Die Steuerung von Kreditrisiko- und Forderungsmanagement im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)

Vor dem Hintergrund von Basel II


Mémoire (de fin d'études), 2011

98 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2. Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland
2.1 Abgrenzungen des KMU-Segments
2.1.1 Quantitative Abgrenzung von KMU
2.1.2 Qualitative Abgrenzung von KMU
2.2 Die wirtschaftliche Bedeutung des KMU-Segments
2.3 Stärken und Schwächen von KMU
2.3.1 Typische Stärken von KMU
2.3.2 Typische Schwächen von KMU

3. Die neuen Baseler Eigenkapitalvorschriften (BASEL II)
3.1 Gründe für die Reformierung von BASEL I
3.2 BASEL II – die drei Säulen
3.2.1 Erste Säule – Mindestkapitalanforderungen
3.2.1.1 Kreditrisiken der Kreditinstitute
3.2.1.2 Marktrisiken der Kreditinstitute
3.2.1.3 Operationelle Risiken der Kreditinstitute
3.2.1.4 Liquiditätsrisiken der Kreditinstitute
3.2.1.5 Geschäftsrisiken der Kreditinstitute
3.2.1.6 Ökonomisches Kapital der Kreditinstitute
3.2.2 Zweite Säule – Bankenaufsicht
3.2.3 Dritte Säule – Marktdisziplin
3.3 Veränderte Kreditkosten unter BASEL II
3.4 Die Grundlage für das bankinterne Rating (IRB-Ansatz)
3.5 Bedeutungen des Jahresabschlusses für das bankinterne Rating
3.6 Zwischenfazit und Ausblick auf Basel III

4. Risikomanagement im KMU-Segment
4.1 Risikodefinition
4.2 Unternehmensrisikoarten
4.2.1 Finanzwirtschaftliche Risiken
4.2.1.1 Marktrisiken im KMU-Segment
4.2.1.2 Kreditrisiken im KMU-Segment
4.2.1.3 Liquiditätsrisiken im KMU-Segment
4.2.2 Leistungswirtschaftliche Risiken
4.2.2.1 Betriebsrisiken im KMU-Segment
4.2.2.2 Beschaffungsrisiken im KMU-Segment
4.2.2.3 Absatzrisiken im KMU-Segment
4.3 Risikomanagement als Strategie
4.4 Kreditrisikomanagement im KMU-Segment
4.4.1 Debitorenrating – Die Bonität der Kunden
4.4.2 Die Forderungsausfall- und Warenkreditversicherung
4.4.3 Factoring
4.4.4 Weitere Möglichkeiten der Forderungsabsicherung

5. Forderungsmanagement im KMU-Segment
5.1 Bedeutung des Forderungsmanagements im KMU-Segment
5.2 Instrumente des Forderungsmanagements
5.2.1 Debitoren-Buchhaltung
5.2.2 Zusammenarbeit mit Inkasso-Unternehmen
5.2.3 Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten
5.3 Forderungsmanagement und interne Kommunikation

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Grundkonzept von BASEL II

Abbildung 2: VaR bei normalverteiltem Verlust

Abbildung 3: Das Fünf-Kräfte-Modell nach Porter

Abbildung 4: Der Risikograph

Abbildung 5: Der Factoring-Kreislauf

Abbildung 6: Das gerichtliche Mahnverfahren

Abbildung 7: Der Forderungsmanagement-Prozess

Tabelle 1: KMU-Definition des IfM Bonn ab 1. Januar 2002

Tabelle 2: KMU-Definition der Europäischen Kommission ab 1. Januar 2005

Tabelle 3: Eigenkapitalunterlegung nach Standard Ansatz (Standard & Poor´s)

Tabelle 4: Sukzessive Anpassung der Mindestkapitalquoten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland haben insbesondere in und nach Krisenzeiten, wie der gerade überwundenen Wirtschafts- und Finanzkrise, auf ein gut funktionierendes Kreditrisiko- und Forderungsmanagement zu achten. Jedes Unternehmen, welches seinen Kunden entweder Kredit in natürlicher Form oder auch in Form von Zahlungszielen für erbrachte Dienstleistungen (DL) oder gelieferte Waren einräumt, hat vorvertraglich ein Kreditrisikomanagement im Unternehmen zu etablieren. Nachvertraglich hat das Forderungsmanagement (FM) die Aufgabe, diese Kundenkredite zu überwachen, um die Forderungsausfälle zu vermeiden und die Liquidität des Unternehmens zu gewährleisten. Diese Arbeit widmet sich daher dem Kreditrisiko- und Forderungsmanagements in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Häufig wird die existentielle Bedeutung, die diesen Fachgebieten zukommt, von KMU nicht erkannt. Diese Bedeutung nimmt vor allem in Zeiten vieler Unternehmensinsolvenzen weiter zu.[1] Im KMU-Segment gibt es viele Unternehmen, die einen hohen Fremdfinanzierungsgrad aufweisen und somit unbedingt auf Liquidität angewiesen sind, um den eigenen Verbindlichkeiten nachkommen zu können. Die schlechte Zahlungsmoral von Kunden und die daraus resultierende mangelnde Liquidität kann, bei geringer Eigenkapitalausstattung des Unternehmens und zusätzlich schlechter Auftragslage, Einfluss auf die eigene Zahlungsmoral nehmen. Außerdem verpflichtet die Eigenkapitalrichtlinie BASEL II die Banken dazu, die Kreditkonditionen stärker als bisher an die Bonität des Kreditnehmers zu knüpfen[2], was es für die Unternehmen zusätzlich schwieriger macht, von der Bank eine höhere Kreditlinie eingeräumt zu bekommen, um weiterhin ausreichend mit Liquidität versorgt zu sein. Als Folge dessen werden häufig Lieferantenkredite zur Finanzierung von Liquiditätsengpässen genutzt. Das Kreditrisiko- und Forderungsmanagement sind somit Instrumente, die vor und während der Geschäftsbeziehung helfen können, die Liquidität des Unternehmens zu bewahren und den Forderungsausfall zu reduzieren.

1.2 Gang der Untersuchung

Diese Arbeit hat das Ziel, auf die hohe Bedeutung des Kreditrisiko- und Forder-ungsmanagements im KMU-Segment hinzuweisen und mögliche Lösungsansätze für ein effizientes, problemorientiertes und sicheres Handeln zu bieten. Das Problem wird vor dem Hintergrund der aktuellen Baseler Eigenkapitalverein-barungen, BASEL II genannt, behandelt. Hierzu wird das KMU-Segment im zweiten Kapitel von den übrigen Wirtschaftsbereichen in Deutschland abgegrenzt und auf seine näheren struktur- und größenbedingten Merkmale eingegangen. Zu Beginn wird das KMU-Segment kurz definiert. Außerdem wird die wirtschaftliche Bedeutung des KMU-Segments für die deutsche Unternehmenswelt herausge-arbeitet. Im dritten Kapitel werden zunächst die neuen Baseler Eigenkapital-vereinbarungen dargestellt und die Probleme dieser neuen Bankenrichtlinie für das KMU-Segment erläutert. Hierbei wird insbesondere auf die Schwierigkeit für kleine und mittlere Unternehmen eingegangen, eine Kreditlinie erweitern zu lassen, wenn diese Unternehmen nur über ein geringes Eigenkapital, geringe Liquidität und hohe Forderungsbestände verfügen. Das Risikomanagement in kleinen und mittleren Unternehmen ist Thema des vierten Kapitels, der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Kreditrisikomanagement. Es wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten im Vorwege existieren Forderungen bzw. Kundenaufträge abzusichern. Auch werden gewisse Optionen beschrieben, wie es möglich ist, die Forderungsausfälle bei nicht versich-erten oder nicht versicherbaren Forderungen zu reduzieren. Hierzu gehören auch sämtliche Risiken, die aus unvollständiger Vertragsgestaltung oder falscher Fakturierung resultieren. Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Forderungs-management im KMU-Segment sowie dessen Notwendigkeit. Hierzu gehören auch sämtliche Prozesse des Forderungseinzugs bzw. der Forderungsrealisierung, was auch die Beitreibung im außergerichtlichen und gerichtlichen Mahnverfahren, bis hin zur Zwangsvollstreckung umfasst. Im Anschluss wird im sechsten Kapitel ein Fazit gezogen und ein Ausblick auf die Zukunft der kleinen und mittleren Unternehmen sowie Empfehlungen für den Umgang mit offenen Forderungen gegeben.

2. Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland (KMU)

2.1 Abgrenzungen des KMU-Segments

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Steuerung des Kreditrisiko- und Forderungs-managements im KMU-Segment, daher ist es erforderlich, das KMU-Segment von den übrigen Unternehmen abzugrenzen. Dabei werden sowohl quantitative, als auch qualitative Kriterien zur Definition des KMU-Segments herangezogen.

2.1.1 Quantitative Abgrenzung von KMU

Für den Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen bzw. KMU gibt es in der Literatur keine allgemeingültige Definition. Häufig wird der Begriff des Mittelstandes synonym verwendet. Unter den quantitativen Abgrenzungskriterien versteht man das Zahlenmaterial, wie z. B. die Mitarbeiteranzahl, den Jahresumsatz und die Jahresbilanzsumme. Bis zum Jahre 2002 hatte das Institut für Mittelstandsfor-schung in Bonn auch eine nach Wirtschaftszweigen aufgeschlüsselte bzw. bran-chenspezifische quantitative Abgrenzung des Mittelstands vorgenommen. Aufgrund der geringen Abweichungen in den empirischen Untersuchungsergebnissen des statistischen Bundesamts wurde die Branchendifferenzierung gestrichen.[3] Diese wurde durch die unten stehende branchenunabhängige Klassifikation ersetzt, welche seit dem 1. Januar 2002 vom IfM herausgegeben wird.

Tabelle 1: KMU-Definition des IfM Bonn ab 1. Januar 2002

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Institut für Mittelstandsforschung, online am 30. Nobember 2010 im www unter URL:

http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=89, eigene Darstellung.

Auch im Handelsgesetzbuch, nachfolgend HGB genannt, findet sich eine Abgren-zung. Diese Abgrenzung bezieht sich allerdings nur auf Kapitalgesellschaften und ist lediglich eine Umschreibung von Größenklassen. Im Gesetzestext HGB § 267 unterteilt dieser Paragraph mittels benannter Grenzen für die Jahresbilanzsumme, Umsatzerlöse und Mitarbeiteranzahl die Unternehmen in kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften. Eine Rechtsfolge im Sinne einer neuen Einstufung in eine andere Größenklasse entsteht erst, wenn in zwei aufeinander folgenden vollen Geschäftsjahren zwei von drei Merkmalen unter- bzw. überschritten werden.[4] Die Europäische Kommission hat am 6. Mai 2003 mit Wirkung zum 1. Januar 2005 die Empfehlung 2003/361/EG herausgegeben, die von allen EU-Mitgliedsstaaten als KMU-Definition zur Einstufung von Unternehmen in dieses Segment dienen soll.

Tabelle 2: KMU-Definition der Europäischen Kommission ab 1. Januar 2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Amtsblatt der Europäischen Union L 124 vom 20. Mai 2003, S. 39, eigene Darstellung.

Die Verwendung der neuen KMU-Definition der Europäischen Kommission ist für die EU-Mitgliedsstaaten freiwillig. Die breite Akzeptanz dieser Definition ist beson-ders auf einem gemeinsamen großen Markt ohne Binnengrenzen notwendig, damit es zu einer fairen Behandlung von ähnlichen Unternehmen in den verschiedenen Ländern der Europäischen Union kommt. Anwendung findet die Definition dabei auf Behördenebene, z. B. bei der Vergabe von Fördermitteln sowie bei der Einstellung in Förderprogrammen. Die KMU-Definition richtet sich aber auch an die Unter-nehmen selbst, die mit dessen Hilfe feststellen können, ob sie den Kriterien für die Beantragung von KMU-Darlehen und speziellen Finanzhilfen entsprechen.[5]

2.1.2 Qualitative Abgrenzung von KMU

Die qualitative Abgrenzung des KMU-Segments erfolgt nicht aufgrund von unter-nehmensspezifischen Zahlenmaterial, welches dem betreffenden Unternehmen zugrunde liegt, sondern liegt in seiner Eigentümer- und Betriebsstruktur sowie in der Form, in der das Unternehmen geführt wird.[6] Dies kann auch als soziologische oder weiche Abgrenzung bezeichnet werden.[7] In KMU vereint der Unternehmer Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko in seiner Person. Für den Unternehmer stellt das Unternehmen seine Existenz dar, somit liegen alle für das Unternehmen relevanten Entscheidungen in seiner Verantwortung.[8] Ein grundsätzliches und zentrales Merkmal von KMU liegt in ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Unab-hängigkeit. Dies begründet, weshalb Konzerntöchter, also Unternehmen, die einem Konzern angehören, und zwar den quantitativen Merkmalen der obigen KMU-Definition entsprechen, dennoch nicht zum KMU-Segment hinzugerechnet werden dürfen. Entscheidend ist, dass keine andere Unternehmung mehr als 25 % des Stamm- oder Haftungskapitals an diesem Unternehmen hält, da es sonst nicht mehr einem KMU entspricht. Ein weiteres Merkmal ist die persönliche Prägung des Unternehmens durch die Person des Unternehmers, die mit der häufig engen Beziehung zu den meist wenigen Mitarbeitern einhergeht.[9] Auch der hohe Fremdfinanzierungsgrad von KMU kann den qualitativen Abgrenzungskriterien hinzugerechnet werden, da KMU im Durchschnitt über alle Branchen nur mit ca. zehn Prozent Eigenkapital ausgestattet sind.[10] Zudem ist die Kapitalbeschaffung am Kapitalmarkt ein Problem für das KMU-Segment, da das Emittieren von Aktien häufig an der Rechtsform oder der Betriebsgröße scheitert.[11] Grundsätzlich weisen KMU einen geringen Formalisierungsgrad auf. Sie können aufgrund ihrer Größe schnell und flexibel auf veränderte Marktverhältnisse reagieren. Außerdem verfügen sie häufig über eine enge Bindung zu ihren Kunden.[12] Alle diese weichen Merkmale können teilweise auch auf Großunternehmen zutreffen, in dem Fall gelten zusätzlich die quantitativen Abgrenzungskriterien, in Verbindung mit der Auflage keinem Konzern anzugehören, als Hilfe zur eindeutigen Klassifikation.

2.2 Die wirtschaftliche Bedeutung des KMU-Segments

Dem KMU-Segment kommt in Deutschland eine sehr hohe wirtschaftliche Bedeu-tung zu, es ist ein wichtiger Wirtschaftspfeiler.[13] Dies verdeutlicht auch das Zahlen-material, aus dem hervorgeht, dass nach der, seit dem 01. Januar 2005, gültigen Definition der Europäischen Kommission 99,5 % aller Unternehmen dem KMU-Segment angehören. Gleichzeitig stellt es in Deutschland 55 % aller Arbeitsplätze und erwirtschaftet 38,3 % des Umsatzes der Gesamtwirtschaft. Diese Definition wird insbesondere bei der Beantragung und Bewilligung von europaweiten Förder-mitteln für KMU-Unternehmen zu Rate gezogen.[14] Nach der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung gehören sogar 99,7 % aller Unternehmen dem KMU-Segment an, welches danach 70,5 % aller Arbeitsplätze stellt, aber nur 37,8 % des Umsatzes in der Bundesrepublik Deutschland erwirtschaftet.[15] Das KMU-Segment wirkt sich positiv auf den Wettbewerb aus und wirkt damit einer monopolistischen Wirtschaft entgegen, da der jeweilige Nachfrager unter mehreren Anbietern wählen kann. Zudem sind KMU flexibler als Großunternehmen und können sich schneller an veränderte Marktbedingungen anpassen. In Krisenzeiten findet daher der Arbeitsplatzabbau bzw. die sog. Personalverschlankung vor allem in Groß-unternehmen und nicht im KMU-Segment statt.[16] Die Flexibilität sorgt dafür, dass kleine und mittlere Unternehmen viel eher auf individuelle Kundenwünsche ein-gehen können, als Großunternehmen, die aufgrund ihrer Kostenstruktur auf Massenfertigung angewiesen sind. Hinzu kommt, dass KMU standorttreu sind und unternehmensinternen Abteilungen bzw. Aufgabenbereiche nicht auslagern. Dieses Handeln bestärkt die regionale Wirtschaft fernab der Gewerbe- und Industrie-regionen auch in den Randgebieten.[17]

2.3 Stärken und Schwächen von KMU

Im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen existiert eine Vielzahl ganz typischer Stärken und Schwächen. Diese sind zum einen in der Größe der Unter-nehmen und zum anderen in deren Betriebsstruktur begründet.

