Die frühe Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG)

Eine kritische Betrachtung aus Sicht der Akteure zum Ende der 17. Legislaturperiode


Bachelorarbeit, 2013

67 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zielstellung
1.2 Forschungsleitende Fragestellung
1.3 Methodik

2. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz
2.1 Der Weg zum Gesetz
2.2 Die Ziele des Gesetzes
2.3 Der Gemeinsame Bundesausschuss
2.4 Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
2.5 Das Hersteller-Dossier
2.6 Die frühe Nutzenbewertung
2.7 Orphan Drugs als Besonderheit

3. Auswertung, Erkenntnisse und Erfahrungen - Kritische Betrachtungen
3.1 Auswertung der Zusatznutzeneinstufungen
3.1.1 Methodisches Vorgehen
3.1.2 Häufigkeitsverteilung der Zusatznutzenkategorien
3.1.3 Vergleich der Zusatznutzeneinstufungen
3.1.3.1 Abweichungen zwischen IQWiG und G-BA
3.1.3.2 Abweichungen zwischen Arzneimittelhersteller und G-BA
3.2 Die Auswirkungen auf die gesetzlichen Krankenkassen
3.2.1 Übersicht gesetzlicher Krankenkassen in Deutschland
3.2.2 Herausforderungen an die Krankenkassen
3.2.3 Der GKV-Spitzenverband
3.2.4 Die Frühe Nutzenbewertung aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes
3.2.4.1 Auswahl der zweckmäßige Vergleichstherapie
3.2.4.2 Preisverhandlungen mit den Arzneimittelherstellern
3.2.4.3 Einsparungen durch die frühe Nutzenbewertung
3.3 Die Auswirkungen auf die pharmazeutische Industrie
3.3.1 Die pharmazeutische Industrie in Deutschland
3.3.2 Eine Kritische Betrachtung aus Sicht der pharmazeutischen Industrie
3.3.2.1 Zweckmäßige Vergleichstherapie
3.3.2.2 Kosten der frühen Nutzenbewertung
3.3.2.3 Gefährdete Referenzpreise
3.3.2.4 GKV-Spitzenverband: Regelgeber, Schiedsrichter und Spieler
3.3.2.5 „Opt-Out“ Option als Konsequenz
3.3.2.6 Datenflut versus Mitarbeiter
3.4 Die Auswirkungen auf die Patienten
3.4.1 Patientenorganisation in Deutschland
3.4.2 Eine kritische Betrachtung aus Sicht der Patienten
3.4.2.1 Patientenbeteiligung an der frühe Nutzenbewertung
3.4.2.2 Unzureichende „patientenrelevante Endpunkte“
3.4.2.3 Innovationen in der Praxis
3.4.2.4 Patienten werden selbst zu Experten
3.5 Schlussfolgerung

4. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anlagenverzeichnis:

Anlage

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Das Gesundheitssystem in Deutschland beruht auf dem Solidarprinzip. Ein Gesundheitsfonds, der aus Beiträgen von Arbeitgebern[1] und Arbeitnehmern gespeist wird, bildet die finanzielle Grundlage des Systems. Aus diesem Fonds werden alle diagnostischen und therapeutischen Leistungen für die gesetzlich versicherten Bürger bezahlt (Busse, et al., 2013, S. 114). Die Ressourcen im Gesundheitswesen sind daher begrenzt. Die Finanzierung des Fonds steht vor verschiedenen Herausforderung: eine zunehmend älter werdende Bevölkerung mit erhöhter Morbidität, eine abnehmende Anzahl junger Beitragszahler und erhöhte Kosten durch echte bzw. vermeintliche Neuerungen von Arzneimitteln.

Die Krankenkassen sind deshalb an wissenschaftlich begründeten Therapien interessiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), ein zentralistisches Gremium, beschließt über die Erstattungsfähigkeit von Therapien. Um eine möglichst wissenschaftlich begründete Entscheidung über den Nutzen von Therapien treffen zu können, werden vom G-BA sogenannte Health Technology Assessments (HTA) in Auftrag gegeben. HTAs sind Nutzenbewertungen, für die vorhandenen Studien und medizinischen Veröffentlichungen ausgewertet werden. HTAs werden in Deutschland unter anderem vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) angefertigt.

