Einfluss ausübt. Beispielsweise bei Produkten aus artgerechter Tierhaltung, deren Bezug tatsächlich dazu führt, dass einige Tiere in besseren Umständen gehalten werden. Außerdem sendet der ethische Konsum nicht nur ein Signal an andere Konsumenten diesem Beispiel zu folgen, sondern auch an die Politik.3
Neben der Debatte über die Sinnhaftigkeit von verantwortungsvollem Konsum, zeigt die Empirie eine weitere Problemstellung der Konsumentenverantwortung auf. So deckte 2005 eine Studie von Futerra auf, dass nur 30% der Konsumenten bereit sind ethisch zu kaufen. Desweiteren setzen nur 3% aller Konsumenten diese Bereitschaft auch tatsächlich um.4
Wenn aber nur 3% der Verbraucher ethische Gesichtspunkte in die Kaufentscheidung einbeziehen, unterstützt dies die oben angesprochene Kritik am verantwortungsvollen Konsum. Fakt ist, dass noch Potenzial zur Ausweitung der Anzahl an Verbrauchern besteht, die ethisch konsumieren.5
In dieser Arbeit sollen die verschiedenen Faktoren identifiziert werden, die das Verhalten hin zum ethischen Konsum beeinflussen, um so einen Rahmen zu liefern, mit dessen Hilfe die zukünftige Entwicklung des ethischen Konsums prognostiziert werden kann. Dabei soll der Fokus auf der grundsätzlichen Bereitschaft liegen, für die Berücksichtigung individueller moralischer Vorstellungen einen höheren Preis zu bezahlen bzw. auf ein Produkt mit einem geringeren individuellen Nutzen auszuweichen. Dazu werden zunächst die Faktoren vorgestellt, die positiven oder negativen Einfluss auf den Einbezug von ethischen Gesichtspunkten in das Kaufverhalten des Verbrauchers ausüben. Im zweiten Teil der Arbeit werden mithilfe des zuvor entwickelten Modells der Einfluss der Weiterentwicklung von digitaler Technologie und des familiären Umfeldes des Konsumenten beispielhaft auf Indizien für die Zukunft des ethischen Konsums überprüft.
2. Identifizierung der Einflussfaktoren auf ethisches Konsumverhalten
Die zukünftige Ausweitung bzw. Verringerung der Anzahl von Verbrauchern, die ethische Gesichtspunkte in ihre Kaufentscheidung einbeziehen, wird im Rahmen dieser Arbeit in zwei Punkte unterteilt:
Der erste Aspekt (generelle Bereitschaft), der die Zukunft des ethischen Konsums beeinflusst, betrifft die grundsätzliche Willigkeit, ethisch zu konsumieren. In der Futerra-Studie drückten nur 30% aller Konsumenten ihre Bereitschaft zum ethischen Konsum aus.6 Sollte diese Bereitschaft steigen (sinken), so wird im Rahmen dieser Arbeit davon ausgegangen, dass auch der tatsächliche Anteil der Bevölkerung, der ethisch konsumiert, ansteigt (absinkt).
Der zweite Aspekt (Absicht-Verhaltens-Beziehung) betrifft diejenigen Konsumenten, die ethisch konsumieren würden, dies aber nicht tun. Wie bereits erwähnt, setzten nur 10% derjenigen Verbraucher, die zu verantwortungsvollem Konsum bereit sind, dies tatsächlich um.7 Dieser Punkt bezieht sich also auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument, der schon den Entschluss gefasst hat, ethisch zu konsumieren, beim realen Einkauf anhand von persönlichen ethischen Kriterien bestimmte Güter meidet und bestimmte Güter bevorzugt.
2.1 Einflussfaktoren auf die generelle Bereitschaft
Zur generellen Bereitschaft wurden im Rahmen eines Artikels von Chatzidakis und Mitussis (2007) zu ethischem Konsum (insbesondere fairer und umweltfreundlicher Konsum) und Konsumentenethik8 (unter anderem illegale Aktivitäten) zwei Modelle zusammengefügt: das empirisch getestete9 Hunt-Vitell-Modell10 (für den Gebrauch bei Konsumenten abgeändert)11 und das Issue-Risk-Judgement-Modell, welches das erste Modell noch um moralische Intensität und wahrgenommenes Risiko ergänzt.12
Das modifizierte Hunt-Vitell-Modell sieht als Einflussfaktoren auf die ethische Entscheidung (die aus einer Abwägung von teleologischer und deontologischer Bewertung besteht)13 das wahrgenommene ethische Problem, die wahrgenommenen Alternativen, sowie die wahrgenommenen zu erwartenden Konsequenzen. Diese Faktoren werden wiederum extern von der kulturellen Umgebung, welche die jeweilige Subkultur und soziale Klasse mit einschließt, den bereits gemachten individuellen Erfahrungen und den Vergleichsgruppen, wie Familie und Freundeskreis, geprägt.14
Das Issue-Risk-Judgement-Modell fügt hier noch die Aspekte der moralischen Intensität und des wahrgenommenen Risikos hinzu.15
Das wahrgenommene Risiko betrifft unsichere Komponenten des Konsums.16 Dazu gehören das finanzielle Risiko, Leistungsrisiko, physische Risiko, psychologische Risiko, soziale Risiko und die generelle Intensität des Risikos.17
Die moralische Intensität bezieht sich auf sechs Faktoren. Diese sind die Schwere der Konsequenzen, der soziale Konsens zu dem spezifischen Verhalten (gut/schlecht), die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines positiven beziehungsweise negativen Effekts, zeitliche Unmittelbarkeit der Konsequenzen, die wahrgenommene Nähe zu den Opfern/Nutznießern und die Konzentration des Effekts. Der letzte Punkt lässt sich darstellen anhand der Anzahl an Opfern bei gleichbleibender Höhe des Schadens. Steigt diese Anzahl, sinkt der Schaden für jeden einzelnen und wird insgesamt als nicht mehr so stark empfunden. Wenn bei ethischem Konsum die Nähe zum Opfer als gering empfunden wird, kann dies einen negativen Einfluss auf die moralische Intensität und damit auf die Wahrscheinlichkeit zum ethischen Konsum haben.18
Die Komponenten moralische Intensität und wahrgenommenes Risiko werden vom Alter, dem Geschlecht, der Bildung, der vorhergehenden individuellen Erfahrung und dem Einkommen des Konsumenten, sowie dem Preis des Produktes beeinflusst.19
2.2 Einflussfaktoren auf die Umsetzung der Absicht
Einflussfaktoren auf die Umsetzung des schon gefassten Vorsatzes ethisch zu konsumieren lassen sich durch das Absicht-Verhaltens-Modell von Carrington, Neville und Whitwell beschreiben. Das Modell wurde gewählt, da es ganzheitlich aufgebaut ist und den bewiesenen20,21 Einfluss von Umsetzungsabsichten und der wahrgenommenen Kontrolle des Verhaltens einbezieht. Ob eine Absicht in eine Handlung umgesetzt wird, hängt nach diesem Modell von drei Faktoren ab: dem situationsbezogenen Kontext, der tatsächlichen Kontrolle des Verhaltens (aus der Theorie des geplanten Verhaltens) und der Umsetzungsabsicht. Diese werden im Folgenden näher erläutert.22
Die Umsetzungsabsicht lässt sich als geistiger Umsetzungsplan verstehen. Während die Intention nur die generelle Absicht ausdrückt, beispielsweise fair gehandelten Kaffee zu kaufen, zielt ein Umsetzungsplan auf die direkte Implementierung ab.23 Diese Pläne lassen sich am besten im Rahmen von Wenn-Dann-Anweisungen ausdrücken:24 Wenn ich Kaffee brauche, dann ziehe ich im Laden nur Kaffee mit Fair-Trade-Siegel in Erwägung. Eine vom Konsumenten für sich persönlich formulierte Umsetzungsabsicht beeinflusst die Wahrscheinlichkeit auf die Übereinstimmung von Absicht und tatsächlichem Verhalten positiv und macht den Konsumenten robuster gegenüber negativem Einfluss von situationsbezogenem Kontext.25
Die tatsächliche Verhaltenskontrolle entstammt der Theorie des geplanten Verhaltens.26 Diese befasst sich mit der wahrgenommenen Kontrolle des Verhaltens, also ob ein Individuum glaubt, sein eigenes Verhalten kontrollieren zu können.27 Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle hängt von den Variablen Kontrollierbarkeit und Selbstwirksamkeit ab.28 Die Kontrollierbarkeit wird zum Beispiel von Finanzen, Wissen und Gewohnheiten beeinflusst und drückt aus, in welchem Maß der Konsument die Entscheidung bei sich sieht und nicht von externen Faktoren abhängig macht.29,30 Im Gegensatz dazu beschreibt die Selbstwirksamkeit den Glauben des Individuums an seine Fähigkeiten, durch sein Verhalten das Ziel auch tatsächlich zu erreichen.31 Insbesondere in neuen Situationen, in denen das Wissen sowohl bezogen auf Kontrollierbarkeit als auch auf Selbstwirksamkeit gering ist und der Unterschied zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Verhaltenskontrolle hoch ist, kann die Umsetzung der Absicht in das tatsächliche Verhalten erschwert sein.32 Hier könnte also die Bereitstellung von Wissen oder auch finanziellen Mitteln das Verhalten zum ethischen Konsum beeinflussen.
