Excerpt
Gliederung
1.Einleitung
2.Problemstellung und Zielsetzung
3.Leitlinien
3.1 Vermittlungsorientierte Perspektive
3.2 Techniken
3.2.1Leerstellen-Technik
3.2.2Reihenfolge-Technik
3.2.3Negations-Technik
3.2.4Positiv-Skala-Technik
3.2.5Ausweich-Technik
3.2.6Einschränkungs-Technik
3.3Gesetzlicher Rahmen
3.4Organisatorische Perspektive
3.5Unternehmenspolitische Perspektive
4.Zeugnisarten und rechtliche Grundlagen
5.Aufbau
5.1Notwendige Bestandteile
5.2Tabus – das darf nicht rein
6.Analyse
6.1Zeugnislänge
6.2Vielsagendes Verschweigen
6.3Leistungsbeurteilung
6.3.1Fachwissen
6.3.2Auffassungsgabe und Problemlösungsfähigkeit
6.3.3Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative
6.3.4Belastbarkeit
6.3.5Denk- und Urteilsvermögen
6.3.6Zuverlässigkeit
6.3.7Fachkönnen
6.3.8Führungsfähigkeit
6.3.9Zusammenfassende Leistungsbeurteilung
6.3.10Persönliche Führung
6.3.11Zusammenfassung
6.4Schlußformulierung
7.Abschließende Bemerkungen
7.1.Schlußanmerkungen
7.2.Fazit
8.Anhang
Anhang 1, Bewertungscheckliste
Anhang 2, Formulierungen zur Beurteilung der Führungsleistung
Anhang 3, Zusammenfassende Leistungsbeurteilung
Anhang 4, Weitere Floskeln / andere Tricks
9.Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Das Arbeitszeugnis kann zu den ausschlaggebenden Faktoren bei der Personalbe-schaffung zählen. Neben dem Bewerbungsschreiben und dem Lebenslauf ist es ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung, ob ein Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Ihm entnimmt der Arbeitgeber die Stärken und Schwächen des Bewerbers bei seinen bisherigen Tätigkeiten. Hierbei kann der Arbeitgeber auch in gewissem Rahmen erkennen, in welchem Umfang der Bewerber dem Anforderungsprofil entspricht, das für die zu besetzende Position erforderlich ist.
Da das Arbeitszeugnis je nach dem, wie es interpretiert wird, demnach über den ersten Erfolg oder Mißerfolg einer Bewerbung entscheiden kann, und es somit das Grundrecht der Berufsfreiheit ("freie Wahl der Arbeitsstätte") 1 tangiert, ist der Zeugnisaussteller an gewisse Pflichten gebunden. Dies sind die Wahrheitspflicht und die Wohlwollenspflicht 2. Diese beiden Pflichten bilden zusammen mit der Vollständigkeit und der Individualität die vier Grundsätze der Zeugniserstellung 3.
2. Problemstellung und Zielsetzung
Die Wahrheitspflicht besteht in zweifacher Hinsicht: Zum einen bezieht sie sich auf den Beurteilungsvorgang. So ist eine Beurteilung "wahr, wenn sie zwischen den zu Beurteilenden objektiv (nachvollziehbar) und mit stets gleichem Maßstab differenziert" 4. Zum anderen bezieht sie sich auf den Kommunikationsvorgang zwischen Sender (Aussteller) und Empfänger (Arbeitnehmer / Dritte). Die Botschaft sollte beim Empfänger "ein richtiges (wahres) Bild von den Aufgaben, der Leistung und dem Verhalten des Beurteilten und den sonstigen Umständen des Arbeitsverhältnisses" 4 bewirken. Es sind also zwei Verstöße gegen die Wahrheitspflicht möglich: "eine falsche Bewertung sowie eine falsche Übermittlung der Bewertung" 4.
