Der Europäische Auswärtige Dienst als Spielball nationaler Interessen. Reformvorschläge im Spiegel des Neoliberalen Institutionalismus


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Ansatz
2.1 Neoliberaler Institutionalismus
2.2 Supranationalität versus intergouvernementale Zusammenarbeit

3. Der Europäische Auswärtige Dienst
3.1 Rechtliche Grundlage
3.2 Entstehung
3.3. Struktur innerhalb der EU

4. Wege zu einem starken Europäischen Auswärtigen Dienst

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Schaffung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) für eine kohärente Au- ßen- und Sicherheitspolitik in der Europäischen Union ist eine Gelegenheit, die sich nur einmal in jeder Genration bietet. So bewertet es zumindest Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (Im Folgenden Hohe Vertreterin). 1 Ein Statement, das den Stellenwert und die politischen Erwartungen an das Projekt beschreibt. Gut zweieinhalb Jahre nach der Inbetriebnahme ist die Zwi- schenbilanz jedoch ernüchternd. Die bisherige Entwicklung des Dienstes ist geprägt von inneren Streitigkeiten und Blockade. Die Mitgliedsländer sind hauptsächlich damit be- schäftigt ihre nationalen Interessen abzusichern und zu verteidigen. Viele Fragen sind noch offen. Warum ist es der Europäischen Union (EU) mit dem Inkrafttreten des Lis- sabonvertrages nicht gelungen einen starken Dienst zu schaffen, der sie auf internatio- naler Ebene mit einer kohärenten Stimme vertreten kann? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den EAD zu einem funktionierenden Gebilde innerhalb der EU aufzubauen und wer sind die Akteure, die an einem solchen Prozess zu beteiligen sind? Diesen Fragen und Problemstellungen werde ich im folgenden nachgehen. Nach einer theoretischen Einführung in das Thema werde ich einen Blick auf die Entstehungsphase und rechtliche Grundlagen des EAD werfen. Anschließend wird untersucht, wo der Dienst innerhalb der Europäischen Union strukturell zu verorten ist. Daraufhin folgt ein kurzer Überblick, wem Führungspositionen innerhalb des Dienstes zustehen und welche Schlüsse daraus gezogen werden können. Zu guter letzt möchte ich Möglichkeiten auf- zeigen, wie es in Zukunft gelingen kann, den EAD als starke Institution zu etablieren, die unabhängig von vereinzelten Akteuren die Interessen Europas in der Welt vertreten kann.

Das Ziel ist unterdessen klar, Der Europäische Auswärtige Dienst soll kein 29. Außenministerium sein, sondern die Stimmen Europas vereinen: "Whoever speaks, it should be with the same voice."2

2. Theoretischer Ansatz

2.1 Neoliberaler Institutionalismus

Zur Untersuchung der Forschungsfrage soll die Theorie des Neoliberalen Institutionalismus als Instrument und Grundlage herangezogen werden. Im Folgenden werde ich einen kurzen Überblick der Theorie geben und relevante Anknüpfungspunkte für die Untersuchung hervorheben.

Der Neoliberale Institutionalismus entstand Ende der 1970er Jahre als Reaktion auf die, bis dahin, in den Internationalen Beziehungen unangefochten geltende Theorie des Neo- realismus von Kenneth Waltz. Als bedeutendste Vertreter dieser neuen Großtheorie gel- ten unter anderem Robert E. Keohane, Joseph Nye und Stephen Krasner. Die zwei Refe- renzwerke der Schule, auf denen auch in dieser Arbeit der Fokus liegt, sind „Power and Interdependence“3, sowie „After Hegemony: Cooperation and Discord in the World Po- litical Economy“.4 Sie wirkten sich prägend für die weitere Entwicklung der Theorie- schule aus. Durch unterschiedliche Bezeichnungen der Denkrichtung, wie: internationa- le Regime, internationale Institutionen, Institutionalismus und Neoliberaler Institutiona- lismus kam es häufig zu Verwirrungen. Sie beziehen sich jedoch auf die gleiche Denk- schule im Fach Internationale Beziehungen und sollen in der folgenden Arbeit synonym verwendet werden.5

