Medien und Demokratisierung in Ägypten - Dargestellt anhand der Muslimbruderschaft


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1. Geschichte der Muslimbruderschaft
1.1 Hasan al- Banna
1.2 Die Gründung der Muslimbruderschaft
1.3 Von der Reform- zur Massenbewegung
1.4 Radikalisierung
1.5 Mäßigung der Bruderschaft

2. Die Muslimbruderschaft
2.1 Ideologie und Aufbau der Bruderschaft
2.2 Finanzierung

3. Medien und Demokratisierung
3.1 Islamisches Demokratieverständnis
3.2 Staat und Medien
3.3 Die Muslimbruderschaft und die Medien

Resümee

Bibliographie

Einleitung

Im Folgenden soll untersucht werden, auf welche Weise die Muslimbruderschaft, auf die im ersten Teil näher eingegangen wird, in Ägypten den Status einer Massenbewegung erhielt. Wie stehen die Muslimbrüder zu Demokratie, Volkssouveränität und Parlamentarismus? Wie ist es zu erklären, dass die Bruderschaft von ihrem radikalen Weg zur Errichtung eines islamischen Staates abkam und nun sogar Bestrebungen zeigt, als legale Partei im Rahmen des demokratischen Parlamentarismus politisch mitzuwirken?

Als weiterer Schwerpunkt soll veranschaulicht werden, inwieweit für die Muslimbruderschaft in der ägyptischen Medienlandschaft Möglichkeiten bestehen als nicht parlamentarische Opposition wirkungsvoll zu agieren und welcher medialer Instrumente sich die Bruderschaft bedient, um ihre Ideen als Randgruppe im ägyptischen politischen Prozess zu vermitteln.

1. Die Geschichte der Muslimbruderschaft

1.1 Hasan al- Banna

Da Hasan al- Banna als der geistige Vater und Gründer der Muslimbruderschaft verstanden wird, soll hier näher auf seine Person, seine Einflüsse und sein Wirken eingegangen werden.

Geboren wurde Hasan al- Banna im Oktober 1906 in Mahmudiyya in der Provinz Buhayra. Sein Vater Shaykh Ahmad ‘Àbd al- Rahman al- Bana al- Sa ‘ati hatte die Funktion eines örtlichen Imam inne. Er war als Lehrer an der Moschee tätig und Autor verschiedener Werke des hadith. Das Studium hatte er an der Azhar- Universität absolviert. Er erzog seinem ältesten von fünf Söhnen Hasan das traditionelle, klassisch breitgefächerte Lernen an und vermittelte ihm auch das Ideal der Pietät.[1]

Im Alter von acht Jahren beginnt Hasans Erziehung an der Kuttab- Schule. Dort wird Shaykh Muhammad Zahran sein Lehrer, der ihn neben seinem Vater als erster nachhaltig prägte.[2]

Mit zwölf kam Hasan al- Bassan an eine weiterführende Schule, wo er schnell mit der religiösen „ Gemeinschaft für moralisches Verhalten“[3] in Kontakt kam. Ziel dieser Gemeinschaft war es, seine Mitglieder für moralische Verstöße wie zum Beispiel maßlose Lebensweise etc. zu sensibilisieren. Auch hier fand Hasan wieder in Gestalt seiner Lehrer den Halt, den ihm in Bezug auf Erziehung und traditionelles Gedankengut auch schon sein Vater gegeben hatte. Innerhalb kürzester Zeit wurde Hasan al- Banna der Führer der Gemeinschaft. Er lernte schnell, die ihm auferlegte Verantwortung gegen Neider und Gegner zu verteidigen. In dieser Zeit bekam er auch Einblick in den mystischen Zirkel des Ordens der Hasafydischen Brüder. „ Tief beeindruckt“ näherte er sich dem Orden mehr und mehr an, bis er selbst eintrat und in der darauf folgenden Zeit im Alter von 13 Jahren Sekretär der Splittergruppe „ Hasafydische Gemeinschaft der Güte“ wurde.

Die Gemeinschaft sah sich selbst angesichts des starken ausländischen Einflusses im Land als eine Art „ Bollwerk“ zur Bewahrung der islamischen Moralvorstellung, gleichzeitig sollte aber auch die christliche Missionierung in den Städten aktiv bekämpft werden. Al- Banna bezeichnete die Gemeinschaft später als „ Wurzel und Vorläufer“ der Gemeinschaft der Muslimbrüder.