Die Wohlwollenspflicht resultiert aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, aufgrund derer er gehalten ist, das Arbeitszeugnis mit "verstärktem Wohlwollen" auszustellen, um dem Arbeitnehmer das weitere Fortkommen auf dem Arbeitsmarkt nicht unnötig zu erschweren 5.
Die Wohlwollenspflicht hat allerdings häufig zur Folge, daß einige Aussteller (negative) Dinge im Zeugnis nicht erwähnen, wodurch wiederum die Einhaltung des Grundsatzes der Vollständigkeit erschwert wird. Vollständigkeit heißt hier jedoch nicht, daß sämtliche Details ins Zeugnis aufgenommen werden sollen, sondern, "daß das Gesamtbild des Arbeitnehmers, der Gesamteindruck des Lesers, stimmig sein muß" 6.
Der Grundsatz der Individualität verlangt vom Arbeitgeber, "daß er auf den einzelnen Arbeitnehmer und seine Arbeitsleistung eingeht" 6. Dies soll vermeiden, daß der Arbeitgeber allgemeine, austauschbare Formulierungen aus der Zeugnissprache wählt. "Der Arbeitnehmer X muß aus der Beurteilung erkennbar sein" 6.
Im Rahmen dieser Grundsätze soll der Zeugnisaussteller dem ihm unbekannten Empfänger ein Maximum an Informationen über das Wirken des Arbeitnehmers übermitteln. "Der Arbeitgeber steht somit ... beim Ausstellen qualifizierter Arbeitszeugnisse im Spannungsfeld insbesondere zwischen Wahrheit und verständigem Wohlwollen" 7, da unglücklicherweise besonders diese beiden Pflichten oft nicht richtig vereinbar sind. So kommt es, daß Formulierungen zwar positiv klingen, sie jedoch ein vernichtendes Urteil für den Arbeitnehmer darstellen können. In diesem Zusammenhang ist dann von der Zeugnissprache, den sogenannten Zeugniscodes oder den Geheimcodes in Zeugnissen die Rede. Allerdings kann man nicht grundsätzlich davon ausgehen, daß diese Codes auch in jedem Zeugnis bewußt formuliert wurden. So kann es beispielsweise gerade in kleinen Betrieben, wenn der Beurteilende die Details der Zeugnissprache nicht genau kennt, vorkommen, daß als positiv erachtete Formulierungen beim Empfänger, der den Zeugnisinhalt anhand der Codes interpretiert, als negativ gedeutet werden. Der Empfänger sollte folglich den Aussteller in dieser Hinsicht erst einschätzen können, bevor er das Zeugnis interpretiert.
3. Leitlinien
3.1. Vermittlungsorientierte Perspektive
Anhand der Zeugnissprache versucht nun der Zeugnisempfänger, d. h. der potentielle künftige Arbeitgeber, im Zeugnis positive sowie negative Informationen über den Bewerber zu erkennen. Der Empfänger muß sich also gedanklich in den Aussteller versetzen, um dessen Formulierungen im Zeugnis interpretieren zu können. Dazu gehört v. a. festzustellen, ob in einem Zeugnis die Zeugnissprache angewandt wurde oder nicht. Hierin liegt allerdings ein großes Gefahrenpotential für Fehldeutungen.
3.2. Techniken
Bei der Formulierung eines Zeugnisses können unterschiedliche Techniken angewandt werden:
3.2.1. Leerstellen-Technik
(vielsagendes Verschweigen, siehe auch GP 8 6.2)
Werden innerhalb einer Formulierung wesentliche Elemente ausgespart, z. B. bei der Beurteilung des Sozialverhaltens (persönliche Führung) das Verhältnis zu den Vorgesetzten, deutet dies darauf hin, daß der Mitarbeiter mit seinen Vorgesetzten nicht zurechtkam.
3.2.2. Reihenfolge-Technik
Wird die übliche Reihenfolge einer Formulierung verändert, so ist auch darin eine Aussage enthalten. Z. B. "Sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten war einwandfrei"9. Da üblicherweise die Vorgesetzten vor den Mitarbeitern genannt werden, ist diese Aussage so zu verstehen, daß er sich mit seinen Mitarbeitern besser verstand als mit seinen Vorgesetzten.