Obwohl der Neoliberale Institutionalismus als erster großer Herausforderer des Neorea- lismus gilt, übernahm er dennoch einige seiner Grundannahmen. Die Aussagen eines internationalen Systems anarchischen Charakters finden sich hier wieder. Ebenso die Überzeugung, das Nationalstaaten die zentrale Rolle in diesem System spielen. Auch bezüglich der Behauptung, dass Staaten als Akteure rational handelnde, utilisarische Nutzenmaximierer mit egoistischen Zielen sind, stimmen Keohane und Co. mit den Neorealisten überein. Der zentrale Unterschied betrifft allerdings die Mittel zur Durch- setzung nationalstaatlicher Interessen. Der Neorealismus stützt sich auf die Behauptung, dass Macht, speziell militärischer Art, als zentrales Mittel zur Durchsetzung von Inte- ressen gilt. Das Streben nach Sicherheit (defensiver Neorealismus6 ) oder Macht (offen- siver Neorealismus7 ) besitzt dabei immer die höchste Priorität. Diesem Standpunkt wi- dersprechen die Institutionalisten, indem sie internationale Institutionen als intervenie- rende Variable für die Kooperation zwischen Staaten ausmachen.8 Der Ansatz besagt, dass bloße Durchsetzung von Macht in einem interdependenten und komplexeren Sys- tem nicht mehr ausreichen würde um Interessen zu verfolgen. Ebenso gäbe es keine hierarchische Ordnung von Themen auf der internationalen Agenda.9 Internationale Or- ganisationen verknüpfen im Weltbild des Institutionalismus diese unvollständig mitei- nander verbundenen Themen. Sie strukturieren die politische Agenda, fungieren als Ka- talysator für Koalitionen und sind eine Arena für Initiativen politisch schwächerer Staaten.10 Durch sie gelingt es, dass Staaten in einem Prozess der policy-Koordinierung gemeinsame Gewinne erzielen. Hierbei hebt Keohane hervor, dass Koordination nicht mit Harmonie gleichzusetzen sei, sondern durch aktive Aushandlungsprozesse zustande komme.11 Auch hier ist der Anknüpfungspunkt an den Neorealismus erkennbar, schon Waltz behauptete: „In anarchy there is no automatic harmony.“12

Selbstverständlich gibt es jedoch Einschränkungen in der Effektivität von internationalen Organisationen und Institutionen. Bestimmte Faktoren müssen erfüllt werden, damit sie als Instrumente sinnvoll genutzt werden und die oben beschriebenen Aufgaben erfüllen können. Keohane identifiziert diese wie folgt:

Lastenausgleich: Regierungen steuern nur etwas zu einem kollektiven Objekt bei, wenn andere es ebenso tun. Findet dies allerdings statt, wird es schwerer für einzelne Staaten sich dem zu entziehen.

Informationsfunktion: Die Institution stellt Informationen für nationale Regierungen bereit. Sie muss diesbezüglich einen Mehrwert bieten können, da die einzelnen Staaten sonst unilaterales Handeln präferieren.

Koordinationsfunktion: Die Institution hilft es, zu verhindern, dass sich die diversen Interessen der jeweiligen Länder in die Quere kommen.

Disziplinarfunktion: Institutionen disziplinieren Staaten. Als Folge werden klar festgelegte Regeln und zentrale Instanzen zur Einhaltung benötigt.13

Diese Merkmale sollen auch im folgenden Anhaltspunkt für die Funktionalität des Eu- ropäischen Auswärtigen Dienstes gelten. Übertragt man im weiteren nun die Annahmen des Institutionalismus auf die Schaffung des EAD, so muss davon ausgegangen werden, dass einzelne Nationalstaaten probieren werden, innerhalb der Institution ihre egoistischen Interessen zu verfolgen. Verfehlt der Dienst die oben genannten Kriterien, so kann er auch seine intervenierende Funktion nicht ausüben. Dominante Staaten werden ihre Interessen gegenüber schwächeren Staaten durchsetzen können, anstatt ihre Politiken im Aushandlungsprozess anzupassen. Um diesen Zustand zu verhindern muss der EAD als funktionierendes Konstrukt aufgebaut werden. Ist dies nicht erfolgreich, so ist verkümmert er als reiner Spielball nationaler Interessen.

