Inhalte der Occupy-Bewegung im Lichte marx(isti)scher Kritik


Trabajo Escrito, 2012

20 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Occupy-Bewegung
2.1 „ Und dann passierte es, in den USA “ - Zur Genese der Occupy-Bewegung
2.2 Generation Krise - Die Protestierenden und ihre Motive
2.3 „99 Prozent“ gegen „Bankster“ und Korruption - Inhalte der Occupy-Bewegung

3. Occupy-Kritik im Lichte marx(isti)scher Analysen
3.1 Selbstschöpferische Z i nsquelle? - Funktionsweise und Wirkung des Finanzkapitals
3.2 Vom 'schaffenden' und 'raffenden' Kapital - Die Trennung von Zirkulaions- und
Produktionssphäre ...
3.3 'Die Beschränkung der Macht auf einige Wenige' - Suche nach zentrale Akteuren
3.3.1 Die Bank als industrieller Kapitalist - Der Mythos von der Macht der Banken
3.3.2 Das '1%' - Zur antisemitischen Struktur der Personifizierung des Finanzkapitals
3.4 Konkret vs. abstrakt - Die Grenze der Kritik
3.5 Von 'Umfairteilen' und bürgerlicher Demokratie - Zur Notwendigkeit eines radikalen Antikapitalismus

4. Fazit

5. Literatur

1. Einleitung

Im Herbst 2011 trat erstmals die Bewegung Occupy Wall Street, wie der Name besagt, durch die Besetzung der New Yorker Wall Street in Erscheinung. Mittlerweile haben sich zahlreiche Menschen rund um den Globus der Occupy-Bewegung angeschlossen und protestieren gegen soziale Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit (vgl. Ahrens 2012: 2). Angesichts der Heterogenität dieser breiten Bewegung kann kaum von einer einheitlichen Position ihrer Anhänger*innen gesprochen werden. Dennoch lassen sich einige Grundzüge der Kritik ausmachen, die immer wieder in Äußerungen von Occupy-Aktivist*innen auftauchen. In dieser Arbeit möchte ich einige dieser Inhalte anhand von Karl Marx' ökonomischen Untersuchungen und denen marxistischer Theoretiker kritisch beleuchten. Dazu werde ich zunächst kurz auf die Entstehung und Verbreitung der Bewegung sowie auf die beteiligten Protagonist*innen eingehen und anschließend die Inhalte skizzieren, auf die ich mich im Folgenden bei der Analyse beziehen werde. Darauf folgt deren Untersuchung anhand einiger Analysen Marxens und marxistischer Theoretiker. Schließlich wird in einem Fazit reflektiert, welchen Beitrag die Auseinandersetzung der Bewegung mit der marxschen Analyse des Kapitals zu ihrer politischen Theorie und Praxis leisten könnte.

2. Die Occupy-Bewegung

2.1 „ Und dann passierte es, in den USA - Zur Genese der Occupy-Bewegung

1 Inspiriert von den Protesten des arabischen Frühlings und der 'Bewegung 15. Mai' in Spanien, nahm die Bewegung Occupy Wall Street ihren Anfang durch die Veröffentlichung eines Besetzungsaufrufs (siehe Adbusters 2011) von etwa 30 Aktivist*innen in dem konsumkritischen 'Adbusters'-Magazin aus Kanada (vgl. Kroll 2011: 16 ff.). Die am 17. September 2011 durchgeführte Besetzung der Wall Street wurde schnell von der Polizei geräumt und daraufhin in den angrenzenden Zuccotti Park verlegt, der über mehrere Wochen besetzt blieb. Der Park entwickelte sich zum Dreh- und Angelpunkt der New Yorker Bewegung, von dem aus verschiedene Aktivitäten, wie direkte Aktionen, die Bildung verschiedener Arbeitsgruppen und Diskussionen ausgingen, während zugleich eine Camp-eigene Infrastruktur errichtet wurde, um Gesundheitsversorgung, Nahrung und Bildung für die Protestierenden zugänglich zu machen (vgl. Sitrin 2011: 8 und Taylor 2011: 136).