3.2.3. Negations-Technik
Durch die Verwendung von Negativbegriffen wie "Beanstandung" oder "Klage" wird der positive Charakter gemindert. Z. B.: "Wir hatten keinen Grund zur Beanstandung".
3.2.4. Positiv-Skala-Technik
Im Unterschied zur Leerstellen-Technik taucht hier ein Element im Zeugnis auf, das nicht hineingehört. Dies sind Elemente wie Pünktlichkeit oder Ehrlichkeit, die als selbstverständlich angesehen werden und deshalb nicht in ein Zeugnis einzutragen sind.
3.2.5. Ausweich-Technik
Diese Technik umschreibt die Betonung von Nebensächlichkeiten anstelle von Wichtigem, z. B. die gepflegte Kleidung bei Bankkaufleuten.
3.2.6. Einschränkungs-Technik
Hierbei handelt es sich um eine räumliche oder zeitliche Einschränkung von Aussagen. Beispiel: Er engagierte sich in unserem Fachverband und galt dort (aber nicht bei uns) als Fachmann.
3.3. Gesetzlicher Rahmen
Wie im GP 4 näher erläutert wird, gelten für Arbeitszeugnisse Gesetze, deren Grundlage der § 630 BGB bildet. Hieraus entstehen die im GP 2 beschriebenen Grundsätze der Wahrheits- und Wohlwollenspflicht bzw. der Vollständigkeit und der Individualität.
3.4. Organisatorische Perspektive
Da die Zeugnisaussteller meistens nicht direkt mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten und sich daher kein eigenes Urteil bilden können, ergibt sich die Frage, nach welchen Kriterien eine Beurteilung erfolgen soll. Hierfür bedienen sie sich oftmals eines Beurteilungsbogens 10, den der direkte Vorgesetzte des Mitarbeiters ausfüllt. Anhand dieses Beurteilungsbogens formuliert daraufhin in der Regel ein Mitarbeiter der Personalabteilung das Zeugnis.
3.5. Unternehmenspolitische Perspektive
Es stellt sich auch die Frage, mit welchem Aufwand die Ausstellung eines Zeugnisses betrieben werden soll. Schließlich verläßt der Mitarbeiter das Unternehmen, daher besteht eigentlich keine Veranlassung, viel Zeit zu investieren. Andererseits hat aber ein qualitativ hochwertiges Zeugnis, das ein Empfänger / Dritter liest, positive Auswirkungen auf das Firmenimage.
4. Zeugnisarten und rechtliche Grundlagen
Arbeitszeugnisse können als einfaches, als qualifiziertes Zeugnis, oder als Zwischenzeugnis erstellt werden, wobei das qualifizierte und das Zwischenzeugnis in der Praxis üblich sind. Das einfache Zeugnis dient eher als Tätigkeitsnachweis und beinhaltet somit keinerlei Bewertung und Beurteilung 11. Das einfache und das qualifizierte Zeugnis werden zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgestellt. Es sollte hierbei das Datum des letzten Arbeitstages laut Arbeitsvertrag gewählt werden. Im Gegensatz hierzu wird das Zwischenzeugnis vorher ausgestellt, beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist noch Resturlaub hat, und diesen nutzt, um sich zu bewerben. Damit er dann beim potentiellen neuen Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis vorlegen kann, kann er vom bisherigen Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis innerhalb der Kündigungsfrist verlangen. "Innerhalb der Kündigungsfrist" beschreibt den Zeitraum zwischen Kündigung und Austrittsdatum (lt. § 622 Abs. 1 BGB: 4 Wochen zum 15. bzw. zum Monatsende).