Besonders die Markteinführung neuer Arzneimittel verursachte in der Vergangenheit hohe Kosten. Ein therapeutischer Zusatznutzen musste bisher nicht nachgewiesen werden. Dies änderte sich mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), das am 1. Januar 2011 in Kraft trat. Es regelt die Preisbildung für neu zugelassene Arzneimittel und damit deren Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Für alle neuen Arzneimittel muss der Hersteller künftig Nachweise für einen Zusatznutzen in Bezug auf eine Vergleichstherapie vorlegen. Der G-BA entscheidet hierbei über die Höhe des Zusatznutzens. Als Entscheidungshilfe dient ihm eine Nutzenbewertung des IQWiG.

1.1 Zielstellung

Die frühe Nutzenbewertung im Rahmen des AMNOG hat Folgen für sämtliche Akteure im Gesundheitswesen. Die Auswirkungen des Gesetzes zeichnen sich nach zweieinhalb Jahren deutlicher ab und erlauben nun eine differenzierte Betrachtung. Im Rahmen der Bachelorarbeit werden zunächst theoretische Grundlagen zum Gesetz und der beteiligten Gremien vermittelt. Anschließend erfolgt eine kritische Auseinandersetzung der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln aus Sicht der Krankenkassen, der pharmazeutischen Industrie und der Patienten.

1.2 Forschungsleitende Fragestellung

Welche Auswirkungen hat die frühe Nutzenbewertung im Rahmen des AMNOG auf die Akteure des Gesundheitswesens nach dem heutigen Erkenntnisstand?

1.3 Methodik

Im ersten Teil der Bachelorarbeit werden zunächst die theoretischen Hintergründe dargestellt. Hierzu wird die Notwendigkeit für die Verabschiedung des Gesetzes, als auch die Ziele des Gesetzes erläutert. Ein Aspekt des Gesetzes ist die frühe Nutzenbewertung, die anschließend detailliert erklärt wird. Zum besseren Verständnis werden zuvor die zwei beteiligten Gremien – der G-BA und das IQWiG – vorgestellt und der Aufbau und Inhalt eines Dossiers erläutert, auf dessen Grundlage eine frühe Nutzenbewertung stattfindet.

Im zweiten Teil der Thesis wird der Erkenntnisstand der bisherigen Praxiserfahrung aufbereitet. So erfolgt zunächst eine Analyse der bisher abgeschlossenen Nutzenbewertungen. Hierbei werden die Häufigkeiten und Abweichungen bei der Zusatznutzenvergabe genauer betrachtet, grafisch dargestellt und ausgewertet. Anschließend wird die Sicht von drei Beteiligten des Bewertungsprozesses dargestellt. Dies sind: die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie als Hersteller der zu bewertenden Arzneimittel, die Krankenkassen als Verwalter der Gelder des Gesundheitswesens und die Patienten[2], die auf Neuerungen von Arzneimitteln angewiesen sind. Somit soll die frühe Nutzenbewertung aus den wichtigsten Blickwinkeln betrachtet werden.

Auf Grund der Aktualität des Themas, der national begrenzten Anwendung und des relativ kurzen Zeitraums seit dem Inkrafttreten des Gesetzes, ist Literatur zur frühen Nutzenbewertung quantitativ beschränkt. Daher soll die Bearbeitung auf Grundlage von Stellungnahmen, Jahresberichten, wissenschaftlichen Artikeln, Reporten, etc. erfolgen. Des Weiteren erfolgte die persönliche Teilnahme des Autors an öffentlichen Anhörungen des G-BA sowie die Mitarbeit an einem Workshop zum Thema „Economics and Health Technology Assessments on the area of haemophilia“.

Abschließend werden die Auswirkungen der frühen Nutzenbewertung interpretiert und eine Schlussfolgerung gezogen.

2. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz

Der kontinuierliche Fortschritt in der Arzneimitteltherapie durch immer neue und vor allem kostenintensive Medikamente und Therapiemöglichkeiten stellt eine Herausforderung für die Ressourcen im Gesundheitswesen dar. Daher sind die Krankenkassen stets an Kosteneinsparungen interessiert. Um diese zu realisieren, wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von gesundheitspolitischen Maßnahmen eingeführt. Ein wichtiges Instrument stellt dabei das im § 35a SGB V verankerte AMNOG dar, das am 11. November 2010 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und am 1. Januar 2011 in Kraft trat.

2.1 Der Weg zum Gesetz

Im Jahr 2009 wurden für Arzneimittel, einschließlich der Zuzahlungen der Versicherten, mehr als 30 Mrd. Euro für Arzneimittel ausgegeben (BMG, 2013a). Besonders ins Gewicht fielen dabei innovative, aber auch kostenintensive Spezialpräparate. „Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rund 26 Prozent, obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 Prozent beträgt“ (Deutscher Bundestag, 2010). Der Kostenzuwachs von Arzneimitteln ohne Festbetrag ist hierbei besonders hoch. Dazu Jens Baas, der Vorsitzender des Vorstandes der Techniker Krankenkasse:

„Die Ausgaben hierfür sind der zweitgrößte Posten für die GKV. Eine gute Arzneimitteltherapie kann - richtig angewandt - eine der effektivsten medizinischen Interventionen sein. Die Pharmabranche wird vielfach als innovativer Wirtschaftszweig gesehen. Und auch in der politischen Diskussion ist das Thema ‘Arzneimittel‘ ein Dauerbrenner. Es lohnt sich also, immer wieder einen genaueren Blick auf die Versorgung mit Arzneimitteln zu werfen.“ (Windt, et al., 2013, S.5).

Doch die Entwicklung eines neuen Medikaments ist ein zeitaufwendiger und teurer Prozess. Sie dauert im Durchschnitt zwölf Jahre und kostet mehrere Millionen Euro bis zur Zulassung. Der finanzielle Aufwand der pharmazeutischen Industrie ist sehr hoch, um Medikamente mit verbesserten Eigenschaften, sowie für neue Indikationen zu entwickeln. Dennoch sind Innovationen in der Arzneimittelversorgung erwünscht und unverzichtbar. Doch das birgt auch Interessenskonflikte der betroffenen Akteure. Wie in Abbildung 1 dargestellt, steht auf der einen Seite ein Leistungskatalog mit qualitativ hochwertigen und innovativen Medikamenten, die uneingeschränkt für Patienten zur Verfügung stehen sollen. Dem liegen aber auf der anderen Seite die begrenzten Ressourcen der GKV und die Forderung einer nachhaltigen Finanzierung gegenüber. Gleichzeitig soll dabei die pharmazeutische Industrie bei der Entwicklung von Innovationen unterstützt und angemessen entlohnt werden. Somit entsteht ein „Konflikt zwischen der industriepolitischen Zielsetzung der Förderung des Innovationsstandortes Deutschland und der sozialpolitischen Zielsetzung der Ausgabensenkung“ (Köhler, 2013, S. 21).

Abbildung 1: Das Spannungsverhältnis der Arzneimittelversorgung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

„Der Arzneimittelmarkt ist nicht wie jeder andere. Es geht um die Gesundheit und damit um eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“ (Wasem, 2012, S. 27). Die Entscheidungsträger des Gesundheitswesens stehen daher vermehrt im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn es darum geht, über optimale diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu bestimmen. Somit steht auch die Gesundheitspolitik in der Verpflichtung, den Arzneimittelmarkt und somit auch die Arzneimittelausgabenausgaben mit Hilfe von effektiven Instrumenten zu steuern. Klinische Studien und medizinische Veröffentlichungen sind dabei von größter Wichtigkeit und Teil der immer mehr im Vordergrund stehenden evidenzbasierten Medizin (Evans, et al., 2013, S. 20). So wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von politischen Maßnahmen eingeführt, um die Ausgaben der GKV zu minimieren. „Von den bis zum Inkrafttreten des AMNOG Anfang 2011 vorhandenen 30 Regulierungsinstrumenten zielten allein 24 auf eine Begrenzung der Arzneimittelausgaben (Preis oder Menge)“ (Cassel & Ulrich, 2012, S. 58).