2.3.1 Typische Stärken von KMU

Als Stärke werden aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Wettbewerbsvorteile oder auch USP’s gegenüber Mitbewerbern auf dem jeweiligen Markt bezeichnet.[18] Hier sollen allerdings die besonderen Stärken eines KMU dargestellt werden, welche sich aufgrund seiner Struktur und Organisation ergeben. Im KMU-Segment liegen diese Stärken in der kurzen und direkten internen Kommunikation, die den Informa-tionsfluss und die Entscheidungsfindung vereinfachen und auch beschleunigen können. Die hohe Flexibilität eines KMU’s beruht auf der schnellen Entscheidungs-fähigkeit sowie Revidierbarkeit von Entscheidungen durch den Inhaber. Eine zu schnell getroffene Entscheidung durch den Inhaber birgt jedoch auch Gefahren, da diese zu Fehlentscheidungen führen können. Häufig gibt es in kleinen und mittleren Unternehmen kein sog. „Vier-Augen-Prinzip“, wie es in Großunternehmen mit einer genauen Genehmigungsstruktur der Fall ist.[19] Die kurzen Informations- und Ent-scheidungswege sind auch für die Mitarbeiter von Vorteil, da sie ihnen einen Einblick in die erreichten Ziele und Erfolge des Unternehmens gewähren. Bei den Mitarbeitern wirkt sich diese Transparenz in Verbindung mit den eher familiären Strukturen im KMU-Segment motivierend aus. Eine weitere große Stärke von KMU besteht in der Nähe zu ihren Kunden. Die Kundennähe kann in Verbindung mit der spezifischen Flexibilität zu einer engeren Kundenbindung führen, da individuelle Kundenwünsche schneller umgesetzt und sich ändernde Kundenbedürfnisse recht-zeitig erkannt werden. In Großunternehmen ist der Kunde häufig nur ein Auftrag-geber unter vielen, infolge dessen auf individuelle Kundenwünsche nur unter erheblichem Mehraufwand eingegangen werden kann.[20]

2.3.2 Typische Schwächen von KMU

Eine Schwäche kann aus betriebswirtschaftlicher Sicht z. B. als die Wett-bewerbsvorteile der eigenen Wettbewerber im Markt angesehen werden. Hier sind allerdings die besonderen Schwächen gemeint, die ein KMU aufgrund seiner Größe und Betriebsstruktur innehat. Bereits bei der Produktion lassen sich gewisse Schwächen erkennen. Während Großunternehmen in ihren Produktportfolios auf Massenproduktion eingestellt sind und somit für das einzelne Produkt bei zunehmender Ausbringungsmenge eine Fixkostendegression erzielen können, ist dies für KMU mit einer Einzel- bzw. Auftrags-, Individual- oder Kleinserienfertigung kaum möglich. Das führt bei den kleinen und mittleren Unternehmen dazu, dass diese bei ihren Lieferanten nur ein übersichtliches Einkaufsvolumen vorweisen können und somit auch keine Marktmacht im eigentlichen Sinne und keine Kundenmacht im Sinne von Porter haben.[21] Dies macht die Fixkostendegression mangels fehlender Massenproduktion für kleine und mittlere Unternehmen nur schwer möglich. Durch das geringe Einkaufsvolumen sind auch keine Mengen-rabatte auszuschöpfen. Außerdem wird der Ressourcenmangel in allen Bereichen als die zentrale Schwäche des KMU-Segments bezeichnet. Hierzu zählen z. B. Schwächen in der Managementqualität, da diese Unternehmen in vielen Fällen alleinig inhaber- oder familiengeführt sind und es keine weiteren Manager mit einer bestimmten Fachqualifikation in Bereichen der Beschaffung, Finanzierung oder des Absatzes gibt. Ein Mensch ist alleinig zuständig und verantwortlich für alle Unter-nehmensprozesse. Ein weiterer elementarer Ressourcenmangel ist das Fehlen von Kapital, da KMU durchschnittlich eine Eigenkapitalquote aufweisen, die unterhalb von zehn Prozent angesiedelt ist.[22] Vor allem Veränderungen von Kundenbedürf-nissen können dazu führen, dass größere Investitionen getätigt werden müssen, um weiterhin am Markt bestehen zu können. Wenn dafür das erforderliche Eigen-kapital fehlt, stellt es für das Unternehmen und den Inhaber bzw. Unternehmer eine große Herausforderung dar, da sich die Aufnahme von Fremdkapital nach den neuen Eigenkapitalvereinbarungen BASEL II für KMU, schwierig gestaltet. Ent-weder wird aufgrund der Unternehmensstruktur kein Darlehen gewährt oder es ist nur unter schwer einzuhaltenden Auflagen in Verbindung mit minderakzeptablen Konditionen möglich.[23] Dies stellt auch einen Grund für den oft geringen Forschungs- und Entwicklungsaufwand im KMU-Segment dar, da die Kosten für Forschung & Entwicklung (F & E) sowie sonstige Innovationen aus unternehmens-eigenen Mitteln finanziert werden müssen. Ist mit den Mitteln des Unternehmens nicht möglich diese notwendigen Investitionen zu tätigen, muss das Unternehmen Fremdkapital zur Finanzierung der Investitionen in Form von Unternehmens-krediten aufnehmen. Unternehmenskredite werden üblicherweise von Kreditin-stituten gegen ein gewisses Entgelt, u. a. in Form von Zinsen, zur Verfügung gestellt. Die Kreditvergabe richtet sich dabei nach den neuen Eigenkapital-vorschriften für Kreditinstitute, auf die im nachfolgenden Kapital eingegangen wird.

3. Die neuen Baseler Eigenkapitalvorschriften (BASEL II)

Alle drei Monate trifft in Basel der im Jahr 1975 gegründete Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht zusammen, der ursprünglich aufgrund der Ölkrise und den damit in Zusammenhang stehenden instabilen Finanzmärkten jener Zeit ins Leben gerufen wurde.[24] Der zweite Baseler Eigenkapitalakkord, auch BASEL II genannt, löst das erste Konsultationspapier aus dem Jahre 1988 ab, welches bis Ende 2006 Bestand hatte. BASEL II trat am 01. Januar 2007 in Kraft und richtet sich an international tätige Kreditinstitute, aber auch an kleinere und mittlere Banken und Sparkassen, die häufig mit dem KMU-Segment zusammenarbeiten und dieses finanzieren. Insgesamt soll das Finanz- und Bankensystem mit Hilfe der neuen Bankenrichtlinie BASEL II sicherer und stabiler gemacht werden, indirekt soll es auch zu einer Stabilisierung der gesamten Volkswirtschaft beitragen.[25]

3.1 Gründe für die Reformierung von BASEL I

Die erste Bankenrichtlinie (BASEL I) von 1988 regelte, dass Kreditinstitute für herausgegebene Risikoaktiva, z. B. in Form von Unternehmenskrediten, einheitlich acht Prozent der Kreditsumme an Eigenkapital vorhalten mussten. Diese Regelung stellte eine natürliche Begrenzungsfunktion für die Kreditvergabe hinsichtlich des Volumens der getätigten Kreditgeschäfte eines Kreditinstituts dar. Allerdings galt die Acht-Prozent-Regelung unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers.[26] Die bonitätsunabhängige Bepreisung von Risikoaktiva wurde für jene Kreditinstitute zum Problem, die in der Vergabe von Krediten an risikoträchtige Kreditnehmer gewisse Anreize sahen. Bei diesen konnten sie aufgrund des höheren Preises für den Kredit, also aufgrund des höheren verlangten Zinssatzes, größere Margen erzielen, als bei risikoärmeren Kreditnehmern, die aufgrund ihrer guten Bonität nur einen geringeren Zinssatz zu zahlen hatten. Die Kosten für das Kreditinstitut bzw. die Bank waren mit acht Prozent vorzuhaltenden Eigenkapitals in beiden Fällen gleich hoch.[27] Das hohe Kreditausfallrisiko belastet das Kreditinstitut erst im Insol-venzfall des Kreditnehmers, da die damaligen Vorschriften zur Eigenkapitalunter-legung den Kreditnehmer mit sehr guter Bonität genauso behandelten wie jenen, der mit zweifelhafter oder schlechter Bonität ausgestattet war. Unter diesen Voraussetzungen könnte es zu einer adversen Selektion hinsichtlich des gesamten Kreditportfolios kommen. Dies bedeutet, es gäbe einen fehlgerichteten Allokations-prozess von Krediten an Kreditnehmer mit schlechter Bonität, da der beinahe einheitliche Zinssatz über alle Kredite, über dem akzeptablen Zinssatz für Unternehmen mit guter Bonität liegt und unterhalb des angemessenen Zinssatzes für Unternehmen mit schlechter Bonität. Das Kreditinstitut würde damit einen Rahmen für den Zustrom an Unternehmen mit mittelmäßiger bis schlechter Bonität schaffen. In Verbindung mit dem Anreiz, hohe Margen bei Kreditgeschäften zu erzielen, was bei Unternehmen mit schlechter Bonität aufgrund des höheren Preises für den Kredit, also des höheren Risikozinses leichter ist, birgt ein solches Kreditportfolio ein großes Gefahrenpotenzial für die Liquidität und Solvenz des Kreditinstituts.[28] Das Ausfallrisiko ist bei dieser Gruppe von Unternehmen aufgrund der schlechten Bonität ungleich höher. Diese Schwachstellen in den bisherigen Bankenrichtlinien von BASEL I führten ab 1999 dazu, diese nunmehr weiter zu entwickeln, welche nun nach mehrmaligen Überarbeitungen bekannt sind als BASEL II.