Die Bewegung fand schnell prominente Fürsprecher*innen aus Politik, Wissenschaft und Kultur und breitete sich in den nächsten Wochen zunächst in den USA und letztlich in über 1500 Städten rund um den Globus aus. Schließlich fand am 15. Oktober in mehr als 900 Städten ein internationaler Aktionstag statt, an dem sich mehrere hunderttausend Aktivist*innen beteiligten (vgl. Kroll 2011: 20-21). Kritisiert wurden von allen Occupy-Ablegern „die Einkommens-ungleichheit in ihren Ländern, [eine] korrupte Politik und (...) eine Wirtschaft die nur den Wohlhabenden des Landes nützt“ (Ahrens 2012: 4).

Mittlerweile wurden in den USA und auch in Deutschland alle größeren Occupy-Camps geräumt, was jedoch nicht unbedingt das Ende der Proteste bedeutet. Vielmehr organisiert sich die Bewegung seither zunehmend dezentral (vgl. Katzenstein 2012).

2.2 Generation Krise - Die Protestierenden und ihre Motive

Die Anhänger*innen der Occupy-Bewegung werden immer wieder als spontaneistisch beschrieben. Der marxistische Sozialwissenschaftler Ingar Solty (2011) charakterisiert die Protestierenden folgendermaßen: „Rund die Hälfte von ihnen verfügt über keine politischen und Demonstrationserfahrungen. Die Demonstranten eint, dass sie zur Generation Krise gehören, die sich um ihre ökonomische Zukunft gebracht sieht. Viele könnte man als blockierte Eliten im weiteren Sinne beschreiben“ (Solty 2011: 12).

Er führt weiter aus, dass ihr Protest in einem „verletzten Gerechtigkeitsgefühl“ (ebd.) begründet liege, welches sich aus der Beobachtung ergebe, dass die Regierung auch nach der Krise noch bestrebt ist, auf Kosten der Bevölkerung ein System zu stabilisieren, dass diese erst herbeigeführt habe. Denn „[w]ährend die Banken-Boni und Vorstandsgehälter wieder den Stand von vor der Krise oder sogar Rekordniveaus erreicht haben, ist parallel die Ausbeutungsrate deutlich gestiegen“ (ebd.: 13). Dabei ergebe sich die Kritik an der Ungleichverteilung des Vermögens aus dem Verschwinden der Hoffnung, selbst einen gutbürgerlichen Lebensstandard halten zu können.2 Vor der Krise, als diese Hoffnung noch bestand, seien die gesellschaftlichen Zustände akzeptiert worden (vgl. ebd.). So beziehe sich das verletzte Gerechtigkeitsgefühl vor allem auf den eigenen Statusverlust und weniger auf die prinzipielle Existenz ökonomischer sozialer Ungleichheiten (vgl. ebd.: 14).3

Als „spontane Versammlung von 'Empörten'“ (ebd.: 16) zeichnet sich die Occupy-Bewegung durch eine starke Heterogenität hinsichtlich der politischen Erfahrungen und Überzeugungen ihrer Anhänger*innen aus. Auf der Internetseite von Occupy Deutschland heißt es in der Selbstdarstellung: „Einige von uns bezeichnen sich als fortschrittlich, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch...“ (Occupy Deutschland 2012). Diese Offenheit bietet Anknüpfungspunkte für Anhänger*innen unterschiedlichster politischer Strömungen. So stößt die Bewegung hierzulande nicht nur bei Gewerkschaften, der Linkspartei und globalisierungskritischen Organisationen wie Attac, sondern auch bei CDU-Mitgliedern, wie auch der Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf Wohlwollen (vgl. Piper 2011a: 4). Auch in den USA reichen Partizipation und Solidaritätsbekundungen von Anarchist*innen (wie dem Anthropologen und Mitinitiator von Occupy Wall Street David Graeber) über den Präsidenten bis hin zu antisemitischen Verschwörungsideolog*innen und Rechtspopulist*innen (vgl. Piper 2011b: 2., Jacobsen 2011: 4 und Dachsel 2011).

