Leseprobe
Inhalt
1. Neoklassische Kapitalmarkttheorie: Annahmen und Aussagen
1.1 Der rationale Investor
1.1.1 Präferenzen
1.1.2 Nutzenfunktion
1.2 Die Kapitalmarkttheorie
1.2.1 Effiziente Märkte
1.2.2 Grundlagen für die Bewertung im Marktgleichgewicht
1.2.3 Capital Asset Pricing Model (CAPM)
2. Erweiterung des Capital Asset Pricing Models
2.1 Ursachen
2.1.1 Transaktionskosten, Steuern, Marktsegmentierung
2.1.2 CAPM-Anomalien
2.1.3 Relativierung der Annahmen des CAPM
2.2 Modellerweiterungen und Entwicklungen
2.2.1 Zero-Beta CAPM und Multi-Beta CAPM
2.2.2 Arbitrage Pricing Theory
2.2.3 Vorteile und Nachteile der Entwicklungen
3. Vorzüge der Kapitalmarkttheorie und Stand der Forschung
Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
1. Neoklassische Kapitalmarkttheorie: Annahmen und Aussagen
Die neoklassische Kapitalmarkttheorie gilt in der Wissenschaft als bedeutenster Ansatz zur Bestimmung von Aktienpreisen an den Finanzmärkten. Diese große Bedeutung hat sie vor allem erlangt, weil sie konsistent und einfach ist und auf mathematische Weise die Preisbildung abbildet. Damit deren Modelle zu korrekten Lösungen kommen, müssen jedoch einige restriktive Annahmen bezüglich des Finanzmarktes und des dort agierenden Investors gemacht werden. Die Kapitalmarkttheorie begründet sich auf der Theorie der Portfolio- Selektion von Markowitz und dem Indexmodell von Sharpe. Das wichtigste Preisbildungsmodell ist das CAPM.
Die Annahmen und Aussagen der Kapitalmarkttheorie, sowie das CAPM, sollen nun dargestellt werden. Dabei soll besonders auf das Menschenbild des rationalen Investors eingegangen werden.
1.1 Der rationale Investor
Der Investor der im Mittelpunkt der Betrachtungen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie steht, handelt stets rational. Es stellt sich dabei die Frage, was den rationalen Investor ausmacht, also was es in diesem Fall genau bedeutet, wenn ein Investor rational handeln soll? Die neoklassische Kapitalmarkttheorie definiert den rationalen Investor folgendermaßen: Er muss den Regeln der Logik und gewissen Voraussetzungen der Rationalität folgen. In Entscheidungssituationen die durch Risiko gekennzeichnet sind, versucht der Anleger seinen Erwartungsnutzen zu maximieren, dabei vollständig und ausgewogen informiert zu sein und keine emotionalen Motive in die Bewertung einfließen zu lassen. Außerdem verfügt er über eine stabile Nutzenfunktion.[1] Bernoulli definiert als einer der ersten eine Entscheidungsregel für Entscheidungen in Risikosituationen, aber erst von Neumann und Morgenstern stellen ein plausibles Axiomensystem auf, mit dem sich eine die Präferenzen abbildenden Nutzenfunktion ableiten lässt. In den nächsten Teilabschnitten soll aufgezeigt werden, wie die Präferenzen und die Nutzenfunktion des rationalen Investors in der Kapitalmarkttheorie aussehen.
1.1.1 Präferenzen
Ausgangspunkt der Portfoliotheorie und damit auch der Kapitalmarkttheorie ist der Investor, der sich in Situationen begibt, in denen er Entscheidungen unter Risiko treffen muss. Merkmal einer Entscheidung unter Risiko ist, dass dem Investor alle möglichen Umweltzustände und die dazugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten bekannt sind.[2] Um Entscheidungen zu treffen, folgt er davon ausgehend dem mathematischen Erwartungswert. Der Erwartungswert ist definiert als Summe der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtete Erfolg in den Entscheidungssituationen und wird häufig mit µ gekennzeichnet. Bernoulli stellt fest, dass es nicht ausreicht, sich am Erwartungswert zu orientieren, vielmehr muss in die Betrachtung die individuelle Risikoeinstellung des Investors einbezogen werden.[3] Entscheidungen nach dem Bernoulli-Prinzip erfolgen in zwei Teilschritten. Zum Ersten wird jedem ErgebnisAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, bestehend aus Handlungsalternative i bei Eintritt des möglichen Umweltzustandes z, ein Nutzenwert Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten zugeordnet und dann der Erwartungsnutzenwert für jede Handlungsalternative berechnet: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Z steht dabei für die Anzahl zukünftig möglicher Umweltzustände und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenfür die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Umweltzustandes z. Gewählt wird die Handlung, die zu dem maximalen Erwartungsnutzen führt.[4] Der Erwartungsnutzen bildet somit die Grundlage für rationales Entscheiden und stellt ein Maß für die Stärke der Präferenz bezüglich der Ergebnisse dar.
Bernoulli unterstellt eine logarithmische Nutzenfunktion, macht aber keine Angaben zur speziellen Form der Nutzenfunktion. Ebenso wenig zeigt er auf, welche Anforderungen an die Präferenz des Entscheiders gestellt werden müssen. Erst von Neumann und Morgenstern zeigen Axiome auf, die Voraussetzungen für rationales Verhalten sind:[5]
Unter dem Axiom Vollständige Ordnung versteht man, dass alle Lotterien vollständig miteinander vergleichbar sein müssen und dass die Präferenzordnung die Bedingung der Transitivität erfüllen muss.[6] Das Axiom Stetigkeit besagt, dass es für gegebene Lotterien a, b, c, für die der Zusammenhang a > b > c gilt, eine Wahrscheinlichkeit p geben muss, bei der Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltengilt.[7]
Bei dem Axiom Unabhängigkeit wird von a > b ausgegangen. Werden diese beiden Lotterien um eine Lotterie c ergänzt, dann muss für alle Wahrscheinlichkeiten p gelten: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Das bedeutet, dass sich die Präferenz zwischen zwei Lotterien nicht verändern darf, wenn beide Lotterien um dieselbe Lotterie erweitert werden. Nur wenn diese Axiome erfüllt sind, ist es möglich, anhand der Präferenzen eines Investors dessen rationales Verhalten richtig abzubilden.[8] Das Axiomensystem nach von Neumann und Morgenstern stellt in der Finanzierungstheorie das herrschende Modell zur Abbildung von menschlichem Verhalten dar. Eine weitere wesentliche Grundannahme rationalen Verhaltens stellt Bayes zur Verfügung und beschäftigt sich mit der Verarbeitung von Informationen. Es wird beim Bayes Theorem, wie bei der Erwartungsnutztheorie, davon ausgegangen, dass dem Investor alle möglichen Umweltzustände und die dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten, die sogenannten „a priori“ Wahrscheinlichkeiten, bekannt sind. Außerdem wird erwartet, dass der Investor bei veränderter Informationslage fähig ist, die Wahrscheinlichkeiten zu „a posteriori“ Wahrscheinlichkeiten umzuformen. Sollte diese Anpassung für den Investor nicht möglich sein, verliert er die Möglichkeit nutzenoptimale Entscheidungen zu treffen.[9]
Auch wenn diese Verhaltensannahmen empirisch widerlegt werden können, so hat das keine Auswirkungen auf die Verwendung eines solchen Menschenbildes, da für deskriptive Betrachtungen rationale und in sich konsistente Entscheidungen notwendig sind. Es stellt sich nun die Frage nach einer Nutzenfunktion, die die Präferenzen eines Entscheiders abbildet.
1.1.2 Nutzenfunktion
In der Finanzierungstheorie wird regelmäßig davon ausgegangen, dass es eine Nutzenfunktion gibt, die die Präferenzen eines Investors korrekt darstellt. Um den Verlauf dieser Funktion festzustellen, gibt es die Möglichkeit, den Investor in einer Bernoulli-Befragung vor die Entscheidung zwischen einer sicheren Zahlung und einer Lotterie zu stellen. Im Idealfall lässt sich die individuelle Nutzenfunktion bestimmen, wenn der Anleger seine Präferenzen unverzerrt wiedergeben kann. Aus dieser Nutzenfunktion lässt sich dann die bevorzugte Reihenfolge möglicher Anlagealternativen ableiten.[10]
Grundsätzlich ist eine für jeden Investor individuelle Nutzenfunktion möglich. Es werden allerdings die möglichen Ausprägungen durch einige ökonomische Anforderungen bzw. Verhaltensannahmen eingeschränkt. So wird an eine Nutzenfunktion die Anforderung der Nichtsättigung gestellt. Das bedeutet, dass der Anleger ein höheres Endvermögen gegenüber einem niedrigeren Endvermögen bevorzugt. Außerdem kann die Funktion einen konvexen, linearen oder konkaven Verlauf haben. Dadurch drückt sich die Risikoeinstellung des Investors aus. Er kann risikofreudig, risikoneutral oder risikoavers sein. Die Kapitalmarkttheorie geht von einer risikoaversen Einstellung aus.[11]
Die Nutzenfunktion kann außerdem die Veränderung der Risikoeinstellung bei veränderten Vermögenszuständen anzeigen. Es ist eine zunehmende, konstante oder abnehmende Risikoaversion möglich. Anhand der relativen Risikoaversion wird die prozentuale Veränderung des risikobehafteten Anteils bei zunehmendem Vermögen gemessen.[12]
Es sind verschiedene Arten von Nutzenfunktionen bekannt. Es existieren quadratische, exponentielle, logarithmische oder Potenz-Nutzenfunktionen. Da die Kapitalmarkttheorie von der Existenz einer quadratischen Nutzenfunktion ausgeht, soll nur auf diese kurz eingegangen werden.
Kann die Nutzenhöhe in Abhängigkeit von den Ergebnisgrößen in einer quadratischen Form abgebildet werden, dann spricht man von einer quadratischen Nutzenfunktion. Sie nimmt in der Kapitalmarkttheorie deshalb einen wichtigen Platz ein, da mit ihr das µ, σ- Entscheidungsprinzip begründet wird. Zudem können Annahmen zu einem bestimmten Renditeverteilungstyp entfallen.[13] Nachdem der rationale Investor mit seinen Präferenzen und seiner Nutzenfunktion aufgezeigt wurde, kann nun die Kapitalmarkttheorie dargestellt werden.