Bereits 2007 wurde im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz festgelegt, dass das IQWiG vom G-BA mit einer Nutzen- oder Kosten-Nutzen-Bewertung beauftragt werden kann, welche primär dazu beitragen soll, einen „Erstattungsbetrag“ zu finden, der den Zusatznutzen neu zugelassener Medikamente angemessen vergütet (§ 35b SGB V). Dennoch konnten die „bis zum Jahr 2011 eingeführten Steuerinstrumente […] das gewünschte Gleichgewicht zwischen Effizienzsteigerung und Kostenbegrenzung im Bereich Arzneimittelversorgung nicht herstellen“ (Köhler, 2013, S. 21). Denn bis vor Inkrafttreten des AMNOG konnten die pharmazeutischen Unternehmen die Preise für neue Medikamente selbst festlegen unabhängig davon, ob die Präparate einen Zusatznutzen im Vergleich zu bereits existierenden Arzneimitteln vorweisen konnte oder nicht. Sie verursachten besonders hohe Ausgaben, die immer weiter stiegen(BMG, 2010). Der therapeutische Zusatznutzen und ein fairer Interessenausgleich hinsichtlich unangemessen hoher Preise waren dabei oft fragwürdig. Eine Bestandsaufnahme zeigte, dass Deutschland: „Hochpreisland für nichtfestbetraggeregelte Arzneimittel war, als einziges Land – neben Malta – für derartige Präparate keine Preisregulierung hat und größter europäischer Absatzmarkt und Referenzpreisland im internationalen Preisbildungssystem ist“ (Dingermann, 2013, S. 770).

Als Konsequenz änderten sich einige Aspekte des Arzneimittelmarktes mit der Einführung des AMNOG, da der Markt - wie der Name des Gesetzes bereits ausdrückt - „neu geordnet“ wurde. Laut Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird durch das Gesetz „der Weg für fairen Wettbewerb und eine stärkere Orientierung am Wohl der Patienten freigemacht“ (BMG, 2013b). Die verfolgten Ziele werden im folgenden Kapitel dargestellt.

2.2 Die Ziele des Gesetzes

Durch das AMNOG sollen vor allem drei Aspekte verwirklicht werden: strukturelle Veränderungen, Abbau von Überregulierung und kurzfristige Einsparungen. Mit diesen Maßnahmen soll eine Einsparung in Höhe von 2 Milliarden Euro pro Jahr erreicht werden. Vor allem aber erhofft sich der Gesetzeber kostengünstigere Innovationen für den deutschen Markt (BMG, 2013b).

Die folgenden Ziele des Gesetzes spielen im Rahmen dieser Thesis keine Rolle, werden aber der Vollständigkeit halber kurz aufgezeigt[3]:

Um der Überregulierung entgegenzuwirken, wurden im Rahmen des AMNOG zum einen das Zweimeinungsverfahren (Paragraf 73 d) und zum anderen die Bonus-Malus-Regelung aufgehoben (BMG, 2013b). Durch die Anhebung des Apothekenrabatts von 1,75 auf 2,05 Euro je Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels sparen die Krankenkassen kurzfristig Kosten. „Dadurch soll der Großhandel insgesamt rund 200 Millionen Euro zu Gunsten der Kassen einbüßen, 170 Millionen Euro davon für die GKV“ (Bergh, 2010, S. 5). Weiterhin sollen die Krankenkassen 300 Millionen Euro pro Jahr sparen, da Impfstoffhersteller in Deutschland keine höheren Preise nehmen dürfen als in den großen Ländern der EU. Ein weiteres Beispiel für Kostendämpfungsmaßnahmen sind Zytostatika[4]. Werden diese als Infusion verabreicht, sollen künftig nur noch „marktgerechte Abrechnungspreise“ vereinbart werden. Einsparungen in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich werden hier von der GKV erwartet (Bergh, 2010, S. 5).

Bei der strukturellen Veränderungen handelt es sich hauptsächlich um die neu eingeführte Bewertung des Zusatznutzens und damit um die frühe Nutzenbewertung. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Teil besonders fokussiert und unter 2.4 detailliert erläutert.