2.3 „99 Prozent“ gegen „Bankster“ und Korruption - Inhalte der OccupyBewegung

Die Occupy-Bewegung zeichnet sich durch ein tiefes Misstrauen gegenüber den „alten Institutionen des hegemonialen Neoliberalismus“ (Solty 2011: 15) aus, das sich auch auf Gewerkschaften und linke Parteien erstreckt. Die Okkupist*innen fühlen sich nicht von ihren demokratisch gewählten Repräsentant*innen vertreten und stehen auch der „Idee der Repräsentation als interne[m] Organisationsprinzip“ (Friedlschuster 2012: 2) skeptisch bis ablehnend gegenüber. Stattdessen streben die Gruppen eine „größtmögliche Inklusion in Entscheidungsprozesse“ (ebd.) an, welche durch eine basisdemokratische und möglichst hierarchiefreie Struktur erreicht werden soll.4

Das Misstrauen gegenüber den politischen Vertreter*innen geht einher mit der Vorstellung, dass ein Prozent der Bevölkerung bestehend aus Banken bzw. Banker*innen und transnationalen Konzernen bzw. Großunternehmer*innen durch das Bestechen und Korrumpieren von Politiker*innen und Medien das demokratische System untergraben würden (vgl. Occupy Wall Street 2012 und Occupy Deutschland 2012). Mit dem Slogan „We are the 99%“ beschreiben sich die Okkupist*innen als 'die 99%' der Bevölkerung, die unter der Herrschaft und den konstatierten '(Finanz-)Verbrechen' dieses '1%' leiden müssten (vgl. exemplarisch van Gelder 2011: 3 f.).

Sowohl in Einzelbeiträgen von Occupy-Aktivist*innen als auch in Erklärungen, die von den Generalversammlungen verabschiedet wurden, ist immer wieder die Rede davon, dass „das System korrumpiert“ (Occupy New York 2011) sei. Demnach hätten die Wohlhabendsten 'das System' manipuliert, um ihren eigenen Einfluss und Reichtum auf Kosten aller anderen zu steigern (vgl. ebd. und van Gelder 2012: 3). Die Aktivistin und Herausgeberin eines Sammelbandes über die Occupy- Bewegung in den USA, Sarah van Gelder, (2011) erklärt, 'das 1%' kontrolliere durch die Verfügung über eine „Armee von Lobbyist*innen“ (ebd.) die Regierung zu seinem eigenen Nutzen (vgl. auch By the People and for the People 2011: 1). In der Erklärung zur New Yorker Besetzung werden 'das 1%' bzw. Konzerne und Banken für eine Liste von Missständen verantwortlich gemacht (Occupy New York 2011). In dem sogenannten 'Occupy Manifest' heißt es die mangelnde Kontrolle über die Gier der Konzerne bedrohe den Kapitalismus, da große Konzerne dadurch ungerechte Vorteile erlangten (vgl. By the People and for the People 2011: 1). Neben dem Untergraben demokratischer Prozesse wird den Banken vorgeworfen, die aktuelle Finanzkrise ausgelöst zu haben (vgl. Occupy Wall Street 2012).

Die Kritik vieler Okkupist*innen fokussiert vor allem, zum Teil auch ausschließlich, auf das sogenannte Finanzkapital. Dies wird bereits an der Besetzung der Wall Street, des New Yorker Börsen- und Bankenviertels, deutlich.5 In verschiedenen Beiträgen des weiter oben erwähnten Sammelbandes wird diese Kritik explizit formuliert. Van Gelder (2011: 4) erklärt: „Speculativ profits act as a drain on the economy“ und fordert ebenso wie Korten (2011) eine Neukonzeption bzw. Regulierung des Bankensystems und der Finanzmärkte. Beide Autor*innen sind der Meinung, den Finanzmärkten müsse die Macht entzogen und durch Investitionen in die Realwirtschaft letzterer übertragen werden, da diese 'den 99%' und nicht 'dem 1%' nutze und, statt 'Gier und Spekulationen' zu begünstigen, den tatsächlichen menschlichen Bedürfnissen diene. Mit der Regulierung der Finanzmärkte wird „die Hoffnung auf eine Re-Demokratisierung des im Zuge der neoliberalen Konterrevolution entdemokratisierten Liberalismus“ (Solty 2011: 16) verbunden.

Nicht alle der zuletzt aufgeführten Kritikpunkte sind von der gesamten Bewegung abgesegnet. Die es nicht sind, werden jedoch auf Protestaktionen in zahlreichen Einzelaussagen, Aktionen6, Redebeiträgen7 und Parolen8 geäußert und „vermutlich von einem Großteil der Bewegung geteilt“ (Ahrens 2012: 9). Auch Kraushaar (2012) beschreibt den Protest der Okkupist*innen als Protest gegen die Banken und das Finanzkapital mit reformerischen Zielen.

