Was auch immer man für Assoziationen bei dem Namen de Sade haben mag, viel zu häufig werden seine philosophischen und politischen Gedanken dabei ausgeblendet, wenn nicht gar vollständig durch den Rahmen seiner geschilderten Perversitäten entwertet. Die Lektüre von de Sade ist äußerst anstrengend, die Texte zwar von beachtlicher Länge, aber ebenso monoton in der Sprache, wie scheinbar endlos repetitiv in der Handlung. Und dennoch steht ein System hinter den Ausführungen seiner Orgien und die ausschweifende Moral, die von einer einfachen Promiskuität bis zum tödlichen Verbrechen reicht, wird zwischen den Episoden des Aktes ausführlich zu begründen versucht. In der vorliegenden Arbeit stütze ich mich vor allem auf die Schrift de Sades „Die Philosophie im Boudoir“, speziell deren enthaltenes, etwa 40-seitiges Pamphlet mit dem Titel „Franzosen, noch eine kleine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt“, welches ein paar Jahre nach der französischen Revolution von 1789 verfasst und publiziert wurde. De Sade breitet darin seine moralischen Ansichten, wie sie ihm nützlich für einen republikanischen Staat erscheinen aus, wobei er niemals eine strenge deduktive Methode in seinen Schlüssen vermissen lässt, ebenso wenig wie er Rücksicht walten lässt, für etwaige Dissidenten seiner theoretischen Staatsform. Seine Ideen, die wohl nicht nur dem heutigen Leser teilweise äußerst abwegig, überzogen und extremistisch vorkommen werden, weisen ein extrem ambivalentes Verhältnis unter dem Gesichtspunkt aufklärerischen Denkens auf. Zwar ist seine Methode die eines rationalistischen und patriotischen Denkers, obgleich die Ergebnisse seiner Überlegungen die eines aufgeklärten Geistes bei Weitem übersteigt. Er verliert sich durch sein liberales Denken in Extrempositionen und bricht damit der Aufklärung selbst die Spitze ab. Bei Horkheimer und Adorno, nebst Kant und Nietzsche, noch zu den
„unerbittlichen Vollendern der Aufklärung“ (Dialektik der Aufklärung, S.6) gezählt, modifiziert sich sein Denken trotz aller stringenten Argumentation zu einer misanthropischen Ablehnung des ethischen Logos durch die systematisierte, und eben deshalb auch haltlos gewordene, Übersteigerung desselbigen. Die Intention hinter dieser Arbeit ist es also, die moralischen Maximen de Sades herauszustellen, um diese anschließend unter dem Gesichtspunkt eines aufklärerischen Denkens zu bewerten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sades Religionskritik
- Zur Praxis der Moralkritik
- Der „Wert“ des Verbrechens
- Freiheit und Aufklärung
- Presse- und Meinungsfreiheit
- Moral und Pädagogik
- Moral und Sexualität
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die moralischen Maximen des Marquis de Sade und untersucht deren Verhältnis zum aufklärerischen Denken. Dabei dient die „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno als wichtige Sekundärliteratur. Die Arbeit konzentriert sich auf die moralischen Ansichten de Sades, wie sie in seinem Pamphlet „Franzosen, noch eine kleine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt“ aus „Die Philosophie im Boudoir“ zum Ausdruck kommen.
- Sades Religionskritik und die Verwerfung des Christentums
- Die Rolle der Freiheit und Gleichheit in de Sades Republikmodell
- Die Rechtfertigung des Verbrechens als Ausdruck von Natur und Trieb
- Die Bedeutung des Egoismus und die Abkehr von humanistischen Idealen
- Die Folgen von de Sades Übertreibungen für die Entwicklung der Aufklärung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext und die Intention der Arbeit vor. Es wird hervorgehoben, dass de Sades Schriften oft nur auf seine Darstellung von Perversionen reduziert werden, während seine philosophischen und politischen Ideen vernachlässigt werden. Das Kapitel 2 widmet sich Sades Religionskritik und seiner Ablehnung der christlichen Moral. Er argumentiert, dass die Religion dem republikanischen Ideal der Freiheit und Gleichheit zuwiderläuft und stattdessen die heidnische Moral der Antike als Vorbild dienen sollte. In Kapitel 2.1 wird de Sades Methode der Moralkritik dargestellt, die vor allem auf Spott und Lächerlichkeit gegenüber religiösen Autoritäten setzt. Kapitel 2.2 behandelt de Sades rechtfertigung des Verbrechens, wobei er argumentiert, dass Mord, Diebstahl und andere Straftaten natürliche Handlungsmotive sind, die durch die menschliche Natur und ihre Bedürfnisse bestimmt werden. Kapitel 3 untersucht de Sades Vorstellungen von Freiheit und Aufklärung. Er fordert eine uneingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Abschaffung jeder Form von Zensur, die er als Instrument des Despotismus betrachtet. Kapitel 4 befasst sich mit de Sades Pädagogik und Menschenbild. Er plädiert für eine Erziehung zur Selbsterhaltung und zum Egoismus und lehnt die traditionelle Familienstruktur als republiksschädlich ab. Schließlich analysiert Kapitel 4.1 de Sades Sexualmoral, die sich durch eine vollständige Befreiung der sexuellen Triebe auszeichnet. Er propagiert eine Gesellschaft, in der Promiskuität, Polygamie und alle sexuellen Neigungen toleriert und sogar gefördert werden.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Marquis de Sade, Aufklärung, Religionskritik, Freiheit, Gleichheit, Republik, Verbrechen, Moral, Pädagogik, Sexualität, Egoismus, Anarchismus, Kritische Theorie, Horkheimer, Adorno, „Die Philosophie im Boudoir“, „Franzosen, noch eine kleine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt“.
- Citation du texte
- Markus Uehleke (Auteur), 2008, Die Moral und Immoral des Marquis de Sade, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281989