3.2 BASEL II – die drei Säulen

Die neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarungen, an der seit 1998 die Kreditwirt-schaft und die Politik gemeinsam arbeiteten, wurden erstmals im Juni 2004 ver-öffentlicht[29] und traten dann am 01. Januar 2007 in Kraft. Sie lösten die bis dahin geltende Eigenkapitalvereinbarung von 1988, die unter dem Namen BASEL I bekannt war, ab. BASEL II ruht auf drei Säulen: Die Mindestkapitalanforderungen, die das vorzuhaltende Eigenkapital für herausgegebene Risikoaktiva regelt, die Bankenaufsicht bzw. den bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess und die Markt-disziplin, dies ist die erweiterte Veröffentlichungs- und Publizitätspflicht der Kredit-institute. Die erste Säule wurde grundlegend überarbeitet. Die zweite und dritte Säule sind unter BASEL II neu hinzugekommen. In der unten stehenden Grafik wird dieses Konzept aufgezeigt.

Abbildung 1: Grundkonzept von BASEL II

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Deutsche Bundesbank, online am 2. Dezember 2010 im www unter URL: http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel.php, eigene Darstellung.

3.2.1 Erste Säule – Mindestkapitalanforderungen

Die Mindestkapitalanforderungen beschreiben die Regelungen für das haftende Eigenkapital (hEK), welches ein Kreditinstitut vorhalten muss, um Risikoaktiva an Unternehmen herauszugeben. Die Eigenmittel eines Kreditinstituts bestehen aus dem haftenden Eigenkapital, welches sich aus dem Kern- und Ergänzungskapital zusammensetzt sowie den Drittrangmitteln. Beim Kernkapital wird zwischen dem harten und weichen Kernkapital unterschieden. Das haftende Eigenkapital muss für das gesamte Portfolio an Risikoaktiva, wie z. B. Darlehen, Betriebsmittelkredite, Derivate u. Ä. im Kreditinstitut zum Abfangen von nicht erwarteten Verlusten vorge-halten werden. Unter BASEL I mussten einheitlich acht Prozent der Bilanzaktiva-position an Eigenkapital vorgehalten werden.[30] Nach den neuen Richtlinien von BASEL II hängt die Eigenkapitalunterlegung von Risikoaktiva von der Bonität und somit der statistischen Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers ab.[31] Die Eigenkapitalwertbasis von acht Prozent hat sich nicht geändert, lediglich werden diese acht Prozent nun mit einem Gewichtungsfaktor, der wiederum von der Bonität und der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers abhängt, multipliziert. Neben dem Kreditrisiko wird außerdem das Marktrisiko, als auch das operationelle Risiko in die Ermittlung des vorzuhaltenden Eigenkapitals mit einbezogen. Für die Ermittlung der Kundenbonität haben die Kreditinstitute die Wahl, ob sie den Standard-Ansatz, also das Ratingergebnis einer externen Rating-Agentur zulassen oder den IRB-Ansatz (internal Ratings based Approach), also das bankinterne Rating für die Bonitäts- und Ausfallwahrscheinlichkeitsermittlung nehmen. Der unternehmensinterne IRB-Ansatz eines Kreditinstituts muss zuvor erst einmal entwickelt und später von der nationalen Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin) zugelassen werden, bevor das Kreditinstitut den eigenen Ansatz einsetzt, um den Bestimmungen von BASEL II nachzukommen. Wenn ein Kreditinstitut für die Eigenkapitalunterlegung von Risikoaktiva das Rating-ergebnis einer externen Rating-Agentur zulässt, muss diese Agentur ebenfalls von der BAFin zugelassen sein. Eine Rating-Agentur muss gewisse Anforderungs-kriterien, wie z. B. Objektivität, Unabhängigkeit, Transparenz, Glaubwürdigkeit und gewisse Veröffentlichungspflichten erfüllen, um von der BAFin zugelassen zu werden. Die Zulassungspflicht durch die BAFin stellt eine weitere Sicherheit von BASEL II dar. Die Zulassungspflicht garantiert, dass nur Unternehmensratings von zugelassenen Rating-Agenturen in Kreditinstituten verarbeitet werden dürfen. Diese Regelung soll ein größeres Maß an Sicherheit bei der Verwendung des Standard-Ansatzes gewährleisten und außerdem für eine gewisse Vergleichbarkeit auf dem Markt sorgen.[32] Neben den gängigen internationalen Rating-Agenturen wie Moody´s, Standard & Poor´s und Fitch Ratings, haben sich mittlerweile auch nationale Unternehmen, wie bspw. die Creditreform Rating AG durch die BAFIN, als sog. External Credit Assessment Institution (ECAI) zertifizieren lassen.[33] Das Rating-Unternehmen Standard & Poor´s klassifiziert die Bonität von Unternehmen alphabetisch, dabei stellt AAA (Trible A) das beste Ergebnis dar, während C als sehr spekulative Anlage mit hohen Ausfallwahrscheinlichkeit.[34] Die Eigenkapital-unterlegungspflicht für Kreditinstitute gliedert sich nach dem Standard Ansatz von Standard & Poor´s, wie folgt:

Tabelle 3: Eigenkapitalunterlegung nach Standard Ansatz (Standard & Poor´s):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Übelhör, M. / Warns, C. (2004), S. 25., eigene Darstellung.