2.3 Der Gemeinsame Bundesausschuss

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Sitzverteilung und Anordnung im Gemeinsamen Bundesausschuss

Bevor der Vorgang der frühen Nutzenbewertung dargestellt wird, soll zunächst das Gremium des Gemeinsamen Bundesauschusses erläutert werden. Er ist das entscheidende Gremium in der frühen Nutzenbewertung.

„Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts und wird von den vier großen Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen gebildet (siehe Abb. 2): der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband“ (G-BA, 2013a). Zusätzlich gehören dem G-BA drei unparteiische Mitglieder an, von denen einer der Vorsitzende des Gremiums ist. Somit besteht der G-BA aus 13 stimmberechtigten Mitgliedern. An den Sitzungen des G-BA können auch fünf Vertreter der Patienten teilnehmen. Diese sind nicht stimmberechtigt, dürfen jedoch Anträge stellen.

Der G-BA ist das oberste Beschlussgremium für gesundheitsbezogene Themen und steht unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Der G-BA ist in neun Unterausschüsse gegliedert. Der Unterausschuss Arzneimittel befasst sich mit der frühen Nutzenbewertung. Die Namen der Mitglieder des Ausschusses unterliegen strenger Geheimhaltung, um eine mögliche Beeinflussung zu vermeiden (G-BA, 2013b).

2.4 Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde 2003 im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes gegründet. Es arbeitet unter der Trägerschaft der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Das IQWiG hat vom G-BA einen Generalauftrag erhalten, d.h. es kann auch eigenständig Themen aufgreifen und in sogenannten „Arbeitspapieren“ bearbeiten. Seine Aufgabe ist die Untersuchung von Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen. Des Weiteren erhält das IQWiG konkrete Arbeitsaufträge vom G-BA. „Das Institut erstellt fachlich unabhängige, evidenzbasierte (beleggestützte) Gutachten beispielsweise zu:

- Arzneimitteln
- nichtmedikamentösen Behandlungsmethoden (z.B. Operationsmethoden)
- Verfahren der Diagnose und Früherkennung (Screening)
- Behandlungsleitlinien und Disease Management Programmen (DMP)“ (IQWiG, kein Datum).

Dabei führt das Institut selber keine eigenen Studien durch, sondern orientiert sich an bereits vorhandenen Studien und wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Das IQWiG gliedert sich in drei Stabsbereiche (Qualitätssicherung, Informationsmanagement und Recht) und acht Ressorts (Arzneimittelbewertung, nichtmedikamentöse Verfahren, Gesundheitsökonomie, Versorgungsqualität, Gesundheitsinformation, Medizinische Biometrie, Kommunikation und Verwaltung) (IQWiG, 2013a, S. 47-51).

Finanziert wird das IQWiG durch Zuschläge für stationäre und ambulante medizinische Behandlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Zuschläge werden jedes Jahr auf Grundlage des Haushaltsplanes des IQWiG vom G-BA festgesetzt.

Angefangen mit elf Mitarbeitern beschäftigt das Institut inzwischen 166 Mitarbeiter (siehe Abb. 3). 34 der neuen Stellen wurden auf Grund des AMNOG geschaffen. So beschäftigten sich 2012 37 Mitarbeiter mit der Arzneimittelbewertung (IQWiG, 2013a, S. 47-51).

Abbildung 3: Arbeitsbereiche des IQWiG

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: IQWiG, 2013a, S. 44

Im Rahmen des AMNOG kommen dem IQWiG zwei neue Aufgaben zu: zum einen wertet es das Dossier des Arzneimittelherstellers aus und fertigt in diesem Rahmen eine Nutzenbewertung an. Zum anderen erstellt es eine Kosten-Nutzen-Bewertung im Falle eines nicht erfolgreichen Schiedsspruches (das komplette Verfahren der frühen Nutzenbewertung wird detailliert in Kapitel 2.6 erläutert). Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch nur die Nutzenbewertung eine Rolle spielen, da eine Anfertigung einer Kosten-Nutzen-Bewertung im Rahmen des AMNOG bislang noch nicht notwendig war (IQWiG, 2013a, S. 18).