1919 beteiligte sich Hasan al- Banna an den Demonstrationen und Unruhen, die der Ausweisung des Wafd- Führers Saad Zaghlul durch die Briten folgten. Mit besonderem Unmut nahm er die Besetzung seiner Heimatstadt durch die britischen Truppen wahr.[4]

Unter diesem neuen Einfluss, aber auch einem erwachten Interesse am Sufismus schrieb er sich in die „ Primary Teacher’s Training School“ in Damanhur ein. Neben dem Sufismus setzte sich al- Banna auch mit den Lehren des Abu Hamid al- Ghazzali ( 1058- 1111) auseinander. Im Alter von 16 schließlich wechselte al- Banna an die Dar al- Ulum in Kairo: Hier sollten moderne Lehrweisen und modernes Wissen mit der Tradition der Al- Azhar verbunden werden, die Moderne nahm jedoch in den Folgejahren einen stärkeren Schwerpunkt ein. Mitchell konstatiert in dieser Zeit die maßgebliche Denkweise, die Hasan al- Banna die nächsten Jahre bis hin zur Gründung der Bruderschaft prägen sollten. Dabei war für ihn aber der Einfluss seines Vaters und seiner Lehrer im Gegensatz zum traditionellen Islamischen Studium für ihn stets nachhaltiger ( S. 3). Neben dem Studium las er neben sufischer Literatur Biografien des Propheten, national angehauchte Werke über das Heldentum und die Verteidigung der Heimat.

In Kairo sah sich al- Banna als eine Art Außenstehender, der die Missstände mit den Augen eines „ religiösen Dörflers“[5] deutlich erkannte. Auch in Kairo knüpfte er Kontakte zu den Hasafyden und trat der „ Islamischen Gemeinschaft für die Würde des Charakters“ ein.

In der Auffassung, „ die Moschee allein genüge nicht“ ( S. 5), den Menschen den Glaube an den Islam zu vermitteln, sandte Hasan al- Banna Studenten der Universitäten in die ländlichen Regionen Ägyptens, um zu „ Beten und Führen“ und die Idee der Bruderschaft hinauszutragen.

Für ihn machte sich auch ein dringender Handlungsbedarf bemerkbar, die islamische Gesellschaft zu bewahren. Für sich selbst sah er in diesem Prozess eine Rolle als „ Ratgeber und Lehrer“[6] vor.

1927 erreicht er seinen Abschluss und beendet das Studium an der Dar al- Ulum.

Für 19 Jahre wird al- Banna daraufhin Arabisch- Lehrer in Isma ’iliyya in der Nähe des Suezkanals. Neben dem Unterricht pflegt er eine enge Verbindung zu den Arbeiterfamilien, die im Auftrag der Suez Canal Company und der Briten in der Region beschäftigt sind.[7] Sein Ziel war es, die Kontakte zur Macht zu knüpfen. Die Mächtigsten des Landes setzten sich für ihn wie folgt zusammen: Die Ulama, die Scheichs des Sufi- Ordens, die „ Alten“- womit in erster Linie die alteingesessenen Familien, die alten Eliten gemeint sind, sowie die unzähligen Gemeinschaften und Orden. Er erhoffte sich so die Möglichkeit, die Meinungsführer nach seinen Ideen beeinflussen zu können.

Die unmittelbare Nähe der in der Suez- Region stationierten britischen Soldaten in den „ Suez- Camps“ schürten seinen Hass einerseits auf die Ägypten von kolonialen Mächten aufgezwungene Okkupation, andererseits auf die wirtschaftliche Macht der Suez Canal Company, die die Einheimischen als billige Arbeitskräfte missbrauchte und seiner Meinung nach ausbeutete.

Auch während seiner Zeit in Suez bleibt Hasan al- Banna mit den islamischen Gruppierungen Kairos in regem Kontakt.

1.2 Die Gründung der Muslimbruderschaft

Kurz nach der Formierung der neuen Vereinigung „ Young Men´s Muslim Association“ in Kairo wird die Muslimbruderschaft, eher willkürlich denn aus langer Hand geplant, gegründet. Im März 1928 machen sechs Arbeiter aus den britischen Lagern Hasan al- Banna ihre Aufwartung: Sie wollen den „ Ruhm des Islam“ und den Dienst am Vaterland vorantragen. Dabei betiteln sie al- Banna als ihren Führer (murshid ) und bieten ihm alles an- ihren geringen Besitz, „ Blut und […] Seele“ und sehen sich selbst als „ Truppen für die Botschaft des Islam“.[8]

So macht die Bruderschaft bei ihrer Gründung den Eindruck einer stark religiös indoktrinierten Vereinigung, die, aus der Not heraus geboren, eine stark ausgeprägte Ideologie der Autorität betont, die im Führerprinzip mündet.[9]

Der Name der Bruderschaft wurde im erwähnten Gespräch mit den Arbeitern geprägt: „ Wir sind Brüder im Dienst des Islam, […], die Muslimbrüder.“ (Jama at al- Ikhwan al- Muslimin)[10].

Die Tätigkeit der Bruderschaft beschränkte sich in den ersten drei Jahren auf die Rekrutierung neuer Mitglieder. Dies geschah über den direkten Kontakt oder in Moscheen, anderen Gemeinschaften und privat in den Häusern der Bevölkerung im ganzen Land. Trotz der hohen Präsenz der Bruderschaft in diesen ersten Jahren wurde der öffentliche Auftritt in Kairo gemieden. Isma `iliyya blieb das Zentrum von Organisation und Koordination der Tätigkeiten. Mit der finanziellen Unterstützung der örtlichen Kaufleute aber auch der Suez Canal Company, wurde 1930 ein altes Haus zu einer Moschee umgebaut, später schloss man dem Komplex eine Jungen- und eine Mädchenschule an.[11] Dadurch sollte die Aufmerksamkeit aber auch das Wohlwollen der Öffentlichkeit in Isma `iliyya auf die Bruderschaft gezogen werden. Das Selbstverständnis der Bruderschaft, gleichzeitig neben dem Kampf für den Islam auch soziale Ziele zu verfolgen kann so festgestellt werden, aber auch die Verachtung gegenüber der staatlichen Unterdrückung religiöser Lehren im öffentlichen Schulsystem.[12]

Neben zahlreichen Förderern der Bruderschaft, gaben sich bald auch ausgesprochene Gegner zu erkennen: So stand al- Banna lange Zeit unter dem Verdacht, eine Organisation mit kommunistischem Einfluss installieren zu wollen, man hielt ihn selbst für einen Kommunisten und gar für einen Wafdisten. Auf Antrag des Ministeriums für Erziehung wurde die Bruderschaft und die Person Hasan al- Bannas eingehend untersucht, man konnte jedoch keine Illegalitäten oder Bedrohungen für den Staat ausmachen.[13]

Nachdem sich die Bruderschaft fest in Ägypten etabliert hatte, gehörte sie Ende der 30er Jahre schon zu einem „ großen Faktor “[14] der ägyptischen Politik.

1.3 Von der Reform- zur Massenbewegung

War die Muslimbruderschaft in der Zeit ihrer Gründung und in den Jahren danach noch eine Reformbewegung, die religiöse Aktivitäten hauptsächlich in ihren eigenen Reihen ausübte, so wuchs sie in den 1940er Jahren zu einer regelrechten „ islamischen Volksbewegung“[15] an, die eine islamische Politik, „ basierend auf islamischen Normen und […] der Sharia“ forderte.

Die breiteste Unterstützung in der Bevölkerung fand die Bruderschaft in der Mittelklasse und der gehobenen Mittelklasse. Aber auch die Arbeiterschicht war vor allem in den ersten Jahren Zielgruppe der Bruderschaft. Zu erklären ist die breite Befürwortung der Bruderschaft durch ihre Präsenz im Alltag: Durch den Aufbau eines weit verzweigten „ Netzwerk[s] sozialer, lehrender, religiöser und wohltätiger Organisationen“ in den Städten und Dörfern überall im Lande entstand so in der ägyptischen Gesellschaft eine eigene, autonome Gesellschaft. In Form von Moscheen, Schulen, Krankenhäusern und Rat- beispielsweise in Rechtsangelegenheiten- wurde der Bevölkerung da, wo der ägyptische Staat nicht weiterhelfen konnte, Lebenshilfe von der Bruderschaft angeboten.

[...]


[1] Mitchell, Richard: The Society of the Muslim Brothers, London, 1969, S. 2.

[3] Mitchell, S.2 ff.

[4] Mitchell, S. 3.

[5] Mitchell, S. 4.

[6] Mitchell, S. 6.

[7] Mitchell, S. 7.

[8] Mitchell, S. 8.

[9] Kühnl, Reinhard: Formen bürgerlicher Herrschaft, Hamburg 1971, S. 84 ff.

[10] Skovgaard-Petersen, Jakob: Defining Islam for the Egyptian State, Leiden 1997, S. 155.

[11] Mitchell, S. 9.

[12] Skovgaard-Petersen, S. 155.

[13] Mitchell, S. 10.

[14] Skovgaard- Petersen, S. 156.

[15] Faksh, S. 41- 57.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Medien und Demokratisierung in Ägypten - Dargestellt anhand der Muslimbruderschaft
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V28198
ISBN (eBook)
9783638300490
ISBN (Buch)
9783638789233
Dateigröße
798 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medien, Demokratisierung, Dargestellt, Muslimbruderschaft
Arbeit zitieren
B.A. Malte Gaier (Autor:in), 2004, Medien und Demokratisierung in Ägypten - Dargestellt anhand der Muslimbruderschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28198

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