»Erst heute fängt die Wissenschaftsgeschichte an wahrzunehmen, dass sie selbst in einer Geschichte steht, die ihre Vorlieben und Verfahren nicht unberührt lässt.«
Besteht daraufhin das Anliegen einer Beschreibung dieses Faches, so macht sich ein gewisser Interpretationsspielraum bemerkbar, was nicht zuletzt daran liegen mag, dass es ein Konglomerat verschiedener Disziplinen ist, welches in seinem Umfang oszilliert. Darauf soll zunächst näher eingegangen werden.
Grundlegend hierbei ist, dass sich die historische Epistemologie, heute ein Teilgebiet der Wissenschaftsgeschichte und Thema dieser Arbeit, in einer Zeit des Wandels der Einstellung zur Wissenschaft entwickelt hat, ein Wandel, der seine Quellen in der veränderten Sicht auf Wissenschaft als Prozess anstelle eines Sytems findet. Allgemein gesprochen sind die Überwindung der klassischen Physik und das Anerkennen einer Pluralität der Forschungsfelder dafür ebenso ausschlaggebend wie eine Problemverschiebung in der Reflexion auf das Verhältnis von Begriff und Objekt. Dies wird bei der Beschäftigung mit Wissenschaft darin deutlich, dass, angefangen bei der Klassifikation aller Wissenschaften durch Auguste Comte, im Laufe der Zeit nach ihm eine Abwendung von der reinen Wissenschaftsgeschichte der allgemeinen und speziellen Wissenschaften hin zu einer epistemologisierten Variante als notwendig erachtet wurde, woraufhin eine Entwicklung stattfand, die den Sachverhalt einer berichtenden, chronologisierten Darlegung von wissenschaftlichem Fortschritt um die diversifizierten Positionen der Wissenschaftsphilosophie erweitert hat. Dieser neue Ansatz zielt darauf ab, sich von der bis in das frühe 20. Jahrhundert auftretenden Universalisierungstendenz in der Epistemologie und Wissenschaftsphilosophie zu distanzieren, da der Anspruch entstanden ist, dass Wissen immer in Kontexten zu sehen ist, die nicht ignoriert werden können. Das Aufgabenfeld der Disziplin scheint damit auf eine andere Ebene verlagert, nämlich auf die der elementaren Diskussion über Wissenschaft als Erkenntnisproduzent anstelle der Funktion bloßer Wiedergabe von Fakten und Daten, wohingegen der Erkenntnisgewinn an die Wissenschaftstätigkeit abseits vom reinen Denkertum geknüpft wird. Wissenschaft wird so zu einem unabtrennbaren Bestandteil erkenntnistheoretischer Überlegungen, die Arten des Zugewinns von Wissen auf der anderen Seite werden Bestandteil der historisierten Darstellung von Wissenschaftsentwicklung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Entwicklungsgeschichte
- Überblick über das Fach
- Die historische Epistemologie bei Georges Canguilhem (1904 - 1995)
- Abschließende Betrachtungen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der historischen Epistemologie, einem Teilgebiet der Wissenschaftsgeschichte, und untersucht die Entwicklung und Bedeutung dieses Fachs im Kontext der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung. Der Fokus liegt dabei auf dem Werk von Georges Canguilhem, einem prominenten Vertreter der historischen Epistemologie, dessen Gedanken als beispielhaft für die Entwicklung und Bedeutung dieses Fachs gelten.
- Entwicklung der historischen Epistemologie als Reaktion auf den Wandel der Einstellung zur Wissenschaft
- Bedeutung der historischen Epistemologie für die Analyse von Wissenschaftsentwicklung und -geschichte
- Die Rolle von Georges Canguilhem als einflussreicher Vertreter der historischen Epistemologie
- Die Bedeutung des historischen Kontextes für die Analyse von Wissen und Erkenntnis
- Die Herausforderungen und Chancen der historischen Epistemologie in der heutigen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Entwicklung der historischen Epistemologie als Reaktion auf den Wandel der Einstellung zur Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Sie zeigt auf, wie die klassische Wissenschaftsgeschichte durch eine epistemologisierte Variante abgelöst wurde, die den Sachverhalt einer berichtenden, chronologisierten Darlegung von wissenschaftlichem Fortschritt um die diversifizierten Positionen der Wissenschaftsphilosophie erweitert hat. Die Einleitung stellt die Frage, welche Autoren der historischen Epistemologie zugeordnet werden können und auf welcher Grundlage.
Der erste Teil der Arbeit bietet einen Überblick über das Fach der historischen Epistemologie. Er beleuchtet die Entstehung des Begriffs 'historische Epistemologie' und die verschiedenen Ansätze, die innerhalb dieses Fachs vertreten werden. Der erste Teil diskutiert die Herausforderungen, die sich aus der Methodologiedebatte innerhalb der historischen Epistemologie ergeben.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der historischen Epistemologie bei Georges Canguilhem. Er analysiert Canguilhems Werk im Kontext der historischen Epistemologie und zeigt auf, wie Canguilhem die Bedeutung des historischen Kontextes für die Analyse von Wissen und Erkenntnis hervorhebt. Der zweite Teil beleuchtet Canguilhems Einfluss auf die Entwicklung der historischen Epistemologie und seine Bedeutung als Bezugspunkt für nachfolgende Philosophen und Historiker.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die historische Epistemologie, die Wissenschaftsgeschichte, Georges Canguilhem, Gaston Bachelard, die Entwicklung der Wissenschaft, die Analyse von Wissen und Erkenntnis, der historische Kontext, die Methodologiedebatte, die Wissenschaftsphilosophie und die Bedeutung des Fachs für die heutige Zeit.
- Citation du texte
- Marcus Vorlop (Auteur), 2014, Historische Epistemologie im Forschungsfeld Wissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283336