2.5 Das Hersteller-Dossier

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Aufbau des Dossiers

Um zu belegen, dass es sich bei einem neuen Medikament gleichzeitig auch um eine Innovation handelt, wird der entsprechende Arzneimittelhersteller dazu aufgefordert, ein standardisiertes Dossier beim G-BA einzureichen. Der Aufbau und Inhalt dieses Dossiers soll im Folgenden dargestellt werden. Abbildung 4 verdeutlicht Umfang und Relationen der einzelnen Module des Dossiers.

Im Modul 1 befinden sich administrative Information. Hier werden außerdem die Aussagen des Dossiers zusammengefasst.

Das zweite Modul umfasst allgemeine Aussagen zum Arzneimittel. Des Weiteren die Anwendungsgebiete benannt.

Modul 3 beinhaltet die zweckmäßigen Vergleichstherapie, die Anzahl der Patienten mit therapeutisch bedeutsamen Zusatznutzen, die Kosten der Therapie für die GKV und die Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung.

Modul 4 umfasst eine systematische Übersicht zu medizinischem Nutzen und medizinischem Zusatznutzen, eine Beschreibung der Methodik und der Ergebnisse und die Angabe der Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach IQWiG, 2013b

Modul 5 enthält die Anlagen. Hier lassen sich die Volltexte der zitierten Quellen, Dateien zur Dokumentation der Informationsbeschaffung, Berichte aller Studien des pharmazeutischen Unternehmers, wesentliche Zulassungsunterlagen, Bewertungsbericht der Zulassungsbehörde und eine Checkliste für die Prüfung der formalen Vollständigkeit finden (IQWiG, 2013b).

Um ein einheitliches Format zu gewährleisten, werden vom G-BA für die pharmazeutischen Unternehmen Formatvorlagen bereitgestellt, die entsprechend ausgefüllt werden müssen. Das fertige Dossier ist dann in elektronischer Form als DVD in zweifacher Ausführung und spätestens vier Wochen nach der Zulassung des Arzneimittels beim G-BA einzureichen (G-BA, 2013c).

Es gilt nach §5 Absatz 1 Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV): „Der Zusatznutzen ist vom pharmazeutischen Unternehmer im Dossier nach §4 nachzuweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat keine Amtsermittlungspflicht.“

2.6 Die frühe Nutzenbewertung

Eine Maßnahme des AMNOG ist die Nutzenbewertung von Arzneimitteln. So werden neu zugelassene Arzneimittel einer frühen Nutzenbewertung unterzogen. Aber „auch für Arzneimittel, die vor dem 1. Januar 2011 bereits zugelassen und in Verkehr gebracht wurden (sogenannter Bestandsmarkt), kann der Gemeinsame Bundesauschuss eine Nutzenbewertung veranlassen“(Bundesrat, 2013). Mithilfe einer Nutzenbewertung soll ein möglicher Zusatznutzen gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie eingeschätzt werden, um unangemessenen Arzneimittelpreisen durch faire Preisverhandlungen entgegen zu wirken.

In der AM-NutzenV sind alle Richtlinien zur frühen Nutzenbewertung verankert. Bei der Nutzenbewertung werden die dort vom Gesetzgeber festgelegten Nutzenkategorien vergeben. Diese sind „erheblicher Zusatznutzen“, „beträchtlicher Zusatznutzen“, „geringer Zusatznutzen“, „Zusatznutzen nicht belegt“, „Zusatznutzen nicht quantifizierbar“, oder „Nichtbewertung auf Grund eines unvollständigen Dossiers“. Im Falle einer „Nichtbewertung auf Grund eines unvollständigen Dossiers“ wird das Ergebnis als „kein Zusatznutzen“ ausgelegt. Außerdem kann die Aussagesicherheit durch den sehr starken „Beleg“, dem schwächeren „Hinweis“ und letztlich durch den „Anhaltspunkt“ ausgedrückt werden. Des Weiteren ist eine „Freistellung“ von der Bewertung mit entsprechender Begründung möglich.

