Die schulische Leistungsbeurteilung ist ein viel diskutiertes Thema im Alltag der Familien, in den Lehrerzimmern, aber auch im erziehungswissenschaftlichen Diskurs. Seit Jahren beschäftigen sich verschiedene Pädagogen mit der Funktion, den Ausprägungsformen, den Schwächen und Nebenfolgen der Leistungsbeurteilung durch Lehrkräfte. Insbesondere steht dabei die Zensur als Instrument der Leistungsbeurteilung im Mittelpunkt und zugleich werden Alternativen aufgezeigt und evaluiert. Erstaunlich ist hierbei jedoch, dass die eigentlich Betroffenen, die Schülerinnen und Schüler, bisher kaum in das Blickfeld der Forschung geraten sind. Noch weniger werden speziell Grundschüler von der Forschung in den Blick genommen. Dabei erhalten Schüler der Grundschule ab der dritten Klasse ebenfalls Noten.
In der Pädagogik sind viele verschiedene Meinungen zu finden, die für oder gegen eine Benotung von Schülern sprechen. Allen gemeinsam ist, dass Pädagogen stets bemüht sind, das Beste für die Schüler zu wollen. Dabei steht nach FROMM (1987) „die Sicherheit, mit der Pädagogen oder Bildungspolitiker Aussagen über Schüler treffen, auf schwachen Füßen. Es gibt kaum eine pädagogische Arbeit, in der nicht auch einige Aussagen über Schüler zu finden sind. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der über Schüler gesprochen und geschrieben wird, ist oft genug weder durch genaue Kenntnisse noch durch Nachfrage der Pädagogen gedeckt“.
Die eigene Befragung stellt genau diese Perspektive in den Mittelpunkt und nimmt hierbei auch den Blickwinkel der jüngsten Schülerinnen und Schüler, Grundschüler der ersten und zweiten Klasse ein, die bisher kategorisch ausgeschlossen wurden. Und dies hat auch seinen Grund. So wurde auch mir von Seiten der Schulen zu Beginn meiner Befragungen größte Skepsis entgegengebracht. Die Lehrkräfte fürchteten, dass die Befragung zum Ziel hat, für die Benotung ab der ersten Klasse zu plädieren, was keineswegs der Fall ist. Eine weitere Sorge bestand darin, dass ihre kleinen Schüler, die nach eigener Aussage bereits Noten wünschten und zu Beginn des ersten Schuljahres sogar erwarteten, in diesem Wunsch bestätigt würden. Zudem teilten manche Lehrkräfte gleich zu Beginn mit, dass sie das Thema Notengebung kategorisch aus Unterrichtsgesprächen ausschließen und ihre Schüler daher über kaum Wissen verfügen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung in das Thema
2. Leistungsbewertung in der Schule
2.1 Grundsätze der Leistungsbewertung
2.1.1 Leistung
2.1.2 Leistungsermittlung
2.1.3 Leistungsbewertung
2.1.4 Leistungsbeurteilung
2.1.5 Bezugsnormen der Leistungsbeurteilung
2.2 Formen der Leistungsrückmeldung in der Grundschule
2.3 Zensuren als Instrument der Leistungsbeurteilung
2.3.1 Definition Zensur und Noten
2.3.2 Zensuren als Instrument der Leistungsbeurteilung
2.3.3 Erläuterung der Notenskala
2.4 Funktion von Zensuren
2.5 Anforderungen an Zensuren ‒ die Gütekriterien
2.5.1 Homomorphie
2.5.2 Objektivität
2.5.3 Reliabilität
2.5.4 Validität
2.6 Probleme der schulischen Zensurengebung
2.6.1 Forschung zur Zensurengebung
2.6.2 Kritik an den Funktionen der Zensur
2.6.3 Die „Nebenwirkungen“ der Zensurengebung
2.6.4 Fehlende Alternativen ‒ Eine Bestandsgarantie für Zensuren?!
3. Kinder und Leistungsbeurteilung
4. Methode
4.1 Interviews als Basis der Datenerhebung
4.2 Einsatz qualitativer Interviews mit Kindern
4.3 Methodisches Vorgehen der Befragung und der Auswertung
5. Auswertung Ergebnisse
5.1 Erste Klasse
5.2 Zweite Klasse
5.3 Dritte Klasse
6. Vergleich der Auswertungen
7. Zusammenfassung und Fazit
8. Literatur
9. Anhang
1 Einleitung in das Thema
Die schulische Leistungsbeurteilung ist ein viel diskutiertes Thema im Alltag der Familien, in den Lehrerzimmern, aber auch im erziehungswissenschaftlichen Diskurs. Seit Jahren beschäftigen sich verschiedene Pädagogen mit der Funktion, den Ausprägungsformen, den Schwächen und Nebenfolgen der Leistungsbeurteilung durch Lehrkräfte. Insbesondere steht dabei die Zensur als Instrument der Leistungsbeurteilung im Mittelpunkt und zugleich werden Alternativen aufgezeigt und evaluiert. Erstaunlich ist hierbei jedoch, dass die eigentlich Betroffenen, die Schülerinnen und Schüler, bisher kaum in das Blickfeld der Forschung geraten sind. Noch weniger werden speziell Grundschüler von der Forschung in den Blick genommen (vgl. Jachmann, 2003, S. 13). Dabei erhalten Schüler1 der Grundschule ab der dritten Klasse ebenfalls Noten.