Die Eigenkapitalunterlegungspflicht für ein Unternehmen mit einem sehr guten Ratingergebnis, z. B. AAA oder AA+, würde mit einem Gewichtungsfaktor von 20 % belegt werden. Somit müsste das Kreditinstitut lediglich 20 % der acht Prozent an Eigenkapital vorhalten, ergo 1,6 %. Hingegen muss das Kreditinstitut bei einem Unternehmen mit schlechtem Ratingergebnis, z. B. CCC oder CC+ 150 % der acht Prozent des Kreditvolumens, also zwölf Prozent Eigenkapital aufbringen.[35] Je nach Bonität des Kreditnehmers ist das Kreditinstitut dazu verpflichtet, 20 %, 50 %, 100 % oder 150 % der acht Prozent an Eigenkapital vorzuhalten. Je besser das Ratingergebnis und somit die Bonität des Kreditnehmers ist, desto geringer ist der Gewichtungsfaktor und folglich auch das vorzuhaltende Eigenkapital für das Kreditinstitut. Somit muss das Kreditinstitut verpflichtet, für Kreditnehmer mit schlechter Bonität mehr Eigenkapital vorzuhalten, als bei Kreditnehmern mit guter Bonität.[36] Die neue Regelung bewirkt, dass ein risikoträchtiges Geschäft das jeweilige Kreditinstitut aufgrund des höheren vorzuhaltenden Eigenkapitals sofort belastet und damit das risikoreiche Geschäft trotz des höheren Zinses weniger attraktiv macht.[37]. Die Regelung des zweiten Baseler Eigenkapitalakkords, die Höhe der Eigenkapitalunterlegung an die Bonität und Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers zu knüpfen, trägt der damaligen Entwicklung von Kreditinstituten Rechnung, gerne risikoträchtige Kreditgeschäfte zu tätigen, um größere Margen aufgrund des höheren Kreditzinses zu generieren. Außerdem wird mit dieser Rege-lung auch eine adverse Selektion von Kreditnehmern bzw. von risikoträchtigen Investitionen verhindert. Zu einer adversen Selektion kann es kommen, wenn Kreditgeber und Kreditnehmer nicht über die gleichen Informationen verfügen, dies wird auch als Informationsasymmetrie bezeichnet.[38] Ein Unternehmensrating soll das Informationsgefälle und somit das Kreditausfallrisiko ex ante des Geschäfts-abschlusses reduzieren.[39] Ein Rating ist lediglich zahlenbasiert, es werden fast nur finanzwirtschaftliche Kriterien für die Gesamtbeurteilung herangezogen. Die leis-tungswirtschaftlichen Kriterien werden dabei kaum berücksichtigt. Von Seiten des Kreditinstituts wird angenommen, dass sich die leistungswirtschaftlichen Kriterien direkt auf die finanzwirtschaftlichen auswirken, dies ist aber gerade bei Startup-Unternehmen, also jungen Unternehmen im KMU-Segment, noch gar nicht möglich. Somit fallen manche Kredit- bzw. Finanzierungskonditionen aufgrund des Ratings für junge Unternehmen schlechter aus, da sich die guten leistungswirt-schaftliche Faktoren noch nicht auf die finanzwirtschaftlichen Faktoren niederge-schlagen konnten.[40] Insgesamt können Ratings dem Kreditinstitut nur vor dem Geschäftsabschluss einen Einblick in das Unternehmen geben, sind aber nicht dazu in der Lage, mehr als nur einen vagen und kurzsichtigen Ausblick in die Zukunft zu geben. Die Ratings können bei der Frage, ob ein Unternehmen aktuell einen Kontokorrentkredit erhält, als Entscheidungsgrundlage dienen. Bei einem großvolumigen und langfristigen Investitionskredit kann ein Rating keine sichere Prognose für die Zukunft darstellen, auf welche sich das Kreditinstitut verlassen kann. Grundsätzlich soll das Kreditrisikomanagement bzw. die Berücksichtigung aller bankbetrieblichen Risiken, von denen einige in den folgenden Unterkapiteln erläutert werden, das Kreditinstitut vor Liquiditätsengpässen schützen und Ausfall-risiken reduzieren. Außerdem soll ein funktionierendes Kreditrisikomanagement ein Instrument für den dauerhaften Erfolg eines Kreditinstituts darstellen und das Vertrauen der Marktteilnehmern bestärken.[41] Mit der Einführung des aus Banken-sicht optimierten Risikomanagements unter BASEL II können die Kreditausfall-risiken besser analysiert und reduziert werden. Nur reduziert, nicht eliminiert. Der dauerhafte Erfolg eines Kreditinstituts hängt in Zeiten, in denen Landesbanken höchst spekulative Engagements eingehen, nicht nur von der Kreditvergabepraxis in den einzelnen Engagements ab.

3.2.1.1 Kreditrisiken der Kreditinstitute

In der Literatur wird der Begriff „Kreditrisiko“ häufig als Oberbegriff für verschiedene Arten von Kreditrisiken verwendet. In diesem Kapitel wird zunächst nur auf das Kreditrisiko der Kreditinstitute im Zusammenhang mit BASEL II eingegangen, in späteren Kapiteln wird es im Zusammenhang mit dem KMU-Segment nochmals aufgegriffen. Für die Berechnung eines Einzel- oder Portfoliokreditrisikos gibt es abhängig vom Anlass auch unterschiedliche Berechnungsmethoden. Im Rahmen der Ermittlung des vorzuhaltenden Eigenkapitals ist das Einzelkreditrisiko eine bilanzielle Adressenausfallrisikoposition und nach der Solvabilitätsverordnung (SolvV) eines der insgesamt vier sog. Adressrisiken. Unter dem Begriff Adressrisiko wird in der Finanz- und Bankenwelt grundsätzlich ein potenzieller Wertverlust verstanden, der durch den gänzlichen oder partiellen Ausfall des Kreditnehmers oder auch durch eine Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers verursacht wird.[42] Dieses Kapitel behandelt nur die Ausfallrisiken des Kreditgeschäfts, weitere Kredit- und Adressrisiken, wie z. B. Zinsänderungs-, Wechselkurs- oder Liqui-ditätsrisiken werden erst in den folgenden Kapiteln behandelt. Das Ausfallrisiko beschreibt die eventuelle Gefahr, dass der Kreditnehmer seinen Zahlungsver-pflichtungen, die aus Zins- und Tilgungszahlungen bestehen, nicht wie im Kredit-vertrag vereinbart, nachkommt. Das Ausfallrisiko basiert auf einer Ausfallwahr-scheinlichkeit, die wiederum von der jeweiligen Risikoklasse des Kreditnehmers abhängt. Das Kreditausfallrisiko wird als eine Abweichung vom vereinbarten Standard, nämlich der vereinbarten Zahlung von Zins- und Tilgungszahlungen, die häufig in Annuitätenzahlungen zusammengefasst werden, verstanden. Eine Ver-schlechterung in der Bonität des Kreditnehmers, die nicht zu einem Kreditausfall führen muss, beeinflusst dennoch negativ die Risikoklasse des Kreditnehmers, was zu einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit und somit auch zu einem größeren statistischen Ausfallrisiko für das Kreditinstitut führt.[43] Für die Bemessung der Eigenkapitalunterlegung von Einzelkreditrisiken stehen den Kreditinstituten lt. SolvV zwei bzw. drei Verfahren zur Auswahl. Es muss entweder der Standard-Ansatz, also der Einsatz externer Rating-Agenturen oder der bank-interne IRB-Ansatz verwendet werden. Beim IRB-Ansatz wird zwischen dem Basisansatz und dem fortgeschrittenen Ansatz unterschieden.[44] Die bankinternen IRB-Ansätze dürfen nur nach vorheriger Genehmigung durch die BAFin von den Kreditinstituten zur Ermittlung von Kreditausfallrisiken genutzt werden. Diese Vorschrift stellt, ähnlich wie die Zulassung und Zertifizierung von Rating-Agenturen und deren Ratingverfahren als ECAI durch die BAFin, eine Sicherheit für das Bankensystem dar. Der interne IRB-Basisansatz ermittelt anhand von Bilanzkennziffern im Rahmen der Diskriminanzanalyse und der damit einhergehenden Risikoklasse die Ausfallwahrscheinlichkeit, Probability of Default (PD). Im fortgeschrittenen Ansatz wird zusätzlich die Forderungshöhe zum Ausfallzeitpunkt, Exposure of Default (EAD) und die Verlustquote, Loss given Default (LGD), also der Verlust zum Ausfallzeitpunkt, bezogen auf die gesamte Kreditsumme, ermittelt.[45] Diese Ver-fahren werden bei der Ermittlung des Einzelkreditrisikos für die Berechnung des von dem Kreditinstitut vorzuhaltenden Eigenkapitals eingesetzt. Der durch die BAFin genehmigungsbedürftige IRB-Ansatz kann zur Bestimmung und besseren Vergleichbarkeit von bestimmten Kreditrisiken, als auch für die Bemessung des vorzuhaltenden Eigenkapitals von Kredit- oder Aktienportfolios eine bestimmte Variante des Value-at-Risk (VaR) vorsehen.[46] Allgemein drückt der VaR den maxi-malen Verlust einer Investition in Geldeinheiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus. Die zu prognostizierende Zeitspanne für die der mögliche Verlust berechnet werden soll, wird als Haltedauer be-schrieben. Die Wahrscheinlichkeit wird als statistisches Konfidenzniveau bezeich-net, die Differenz zu 100 % bildet das a–Quantil. Das Konfidenzniveau wird auf einen Wert zwischen 95 % und 99 % (1 – a) festgelegt.[47] Je höher das Konfidenz-niveau und je kleiner das a–Quantil, desto größer ist die damit prognostizierte Wahrscheinlichkeit und Sicherheit des VaR.[48] Für die Bestimmung des Konfidenz-niveaus wird häufig auf eine weit zurückreichende Datenbasis, also auf statistische Erfahrungswerte zurückgegriffen. Diese vergangenheitsbezogene Betrachtung von Daten, weist häufig eine Normal- oder Binominalverteilung auf, daher wird das Konfidenzniveau auf einen Wert zwischen 95 % und 99 % festgelegt.[49] Ein VaR (100 Tage) von 1618,22 € bei einem Konfidenzniveau von 99 % und einer Investitionssumme von 10.000,00 € bedeutet, dass der Verlust der Investi-tionssumme nach einer Haltedauer von 100 Tagen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % nicht höher ausfallen wird als 1618,22 €. Investitionen lassen sich über den berechneten VaR gut vergleichen, somit können eingegangene Risiken besser eingeschätzt werden.

Abbildung 2: VaR bei normalverteiltem Verlust

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Huschens, S. (2000), S. 33., eigene Darstellung.

Die große Kritik, die dem VaR als Risikomaß anhaftet, ist die Annahme, aus einer Vergangenheitsanalyse eine sichere, auf Berechnungen begründete Prognose für die Zukunft abgeben zu können. Dabei muss vor allem auf die Risiken jenseits des gewählten Konfidenzniveaus, also auf die 1 % bis 5 % oberhalb der Eintritts-wahrscheinlichkeit für den maximal erwarteten Verlust geachtet werden.[50] Der schlechteste Fall der eintreten kann, der auch als worst-case-scenario bezeichnet wird und den größtmöglichen Verlust darstellt, wird vom VaR nicht abgebildet. Somit darf der VaR nicht als alleiniges Werkzeug für die Beurteilung des Adressenrisikos gelten, vielmehr müssen auch sämtliche Rahmenbedingungen in die Kreditentscheidung miteinbezogen werden, um eine fundierte Risikoein-schätzung vornehmen zu können.[51] Der VaR wurde zuerst lediglich für die Beur-teilung von Marktrisiken eingesetzt, erst später wurde der VaR entsprechend modifiziert, so dass er auch für die Einschätzung von Adressenausfallrisiken einge-setzt werden konnte.[52]

3.2.1.2 Marktrisiken der Kreditinstitute

Mit dem Begriff Marktrisiken sind hier die Risiken der Kreditinstitute auf dem Kapitalmarkt gemeint, die sich aus den Zins-, Fremdwährungs- bzw. Wechselkurs-, Aktienkurs-, Goldpreis-, Waren- und Rohstoffrisiken ergeben. Alle diese Risiken beschreiben einen potentiellen Wertverlust. Zinsrisiken können sich z. B. durch Veränderungen des Basiszinses ergeben, während Wechselkursrisiken im Derivat-geschäft durch schwankende Wechselkurse entstehen.[53] Die Marktrisiken beziehen sich nicht auf einen einzelnen Kredit, sondern stets auf das gesamte, mit Risiken behaftete Portfolio eines Kreditinstituts, welches unter anderem aus Unterneh-menskrediten, Beteiligungen an Unternehmen, Zertifikaten und Aktien besteht.[54] Der VaR ist für die Einschätzung von Marktrisiken gut geeignet, zumal die für die Berechnung des VaR erforderlichen Daten in Hinblick auf Zins-, Wechselkurs-, Aktienkurs-, Goldpreis- sowie Waren- und Rohstoffveränderungen genau doku-mentiert und zudem auch gut verfügbar sind.[55] Dennoch ist auch bei der Einschätzung von Marktrisiken mit Hilfe des VaR als Kritikpunkt der Umstand zu nennen, dass der VaR nur den maximal erwarteten Verlust, nicht aber den größtmöglichen Verlust abbildet. Zur Einschätzung dieser besonderen Risiken oberhalb des Konfidenzniveaus bedient sich die Finanzwelt sog. Stresstests. Dies sind Szenarioanalysen, die mittels extremer Annahmen hinsichtlich des Markt-umfeldes eine Risikokennzahl ermitteln. Im Szenario werden die Marktparameter, welche für die Berechnung des VaR herangezogen wurden stark modifiziert, um die Auswirkungen auf das eigene Portfolio zu prüfen und die Risikokennzahl zu berechnen.[56] Die Ergebnisse der Stresstests sollen zusammen mit den berech-neten VaR für eine differenziertere Risikobetrachtung und Vergleichbarkeit hinsichtlich gewisser Portfolios oder Investitionen des Kreditinstituts sorgen. Das gesamte Kreditportfolio einem Stresstest zu unterziehen ist keineswegs freiwillig, sondern dem Kreditinstitut beim Einsatz von internen VaR-Ansätzen zur Ermittlung des vorzuhaltenden Eigenkapitals durch die BAFin vorgeschrieben. Die BAFIN empfiehlt für die Berechnung des Marktrisikos mittels VaR ein Konfidenzniveau von 99 % und eine standardisierte Haltedauer von zehn Tagen. Durch diese standardisierten Parameter der BAFin werden alle Kreditinstitute gleich behandelt. So soll gewährleistet werden, dass alle Kreditinstitute auch bei starken Verän-derungen am Kapitalmarkt, die bekanntermaßen innerhalb kürzester Zeit erfolgen können sowie in Krisenzeiten über ein ausreichendes Eigenkapital verfügen.[57]

3.2.1.3 Operationelle Risiken der Kreditinstitute

Wie schon unter BASEL I fließen das Kreditrisiko und das Marktrisiko in die Berechnung des vorzuhaltenden haftenden Eigenkapitals der Kreditinstitute mit ein. Neu unter BASEL II ist die Betrachtung und Bewertung des operationellen Risikos. Es handelt sich hierbei um Risiken deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht exakt messbar ist. Diese Risiken basieren z. B. auf möglichen internen Prüfungsfehlern in der Abwicklung von Geschäftsanbahnungen, nicht steuerbaren Prozessen inner-halb der Mitarbeiter und menschlichen Fehlern. Allerdings gehören auch Betrugs-fälle durch Mitarbeiter oder Externe sowie externe Ereignisse außerhalb des Marktes bzw. des Kreditinstituts zu den operationellen Risiken.[58] Der Begriff des „externen Ereignisses“ meint an dieser Stelle bspw. Naturkatastrophen, Börsen-crashs und Terroranschläge. Zur Berechnung dieser mit Eigenkapital zu unter-legenden Risiken sieht der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht drei verschie-dene Verfahren vor. Hierzu zählen der Basisindikator-Ansatz (BIA), der Standard-Ansatz (STA) sowie der ambitionierte Messansatz (AMA).[59] Der BIA und der STA haben als gemeinsame Ausgangsbasis für die Berechnung des vorzuhaltenden Eigenkapitals den Bruttoertrag des Kreditinstituts. Bei der Verwendung des BIA wird der durchschnittliche Bruttoertrag der vorangegangenen drei Jahre mit einem bereits für das Kreditinstitut festgelegten Faktor gewichtet. Der STA unterscheidet sich vom BIA in der Berechnung des vorzuhaltenden Eigenkapitals durch eine differenzierte Betrachtung der strategischen Geschäftsfelder (SGF). Hierbei wird jedem SGF ein gesonderter Gewichtungsfaktor für den jeweiligen Anteil am Brutto-ertrag zugewiesen, so dass die Summe der gewichteten SGF-Bruttoerträge das vorzuhaltende Eigenkapital für operationelle Risiken ergeben. Bei der Ermittlung des Eigenkapitals durch AMA fließt zusätzlich die aktuelle Situation des Kreditinstituts in die Berechnung mit ein. Der ambitionierte Ansatz zur Messung des operationellen Risikos und des damit verbundenen vorzuhaltenden Eigenkapitals ist ein interner Ansatz des Kreditinstituts. Dieser ist, wie viele andere bankinterne Risikomessverfahren genehmigungspflichtig und bedarf somit der vorherigen Ge-nehmigung durch die BAFin.[60] Die vorherige Genehmigungspflicht durch die BAFin soll, wie bei den übrigen bank- bzw. institutsinternen Risikoermittlungsverfahren, auch hier für mehr Sicherheit sorgen.

3.2.1.4 Liquiditätsrisiken der Kreditinstitute

Die Liquidität eines Unternehmens beschreibt allgemein die Fähigkeit seinen Zahlungsverpflichtungen stets wie zuvor vereinbart, also in voller Höhe bis zum Fälligkeitszeitpunkt nachzukommen. Dieses gilt natürlich auch für Kreditinstitute. Somit ist die Liquidität des Kreditinstituts die positive Differenz der Zahlungs-zuflüsse, inklusive der in der Zwischenzeit gebildeten Reserven über den Zahlungsabflüssen im gleichen Zeitablauf. Im KWG wird das Liquiditätsrisiko lediglich unter § 11 behandelt. Dieser Paragraph besagt grundsätzlich, dass im Kreditinstitut stets eine ausreichende Liquidität vorhanden sein muss. Außerdem stellt er auf geeignete Messmethoden und in die Berechnung einzuschließende Geschäfte ab, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Finanzen in Absprache mit der deutschen Bundesbank bedürfen. Auch die Mindestanfor-derungen für Risikomanagement (MaRisk) behandeln das Liquiditätsrisiko analog zu anderen Risiken, bei denen es die Steuerung, Messung und Überwachung verlangt. Theoretisch wird das Liquiditätsrisiko als eine Folge der Abweichung vom erwarteten Standard verstanden. Die Abweichung vom erwarteten und zuvor vereinbarten Standard bezieht sich dabei nicht nur auf z. B. nicht eingegangene Rückzahlungen von Kreditraten, sondern auf alle erwarteten und nicht erfolgten Zahlungszuflüsse des Unternehmens bzw. hier des Kreditinstituts.[61] In der Literatur finden sich unterschiedliche und zum Teil aufeinander aufbauende Ansätze, die das Liquiditätsrisiko und den Umgang damit beschreiben. Hierzu zählen z. B. die älteren und klassischen Ansätze, wie die goldene Bankregel, die Bodensatztheorie, die Shiftability Theory sowie die Maximalbelastungstheorie. Der Liquidity-at-Risk-Ansatz (LaR) ist der modernste Ansatz zur Bestimmung, Steuerung und Identi-fizierung von Liquiditätsrisiken.[62] Die goldene Bankregel besagt, dass die Aktiva- und Passivageschäfte eines Kreditinstituts hinsichtlich der Quantität, als auch der Qualität möglichst übereinstimmen sollten, um Refinanzierungsrisiken zu mini-mieren. Die goldene Bankregel wurde hauptsächlich durch den Statistiker und Volkswirt Otto Hübner Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt. Er beschrieb die goldene Bankregel wie folgt: „Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credit entsprechen, welchen sie genießt.“[63] Zudem forderte Hübner eine Übereinstimmung der Laufzeiten für Aktiva- und Passivageschäfte, diese wird als Fristenkongruenz bezeichnet. Diese Regelung widerspricht allerdings dem Grundsatz der Fristentransformation, die besagt, dass für die Steuerung der von einander abweichenden Anlage- und Finanzierungswünsche der Kunden der Einsatz eines Finanzintermediärs, z. B. eines Kreditinstituts notwendig ist. Die Fristentransformation hilft den Kredit-instituten bspw. bei der Finanzierung von kurzfristigen Anlagen, die durch langfristig überlassenes Kapital refinanziert werden. Die strikte Anwendung der goldenen Bankregel wäre zwar in der Lage Liquiditätsrisiken zu minimieren, allerdings unter der Bedingung, dass das Kreditinstitut einem Hauptgeschäftsfeld, dem kurzfristigen Anlagegeschäft, nicht mehr nachkommen könnte.[64] Bei der Bodensatztheorie, die 1857 von Adolf Wagner, aufbauend auf der goldenen Bankregel, entwickelt wurde, geht man von einem anderen Prinzip aus bzw. unterstellt gewisse Faktoren. Die Bodensatztheorie besagt, dass die fälligen Einlagen der Gläubiger, dies können z. B. täglich-fällige Giralgelder sein, nicht alle zum gleichen Zeitpunkt abgehoben werden, auch wenn sie als täglich-fällig gelten und auch einzustufen sind. Es wird also zwischen der formellen und der materiellen Frist von Einlagelaufzeiten unterschieden. Zudem wird angenommen, dass den Auszahlungen auch Einzahlungen im gleichen Zeitraum gegenüberstehen, die ausgleichend wirken können. Der sog. Bodensatz, der dieser Theorie ihren Namen gab, besteht aus dem eingezahlten Kapital der Kunden, welches aus der Erfahrung heraus nicht komplett zum gleichen Zeitpunkt materiell fällig wird, obwohl es formell fällig ist. Somit soll es möglich sein, auch mit kurzfristigen Einlagen längerfristige Anlagen zu tätigen, in dem zu jedem Zeitpunkt ein sog. Bodensatz oder Sockel-betrag an Einlagen vorhanden ist, der nicht von den Kunden abgehoben wird.[65] Eine weiterführende und auf den vorangegangen Ansätzen aufbauende Theorie ist die Shiftability Theory von Harold Glenn Moulton, die sich mit der Handelbarkeit von Bankaktiva und dem damit einhergehenden Zusammenhang von Marktpreis- und Liquiditätsrisiken beschäftigt. Des Weiteren unterstellt diese Theorie, dass ein Kreditinstitut mittels des Verkaufs von Bankaktiva Liquiditätsengpässe ausgleichen kann. Diese Bankaktiva können z. B. Wertpapiere sein. Während sich die Boden-satztheorie und die Shiftability Theory damit beschäftigen, die strengen Vorgaben und Konsequenzen aus der Goldenen Bankregel mit entsprechenden Tatsachen-beständen zu entkräften, beschäftigt sich die Maximalbelastungstheorie mit der Eventualität eines sog. Bank Runs, bei dem theoretisch alle Anleger ihre fälligen Einlagen zum gleichen Zeitpunkt kündigen. Dieser theoretische Fall soll durch die Einlagenversicherung geheilt werden, da damit, selbst im Falle einer Krise, den Anlegern die Sicherheit der Einlage bestätigt werden kann und somit der Anreiz zur Kündigung der Einlage genommen wird. Die Vorgaben der Liquiditätsverordnung (LiqV) für Kreditinstitute sollen einen zusätzlichen Schutz darstellen.[66] Der Gedanke der Maximalbelastungstheorie stammt von Wolfgang Stützel, er prägte den Leitsatz dieser Theorie: „Die Summe der Verluste, die bei einer derartigen vorzeitigen Abtretung gewisser Aktiva hingenommen werden müssen, darf nie höher sein als das Eigenkapital.“ Also muss das Eigenkapital des Kreditinstituts einen gewissen Grad an Flexibilität aufweisen, um bei gewissen Marktsituationen, die höhere Abschläge beim Verkauf von Aktiva wahrscheinlich machen auch erhöht werden zu können.[67] Die Höhe der Abschläge für den Verkauf von Bankaktiva hängt von der Situation der Märkte ab, auf denen diese gehandelt werden. Dabei ist es vorstellbar, dass die Transparenz und Liquidität der Märkte über die Höhe der Abschläge mitentscheidet. Somit ist es bei vorhandener Liquidität der Märkte und einer damit einhergehenden geringen erwarteten Abschlagshöhe beim Verkauf von Bankaktiva möglich, von den Grundsätzen der Goldenen Bankregel abzuweichen.[68] In der heutigen Zeit wird das kurzfristige Liquiditätsrisiko mit Hilfe des LaR ge-steuert und gemessen. Der LaR fußt in seinem rechnerischen Aufbau, dem in vorangegangen Kapitel erläuterten VaR. Ähnlich dem VaR, besitzt auch der LaR ein Konfidenzniveau und eine Haltedauer. Der LaR bemisst somit den Nettofinan-zierungsbedarf eines Kreditinstituts, der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an einem Tag nicht überstiegen wird. Hier werden, ähnlich wie bei der Berechnung des VaR, die Extremwerte bzw. Ausreißerwerte vorerst nicht mitberücksichtigt. Dabei gehen gerade von diesen, im Vorwege schwer einzuschätzenden hohen Abflüssen, große Risiken für die Liquidität aus. Diese Ausreißerwerte werden aller-dings mit Hilfe von Extremwertmethoden in die Berechnung des Finanzierungs-mittelbedarfs miteinbezogen.[69] Insgesamt existieren drei verschiedene LaR-Ansätze, welche sich in der Datenbasis unterscheiden, die der Berechnung des LaR zugrunde liegt. Unterschieden werden nicht-parametrische, parametrische und semi-parametrische Verfahren. Nicht-parametrische Verfahren basieren auf histo-rischen bzw. empirischen Daten über Zahlungszu- und -abflüsse des Kreditinstituts. Parametrische Verfahren basieren auf einer theoretischen Annahme hinsichtlich der Verteiliungsfunktion, die hierbei auch stark von einer Normalverteilung ab-weichen kann. Die semi-parametrischen Verfahren arbeiten mit sog. Extremwert-methoden, welche die oben beschriebenen Ausreißerwerte innerhalb einer Ver-teilung mit einbeziehen bzw. approximieren soll. Meist werden diese drei Verfahren gleichzeitig genutzt, um die Verteilung der Zu- und Abflüsse so genau wie möglich einzuschätzen und daraus den Finanzierungsbedarf zu berechnen. Auch hier werden im Nachhinein sog. Backtests gemacht, bei der die Vorhersage mit der eingetroffenen Realität verglichen wird.[70] Grundsätzlich geht ein Kreditinstitut nicht absichtlich ein Liquiditätsrisiko ein. Anders als ein Markt- oder Kreditrisiko, ist ein Liquiditätsrisiko nicht mit einer Gewinnerzielungsabsicht verbunden, es steht also dem Risiko kein möglicher oder erwarteter Ertrag gegenüber. Vielmehr kann das Liquiditätsrisiko als eine Folge von Abweichungen verstanden werden, die aus den zuvor genannten eingegangenen Risikoarten resultieren.[71] Der LaR dient der Steuerung von kurzfristigen Liquiditätsrisiken. Zur Steuerung von mittel- bis langfristigen Liquiditätsrisiken bedient man sich dem sog. erweiterten LaR, dem Liquidity-Value-at-Risk (V-LaR). Dieser Ansatz wird eingesetzt, falls die Ermittlung des LaR ergibt, dass die Kosten der Refinanzierung höher als erwartet ausfallen. Somit misst der V-LaR den Betrag, der durch unvorhersehbar hohe Kosten bei der Refinanzierung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit innerhalb eines zuvor bestimmten Zeithorizonts nicht überschritten wird.[72]

[...]


[1] Vgl. Unternehmermagazin Creditreform Heft 3/2010, S. 35.

[2] Vgl. Witte, S. (2006), S. 16.

[3] Vgl. Hauser, C. (2006), S. 10.

[4] Vgl. Laurenz, N. (2007), S. 4.

[5] Vgl. Europäische Kommission (2006), S. 6 f.

[6] Vgl. Knop, R. (2009), S. 9.

[7] Vgl. Hausch, K. T. (2004), S. 15.

[8] Vgl. Szczepanski, J. (2005), S. 6.

[9] Vgl. Hausch, K. T. (2004), S. 15 f.

[10] Vgl. Heim, G. (2004), S. 199.

[11] Vgl. Volz, C. (2005), S. 4.

[12] Vgl. Marckhgott, B. (1999), S. 9.

[13] Vgl. Chorafas, D. N. (2004), S. 275 f.

[14] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung, online am 27. November 2010 im www unter URL: http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=547.

[15] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung, online am 27. November 2010 im www unter URL: http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=540.

[16] Vgl. Greschuchna, L. (2006), S. 50.

[17] Vgl. Fueglistaller, U. / Müller, C. / Volery, T. (2004), S. 98 f.

[18] Vgl. Knop, R. (2009), S. 13.

[19] Vgl. Kellermann, K. (2005), S. 20 f.

[20] Vgl. Köbler, J. (2008), S. 11 f.

[21] Vgl. Schroeer, S. (2009), S. 12.

[22] Vgl. Knop, R. (2009), S. 14 f.

[23] Vgl. Grohmann, O. (2007), S. 36.

[24] Vgl. Übelhör, M. / Warns, C. (2004), S 16.

[25] Vgl. Behr, P. / Fischer, J. (2005), S. 36.

[26] Vgl. Szczepanski, J. (2005), S. 19.

[27] Vgl. Minden, S. (2009), S. 14.

[28] Vgl. Übelhör, M. / Warns, C. (2004), S. 15 ff.

[29] Vgl. Vidyarthi, V. P / Gupta, S. K. (2007), S. 71.

[30] Vgl. Übelhör, M. / Warns, C. (2004), S. 21.

[31] Vgl. Behr, P. / Fischer, J. (2005), S. 43.

[32] Vgl. Füser, K. / Heidusch, M. (2002), S. 132.

[33] Vgl. Everling, O. / Trieu, M. L. (2007), S. 99 f.

[34] Vgl. Lüdicke, O. (2003), S. 69 f.

[35] Vgl. Übelhör, M. / Warns, C. (2004), S. 25 f.

[36] Vgl. Ohletz, W. (2007), S. 56.

[37] Vgl. Minden, S. (2009), S. 15.

[38] Vgl. Alparslan, A. (2006), S. 26.

[39] Vgl. Lüscher-Marty, M. (2009), S. 1.09.

[40] Vgl. Wildemann, H. (2005), S. 233 ff.

[41] Vgl. Adam, T. (2008), S. 399.

[42] Vgl. Spielberg, H. / Sommer, D. / Dankenbring, H. (2004), S. 328.

[43] Vgl. Wolke, T. (2008), S. 156 f.

[44] Vgl. Elschen, R. (2002), S. 23.

[45] Vgl. Hartmann-Wendels, T. / Pfingsten, A. / Weber, M. (2010), S. 499 f.

[46] Vgl. Strauß, M. (2008), S 47.

[47] Vgl. Kuruc, A. (2000), S. 185 f.

[48] Vgl. Pohanka, C. (2008), S. 5 f.

[49] Vgl. Schramm, S. (2009), S. 9 f.

[50] Vgl. Wolke, T. (2008), S. 60.

[51] Vgl. Fiege, S. (2006), S. 172 f.

[52] Vgl. Eisele, B. (2004), S. 28.

[53] Vgl. Bachmann, U. (2004), S. 55.

[54] Vgl. Reichling, P. / Bietke, D. / Henne, A. (2007), S. 36.

[55] Vgl. Fricke, J. (2006), S. 22.

[56] Vgl. Wolke, T. (2008), S. 60 f.

[57] Vgl. Unger, D. (2008), S. 36 f.

[58] Vgl. Kaiser, T. / Köhne, M. F. (2007), S. 38.

[59] Vgl. Friedmann, A. (2008), S. 19.

[60] Vgl. Minz, K.-A. (2004), S. 179.

[61] Vgl. Büdel-Hartmann, S. (2008), S. 6 f.

[62] Vgl. Hartmann-Wendels, T. / Pfingsten, A. / Weber, M. (2010), S. 468.

[63] Vgl. Hübner, O. (1854), S. 28.

[64] Vgl. Hartmann-Wendels, T. / Pfingsten, A. / Weber, M. (2010), S. 469.

[65] Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 908.

[66] Vgl. Hartmann-Wendels, T. / Pfingsten, A. / Weber, M. (2010), S. 472 f.

[67] Vgl. Stützel, W. (1959), S. 43.

[68] Vgl. Hartmann-Wendels, T. / Pfingsten, A. / Weber, M. (2010), S. 473.

[69] Vgl. Blum, A. (2008), S. 13.

[70] Vgl. Hofmann, M. (2009), S. 25 f.

[71] Vgl. Büdel-Hartmann, S. (2008), S. 8.

[72] Vgl. Zeranski, S. (2007), S. 20.

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Résumé des informations

Titre
Die Steuerung von Kreditrisiko- und Forderungsmanagement im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
Sous-titre
Vor dem Hintergrund von Basel II
Université
University of applied sciences, Duisburg  (FOM Hamburg)
Cours
Unternehmensführung im Mittelstand
Note
1,7
Auteur
Année
2011
Pages
98
N° de catalogue
V281975
ISBN (ebook)
9783656762935
ISBN (Livre)
9783656762928
Taille d'un fichier
1467 KB
Langue
allemand
Mots clés
KMU-Segment, Forderungsmanagement, Kreditrisiko, Forderungsbeitreibung, Factoring, WKV, Warenkreditversicherung, Forderungsausfallversicherung, Bankenrichtlinien, Basel II, Basel, Risikomanagement, Liquiditätsrisiken, Kreditrisiken, Betriebsrisiken, Beschaffungsrisiken, Absatzrisiken, Marktrisiken, Rating, Mindestkapitalanforderungen, Ökonomisches Kapital, Bankenaufsicht, Marktdisziplin, Kreditkosten, bankinternes Rating, IRB-Ansatz, Inkasso, Inkassobüro, KMU, Forderungsverkauf, Forderungsabtretung, Kreditrisikomanagement, Finanzierungsrisiken, Mahnkosten, Mahnwesen, Eigenkapitalvorschriften, Wirtschaftsauskunftei, Auskunftei, Bonität, Eidesstaatliche Versicherung, Debitorenbuchhaltung
Citation du texte
Benjamin Marzahl (Auteur), 2011, Die Steuerung von Kreditrisiko- und Forderungsmanagement im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281975

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