Der § 630 BGB bildet die rechtliche Basis für die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses. Er besagt, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer ein einfaches Arbeitszeugnis auszustellen (Satz 1). Der Arbeitnehmer kann jedoch gemäß Satz 2 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. In Anlehnung an § 630 BGB gibt es Spezialregelungen für kaufmännische Angestellte nach § 73 HGB, für gewerbliche Arbeitnehmer nach § 113 der Gewerbeordnung mit Einschränkungen und für Auszubildende nach § 8 Berufsbildungsgesetz 12. Zwischen den Zeilen des § 630 BGB steht die Pflicht zur Schriftform, da ein mündliches Zeugnis dem Zweck, als Unterlage für die Bewerbung zu dienen, nicht gerecht werden würde 13.
5. Aufbau
5.1. Notwendige Bestandteile
Ein Arbeitszeugnis muß gewissen formalen Mindestanforderungen genügen:14
-Überschrift
Zeugnis, Arbeitszeugnis, Zwischenzeugnis, Ausbildungszeugnis ...
-Einleitung
Persönliche Daten des Arbeitnehmers inklusive Beginn und Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
-Tätigkeitsbeschreibung
einschließlich des beruflichen Werdegangs des Arbeitnehmers.
-Leistungsbeurteilung(vgl. GP 6.3)
Fachwissen, Auffassungsgabe und Problemlösungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative, Belastbarkeit, Denk- und Urteilsvermögen, Zuverlässigkeit, Fachkönnen, Führungsfähigkeit (bei Führungskräften), zusammenfassende Leistungsbeurteilung und persönliche Führung.
-Persönliches Verhalten
gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, ggf. Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern
-Schlußformulierung
Beendigungsgrund, Initiator der Beendigung, Dankes-Bedauerns-Formel 15, Zukunftswünsche
-Ort und Datum der Zeugnisausstellung, Unterschrift des Ausstellers
Name und Funktion / Rechtsstellung des Ausstellers zusätzlich maschinenschriftlich
Darüberhinaus ist ein Zeugnis nur dann ordnungsgemäß, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist 16. Fehlt eines dieser Bestandteile: siehe GP 6.2.
5.2. Tabus – das darf nicht rein
Gehalt, Kündigungsgrund, Abmahnungen, Vorstrafen, Krankheiten, Fehlzeiten, Alkoholabhängigkeit, Behinderungen, Betriebsrats- oder Gewerkschaftszugehörigkeit 17 18, Parteizugehörigkeit 18, Urlaubs- und Fortbildungszeiten, Nebentätigkeiten / Ehrenämter, Religion. Vorsicht ist geboten bei der Erwähnung von Selbstverständlichkeiten wie Pünktlichkeit oder Ehrlichkeit (vgl. GP 3.2.4: Positiv-Skala-Technik).
[...]
1 vgl. Art. 12 GG
2 vgl. Weuster/Kersten, 1991, S. 16-21
3 vgl. URL 4: Rühle, 26.11.01
4 Weuster/Kersten, 1991, S. 17
5 vgl. Weuster/Kersten, 1991, S. 18-19 und Wilms in Jobfit, 1995, S. 134-136
6 URL 4: Rühle, 26.11.01
7 Kolb, 1998, S. 99
8 GP = Gliederungspunkt
9 Weuster/Kersten, 1991, S. 140
10 vgl. Anlage 1
11 vgl. Dittrich, S. 20
12 vgl. Huber, 1991, S. 15
13 vgl. Huber, 1991, S. 16
14 vgl. URL 1: Redmark, 08.11.01 und Huber, 1991, S. 35
15 sollte enthalten sein, ist jedoch keine Pflicht für den Zeugnisaussteller lt. BAG - Urteil vom 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00
16 vgl. Diverse: Haufe Personal Office, 2000 sowie BAG - Urteil vom 03.03.1993, 5 AZR 182/92
17 vgl. URL 9: WISO, 08.11.01
18 Achtung: Code vorhanden, vgl. Anhang 4 (andere Tricks)
- Quote paper
- Fabian Englert (Author), 2001, Analyse von Arbeitszeugnissen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2830
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