In der Pädagogik sind viele verschiedene Meinungen zu finden, die für oder gegen eine Benotung von Schülern sprechen. Allen gemeinsam ist, dass Pädagogen stets bemüht sind, das Beste für die Schüler zu wollen. Dabei steht nach FROMM (1987) „die Sicherheit, mit der Pädagogen oder Bildungspolitiker Aussagen über Schüler treffen, auf schwachen Füßen. Es gibt kaum eine pädagogische Arbeit, in der nicht auch einige Aussagen über Schüler zu finden sind. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der über Schüler gesprochen und geschrieben wird, ist oft genug weder durch genaue Kenntnisse noch durch Nachfrage der Pädagogen gedeckt“ (CZERWENKA et al., 1990, S. 19).
Die eigene Befragung stellt genau diese Perspektive in den Mittelpunkt und nimmt hierbei auch den Blickwinkel der jüngsten Schülerinnen und Schüler, Grundschüler der ersten und zweiten Klasse ein, die bisher kategorisch ausgeschlossen wurden. Und dies hat auch seinen Grund. So wurde auch mir von Seiten der Schulen zu Beginn meiner Befragungen größte Skepsis entgegengebracht. Die Lehrkräfte fürchteten, dass die Befragung zum Ziel hat, für die Benotung ab der ersten Klasse zu plädieren, was keineswegs der Fall ist. Eine weitere Sorge bestand darin, dass ihre kleinen Schüler, die nach eigener Aussage bereits Noten wünschten und zu Beginn des ersten Schuljahres sogar erwarteten, in diesem Wunsch bestätigt würden. Zudem teilten manche Lehrkräfte gleich zu Beginn mit, dass sie das Thema Notengebung kategorisch aus Unterrichtsgesprächen ausschließen und ihre Schüler daher über kaum Wissen verfügen. Die Rückmeldung der Lehrkräfte zeigte jedoch, dass das Thema Schulnoten bereits ab der ersten Klasse durchaus ein Thema in der Schulklasse ist, obwohl die Schüler noch keine Zensuren erhalten.
Die Schüler nehmen das Thema Noten durch ältere Geschwister, ihre Eltern, ihre Lehrer oder andere Mitschüler wahr. An diesem Punkt setzt die Befragung an. Was wissen die Schüler bereits? Weiß ein Erstklässler in jedem Fall weniger als ein Zweitklässler? Zählt der Drittklässler, der bereits Noten erhält, schon zum Zensuren-Experten? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, wurde das Gespräch mit den Grundschülern gesucht.
Die Arbeit ist hierbei in einen Theorie- und einen Praxisteil gegliedert. Der Theorieteil dient dazu, zunächst die bedeutsamen Begrifflichkeiten zum Thema Leistung zu erläutern, hierzu zählt auch eine Unterscheidung der Begriffe Leistungsermittlung, Leistungsbewertung und Leistungsbeurteilung. Im weiteren Verlauf wird ein Überblick über weitere Formen der Leistungsbeurteilung gegeben und die Zensur als Instrument der Leistungsbeurteilung ausführlich betrachtet, die im Mittelpunt der Arbeit steht. Hierzu werden zugleich die Funktionen der Zensur und Anforderungen an die Zensur benannt. Das sechste Teilkapitel greift die vielen bereits vorhandenen kritischen Stimmen auf, die sich auf die Probleme der Zensurengebung beziehen.
Im anschließenden praktischen Teil der Arbeit gibt das dritte Kapitel einen Überblick über die aktuelle Forschungslage und bereits durchgeführte Studien mit Schülern. Dieses Kapitel beschränkt sich hierbei nur auf die Schüler der Grundschule, da in der Befragung auch ausschließlich Grundschüler interviewt wurden.
Das vierte Kapitel stellt ausführlich die gewählte Methode der Durchführung dar. Die Reduktion, nur die Klassen eins bis drei zu befragen, ist darin begründet, dass Schulnoten ab der vierten Klasse, bedingt durch den Schulwechsel, wiederum eine ganz andere Bedeutung für Schüler haben. Hier wirken sie richtungsweisend und entscheiden über die weitere Zukunft. Da dieser Aspekt nicht Gegenstand der Forschungsfragen sein soll, wurde die vierte Klasse ausgeklammert.
Als Methode der Befragung wurde das Interview gewählt. Dies erfordert zunächst eine theoretische Darstellung über die Verwendung des Interviews als Basis der Datenerhebung sowie den Blick speziell auf Interviews mit Kindern. Diese Darstellung wird ebenso wie die Beschreibung des eigenen methodischen Vorgehens im vierten Kapitel gegeben. Die Auswertung des Interviewleitfadens auch speziell unterteilt in die einzelnen Schulstufen findet im fünften Kapitel statt. Um einen Vergleich herstellen zu können, werden diese einzelnen Auswertungen im 6. Kapitel ausführlich verglichen und gegenübergestellt. Das 7. Kapitel dient der Zusammenfassung der Arbeit, ebenfalls erfolgt hier die Beantwortung der oben aufgeführten Fragen.
2. Leistungsbewertung in der Schule
2.1 Grundsätze der Leistungsbewertung
Grundsätze der Leistungsbewertung sind im Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW – SchulG) vom 15. Februar 2005 wie folgt benannt:
„(1) Die Leistungsbewertung soll über den Stand des Lernprozesses der Schülerin oder des Schülers Aufschluss geben; sie soll auch Grundlage für die weitere Förderung der Schülerin oder des Schülers sein. Die Leistungen werden durch Noten bewertet. (2) Die Leistungsbewertung bezieht sich auf die im Unterricht vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Grundlage der Leistungsbewertung sind alle von der Schülerin oder dem Schüler im Beurteilungsbereich ‚Schriftliche Arbeiten‘ und im Beurteilungsbereich ‚Sonstige Leistungen im Unterricht‘ erbrachten Leistungen(…).“
Obwohl diese Grundsätze in der Theorie vollkommen logisch und verständlich scheinen, gehört dennoch in der Schulpraxis die „Beurteilung von Schülerleistung zu den schwierigsten Berufsaufgaben von Lehrkräften“ (Zumhasch, 2001, S. 263). Es ergeben sich, auch in der pädagogisch-didaktischen Literatur, wiederholt Fragen wie z.B., was der Begriff Leistung in der Schule bedeutet, welche Formen der Leistungsbewertung möglich sind oder auch zu welchem Zweck Leistungen bewertet werden. Um dies angemessen diskutieren zu können, werden im Folgenden notwendige Begrifflichkeiten dargelegt.