Der situationsbezogene Kontext spiegelt die Beeinflussung der Absicht-Umsetzungs- Beziehung durch externe Faktoren wider.33 Dieser Kontext lässt sich in fünf Faktoren zerlegen. Die physische Umgebung bezieht sich auf alle leicht erkennbaren Merkmale einer Situation, beispielsweise Wetter und Produktplatzierung. Die soziale Umgebung schließt alle menschlichen Einflüsse ein, zum Beispiel ob Menschen anwesend sind und welche Art von Interaktion mit diesen stattfindet. Die temporale Perspektive umfasst alle zeitbezogenen Attribute der Situation, wie Uhrzeit, Jahreszeit oder die Zeit seit dem letzten Einkauf. Die spezifische Aufgabenstellung stellt die Besonderheiten der Aufgabenstellung dar. Insbesondere der Bedarf Informationen zu akquirieren, aber auch der Grund des Einkaufs (Lebensmittel, Geschenke etc.) spielen hier eine Rolle. Zuletzt übt noch der vorhergehende Zustand einen Einfluss aus. Dieser betrifft die Situation an sich und umfasst die momentane Stimmung und andere vorübergehende Zustände, etwa eine Krankheit. All diese Faktoren könnten einen Käufer in seiner Entscheidung zum ethischen Konsum durch äußere Umstände positiv oder negativ beeinflussen.34,35
[...]
1 Vgl. Neuhäuser (2012), S. 279.
2 Ulrich Beck (2007), S. 73.
3 Vgl. Neuhäuser (2012), S. 288.
4 Vgl. zit. nach Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 139.
5 Vgl. Doane (2001), S. 14.
6 Zit. nach Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 139.
7 Zit. nach Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 139.
8 Die genaue Unterscheidung ist nachzulesen in: Chatzidakis, Mitussis (2007), S. 306.
9 Vgl. Vitell, Singhapakdi,Thomas S. 170.
10 Vgl. Hunt, Vitell (1986), S. 8.
11 Vgl. Marks, Mayo (1991), S. 722.
12 Vgl. Chatzidakis, Mitussis (2007), S. 309.
13 Im Rahmen dieser Arbeit wird dieser Prozess vernachlässigt.
14 Vgl. Marks, Mayo (1991), S. 721 -722.
15 Vgl. Chatzidakis, Mitussis (2007), S. 309.
16 Vgl. Fraedrich, Ferrell (1992), S. 285.
17 Vgl. Fraedrich, Ferrell (1992), S. 286 (inklusive weiterer Erläuterungen).
18 Vgl. Jones (1991), S. 374 -376 (inklusive weiterer Erläuterungen).
19 Vgl. Tan (2002), S. 99.
20 Vgl. Gollwitzer, Sheeran (2006), S. 109.
21 Vgl. Sheeran, Trafimow, Armitage (2003), S. 394.
22 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 144.
23 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 144 - 145.
24 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 144 - 145.
25 Vgl. Gollwitzer (1999), S. 493.
26 Vgl. Ajzen (1991), S. 181 - 182.
27 Vgl. Ajzen (2002), S. 672.
28 Vgl. Ajzen (2002), S. 672.
29 Vgl. Ajzen (2002), S. 672.
30 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 146.
31 Vgl. Bandura (1997), S. 624.
32 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 147.
33 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 147.
34 Vgl. Belk (1975), S. 159.
35 Vgl. Carrington, Neville, Whitwell (2010), S. 148.