Im Rahmen dieser Arbeit wird die frühe Nutzenbewertung fokussiert und der Ablauf chronologisch dargestellt. In der AM-NutzenV finden sich in §2 Begriffsbestimmungen für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, den Arzneimittelnutzen und den Zusatznutzen eines Arzneimittels. Diese Definitionen gelten auch für diese Arbeit:

„ (1) Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen im Sinne dieser Verordnung sind Arzneimittel, die Wirkstoffe enthalten, deren Wirkungen bei der erstmaligen Zulassung in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind. Ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff im Sinne dieser Verordnung gilt solange als ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff, wie für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Unterlagenschutz besteht.

[…]

(3) Der Nutzen eines Arzneimittels im Sinne dieser Verordnung ist der patientenrelevante therapeutische Effekt insbesondere hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustands, der Verkürzung der Krankheitsdauer, der Verlängerung des Überlebens, der Verringerung von Nebenwirkungen oder einer Verbesserung der Lebensqualität.

(4) Der Zusatznutzen eines Arzneimittels im Sinne dieser Verordnung ist ein Nutzen im Sinne des Absatzes 3, der quantitativ oder qualitativ höher ist als der Nutzen, den die zweckmäßige Vergleichstherapie aufweist.“

Der derzeitige Vorgang der frühen Nutzenbewertung wird nun im Folgenden erläutert und zur Veranschaulichung in Anlage 1 grafisch dargestellt.

(1) Nach der Zulassung durch die European Medicines Agency (EMA) - der Europäischen Arzneimittel-Agentur - und damit bei Markteinführung eines neuen Arzneimittels legt der Hersteller wie bisher einen Preis fest. Spätestens vier Wochen nach Zulassung muss das Pharmazeutische Unternehmen ein Dossier (siehe Kapitel 2.5) beim G-BA einreichen. In einem vorangegangenen Beratungsgespräch zwischen Hersteller und G-BA konnten dazu bestehende Fragen geklärt werden. Auch die Vergleichstherapie wurde vorher vom G-BA festgelegt.

(2) Der G-BA beauftragt anschließend das IQWiG mit der Erstellung einer Nutzenbewertung - eines HTA Berichtes (Health Technology Assessment). Ein HTA baut auf dem Grundprinzip der evidenzbasierten Medizin auf und bewertet Technologien im Gesundheitswesen. Der Kern eines HTA-Berichts besteht im Review der vorhandenen Studien und medizinischen Veröffentlichungen zur Effektivität und Effizienz der einzelnen zu evaluierenden Technologien (Schöffski & Graf v.d. Schulenburg, 2008, S. 447-448).

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit der generische Maskulin verwendet, es wird sich jedoch auf beide Geschlechter bezogen.

[2] Als „Patienten“ werden im Rahmen dieser Bachelorarbeit alle Versicherten definiert, die aktuell Leistungen des Gesundheitssystems empfangen.

[3] Weiterführende Informationen hierzu lassen sich beispielsweise auf der Website des BMG finden.

[4] Zytostatika sind „in der Chemotherapie verwendete Medikamente, die das Wachstum von Krebszellen hemmen, aber auch normale Gewebe schädigen können“(GBE, 2013).

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Die frühe Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG)
Untertitel
Eine kritische Betrachtung aus Sicht der Akteure zum Ende der 17. Legislaturperiode
Hochschule
Hochschule Zittau/Görlitz; Standort Görlitz
Veranstaltung
Management im Gesundheitswesen
Note
1,4
Autor
Jahr
2013
Seiten
67
Katalognummer
V282131
ISBN (eBook)
9783656766049
ISBN (Buch)
9783656766032
Dateigröße
1008 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
AMNOG, frühe Nutzenbewertung, Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, Gemeinsamer Bundesausschuss, G-BA, Arzneimittel, Arzneimittelbewertung, Gesundheitspolitik, Gesundheitsökonomie, Nutzenbewertung, early benefit assessment, Reform of the Market for Medicinal Products, Germany, Federal Joint Committee, Pharmaceutical companies, benefit assessment, German Healthcare System
Arbeit zitieren
Sara Schlenkrich (Autor:in), 2013, Die frühe Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282131

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