2.2 Supranationalität versus intergouvernementale Zusammenarbeit

Der Begriff der Supranationalität soll in den folgenden Zusammenhängen verstanden werden als „überstaatlich integrierte Machtpolitik“.14 Dadurch können Organe der EU direkt verbindliche und unmittelbar wirkende Entscheidungen durch Mehrheitsbe- schlüsse treffen. In der Folge bedeutet dies eine Abgabe von Souveränität für die Natio- nalstaaten.

Im Gegensatz dazu, wird die intergouvernementale Zusammenarbeit, als „allgemeine Form der Zusammenarbeit der Regierungen von Staaten in internationalen Organisationen“15, verstanden. Sie beruht auf dem Völkerrecht und trifft Entschlüsse nach dem Prinzip der Einstimmigkeit. Jedem Staat steht somit ein Vetorecht bei der Entscheidungsfindung zu. Die Nationalstaaten behalten ihre volle Souveränität.16 Als supranationale Institutionen innerhalb der Europäischen Union können das Europäische Parlament und die Kommission ausgemacht werden. Als intergouvernementale Gegenspieler existieren der Europäische Rat und der Rat (der Minister). Hier haben vor allem nationale Interessen eine größere Gewichtung.

[...]


1 Vgl. Tait, Louise, Cooperation with EU parliament top priority for Ashton, in: <http://www.theparliament.com/no_cache/latestnews/news-article/newsarticle/cooperation-with-eu-parlia ment-top-priority-for-ashton/> [Zugegriffen am 27.7.13].

2 ebd.

3 Vgl. Keohane, Robert/ Nye, Joseph, Power and Interdependence, 4. Auflage, Boston u.a. 2012.

4 Vgl. Keohane, Robert, After Hegemony:cooperation and discord in the world policital economy, Prince- ton 1984.

5 Vgl. Huang, Hui-Ling, EU und VR China nach dem Ost-West-Konflikt. Interaktionen im Spiegel des Neolibearlen Institutionalismus, in: Jäger, Dr. Thomas (Hrsg.), Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen, Wiesbaden 2012, S. 20.

6 Vgl. Waltz, Kenneth N., Theory of International Politics, Boston u.a. 1979, S. 126.

7 Vgl. Mearsheimer, John, The Tragedy of Great Power Politics, New York 2001, S. 21.

8 Vgl. Keohane, After Hegemony, S.64.

9 Vgl. Keohane/Nye, Power and Interdependance, S. 24.

10 Vgl. ebd. S. 35.

11 Vgl. Keohane, After Hegemony, S. 51.

12 Waltz, Kenneth, Man the State and the war. a theoretical analysis, New York 1959, S. 182.

13 Vgl. Keohane/Nye, Power and Interdependance, S.271.

14 Mickel, Wolfgang/Grupp, Claus, Handlexikon der Europäischen Union Bergmann, in: Bergmann, Jan (Hrsg.), 4. Aufl., Baden-Baden 2012, S.875.

15 ebd. S. 521.

16 Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Europäische Auswärtige Dienst als Spielball nationaler Interessen. Reformvorschläge im Spiegel des Neoliberalen Institutionalismus
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Politikwissenschaft; Lehrstuhl Internationale Beziehungen)
Veranstaltung
Zwei Jahre Europäischer Auswärtiger Dienst - Arbeit und Evaluierung
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V283124
ISBN (eBook)
9783656826293
ISBN (Buch)
9783656827283
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internationale Beziehungen, Europäische Union, Außenpolitik, Europäischer Auswärtiger Dienst, EAD, neoliberaler Institutionalismus, Politikwissenschaft, internationale Politik
Arbeit zitieren
Benedikt Simon Feld (Autor:in), 2013, Der Europäische Auswärtige Dienst als Spielball nationaler Interessen. Reformvorschläge im Spiegel des Neoliberalen Institutionalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283124

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