2.1.1 Leistung
Bei dem Versuch einer Bedeutungserklärung der Wörter „Leistung“ und „leisten“ wird die vielschichtige semantische Bedeutung deutlich. Sie unterscheiden sich jedoch maßgeblich, wie beispielsweise der physikalisch-technische Leistungsbegriff (Arbeit pro Zeit), von dem wirtschaftlichen Zusammenhang (gewinnbringende Arbeit von Mensch und Maschine). Beide wiederum unterscheiden sich vom psychologischen Verständnis, in das auch Aspekte der Motivation und des sozialen Umfelds einfließen (vgl. Ziegenspeck, 1999, S. 29ff.). Der schulische Begriff von Leistung ist von den ökonomischen Leistungsprinzipien deutlich zu unterscheiden (vgl. KLAFKI, 1996, S. 209ff.; JÜRGENS, 1998, S. 11, Sacher, 2004, S. 17). Auch das Leistungsverständnis der Arbeits- und Erwachsenenwelt (gleicher Lohn für gleiche Leistung) kann nicht ohne Weiteres von der Schule übernommen werden, obwohl sich durchaus Parallelen ziehen lassen (vgl. Jachmann, 2003, S. 15). „Somit ist die Frage, welchen Leistungsbegriff man für das schulische Lernen zugrunde legen soll, eine zentrale Frage, die die Schulpädagogik seit langem bewegt“ (Jachmann, 2003, S. 15). JÜRGENS (1998, S. 26ff.) gibt zu bedenken, dass Leistungen und Leistungsvermögen anlage- und umweltbedingt sind. Sie sind sowohl abhängig von den individuellen körperlichen und kognitiven Möglichkeiten als auch von der Förderung des sozialen Umfelds. Leistungen von Kindern und Heranwachsenden sind im besonderen Maße „produkt- und prozessorientiert“ und Leistungen können individuell erbracht werden, aber auch gemeinsames soziales Lernen ist beinhaltet. Einen solchen Leistungsbegriff, der diese Dimensionen einbezieht und sich zugleich am Grundsatz der Ermutigung, der Lernfreude und der Anstrengungsbereitschaft orientiert, nennt KLAFKI (1974, S. 74ff.) „pädagogisch“. Einen Leistungsbegriff, der sich überwiegend am messbaren Ergebnis orientiert, nur die individuell erbrachten Leistungsprodukte betrachtet und rivalisierendes Lernen begünstigt, bezeichnet KLAFKI als unpädagogisch. Dieses Verständnis eines Leistungsbegriffes wird auch in jüngerer Literatur benannt (vgl. auch BARTNITZKY/CHRISTIANI, 1994, S. 8; JÜRGENS, 1998, S. 11; ZIEGENSPECK, 1977, S. 27f.; VON SALDERN, 1999, S. 9; KNAUF, 2001, S. 233).
2.1.2 Leistungsermittlung
„Damit Leistungen in der Schule sichtbar werden können, müssen im Unterricht neben den Prozessen des Lehren und Lernens auch Gelegenheiten geschaffen werden, in denen Leistung erbracht und bewertet werden können“ (Jachmann, 2003, S. 16).
So gibt es, wie in den Grundsätzen der Leistungsbewertung des SchulG NRW beschrieben, neben den schriftlichen Lernzielkontrollen durch verschiedene Formen von Aufgaben und Tests auch den Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen im Unterricht“, zu dem auch die mündliche Mitarbeit im Unterricht zählt. Für Schüler ist es problematisch, wenn nicht eindeutig ist, ob eine Lernsituation vorliegt, in der Fehler erlaubt sind, oder ob es um eine Leistungsüberprüfung geht, in der Fehler möglichst vermieden werden sollten (Jachmann, 2003, S. 17). „Zudem zeigt sich hier auch der fließende Übergang von der Bewertung des Lernprozesses und der des Lernergebnisses“ (ebd.). Um von einer intuitiven zu einer systematischen Einschätzung von mündlicher Leistung zu gelangen, sind verschiedene Versuche unternommen worden, die Mitarbeit im Unterricht zu objektvieren (vgl. auch INGENKAMP, 1997, S. 56; NUDING, 2006, S. 30ff.; JÜRGENS, 1998, S. 120).
2.1.3 Leistungsbewertung
Leistungsbewertung und Leistungsermittlung müssen deutlich voneinander unterschieden und getrennt werden. Eine vorliegende schulische Leistung wie zum Beispiel eine Klassenarbeit, ein Kunstwerk, ein Aufsatz oder ein Test impliziert zunächst noch keine Wertung. Hier sind verschiedene Anforderungen entscheidend (s. Kapitel 2,5), nach denen die Leistung als gut oder schlecht beurteilt werden soll (vgl. Jachmann, 2003, S. 16). Die Bewertung einer Lernleistung macht das Vorhandensein eines Maßstabes erforderlich, anhand dessen Zuordnungen vorgenommen werden. Ein derartiges Kategoriensystem stellt die Notengebung mit ihrer sechsstufigen Notenskala dar (s. Kapitel 2.3.3), die von ‚sehr gut‘ bis ‚ungenügend‘ reicht (Jürgens, 1998, S. 42). „In der schulischen Praxis fallen Beobachtung und Bewertung einer Leistung allerdings oft zusammen, etwa wenn ein mündlicher Beitrag spontan und zeitgleich mit der Erbringung der Leistung als ‚richtig‘, ‚hilfreich‘ oder ‚abschweifend‘ bezeichnet wird und unter Umständen mit einer Zensur bewertet wird“ (Jachmann, 2003, S. 17f.). Die bewusste Unterscheidung zwischen einer neutralen Beobachtung und einer Bewertung nach verschiedenen Kriterien ist eine schultypische Problematik (vgl. u.a. BRÜTTING, 1981, S. 192).
2.1.4 Leistungsbeurteilung
In der pädagogisch-didaktischen Literatur und auch in dieser Arbeit ist eine Unterscheidung zwischen Leistungsbewertung und Leistungsbeurteilung meist kaum vorhanden und die Begriffe werden weitestgehend synonym gebraucht. Dennoch hat der Begriff Beurteilung eine „schärfere“ Bedeutung als der Begriff Bewertung.
„Den Wert einer Leistung einzuschätzen liegt eher im Sprachgebrauch des kaufmännischen und enthält ein subjektives Element; denn jemand anderes könnte den Wert ganz anders einschätzen. Über eine Leistung ein Urteil fällen liegt eher im juristischen Sprachgebrauch. Aus einem Urteil sind Konsequenzen zu ziehen, es ist nicht so leicht rückgängig zu machen“ (Jachmann, 2003, S. 18).
Dieser Aspekt findet sich auch in der Kritik der traditionellen Zensurengebung (s. Kapitel 3).
2.1.5 Bezugsnormen der Leistungsbeurteilung
„Lehrer beurteilen die Leistungen der Kinder nicht nur bei Klassenarbeiten, Tests oder Zeugnissen. Immer wenn bestätigt, korrigiert, geholfen, ermutigt, angespornt, gelobt, getadelt, gepunktet, zensiert, beraten wird, hat der Lehrer zuvor beurteilt. Oft finden seine Urteile auch gar keinen unmittelbaren Ausdruck, fließen aber ‒ mehr oder weniger bewusst ‒ in seine weiteren Entscheidungen ein“ (Bartnitzky/Chistiani, 1981, S. 85).
Wie eine einzelne Leistung bewertet wird, ist im Wesentlichen davon abhängig, welchen Maßstab die Lehrkraft verwendet. Die Leistungsbewertung ist somit immer von einer Bezugsnorm abhängig. Der Literatur sind drei Bezugsnormen zu entnehmen, die für die Bewertung von Schülerleistungen bedeutend sind und die im Folgenden erläutert werden (vgl. auch BARTNITZKY/CHRISTIANI, 1981, S. 85, VON SACHER, 1996, S. 45; JÜRGENS, 1998, S. 42; ZIEGENSPECK, 1999, S. 130; ROOS, 2001, S. 41; JACHMANN, 2003, S. 19).
Die soziale Bezugsnorm
„Bei sozialen Bezugsnormen wird die individuelle Leistung eines Schülers mit den Leistungen einer ausgewählten ‚sozialen‘ Referenzgruppe verglichen: etwa den Leistungen der Schüler einer bestimmten Klasse (Klassennorm), einer bestimmten Jahrgangsstufe (Jahrgangsnorm) oder einer Gruppe gleichen Alters (Altersnorm)“ (Zumhasch, 2001, S. 268).
Entspricht eine Leistung der Gruppenleistung oder übertrifft sie sogar, dann wird sie als gut eingestuft. Fällt sie dagegen ab, so ist es eine schlechte Leistung (vgl. Sacher, 1996, S. 45). Ausschlaggebend für den Wert der eigenen Leistung ist somit der Durchschnittswert innerhalb der Klasse. Mit dem Beschluss vom 03.10.1968 veränderte die KMK (Kultusministerkonferenz) die Formulierung dahingehend, dass sich die Bewertung der Leistungen an den Anforderungen zu orientieren hat und nicht, wie zuvor formuliert, vom Leistungsdurchschnitt der Klassenstufe ausgehen soll (siehe Kapitel 2.3.3). Der Wechsel von einer sozialen hin zu einer curricularen Bezugsnorm wurde damit intendiert (vgl. Sacher, 2001, S. 47). Obwohl diesbezüglich im Rückschluss festgehalten werden kann, dass eine Anwendung des sozialen Maßstabes unzulässig ist, spricht vieles dafür, dass genau das soziale Bezugssystem bei der Bewertung von Schülerleistungen dominierend ist. Beispielhaft kann hier der sogenannte „Drittelerlass“ genannt werden, der besagt, dass Klassenarbeiten genehmigt werden müssen, wenn dort mehr als ein Drittel der Leistungen als nicht ausreichend bewertet wurde. Dieser Erlass spricht für eine Bewertung der Schüler am Durchschnitt (vgl. Jachmann, 2003, S. 19f.). Vor allem wird die die Anwendung der sozialen Bezugsnorm kritisch gesehen. RHEINBERG (2001) spricht von „drei blinden Flecken“ dieser Bezugsnorm. Erstens wird so nur ein klasseninterner Maßstab berücksichtigt, zweitens bleiben die individuellen Lernzuwächse der Schüler unsichtbar und drittens werden auch Schwankungen in den Lernzuwächsen Einzelner nicht deutlich (S. 64f.)“. JACHMANN (2003) benennt Gründe, warum die Anwendung der sozialen Bezugsnorm jedoch auch nicht völlig abzulehnen ist. So spiegeln „die tatsächlich vorliegenden Schülerleistungen, die situationsbezogenen Faktoren (etwa Anzahl und Qualität der Unterrichtsstunden) am ehesten wider oder berücksichtigen sie“ (Jachmann, 2003, S. 19f.).
Die kriteriumsorientierte Bezugsnorm
Die kriteriumsorientierte Bezugsnorm, die auch curriculare, sachliche oder Lernziel-Bezugsnorm genannt wird, zeigt auf, inwiefern der Schüler ein gefordertes Lernziel erreicht hat. „Die Anwendung kriterialer Normen bei der Bewertung schulischer Leistung ist durch die Schulgesetzgebung vorgeschrieben!“ (Zumhasch, 2001, S. 269). Für die Anwendung dieser Norm sollte einer Bewertung eine Kriteriumsliste zugrunde liegen, welche unabhängig von der Gruppenleistung formuliert wird. Hierzu ist es notwendig, die Kriterien, die in der Regel mit dem angestrebten Lernziel übereinstimmen, vor einer Leistungsermittlung zu formulieren, um zu gewährleisten, dass die tatsächlich vorliegenden Ergebnisse nicht die Kriteriumsliste bestimmen und so doch die soziale Bezugsnorm zum Tragen kommt. Entspricht die Leistung dieser Liste oder übertrifft sie, dann wird sie als gut bewertet. Entspricht die Leistung der Liste nicht, ist es eine schlechte Leistung (vgl. von Sacher, 1996, S. 45). „Die kriteriumsorientierte Lernerfolgsmessung ist in besonderem Maße darauf angelegt, nicht nur als Leistungskontrolle für die Schüler zu dienen, sondern gleichwohl für eine Überprüfung der pädagogischen und didaktischen Wirksamkeit des Lehrens unterstützend zur Verfügung zu stehen“ (Jürgens, 1998, S. 44).
Die individuelle Bezugsnorm
„Die Individualnorm misst, welche Fortschritte der Schüler seit der letzten Leistungsmessung oder Standortbestimmung erzielt hat“ (Roos, 2001, S. 41). Im Zentrum der pädagogischen Aufmerksamkeit steht der individuelle Lern- und Leistungsprozess der Schüler. Die Beurteilung erfolgt anhand einer personenbezogenen, auch ipsativ genannten Norm (vgl. Jürgens, 1998, S. 42). „Eine stetige Verbesserung von Leistung würde also in jedem Fall positiv bewertet werden, ganz gleich auf welchem Niveau diese Verbesserung stattfindet. Umgekehrt würde eine Leistung, die ‒ nach anderen Kriterien beurteilt ‒ als ausgezeichnet erscheint, negativ bewertet werden, wenn sie hinter früheren Leistungen zurückbleibt“ (Jachmann, 2003, S. 20). In der schulischen Praxis lässt sich die individuelle Bezugsnorm nur schlecht mit Zensuren als Form der Leistungsbewertung vereinbaren, da gleiche Leistungen zweier Schüler unterschiedlich bewertet werden und dies vor allem dem Gerechtigkeitsgefühl der Schüler widersprechen würde.
In der schulischen Praxis orientieren sich Leistungsbewertungen in der Regel nicht ausschließlich an einer einzelnen Bezugsnorm. Es werden Bezugsnormen gemischt, wie zum Beispiel die soziale und kriteriale Bezugsnorm, wenn nur sehr wenige Leistungen dem zuvor formulierten Kriterienkatalog genügen. So wird die Prüfung als zu schwer eingestuft und die ursprüngliche Erwartung abgestuft. In diesem Fall findet die soziale Bezugsnorm Eingang in die Bewertung (Jachmann, 2003, S. 21). „Bei unklaren Fällen werden die Lehrenden zudem in Betracht ziehen, ob sich der Betreffende bemüht und angestrengt hat oder nicht, so dass damit auch der individuelle Maßstab in die Bewertung Eingang findet“ (ebd., S. 21).
Da jede Bezugsnorm jeweils spezifische Informationen über den Leistungsstand eines Schülers ermöglicht, sind sie nicht gegenseitig austauschbar (Sacher, 1996, S. 45f.). Aus Gründen der Transparenz empfiehlt KLAUER (1989), „bei der schulischen Leistungsbewertung alle drei Bezugsnormen zugleich anzulegen und folglich generell für jeden Schüler explizit drei Bewertungen zu erstellen“ (Klauer, 1989, S. 44f.).
2.2 Formen der Leistungsrückmeldung in der Grundschule
„Eine von der Lehrkraft vorgenommene Bewertung von Leistungen muss dem Lernenden in irgendeiner Form übermittelt werden“ (Jachmann, 2003, S. 21) so wie es auch in der Grundsätzen des Schulgesetztes festgehalten ist. Jedoch sind Noten nicht die einzige Form der Leistungsrückmeldung. Neben den Zensuren, die nicht nur im Schulgesetz hervorgehoben, sondern auch in dieser Arbeit schwerpunktmäßig bearbeitet werden, sind auch Zeugnisse (Ziffernzeugnisse und Verbalbeurteilungen), unterrichtsbegleitende Rückmeldung, Portfolio und Elterngespräche als mögliche Form der Leistungsrückmeldung in der Schule zu benennen. Für einen Überblick werden diese im Folgenden kurz erläutert.
Zeugnisse erhalten Schüler in der Grundschule bereits ab der ersten Klasse. In den Empfehlungen zur Arbeit an den Grundschulen regt die Kultusministerkonferenz (KMK) 1970 an, in den ersten beiden Schuljahren Verbalbeurteilungen ohne Noten zu erteilen (vgl. u.a. TOPSCH, 2004, S. 123; BARTNITZKY, 1999, S. 24; JÜRGENS/SACHER, 2000, S. 19).