3. Occupy-Kritik im Lichte marx(isti)scher Analysen

Da eine umfassende Analyse aller Inhalte der Occupy-Bewegung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, wird sich die folgende Untersuchung auf die Fokussierung der Kritik auf das sogenannte Finanzkapital und die häufig damit einhergehende Personifizierung abstrakter Zwangsverhältnisse beschränken. Zunächst werden daher die Funktionsweise und der landläufige 'Ruf' des Finanzkapitals bzw. des zinstragenden Kapitals dargestellt. Im Anschluss werden die Inhalte der Kritik am Finanzkapital kritisch untersucht und ein Erklärungsansatz für ihre Herausbildung vorgestellt. Schließlich soll dargelegt werden, inwiefern die Kritik und damit einhergehende Forderungen letztlich tauglich sind, um eine tatsächliche Erklärung und Überwindung der kritisierten Zustände zu leisten.

[...]


1 Graeber 2012a: 9

2 Insofern wird eine Milieugrenze deutlich: Die Occupy-Bewegung wird stark von dem „(noch) integrierten, (...) nicht entkoppelten Teil des Prekariats“ (Solty 2011: 13) dominiert, während sich die Perspektivlosigkeit der „Entkoppelten“ (ebd.) bisher vielmehr in scheinbar „unpolitischen Plünderungen“ (ebd.) äußerte.

3 Dennoch verweist der Slogan „we are the 99%“ darauf, dass der Protest auch (andere) prekarisierte Gruppen miteinbezieht und sich somit gegen die soziale Ungleichheit als solche richtet. Außerdem variiert die demografische Zusammensetzung der verschiedenen Occupy-Ableger stark (in Oakland engagieren sich bspw. viele Schwarze Aktivist*innen in der Bewegung) (vgl. Taylor 2011). Insofern trifft die zuvor beschriebene Einordnung nicht auf alle Protestierenden zu, ist jedoch in vielen Gruppen dominant.

4 So wird beispielsweise bei der Entscheidungsfindung in den basisdemokratischen Generalversammlungen nach dem Konsensprinzip verfahren (vgl. Kauffman 2011, Kroll 2011 und Graeber 2011). Mit dieser präfigurativen politischen Praxis wird nach Friedlschuster (2012: 2) die repräsentative Demokratie als solche in Frage gestellt.

5 Häufig zitieren Occupy-Gruppen auch aus Stephan Hessels Essay „Empört Euch!“, der einen maßgeblichen Einfluss auf die Bewegung hatte, und in dem dazu aufgerufen wird, sich gegen die „Diktatur der internationalen Finanzmärkte“ (Hessel 2010: 5) zu wehren, die die Demokratie bedrohten (vgl. exempl. Occupy Aachen 2012).

6 wie die Besetzung der Wallstreet in New York und das Stören einer Rede des Deutsche-Bank-Chefs, Josef Ackermann in Hamburg (vgl. Spiegel 2011).

7 …wie der von Occupy Frankfurt im Juli diesen Jahres ausgerichteten Podiumsdiskussion 'Demokratie im Würgegriff der Finanzmärkte' (vgl. Occupy Frankfurt 2012a).

8 … wie „Kein Geld für Zocker, geht arbeiten...“ (Schmidt 2011), „Euer Kapitalismus zerstört unsere Marktwirtschaft“ (MTfoto 2011) oder das Demo-Motto von Occupy Frankfurt „Banken in die Schranken“ (Occupy Frankfurt 2012b).

Final del extracto de 20 páginas

Detalles

Título
Inhalte der Occupy-Bewegung im Lichte marx(isti)scher Kritik
Universidad
University of Freiburg  (Institut für Soziologie)
Curso
Klassikerparcours: Karl Marx
Calificación
1,3
Autor
Año
2012
Páginas
20
No. de catálogo
V283113
ISBN (Ebook)
9783656826668
ISBN (Libro)
9783656827191
Tamaño de fichero
425 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Occupy Bewegung, Karl Marx, Kapitalismus, Kapitalismuskritik, struktureller Antisemtismus, Finanzkapital, Zirkulationssphäre, Produktionssphäre, Banken, Banker
Citar trabajo
Janina Marte (Autor), 2012, Inhalte der Occupy-Bewegung im Lichte marx(isti)scher Kritik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283113

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Inhalte der Occupy-Bewegung im Lichte marx(isti)scher Kritik



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona