Das Kreditgeschäft beim Islamic Banking. Vertragliche und rechtliche Besonderheiten


Bachelor Thesis, 2013

82 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhalt

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Einleitung

1 Die Grundlagen des Islamic Banking
1.1 Islamic Banking als Wachstumssegment
1.2 Die Grundsätze beim Islamic Banking

2 Die Sharia als Rechtsrahmen
2.1 Das Zinsverbot (Ribâ-Verbot)
2.2 The Accounting and Auditing Organisation for Islamic Financial Institutions
2.3 Die Sharia Boards
2.4 Der Einfluss der islamischen Rechtsschulen

3 Das Kreditgeschäft im Islamic Banking
3.1 Vorstellung am Beispiel der Islamic Bank of Britain
3.2 Das Murâbaha-Modell
3.3 Das Mudâraba-Modell

4 Rechtliche und vertragliche Besonderheiten im Kreditgeschäft beim Islamic Banking
4.1 Murâbaha und die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG
4.2 Die Bonitätsanalyse des Kreditnehmers und der Kreditvertrag
4.3 Das Principal-Agent-Problem

5 Das Kreditgeschäft bei konventionellen Banken
5.1 Der Ratenkredit
5.2 Die Bonitätsanalyse des Kreditnehmers und der Kreditvertrag

6 Fazit und Ausblick

Quellenverzeichnis

Glossar

Anhang

Abstract

The Characteristic Features of the Credit Business in Islamic Banking Islamic Finance has grown remarkable over the last 60 years and is now faced with global demand and regulations. Similar to traditional Western financial products, financial transactions and products of Islamic banking have increasingly become more popular and from an economic point of view, better capitalized and with higher asset quality. This thesis explains the principles and differences of credit products, which are concurring with the Sharia. The aim is to examine the main characteristic features of credit business in Islamic Banking and to establish a connection to our traditional credit business. Islamic banks do not lend money to their customers, every action is interest-free and in order to earn profits, an Islamic bank uses cost-plus product like the Murâbaha model. Indeed, there are challenges associated with implementing the model in the real world. Following the introduction, there is an overview about the actual situation of Islamic banking in the world and the main principles. This covers the culture and attitudes towards Islamic Banking and the bank selection process. Subsequently this thesis examines the influence of Islamic schools of law and the lack of a central religious board in Islam, which causes significant legal uncertainty. This captures the presentation of two institutions and their organisation. In this context, there is also a question relating to the religious impact and the economic efficiency. The awareness of the culture of Islamic Banking would be expected much greater with Muslims, but these matters have to be addressed to non-Muslims.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Nutzung Islamischer Finanzprodukte in Deutschland

Abbildung 2: Die Welt des Islam

Abbildung 3: Erster Schritt im Murâbaha-Modell

Abbildung 4: Zweiter Schritt im Murâbaha-Modell

Abbildung 5: Dritter Schritt im Murâbaha-Modell

Abbildung 6: Vierter Schritt im Murâbaha-Modell

Abbildung 7: Anzahl der neu abgeschlossenen Ratenkreditverträge in Deutschland von 2009 bis 2012 (in 1.000)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Knowledge of basic terms in Islam and Islamic banking

Tabelle 2: Konditionen des Kreditangebotes der Hausbank

Tabelle 3: Kalkulation des Kreditangebotes der Hausbank

Anlagenverzeichnis

Anhang 1: Einteilung der Wissenschaften

Anhang 2: Die Wirtschaftsauffassung des Islam gemäß Waibl

Anhang 3: Personal-Finance-Certificate

Anhang 4: Attitudes of Muslims and non-Muslims towards Islamic banking

Anhang 5: Model Murabaha Facility Agreement

Einleitung

Die Sharia, als zentrales Organ der Gesamtheit aller Gesetze im Islam, bildet den wichtigsten Rahmen im Islamic Banking.1 Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit werden die Besonderheiten des Kreditgeschäftes beim Islamic Banking untersucht, wobei sich die Untersuchung auf zwei ausgewählte shariakonforme Kreditprodukte beschränkt. Diese Begrenzung des Themas resultiert aus der gegebenen Aufgabenstellung und ist sinnvoll, da eine Untersuchung aller Finanzprodukte beim Islamic Banking den geforderten Rahmen einer Bachelorarbeit beträchtlich übersteigen würde.

Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Darstellung der Besonderheiten im Kreditgeschäft beim Islamic Banking und die Bewertung der vorhandenen Unterschiede zum konventionellen Kreditgeschäft. Es wird herausgearbeitet, wo Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Kreditgeschäft von islamischen und nicht-islamischen Banken liegen, und welche Besonderheiten es beim Islamic Banking gibt. Die Bachelorarbeit soll zum einen bereits vorhandenes Wissen bei den Leserinnen und Leser ergänzen und/oder neues Wissen schaffen. Vorurteile bringen uns nicht weiter, und sie sollen durch die Schaffung von neuem Wissen ein Stück weit abgebaut werden. Die Leserinnen und Leser sollen durch die Bachelorarbeit eine Entscheidungshilfe bekommen, ob die Zusammenarbeit mit einer islamischen Bank und die Nutzung von shariakonformen Finanzprodukten eine Alternative sein kann oder nicht.

Weiterführend wird hinterfragt, ob der Bedarf nach shariakonformen Kreditprodukten in Deutschland vorhanden ist, und welche Erfolgsaussichten diesen zugesagt werden. Dies bringt uns zu den zwei Kernfragen der Untersuchung. Folgende Gesichtspunkte stehen dabei im Mittelpunkt der Untersuchung:

1. Was kennzeichnet und prägt das shariakonforme Kreditgeschäft?
2. Was unterscheidet das konventionelle Kreditgeschäft vom Kreditgeschäft beim Islamic Banking?

Das Thema dieser Bachelorarbeit lässt sich wissenschaftlich in zwei Teilbereiche der Geisteswissenschaften zuordnen. Die erste Einordnung erfolgt in die Wirtschaftswissenschaften, genauer gesagt in die Betriebswirtschaftslehre, wobei es sich hier wiederum um einen Teilbereich der Bankbetriebslehre handelt, weil Islamic Banking als Teilbereich des Islamic Finance sich mit den shariakonformen Bankgeschäften beschäftigt.

Wohingegen in der Bankbetriebslehre der Verzicht auf die Reflexion von gegebenen Werten und Normen in einem Dogmatismus endet, versucht Islamic Banking die Normativität als Identifikationsmerkmal in das Bankkonzept zu integrieren. Dieses Bankkonzept versucht die ökonomischen und die normativen Ansprüche zu verbinden und in eine Balance zu bringen.2 Viel mehr auch mit dem Versuch, eine ethisch orientierte Bankbetriebslehre zu etablieren, führte Islamic Banking zu einer kritischen Hinterfragung der Bankbetriebslehre und der gesellschaftspolitischen Wertevorstellung.

Um die Ursprünge und die Bedeutung der Religion im Zusammenhang mit dem Islamic Banking zu reflektieren, erfolgt die zweite Einordnung in die Kulturwissenschaften, welche ein Teilbereich der Geisteswissenschaften sind.3,4

Das erste Kapitel „Die Grundlagen des Islamic Banking“ stellt die wachsende Bedeutung des Islamic Banking in der Finanzwelt dar und führt den Leser an die Grundsätze des Islamic Banking heran. Islamic Finance bezeichnet das gesamte shariakonforme Finanzwesen, wohingegen Islamic Banking nur ein Teilbereich darstellt. Vervollständigt wird Islamic Finance durch die Teilbereiche Islamic Insurance und die Islamic Capital Markets.5

„Islamic Banking ist die Ausübung von Bankgeschäften, die im Einklang mit den religiösen Regeln des Islams stehen und somit shariakonform sind.“6

Da wo Religion und Finanzgeschäfte so eng verknüpft sind wie beim Islamic Banking, ist vorab das Grundverständnis von Islamic Finance darzustellen, und dieses wird dem Hauptthema vorangestellt.7 Das Verständnis für die Sharia als Rechtsrahmen ist unabdingbar, um die Unterschiede im Kreditgeschäft zu analysieren und auszuwerten.

Im zweiten Kapitel „Die Sharia als Rechtsrahmen“ wird zu Beginn das Zinsverbot (Ribâ-Verbot) umfassend erläutert, wobei der Focus auf die Gründe und die Bedeutung des Verbotes gelegt wird.

Anschließend folgen Grundlagen über die beiden wichtigsten Aufsichtsorgane beim Islamic Banking, beginnend mit The Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions und anschließend die Sharia Boards. Weiterhin geht es um den Einfluss der islamischen Rechtsschulen, die auf ihre ganz eigene Art und Weise das Kreditgeschäft im Islamic Banking in eine bestimmte Richtung lenken.

Das dritte Kapitel „Das Kreditgeschäft im Islamic Banking“ hat die Darstellung der einzelnen Kreditprodukte im Islamic Banking zum Schwerpunkt. Die zwei wichtigsten Kreditprodukte werden anhand von Ursprung, vertraglicher Gestaltung und praktischer Umsetzung verdeutlicht und grafisch für den Leser veranschaulicht. Des Weiteren wird die Islamic Bank of Britain als Vorreiter beim Islamic Banking in Großbritannien vorgestellt. Die Frage nach dem Erfolgsrezept der Islamic Bank of Britain, unter Betrachtung ihrer Produkte und deren Funktionsweise, wird in diesem Kapitel näher untersucht. Da sich in der heutigen Zeit die Banken untereinander immer ähnlicher werden, und ihre Kreditprodukte immer einfacher vergleichbar sind, sollten Banken langfristig über ihre klassischen Kreditprodukte hinauswachsen und die Zielgruppe des Islamic Banking verstehen.

Hierzu sollte auch gehören, strategische Entscheidungen kritisch zu hinterfragen und mit dem Kunden immer auf gleicher Ebene zu sprechen, was beim Kreditgeschäft im Islamic Banking viel ausgeprägter durchgeführt wird. Welche Alternativen kann das Kreditgeschäft beim Islamic Banking aufzeigen und können konventionellen Banken diese Alternativen nutzen, um das Vertrauen ihrer Kunden langfristig wiederzugewinnen?

Das vierte Kapitel „Rechtliche und vertragliche Besonderheiten im Kreditgeschäft beim Islamic Banking“ setzt sich zum Einen mit den vertraglichen Gestaltungen der Kreditverträge sowie zum Anderen mit deren Erlaubnispflichten auseinander. Im Rahmen der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten und den Einflüssen der Aufsichtsorgane werden beim Islamic Banking unterschiedliche Ansätze verfolgt, auf die vertiefend eingegangen wird.

Im fünften und letzten Kapitel „Das Kreditgeschäft bei konventionellen Banken“ wird der Ratenkredit, als klassisches Kreditprodukt bei konventionellen Banken vorgestellt. Die Grundlagen der Bonitätsanalyse im Kreditgeschäft bei konventionellen Banken schließen das Kapitel ab. Dieses Kapitel bildet die praktische Komponente der vorliegenden Bachelorarbeit. Die Kenntnisse und Erfahrungen aus meiner beruflichen Tätigkeit bei der Postbank AG dienen im fünften Kapitel zusätzlich als Grundlage zur Erarbeitung der theoretischen Inhalte. Des Weiteren bieten sie mir die Möglichkeit, den Vergleich mit dem Kreditgeschäft bei konventionellen Banken fortwährend in allen Kapiteln durchzuführen und den Versuch einer abschließenden Wertung vorzunehmen. Basierend auf der Zielformulierung werden am Ende ein Fazit und ein Ausblick die vorliegende Bachelorarbeit thematisch abschließen

1 Die Grundlagen des Islamic Banking

1.1 Islamic Banking als Wachstumssegment

Islamic Banking funktioniert nach Regeln, die für jeden Bankmitarbeiter erstmals schwer zu verstehen sind. Das im Koran verankerte Zinsverbot stellt da noch die kleinste Hürde für die Banken dar. Mittlerweile sind die Banken erfinderisch geworden und haben aus der Not eine Tugend gemacht. Lösungsmodelle, die versuchen die Verbote zu umgehen und Finanzprodukte islamkonform zu gestalten, nehmen einen immer größeren Platz im Produktportfolio der Banken ein. Das Potenzial welches in dem noch wenig erschlossenen Markt steckt, wird von manchen Experten als „unglaublich hoch“ beschrieben. Aussagekräftige Marktdaten liegen leider derzeit kaum vor. Was sich allerdings festhalten lässt ist, dass der potenzielle Abnehmermarkt auf rund 1,3 Milliarden Muslime weltweit angewachsen ist. Global verwalten 300 islamische Institute schätzungsweise 400 Milliarden bis über 1 Billion US-Dollar, wobei auch hier keine genaueren Zahlen vorliegen.8 Deutsche Finanzdienstleister bieten lediglich wenige islamkonforme Finanzprodukte an. Um diesen attraktiven Nischenmarkt zu erschließen und das Marktpotenzial zu nutzen, ist es noch ein langer Weg. Zurzeit wird das Finanzierungsproblem in Deutschland dadurch umgangen, dass Kredite aus dem Familien- und Verwandtenkreis in Anspruch genommen werden. Des Weiteren mangelt es bei den Muslimen auch an Kenntnissen über vorhandene shariakonforme Finanzprodukte, und so vertrauen die meisten entweder auf herkömmliche Finanzprodukte oder suchen sich andere Alternativen.

Um herauszufinden, ob Islamic Banking ein Wachstumssegment ist, soll zunächst die Frage geklärt werden, wo Potenzial für diesen Markt noch vorhanden ist und wo Islamic Banking schon erfolgreich am Markt etabliert ist. „Laut Khalid Al Bassam, stellvertretender Gouverneur der Bahrain Monetary Agency (BMA), wächst Islamic Banking pro Jahr um 10 bis 15 Prozent.“9 Wenn diese Wachstumsraten stimmen, dann wäre das Potenzial wirklich unglaublich hoch. Ein Blick auf die geografische Ausrichtung des Marktes führt in den Nordwesten Europas, genauer gesagt nach Großbritannien. Insbesondere London, als wichtigstes Finanzzentrum der Welt, bietet eine attraktive Umgebung für Islamic Banking, und die Tatsache, dass eine frühe Ansiedlung der Muslime diesen Umstand positiv begünstigt haben, ließ den Markt für Islamic Banking in London wachsen. Business kann nur da gemacht werden, wo auch potenzielle Kunden vorhanden sind. Bereits im Jahr 2004 kam es in London zur Gründung der Islamic Bank of Britain (vergleiche mit Kapitel 3.1).

Der Vergleich mit Deutschland zeigt deutlich, dass in Deutschland bisher nur über Ethno-Marketing versucht wird, sich der Zielgruppe der Muslime zu nähern. Die Allianz AG versucht durch türkischsprachige Mitarbeiter, als kompetenter Ansprechpartner für Muslime aufzutreten. Gemessen an der Anzahl der Muslime, die innerhalb der Europäischen Union (EU) leben, müsste der Bedarf an Islamic Banking in Deutschland wesentlich höher sein. Von den 14 Millionen Muslimen innerhalb der EU, leben alleine 4,3 Millionen in Deutschland. Das ist der zweite Platz hinter Frankreich, wo die Anzahl noch um 1,2 Millionen höher liegt.10

Warum das Marktpotenzial in Deutschland bisher nicht genutzt wurde, kann auch dadurch erklärt werden, das die Muslime in Deutschland bisher nicht mit den Banken zusammen gefunden haben, die speziell für ihre Bedürfnisse zugeschnittene Produkte anbieten. Die Struktur der Nachfrage lässt darauf schließen, dass Muslime durch unzureichende Informationen über shariakonforme Produkte und fehlender Aufklärung überhaupt ein Interesse an diesen Produkten entwickeln können. Das geringe Angebot an shariakonformen Finanzprodukten führt automatisch dazu, dass Muslime zu konventionellen Produkten greifen, um ihre finanziellen Angelegenheiten zu regeln und sich dadurch dem vorhandenen Angebot am Markt anpassen. Ein Blick auf die nachfolgende Grafik verdeutlicht diese Annahme.

Abbildung 1: Nutzung Islamischer Finanzprodukte in Deutschland11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf dem deutschen Markt agiert die Pax-Bank Köln, welche ihre strategische Ausrichtung den religiösen Überzeugungen ihrer Kunden angepasst hat. Hier steht zwar nicht der Islam im Mittelpunkt der Bankgeschäfte, aber katholische Bundesbürger sind jederzeit herzlich willkommen.12 Wenn von Muslimen die Rede ist, dann denken die meisten Menschen zu erst an Kopftücher, Männer mit langen Bärten und den Nahen und Mittleren Osten. Tatsächlich ist der Gedanke an den Nahen und Mittleren Osten durchaus richtig, denn die bunte Mischung der Länder, die im Nahen und Mittleren Osten zu finden sind, bietet ausreichend Wirkungsfähigkeit für Islamic Banking.

“Das größte Potenzial für Islamic Consumer Finance bieten die sechs Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) also Saudi Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman.“13 Saudi Arabien spielt innerhalb des Rates die führende Rolle, allerdings sollte beim Nahen und Mittleren Osten ein weiteres bedeutendes Finanzzentrum nicht außer Acht gelassen werden – Dubai. Die islamische HSBC Amanah und die Dubai Islamic Bank sind schon seit über 30 Jahren im Islamic Banking tätig. Die Konsumfinanzierung hat eine lange Tradition, und das Potenzial von muslimischen Kunden wurde bereits frühzeitig erkannt und wird natürlich dadurch begünstigt, dass die Einwohner dieser Länder bis zu 100% dem islamischen Glauben angehören. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick, über den prozentualen Anteilen der Muslime an der Gesamtbevölkerung des jeweiligen Landes.

Abbildung 2: Die Welt des Islam14

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Rund 240 Millionen Menschen gehören in Südostasien dem Islam an. Auch hier wurde bereits früh erkannt, dass die Länder Singapur, Malaysia und Hong Kong für die erfolgreiche Etablierung von Islamic Banking eine wichtige Rolle spielen.15 Annähernd in dem Maß wie in Großbritannien lässt eine Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen das Potenzial von Islamic Banking weiter wachsen. Besonders Indonesien ist als Wachstumsmarkt überaus interessant, und die steigende Population hat einen positiven Einfluss auf den Markt von Islamic Banking.

Nach eingehender Analyse des Marktes anhand der geografischen Kriterien ist festzustellen, dass Islamic Banking ein Wachstumsmarkt ist, und die bereits erreichten überdurchschnittlich hohen Wachstumsraten bestätigen diese Annahme. Die Perspektiven für Islamic Banking sind eindrucksvoll, auch wenn der globale Marktanteil von shariakonformen Finanzdiensleistungen bislang gering ist.

1.2 Die Grundsätze beim Islamic Banking

Gehorchte Islamic Banking nicht anderen Regeln, so müssten die gleichen Grundsätze wie bei den konventionellen Banken gelten. Eine gesonderte Rücksichtnahme auf die religiöse Ausrichtung des Kunden wäre überflüssig und würde keiner weiteren Beachtung bedürfen. Dementsprechend ist es an dieser Stelle sinnvoll, das Grundverständnis für Islamic Banking zu schaffen und die drei wichtigsten Grundsätze voneinander abzugrenzen. Es soll in erster Linie um die Frage gehen, woher diese Grundsätze kommen, und welche Bedeutung sie haben. Oder anders gefragt. Warum gibt es diese Grundsätze beim konventionellen Banking nicht?

Die praktische Umsetzung von Islamic Banking übernehmen zum Einen die Finanzinstitute, die ihre gesamten Bankgeschäfte shariakonform ausrichten und gar keine konventionellen Bankgeschäfte anbieten, zum Anderen die konventionellen Banken, die nur einen Teil der Bankgeschäfte shariakonform anbieten (Islamic windows), der Schwerpunkt allerdings weiterhin bei den konventionellen Bankgeschäften liegt.

Unabhängig davon, ob eine Bank ihr gesamtes wirtschaftliches Handel am Islam orientiert oder nur eine einzelne Produktsparte. Neben den gesetzlichen, müssen die religiösen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. „Aus der Übertragung der Sharia auf das Finanzwesen entwickelte sich ein rechtliches Korsett für islamische Finanzdienstleistungen.“16

Die eingangs erläuterten Elemente finden sich in jeder shariakonformen Finanzdienstleistung und die folgenden drei Grundsätze bilden die Basis beim Islamic Banking:

1. Grundsatz des Zinsverbotes (Ribâ-Verbot)
2. Grundsatz des Spekulationsverbotes (Gharar-Verbot)
3. Verbot von verwerflichen Handlungen (harâm)17

Das Zinsverbot ist von den drei Verboten besonders hervorzuheben, und dieser Grundsatz wird in Kapitel 2.1 eingehend erörtert und beleuchtet. Ursprünglich aus dem Verbot des Glücksspiels abgeleitet, ist jegliche Handlung, die durch einen überwiegenden Anteil auf Spekulationen begründet ist, im Islamic Banking verboten. Eine Handlung, deren Ausgang ungewiss ist oder die für eine Partei zum Nachteil endet, wird unter dem Spekulationsverbot zusammengefasst. Entsprechend einem Besuch im Casino, bei dem der Spieler gegen die Bank verliert und dadurch kein Mehrwert geschaffen wird, sind Finanzprodukte wie Derivate oder Optionen kein Teil von Islamic Banking.18

Diese sehr vorsichtige Herangehensweise und die strenge Bewertung der Produkte des Finanzmarktes führen dazu, dass das Interesse an Islamic Banking vor allem nach der Finanzkrise deutlich gestiegen ist. Der dritte und letzte Grundsatz untersagt die Investition in Unternehmen, die in den Augen der Muslime als unmoralisch gelten. Dazu zählen vorranging Unternehmen, die mit Alkohol, Waffen, Drogen, Pornographie oder Schweinen handeln oder eben diese produzieren. Jeglicher direkte und indirekte Kontakt mit diesen Unternehmen ist Muslime versagt und eine wirtschaftliche Tätigkeit somit ausgeschlossen. Dieses Verbot spielt bei der Analyse des Kreditgeschäftes eine untergeordnete Rolle, allerdings lohnt sich die Betrachtung zum Beispiel bei der Investition in einen Aktienfonds. Ein Aktienfonds ist in eine bestimmte Anzahl von Anteilen gesplittet, und diese Anteile können, abhängig vom Schwerpunkt des Fonds, in unterschiedliche Unternehmen investiert werden. Bei der Auswahl der Unternehmen ist besondere Vorsicht geboten. Das Kerngeschäft eines Unternehmens darf, wie oben erläutert, in den Augen der Muslime nicht unmoralisch sein.

Die Investition in eine nicht-islamische Bank oder Versicherung ist gänzlich ausgeschlossen. Der Fondsmanager muss zusätzlich darauf achten, dass die Fremdkapitalquote des Unternehmens nicht höher als ein Drittel ist und somit eine Überschuldung vorliegt. Liegt dieser Tatbestand zu Grunde, wird eine Investition nicht in Betracht gezogen.19

Vom Aktienfonds zu einer einzelnen Aktie ist es kein weiter Weg, und für Aktien liegt kein generelles Handelsverbot vor. Handel ist im Islam eine wünschenswerte Tätigkeit und schlussfolgernd ist der Aktienhandel so lange erlaubt, wie dieser nicht mit übermäßiger Spekulation verbunden ist.20 So wird deutlich, dass es im Gegensatz diese Grundsätze beim konventionellen Banking nicht gibt. Islamic Banking ist dabei eine Anleitung zum ethischen Wirtschaften.21 Natürlich steht jedem Menschen frei, nicht in Unternehmen zu investieren, die Waffen produzieren oder sich übermäßiger Spekulation an den Finanzmärkten hinzugeben. Die Wurzel für dieses Handeln ist indes eine andere – unsere Moral und nicht unsere Religion.

2 Die Sharia als Rechtsrahmen

2.1 Das Zinsverbot (Ribâ-Verbot)

Kennzeichnend für Islamic Banking ist, dass eine Bank verschiedene Finanzprodukte anbietet, die den Vorgaben des islamischen Rechts genügen. Genügen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass diese nicht zugleich zum anwendbaren Recht erklärt werden. Vielmehr wird durch die entsprechende Gestaltung des Kreditvertrages versucht, den Vorgaben des islamischen Rechts für Finanzierungen zu genügen. Den Anforderungen wird nachgekommen, wenn die drei wichtigsten Verbote beachtet werden.22 Die Sharia, als zentrales Organ der Gesamtheit aller Gesetze im Islam, bildet den wichtigsten Rahmen im Islamic Banking.23 „Die beiden wichtigsten Quellen des islamischen Rechts (der Sharia) sind der Koran und die Sunna.“24

Das Ribâ-Verbot, also das Verbot von Geldzinsen, spielt die entscheidende Rolle bei der Kreditfinanzierung im Islamic Banking, und ist zentraler Untersuchungsschwerpunkt in diesem Kapitel. Muslime dürfen weder Zinsen zahlen noch Zinsen einnehmen. Es sind nicht grundsätzlich alle Arten von Zinsen verboten. Ausnahmen sind Miet- und Pachtzinsen, diese fallen nicht unter das Ribâ-Verbot.25 Für das Kreditgeschäft im Islamic Banking bedeutet das Verbot, dass nur zinslose Gelddarlehen vergeben werden dürfen.

Dieser zentrale Unterschied zum konventionellen Kreditgeschäft führt unweigerlich zu der Frage, welchen anderen Weg gibt es, damit Banken beim Kreditgeschäft Erträge erzielen, die wiederum nicht gegen das Ribâ-Verbot verstoßen, denn „Earning money from money is prohibited.“26 Im Zuge des Ribâ-Verbots wird immer wieder von Krediten gesprochen, die auf solidarischer Basis vergeben werden.27 Dass eine konventionelle Bank im Zuge ihrer Kreditvergabe etwas auf solidarischer Basis macht, ist nur schwer vorstellbar. Islamic Banking grenzt sich durch eine andere Sichtweise vom konventionellen Finanzwesen ab, welches zinsorientiert ist und spekulative Praktiken verfolgt. Gelenkt von dem ständigen Streben nach Profitmaximierung, liegt der Fokus beim konventionellen Finanzwesen auf den wirtschaftlichen und finanziellen Transaktionen, die wiederum negativen Folgen für die gesamte Weltwirtschaft haben können.

Das shariakonforme Finanzwesen verlässt sich ausschließlich auf „echte“ wirtschaftliche Transaktionen, auf fairen Handel und den solidarischen Austausch untereinander.28 Es stellt sich die Frage, welche Quelle für das Ribâ-Verbot maßgeblich ist. Woher kommt der solidarische Gedanke und welchen Ursprung hat das Verbot? Um dieser Frage nachzugehen, ist ein Blick in den Koran zwingend notwendig. Das Zinsverbot ist in vier Suren im Koran verankert, und eben diese bilden zusammen den Ursprung des Verbotes. Zinsen werden in den Suren als unangemessen klassifiziert, weil sie einen geldlichen Vorteil für einen der beiden Partner zur Folge haben und diese Art der Bevorzugung nach ethischen Grundsätzen im Islam verboten ist.

Die Hauptquellen des Wortes ‚Zins‘ lassen sich im Koran aus vier von insgesamt 114 Suren ableiten:

Koran, Sure 2: Versnummer

Koran, Sure 3: Versnummer 130

Koran, Sure 4: Versnummer 161

Koran, Sure 30: Versnummer 3929

Die Bezeichnung für die Gebühr, die anstatt des klassischen Zinses im Kreditgeschäft gezahlt wird, heißt Ribâ al-qarud.30 Bei der Betrachtung des Mudâraba-Modell in Kapitel 3.3 ist diese Art von Gebühr genauer definiert. Historisch wurde der Begriff ‚Zins‘ und seine Bedeutung frühzeitig durch bekannte Philosophen wie zum Beispiel Aristoteles und seinen Lehrer Platon definiert. Beide beschäftigten sich mit dem Zinsverbot, weil in ihren Augen, der Zins als Wucher zu sehen ist, und Geld ausschließlich als Tauschmittel seine wahre Bedeutung findet. Wie am Beispiel von Aristoteles und seinem Lehrer Platon deutlich wird, ist der Ursprung des Zinsverbotes nicht ausschließlich im Islam zu finden. Christen finden ein anlehnendes Verbot in der Bibel und 1822 wurde das Zinsverbot von der katholischen Kirche aufgehoben.31

