Bei dem Neglekt-Syndrom handelt es sich um eine Störung der räumlichen Aufmerksamkeit, der keine Störung der primären Sinneswahrnehmung zu Grunde liegt. Dass die missachteten Reize nicht „gelöscht“ werden, zeigt bereits die Tatsache, dass Neglekt kurzzeitig kompensierbar ist und je nach Aufgabenstellung andere Bereiche des Raumes oder Objekte betroffen sind. Die Ergebnisse der Extinktions-Studien zeigen deutlich, dass eine unbewusste präattentive Verarbeitung stattfindet, die bis zur Ebene der semantischen Analyse geht. Die Art der Aufgabe bedingt, ob kontraläsionale Stimuli bewusst werden oder nicht: Können sie „zusammenarbeiten“, verschwindet die Extinktion. Wird hingegen die Konkurrenz verstärkt, wird sie schlimmer. Mechanismen der präattentiven Verarbeitung, wie Gruppierungseffekte oder Subitizing, erfolgen wie bei Gesunden und können dafür sorgen, dass ipsi- und kontraläsionale Stimuli eine gemeinsames Perzept bilden und dadurch ins Bewusstsein gelangen. Evolutionär bedeutsame Stimuli wie Gesichter werden vor anderen bevorzugt. Die erhaltene semantische Analyse wird in Priming-Studien sichtbar. Diese Ergebnisse der Neglektforschung weisen darauf hin, dass in der menschlichen Wahrnehmung auch unbeachtete Reize bis zu einer sehr hohen Ebene verarbeitet werden, bevor die Aufmerksamkeit im Raum verteilt wird und dass diese räumliche Verteilung offenbar mit Regionen im temporoparietalen Übergangsbereich in Verbindung steht. Warum die kontraläsionalen Stimuli trotz der beträchtlichen Verarbeitung in der alltäglichen Konkurrenz meist unterliegen, bleibt zu erforschen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Hintergrund und Herleitung der Fragestellung
- 2. Verarbeitung der missachteten Information
- 2.1 Präattentive Verarbeitungsmechanismen
- 2.2 Unbewusste semantische Verarbeitung
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Verarbeitung von Informationen, die bei Patienten mit unilateralem Neglekt missachtet werden. Ziel ist es, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie diese Information trotz der Aufmerksamkeitsstörung verarbeitet wird und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen.
- Unilateraler Neglekt als Störung der räumlichen Aufmerksamkeit
- Präattentive und unbewusste Verarbeitungsprozesse bei Neglekt
- Der Einfluss von Aufgabenstellung und konkurrierenden Stimuli
- Kompensation von Neglekt und dessen Grenzen
- Verarbeitung der "missachteten" Information
Zusammenfassung der Kapitel
1. Hintergrund und Herleitung der Fragestellung: Diese Einleitung beschreibt das Phänomen des unilateralen Neglekts, charakterisiert durch die Missachtung der kontraläsionalen Raumhälfte. Es werden die klinischen Manifestationen des Neglekts erläutert, einschließlich der Schwierigkeiten bei der Körperpflege, der Wahrnehmung von Personen und Objekten sowie die erhöhte Verletzungsgefahr. Es wird betont, dass der Neglekt keine Störung der primären Sinnesmodalitäten darstellt, sondern vielmehr eine Störung der räumlichen Aufmerksamkeit ist, die sich durch eine horizontale Verschiebung und Verkleinerung des Explorationsbereichs manifestiert. Die supramodale Natur der Störung, die verschiedene Sinnesbereiche betreffen kann, wird ebenfalls hervorgehoben. Der einführende Charakter des Kapitels legt den Grundstein für die nachfolgende detaillierte Auseinandersetzung mit der Verarbeitung der "missachteten" Informationen.