„Mit Verbalbewertungen werden all jene Formen im Kontext der Messungen und Beurteilungen von Kompetenzen beschrieben, die in der Regel in Berichtsform gefertigt werden. Hiermit wird das Ziel verfolgt, an die Erziehungsberechtigten sowie auch – vermittelt über diese ‒ an die Kinder individuelle Rückmeldung zu ermöglichen, und vor allem soll der individuellen Kompetenz- und Persönlichkeitsförderung Rechnung getragen werden“ (Hellmich, 2010, S. 248).
Ziffernzeugnisse werden in den meisten Bundesländern ab der Klassenstufe 3 ausgestellt. Zusätzlich zu den Noten werden noch Kommentierungen erteilt. Das Ziffernzeugnis, in dem für jedes Schulfach mit einer Note zwischen 1 und 6 bewertet wird, ist jedoch für alle Schulstufen die häufigste. In der Sekundarstufe ist eine Unterscheidung zwischen Halbjahreszeugnis und Jahreszeugnis wichtig, da nur das Jahreszeugnis für Versetzungen in die nächste Klasse relevant ist. Eine zusätzliche Bedeutung hat das Zeugnis am Ende der Grundschulzeit (Orientierungsstufe), da dies meist maßgeblich dazu beiträgt zu entscheiden, für welche Schulform der Schüler angemeldet wird (vgl. Jachmann, 2003, S. 22).
Die Rückmeldung von Leistungsbewertung in der Grundschule findet nicht nur durch die schriftliche Fixierung auf dem Zeugnis statt oder beschränkt sich auf einzelne Prüfungssituationen. Vielmehr gibt es eine ständige mündliche unterrichtsbegleitende Rückmeldung. Diese Form der Leistungsrückmeldung, auch Feedback genannt, „wird bei Regelkreismodellen benutzt und charakterisiert im Besonderen den Prozess der wechselseitigen Beeinflussung von Lernenden und Lehrenden“ (Jachmann, 2003, S. 25). Im Idealfall sollte sich die abschließende Bewertung in einem Zeugnis aus allen Zwischenbewertungen ergeben (ebd., S. 26).
Als eine weitere Möglichkeit einer selbstreflexiven Lerneinschätzung findet in den letzten Jahren die Arbeit mit dem Portfolio vermehrt in den Schulen statt. Je nach Verwendungszweck gibt es unterschiedliche Formen des Portfolios. Im grundschulpädagogischen Zusammenhang ist vor allem das Entwicklungsportfolio bedeutsam, welches die Arbeiten, die Fortschritte und Entwicklungen eines Schülers sichtbar werden lässt. In der Mappe werden Lernergebnisse zu Pflichtaufgaben und zu selbstgewählten freiwilligen Aufgaben gesammelt. Sowohl der Lehrer als auch der Schüler können die Leistung kommentieren bzw. reflektieren und auch die Rückmeldung wird im Portfolio aufgenommen. Somit dient die Mappe dazu, die Lernspuren der Schüler sichtbar zu machen (vgl. Knörzer/Grass/Schumacher, 2007, S. 257).
Elterngespräche sind ebenfalls eine wichtige Form der Rückmeldung, da Leistungen differenziert dargestellt sowie weitere Erklärungen zu Noten oder Möglichkeiten der Förderung besprochen werden können. Jedoch ist unter anderem HUPPERTZ (1988) zu entnehmen, dass es durchaus Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern gibt. So haben Elterngespräche in Deutschland eine lange Historie der Defizitorientierung. Gespräche werden nur geführt, wenn etwas „fehlt“ oder „falsch“ ist. Des Weiteren werden unteranderem organisatorische Gründe wie Zeitmangel aufgeführt (vgl. Huppertz, 1988, S. 143). Darum wollen weder Eltern noch Lehrer/innen gerne Gespräche führen.
2.3 Zensuren als Instrument der Leistungsbeurteilung
2.3.1 Definition Zensur und Noten
Der Begriff Zensur ist im Fremdwörterlexikon in vierfacher Weise definiert. Relevant für die Bestimmung des Begriffes Zensur als Instrument der Leistungsbeurteilung ist ausschließlich der vierte Punkt „Note, Bewertung einer Leistung“ (vgl. Das Fremdwörterbuch, 2011, S. 1096). Eine Zensur oder Schulnote ist demnach eine Leistungsbeurteilung von Schülerinnen und Schülern, die in der Regel durch den Lehrer einer Schule stattfindet. Genauer definiert werden die Begriffe Zensur und Note durch Schröder (1995, S. 42): „Eine Zensur ist eine zu einer Zahl (Note) oder zu einem Prädikatsbegriff verdichtete Leistungsbewertung, welche in einer zählbaren und abgestuften Reihenfolge lokalisiert werden kann.“
„Noten sind in Zahlen ausgedrückte Zensuren. Der Wert der einzelnen Notenstufe ist dabei abhängig von von der Zahl der Stufen (z.B. 1-6 oder 0-15) von der Lage derjenigen Stufe, welcher die beste Leistung entspricht, und von der Lage des mittleren Bezugspunktes“ (ebd.).
2.3.2 Zensuren als Instrument der Leistungsbeurteilung
Das zentrale Instrument der Leistungsbewertung stellt nach wie vor die Zensurengebung dar. Jedoch wird sie nicht mehr in allen Schulstufen gleichermaßen angewendet. In den ersten beiden Schuljahren werden in allen Bundesländern keine reinen Ziffernzeugnisse vergeben, sondern es findet eine „allgemeine Beurteilung des Lernverhaltens der Schüler in Form eines verbalen Berichts statt. Zum Teil wird dieser durch Ziffernzensuren ergänzt oder umgekehrt werden Ziffernzensuren mit verbalen Bemerkungen angereichert“ (Jürgens/Sacher, 2000, S. 19). Die Schülerleistung wird mit der Zensur im Rahmen der geltenden Notenskala rangmäßig eingestuft.