Abschließend ist festzuhalten, dass das islamische Zinsverbot nur auf wenige Stellen im Koran zurückgeführt werden kann, und dass die schriftlichen Überlieferungen des Propheten Mohammed eindeutig Spielraum für Interpretationen lassen. Wenn Prophet Mohammed erst kurz vor seinem Tod die Offenbarung zum Ribâ-Verbot empfangen hat und er verstarb, bevor er den genauen Inhalt an die Menschen weitergeben konnte, dann ist dieser Quelle vielleicht zu viel Bedeutung von den Muslimen beigemessen worden.32 Es wird in Zukunft immer mehr darum gehen, wie Ribâ definiert und das Verbot ausgelegt wird.

[...]


1 Vgl. Kabir Hassan/ Mahlknecht (2011), S. 26ff.

2 Vgl. Valeva (2012), S. 168f.

3 Vgl. Karmasin/ Ribing (2012), S. 77.

4 Eine Übersicht zur Einteilung in die Wissenschaften befindet sich im Anhang 1.

5 Vgl. Ecke (2012), S. 9.

6 Patzner/ Usalir (2010), S 1514.

7 Vgl. Casper (2012), S. 170.

8 Vgl. Wieners (2008), S. 36.

9 Jäggi Talary (2005), S. 6ff.

10 Vgl. IFIBAF – Institute for Islamic Banking and Finance (2011).

11 Abb. 1: Wackerbeck (2008), S. 27.

12 Vgl. Pax-Bank Köln (2013), Unsere Kunden.

13 Wieners (2008), S. 36.

14 Abb. 2: Die Welt (2013).

15 Vgl. Wieners (2008), S. 37.

16 Patzner/ Usalir (2010), S. 1513.

17 Vgl. Nienhaus u.a. (2010), S. 438f.

18 Vgl. IFIS – Islamic Finance Investment Solutions (2013), Warum Sie Kunde bei uns werden sollten.

19 Vgl. Ashrati (2008), S. 28f.

20 Vgl. Patzner/ Usalir (2010), S. 1514.

21 Ein Auszug aus der Wirtschaftsauffassung des Islam befindet sich im Anhang 2.

22 Vgl. Casper (2012), S. 171.

23 Vgl. Kabir Hassan/ Mahlknecht (2011), S. 26ff.

24 Trinkhaus/ Dr. Prüm (2010), S. 147.

25 Vgl. Gassner/ Wackerbeck (2009), S. 38.

26 Kabir Hassan/ Mahlknecht (2011), S. 374.

27 Vgl. Patzner/ Usalir (2010), S. 1513.

28 Vgl. Kabir Hassan/ Mahlknecht (2011), S. 12.

29 Vgl. Kettell (2011), S. 157.

30 Vgl. Kabir Hassan/ Lewis (2007), S. 46.

31 Vgl. Ashrati (2008), S. 17.

32 Vgl. Casper (2012), S. 172.

Excerpt out of 82 pages

Details

Title
Das Kreditgeschäft beim Islamic Banking. Vertragliche und rechtliche Besonderheiten
College
University of Applied Sciences Wildau
Grade
1,3
Author
Year
2013
Pages
82
Catalog Number
V283715
ISBN (eBook)
9783656833321
ISBN (Book)
9783656831136
File size
3035 KB
Language
German
Keywords
Islamic Banking, Islamic Finance, Islam, Finance, Islamic Sharia, Kredit, Kreditgeschäft, Bank, Finanzen, Finanzprodukte, Shariakonform
Quote paper
Chantal Wentler (Author), 2013, Das Kreditgeschäft beim Islamic Banking. Vertragliche und rechtliche Besonderheiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283715

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