2. Verarbeitung der missachteten Information: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit den Mechanismen der Informationsverarbeitung bei unilateralem Neglekt. Es wird die Frage erörtert, inwieweit präattentive Verarbeitungsprozesse und unbewusste semantische Verarbeitung eine Rolle spielen. Die Kompensierbarkeit des Neglekts und der Einfluss der Aufgabenstellung werden als Hinweise auf eine Verarbeitung der vernachlässigten Information interpretiert. Die Diskussion von Studien wie der von Bisiach und Luzzatti (1978) zum topografischen Gedächtnis und der von Karnath und Niemeier (2002) zu raum- bzw. objektzentriertem Neglekt verdeutlicht die Komplexität der Störung und ihren Zusammenhang mit selektiver Aufmerksamkeit. Der Fokus liegt auf der Konkurrenz zwischen kontra- und ipsiläsionalen Stimuli und den daraus resultierenden Schwierigkeiten. Extinktionstests werden als Beleg für die Unfähigkeit angeführt, einen kontraläsionalen Stimulus bei simultaner ipsiläsionaler Präsentation wahrzunehmen, während die Wahrnehmung unilateral präsentierter Stimuli intakt sein kann. Das Kapitel legt nahe, dass die missachtete Information trotz des Neglekts auf einer gewissen Ebene verarbeitet wird, obwohl diese Verarbeitung durch die Aufmerksamkeitsstörung beeinträchtigt ist.
Schlüsselwörter
Unilateraler Neglekt, räumliche Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung, präattentive Verarbeitung, unbewusste semantische Verarbeitung, Extinktion, Kompensation, kontraläsional, ipsiläsional, Aufmerksamkeitsstörung, Parietallappen, visuell-räumliche Verarbeitung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Verarbeitung missachteter Information bei unilateralem Neglekt
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Verarbeitung von Informationen, die bei Patienten mit unilateralem Neglekt missachtet werden. Das Hauptziel ist es zu verstehen, wie diese Information trotz der Aufmerksamkeitsstörung verarbeitet wird und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den unilateralen Neglekt als Störung der räumlichen Aufmerksamkeit, präattentive und unbewusste Verarbeitungsprozesse bei Neglekt, den Einfluss von Aufgabenstellung und konkurrierenden Stimuli, die Kompensation von Neglekt und dessen Grenzen sowie die Verarbeitung der "missachteten" Information.
Was ist unilateraler Neglekt?
Unilateraler Neglekt ist eine neurologische Störung, die durch die Missachtung der kontraläsionalen (gegenüberliegenden) Raumhälfte gekennzeichnet ist. Betroffene haben Schwierigkeiten bei der Körperpflege, der Wahrnehmung von Personen und Objekten und weisen ein erhöhtes Verletzungsrisiko auf. Es ist keine Störung der primären Sinnesmodalitäten, sondern eine Störung der räumlichen Aufmerksamkeit.
Welche Rolle spielen präattentive und unbewusste Verarbeitungsprozesse?
Die Arbeit untersucht, inwieweit präattentive Verarbeitungsprozesse und unbewusste semantische Verarbeitung bei der Verarbeitung der "missachteten" Information eine Rolle spielen. Die Kompensierbarkeit des Neglekts und der Einfluss der Aufgabenstellung werden als Hinweise auf eine solche Verarbeitung interpretiert.
Welche Studien werden diskutiert?
Die Arbeit bezieht sich auf Studien von Bisiach und Luzzatti (1978) zum topografischen Gedächtnis und von Karnath und Niemeier (2002) zu raum- bzw. objektzentriertem Neglekt, um die Komplexität der Störung und ihren Zusammenhang mit selektiver Aufmerksamkeit zu verdeutlichen.
Was sind Extinktionstests und was zeigen sie?
Extinktionstests dienen als Beleg für die Unfähigkeit, einen kontraläsionalen Stimulus bei simultaner ipsiläsionaler Präsentation wahrzunehmen, während die Wahrnehmung unilateral präsentierter Stimuli intakt sein kann.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit legt nahe, dass die missachtete Information trotz des Neglekts auf einer gewissen Ebene verarbeitet wird, obwohl diese Verarbeitung durch die Aufmerksamkeitsstörung beeinträchtigt ist.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Unilateraler Neglekt, räumliche Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung, präattentive Verarbeitung, unbewusste semantische Verarbeitung, Extinktion, Kompensation, kontraläsional, ipsiläsional, Aufmerksamkeitsstörung, Parietallappen, visuell-räumliche Verarbeitung.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit enthält einen Hintergrundteil, der den unilateralen Neglekt einführt. Der Hauptteil befasst sich mit der Verarbeitung missachteter Informationen, wobei präattentive und unbewusste Prozesse im Fokus stehen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit.
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- Bachelor of Science Melanie Römer (Author), 2014, Verarbeitung der missachteten Informationen beim Neglekt Syndrom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281751