Professionelle Helfer stehen allzu oft vor dem Problem, dass sie, aufgrund des eigenen (rechtlichen) Auftrages - oder dem Dritter - Hilfe in Lebenskontexten anbieten und leisten sollen, die von dem betroffenen Klientel oft nicht als solche angesehen und angenommen wird. Dies ist meist dann der Fall, wenn gesellschaftliche Erwartungen und Konventionen nicht oder nur unzureichend von bestimmten Individuen und Gruppen erfüllt werden, so dass eine ‚Störung’ auf einer bestimmten Ebene des gesellschaftlichen Gefüges vorhanden oder erwartbar ist und die Betroffenen keine ausreichende Motivation mitbringen, den geltenden ‚Standards’ wieder zu entsprechen. Zumeist stellen dann nicht die Adressaten professioneller Hilfen die Problemdiagnose, sondern öffentliche Institutionen des Wohlfahrts-, Gesundheits- oder Rechtssystem. Sie definieren auch, mit welchen personellen und finanziellen Mittel eine Problemlösung für das Klientel zu erwirken ist. Das Klientel sieht sich somit gezwungen, bestimmte Angebote von professionellen Helfern anzunehmen, um bestimmten, rechtlich verankerten Sanktionen zu entgehen oder andere für sie essentielle Leistungen wieder oder weiter zu erhalten.
Im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe sind die Jugendämter, dazu legitimiert, in bestimmten Situationen Macht und Druck auf Eltern und Familien auszuüben, mit dem Ziel Entwicklungsräume und -bedingungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen nachhaltig zuverbessern. Die Adressaten professioneller Hilfen verfügen hingegen oft über andere Anliegen und so scheint deren Zustimmung eine bestimmte Art von ‚Hilfe’ anzunehmen erstmals ein formaler Akt der Beschwichtigung Dritter und weniger ein Anzeichen von Motivation zu sein, etwas an den eigenen Lebensbedingungen und Verhaltensweisen zu verändern.
Die KollegInnen, die im Rahmen von SPFH in diesen Zwangskontexten arbeiten, werden einige der folgenden Schwierigkeiten aus ihrer Praxis nur all zu gut kennen. Wie können Familien erreicht werden, die Zusammenarbeit mit professionellen Helfern in erster Linie als Kontrolle wahrnehmen? Wie lassen sich Klienten zur Erreichung von Zielen motivieren? scheinbar (noch) nicht deren eigene sind? Welche Möglichkeiten gibt es, sich den Widerstand der Adressaten zu nutzen zu machen?
Im Rahmen der Arbeit werden verschiedene Aspekte von psychosozialer Beratung in Zwangskontexten und im Umgang mit sog. ‚unmotivierten’ Klienten näher betrachtet, unter Bezug auf systematische Ansätze, Methoden und Haltungen.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- BEGRIFFSKLÄRUNG
- ALLGEMEINE BERATUNG
- PSYCHOSOZIALE BERATUNG
- HILFE UND FÜRSORGE
- SYSTEMISCHE ANSÄTZE UND HERANGEHENSWEISEN
- EINIGE SYSTEMISCHE HALTUNGEN UND GRUNDANNAHMEN
- Konstruktion sozialer Wirklichkeiten
- Probleme
- System - Intervention, Verstörung und Anregung
- Hypothesen
- Kontextabhängigkeit und Auftragsklärung
- Ziel-, Lösungs-, und Ressourcenorientierung
- ZWANG UND WIDERSTAND
- HERAUSFORDERUNGEN UND CHANCEN VON ZWANGSKONTEXTEN
- WIDERSTAND ALS SCHUTZ DER AUTONOMIE DER KLIENTEN
- SYSTEMISCHE INTERVENTIONEN UND VORGEHENSWEISEN
- ANERKENNUNG UND WERTSCHÄTZUNG
- UMDEUTUNG UND REFRAMING
- KONVERSATION ÜBER KONSEQUENZEN
- ZIRKULÄRE FRAGEN
- FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit den Herausforderungen und Chancen der psychosozialen Beratung in Zwangskontexten, insbesondere im Bereich der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Der Fokus liegt auf der Interaktion mit Klienten, die aufgrund von externen Auflagen oder Zwängen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen, ohne selbst die Notwendigkeit dieser Hilfe zu erkennen.
- Systemische Grundhaltungen und Ansätze in der Beratung
- Das Phänomen von Zwang und Widerstand in der Arbeit mit Klienten
- Die Bedeutung von Anerkennung und Wertschätzung in Zwangskontexten
- Interventionen und Vorgehensweisen aus der systemischen Beratung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung thematisiert die Herausforderung professioneller Helfer, Hilfe anzubieten, die von den Betroffenen nicht als solche angesehen wird. Insbesondere Eltern, die aufgrund von mangelnder Bedürfnisbefriedigung ihrer Kinder in Zwangskontexten geraten, können eine ablehnende Haltung gegenüber professioneller Hilfe einnehmen.
- Begriffsklärung: Das Kapitel definiert den Begriff der Beratung und differenziert zwischen alltagssprachlicher und professioneller Beratung. Es werden verschiedene Definitionen von Beratung aus der Literatur vorgestellt und der Fokus auf die kommunikative Gestaltung des Beratungsprozesses gelegt.
- Systemische Ansätze und Herangehensweisen: Dieses Kapitel beleuchtet die Grundhaltungen und Ansätze der systemischen Beratung, die für die Arbeit mit Klienten in Zwangskontexten relevant sind. Es werden Themen wie die Konstruktion sozialer Wirklichkeiten, die Bedeutung von Problemen, die systemische Intervention, die Formulierung von Hypothesen sowie die Kontextabhängigkeit und Auftragsklärung behandelt.
- Zwang und Widerstand: Dieses Kapitel setzt sich mit dem Phänomen von Zwang und Widerstand in der Arbeit mit Klienten auseinander. Es werden die Herausforderungen und Chancen von Zwangskontexten beleuchtet und Widerstand als Schutz der Autonomie der Klienten betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit den Themen der psychosozialen Beratung, der Sozialpädagogischen Familienhilfe, Zwangskontexten, Widerstand, systemischen Ansätzen, Interventionen und der Arbeit mit Klienten, die professionelle Hilfe aufgrund von externen Auflagen oder Zwängen in Anspruch nehmen müssen.
- Arbeit zitieren
- Ingo Hettler (Autor:in), 2011, Gezwungenermaßen. Fürsorge und Beratung in der Sozialpädagogischen Familienhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283717