2.3.3 Erläuterung der Notenskala
Durch den Beschluss des Kultusministeriums (1954) wurde eine einheitliche sechsstufige Notenskala in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. In einer weiteren Kultusministerkonferenz in Hamburg 1961 wurde bestimmt, „bei der Bewertung der Leistungen vom Leistungsdurchschnitt der Klassenstufe auszugehen, wobei dieser Durschnitt mit der Note befriedigend zu bezeichnen ist“ (Ziegenspeck, 1999, S. 78). Da der Begriff Durchschnittsleistung nicht weiter interpretiert wurde, erbrachte die Vereinbarung der Kultusminister am 03.10.1968 eine bedeutende Verbesserung, da die Noten wie folgt definiert wurden, was so bis heute im Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW – SchulG) § 48 (3) verankert ist:
„(1) Die Note ‚sehr gut‘ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen im besonderen Maße entspricht.
(2) Die Note ‚gut‘ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht.
(3) Die Note ‚befriedigend‘ soll erteilt werden, wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht.
(4) Die Note ‚ausreichend‘ soll erteilt werden, wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen noch entspricht.
(5) Die Note ‚mangelhaft‘ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können.
(6) Die Note ‚ungenügend‘ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können“ (vgl. Schulgesetz NRW, S. 10, § 48 (3)). Nach dieser Vereinbarung werden in allen Bundesländern alle Zensuren einheitlich von den Anforderungen des Unterrichts her interpretiert. Der Begriff Durchschnittsleistung wurde damit fallengelassen. Außerdem ‒ so der letzte Absatz des II. Abschnittes der Vereinbarung ‒ soll bei der Beurteilung von Schülerleistungen der Schulgattung oder der Schulart, der Eigenart des Faches und dem Alter der Schüler Rechnung getragen werden. Der Begriff Anforderungen in den Definitionen „bezieht sich auf den Umfang sowie auf die selbständige und richtige Anwendung der Kenntnis und auf die Art der Darstellung“ (Ziegenspeck, 1999, S. 79).
2.4 Funktion von Zensuren
In der erziehungswissenschaftlichen Literatur sind bedeutende Unterschiede in der Anzahl der Benennungen von Funktionen der Zensuren zu finden (vgl. DOHSE, 1963, S. 62; WEISS, 1965, S. 29; KORNADT, 1975, S. 122ff.; KLEBER, 1976, S. 27; JÜRGENS, 1998, S. 47; ZIEGENSPECK, 1977, S. 51ff.; BRÜTTING, 1981, S. 194f.; SCHUSSER, 1996, S. 23; TILLMANN/VOLLSTÄDT, 2000, S. 27ff.). Eine tabellarische Übersicht kann JÜRGENS/SACHER (2000) entnommen werden, die die unterschiedlichen Erkenntnisse der Fachliteratur zusammengefasst dargestellt haben (siehe Anhang). Im Folgenden werden verschiedene Funktionen, die in der Literatur wiederholt genannt werden, allgemein erläutert, ohne auf die einzelnen Autoren genauer Bezug zu nehmen.
Selektionsfunktion und Zuteilungsfunktion
Obwohl die Selektionsfunktion und die Zuteilungsfunktion in der Literatur getrennt beschrieben werden, lassen sie sich eigentlich kaum abgrenzen. Das Ziel der Selektionsfunktion ist es, Schüler mit besonders guten bzw. schlechten Leistungen auszuwählen, um sie einer (ihrer Leistung entsprechenden) Institution zuzuweisen. Auch die Zuteilungsfunktion verfolgt das Ziel, mit der Zensierung Berechtigungen für den Zugang zu weiterführenden höherqualifizierten Schulen zu vergeben oder zu verwehren. Es wird über das Versetzen oder Nicht-Versetzen am Ende eines Schuljahres entschieden sowie über die Zuweisung zu unterschiedlich anspruchsvollen Kursen. Auch wird über die Aufnahme in Förderkurse oder die Einleitung von Sonderschulüberweisungs-Verfahren entschieden (vgl. Jürgens/Sacher, 2000, S. 20).
Klassifizierungsfunktion
Durch die Vergabe der Zensuren sollen die Schüler klassifiziert werden, d.h. sie werden verschiedenen Bewertungsklassen zugeordnet, die gleichzeitig auch dazu dienen, auf zukünftige Leistungen schließen zu können. Die Klassifizierungsfunktion bildet die Basis für Förderungs- und Selektionsmaßnahmen (ebd., S. 23).
Rechtliche Funktion
Die rechtliche Funktion wird im Zusammenhang mit der Selektionsfunktion sichtbar, die durch die rechtliche Funktion eine Einschränkung erfährt. So ist eine juristische Klärung, ob Verfahrensmängel oder Rechtsverletzungen seitens der Schule aufgetreten sind, zum Schutze der Schüler möglich (ebd., S. 22f.). „Voraussetzung hierfür ist, dass ein Verwaltungsakt vorliegt. Verwaltungsakte sind:
1. Scheidungen über Nichtzulassung zu einer weiterführenden Schule,
2. Zuweisung zu einer Hilfs- oder Sonderschule,
3. Versagen oder Versetzung,
4. Prüfungsentscheidungen,
5. Die Versagung der Aufnahme in eine Schule, wenn die Aufnahme ohne sachliche Gründe abgelehnt wird,
6. Verweisung und Ausschluss vor der Schule.
Bei diesen Aspekten handelt es sich durchgängig um Entscheidungen über weit reichenden Konsequenzen für den betroffenen; es sind Prüfungs-, Versetzungs-, und Abgangszeugnisse. Hingegen sind einzelne Zensuren und einfache Zeugnisse nicht als Verwaltungsakte zu verstehen, Sie gelten lediglich als Bewertungshilfsmittel im Unterrichtsgeschehen“ (ebd.).
Berichtsfunktion und Rückmeldefunktion
Die Rückmeldefunktion bezieht sich sowohl auf die Lehrkraft als auch auf den Schüler. Der Lehrer soll an der Zensurenverteilung den Erfolg des Unterrichts ablesen können und dies auch als Grundlage für weitere didaktische Entscheidungen nutzen. Der Schüler wird durch die Note über seinen Leistungsstand im Vergleich zu den Mitschülern informiert. Die Berichtsfunktion richtet sich an die Eltern, die über den Leistungsstand ihres Kindes informiert werden. Die Zensur dient Information für Erziehungshilfen und als Anlass zur Rücksprache mit der Schule, um gegebenenfalls gemeinsam nach Möglichkeiten der förderlichen Intervention Ausschau zu halten. Des Weiteren dient die Berichtsfunktion als Nachweis für die pädagogische und didaktische Arbeit des Lehrers im Unterricht gegenüber der Schulleitung und der Schulaufsicht (vgl. ebd., S. 23).
Sozialisierungsfunktion
Die Sozialisationsfunktion beinhaltet, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit den in der Schule gängigen Leistungsnormen auseinandersetzen, die sich teilweise von den in der Familie gültigen stark unterscheiden. Des Weiteren lernen die Schüler, „dass es als fair gilt, wenn unterschiedliche Leistungen auch unterschiedlich belohnt werden“ (vgl. ebd., S. 24).
Chancenausgleichsfunktion
Die Chancenausgleichsfunktion besagt, dass besonders benachteiligte Schüler bessere Zensuren erhalten, als es ihre eigenen „objektiven Leistungen rechtfertigen würden“ (vgl. Jürgens/Sacher, 2000, S. 23).
Anreizfunktion
Zensuren dienen den Schülern zum Anreiz und zur Motivation, sich mit dem gegebenen Lernstoff zu befassen. Erreicht der Schüler eine gute Note, so soll er dies als Belohnung sowie weiteren Anreiz empfinden, sich weiterhin anzustrengen. Eine schlechte Note hingegen soll den Anreiz bieten, die eigene Leistung im Unterricht zu steigern. Des Weiteren dienen schlechte Noten, die wiederholt erreicht werden, dazu, wie eine Alarmglocke dem Schüler zu signalisieren, dass seine Bemühungen weiter gesteigert werden müssen, um wenigstens zu ausreichenden Leistungen zu gelangen (vgl. ebd., S. 23f.).
Kontrollfunktion und Orientierungsfunktion
Die Kontrollfunktion soll dem Schüler dazu dienen, die eigenen Leistungen einzuschätzen und zu überblicken. Sie überschneidet sich mit der Orientierungsfunktion, welche zum Ziel hat, den Schülern zu helfen, die richtige Entscheidung für den weiteren Ausbildungsweg treffen zu können (vgl. ebd.).
Disziplinierungsfunktion
Die Disziplinierungsfunktion sieht vor, dass leistungsunwillige Schüler schlechte Noten als negativ erleben und sie somit zu bestrafen, um sie dadurch näher an das von der Lehrkraft erwartete Leistungsverhalten heranzuführen (vgl. ebd., S. 64).
Zusammenfassung
Zusammenfassend lassen sich zwei Punkte bezüglich der Zensur als Instrument der Leistungsbeurteilung festhalten. Erstens: Die vielen beschriebenen Aufgaben, die an die Zensur gestellt werden, können nicht alle im gleichen Maße erfüllt werden. Zweitens: Die einzelnen Funktionen überschneiden sich in ihren Bedeutungen und lassen sich daher in vielen Fällen (wie oben) nicht klar voneinander trennen.2
2.5 Anforderungen an Zensuren ‒ die Gütekriterien
2.5.1 Homomorphie
Die Homomorphie besagt, dass die zu messenden Eigenschaften in der vom Messvorgang erzeugten Abbildung richtig widergespiegelt werden müssen. Ebenso muss eine Ähnlichkeit des Abbilds mit dem realen Objekt vorhanden sein. Das heißt, dass sowohl Defizite als auch Begabungen und Kompetenzen des Schülers, die in einer Leistungsbeurteilung festgehalten wurden, auch wirklich in dem bewerteten Rahmen sein müssen (vgl. Sacher, 1999, S. 24). Jedoch ist auch zu bedenken, dass „es beim Messen immer einen Informationsverlust gibt. So haben wir bei der Benotung nur sechs Noten zur Verfügung, um die gewöhnlich sehr viel unterschiedlicheren Schulleistungen zu charakterisieren“ (ebd.).
2.5.2 Objektivität
„Objektivität im messtheoretischen Sinne bedeutet die Ausschaltung subjektiver Einflüsse auf der Seite der Prüfenden“ (Ingenkamp, 1994, S. 768).
[...]
1 In der folgenden Arbeit schließt der Begriff Schüler sowohl weibliche als auch männliche Schüler ein.
2 Neben den beschriebenen Hauptgütekriterien sind als Nebengütekriterien zu nennen: Ökonomie, Nützlichkeit und Zuverlässigkeit, Akzeptanz (vgl. Sacher, 1996, S. 42).
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