1.2 Die Kapitalmarkttheorie
Die Modelle der Kapitalmarkttheorie basieren auf der Grundannahme, dass für die Preisfindung von Wertpapieren den Einflussgrößen Rendite und Risiko eine zentrale Bedeutung zukommt. Sie versuchen vor allem zu erklären, welche Rendite bei welchem Risiko erwartet werden darf, und zu ermitteln, welche fairen Risikoprämien im Marktgleichgewicht zu zahlen sind. Dazu bedarf es effizienter Märkte. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Markt effizient ist, soll im Folgenden dargestellt werden. Außerdem wird die Theorie der Portfolioselektion als Grundlage der Kapitalmarkttheorie aufgezeigt, um darauf aufbauend das Grundmodell der neoklassischen Kapitalmarkttheorie, das Capital Asset Pricing Model vorzustellen.
1.2.1 Effiziente Märkte
Die Begründer der Theorie der Portfolioselektion und auch der neoklassischen Kapitalmarkttheorie, auf dessen Modelle in den nächsten Teilabschnitten eingegangen wird, gehen grundsätzlich von der Existenz effizienter Märkte aus. Auf dem vollkommenen Kapitalmarkt, auf dem alle Investoren die gleichen Informationen kostenlos bekommen, hängt der Wert eines Wertpapiers von dem zukünftigen Zahlungsstrom ab. Die Erhöhung der Anzahl der vorhandenen Wertpapiere darf in diesem Markt keinen Einfluss auf den Wert des Titels haben, da es sonst zu Arbitragereaktionen kommen würde. In einem effizienten Markt ist dieses nicht zu erwarten, deshalb stellen alle am Markt gehandelten Wertpapiere perfekte Substitutionsmöglichkeiten dar. Anders sieht es aus, wenn neue Informationen auf den Markt kommen. Diese lösen Kursreaktionen aus, und der veränderte Wert bleibt solange bestehen, bis wieder neue Informationen ihn verändern.[14]
Hauptmerkmale eines effizienten Marktes sind damit die Preise, die als Signale dienen, um Kapital dorthin zu lenken, wo die beste Verwendungsmöglichkeit besteht. Damit die Preise diese Lenkungsfunktion übernehmen, müssen drei Bedingungen erfüllt werden. So muss operationale Effizienz gegeben sein, das heißt, dass die Preise nicht durch in der Realität vorhandene Marktunvollkommenheiten, wie Steuern oder Transaktionskosten, beeinflusst werden dürfen.[15]
Bei der Bedingung der Informationseffizienz sollten sich alle am Markt vorhandenen Informationen sofort vollständig in den Preisen niederschlagen. Es gibt drei Stufen der Informationseffizienz, abhängig davon, wie weitreichend die Informationen sind, die in die Preise eingehen. In der schwachen Form enthalten zum Beispiel Aktienkurse alle Informationen, die in historischen Kursreihen enthalten sind. Somit müssen alle Informationen der Vergangenheit bereits in den aktuellen Marktpreisen enthalten sein. Die halbstrenge oder mittelstrenge Informationseffizienz liegt vor, wenn alle relevanten, öffentlich zugänglichen Informationen bereits in die Preise eingegangen sind. Wird schlicht von Informationseffizienz gesprochen, ist in der Regel die halbstrenge Form gemeint.[16] Wenn über alle historischen und öffentlich verfügbaren aktuellen Informationen hinaus alle nur erdenklichen Informationen in die Marktpreise der Anlageobjekte eingehen, dann spricht man von der strengen Form der Informationseffizienz. Sie macht es unmöglich, dass Insider Vorteile aus ihren Informationen ziehen, denn wenn sie diese Informationen haben, dann sind sie bereits in den Preisen vorhanden.[17]
Neben der operationalen Effizienz und der Informationseffizienz existiert noch die Bewertungseffizienz. Diese verlangt, dass nicht nur alle Informationen sofort und vollständig in den Marktpreisen enthalten sind, sondern dass die Informationen auch richtig verarbeitet werden, also dass die fundamentalen Werte der Unternehmen unverzerrt in den Preisen am Markt zum Ausdruck kommen.[18]
In den Modellen der Portfolio Selection und der Kapitalmarkttheorie bildet die Annahme der Markteffizienz einen zentralen Punkt. Nur wenn Markteffizienz gegeben ist, sind die folgenden Modelle sinnvoll einzusetzen. Allerdings wird in Theorie und Praxis seit langer Zeit diskutiert, ob effiziente Märkte existieren. Während die akademische Literatur weitgehend zu dem Schluss kommt, dass Markteffizienz gegeben ist, wird diese Annahme von Praktikern vielfach abgelehnt. Begründet wird die Ablehnung mit auftretenden Marktanomalien.[19] Diese Diskussion soll später noch einmal aufgegriffen und an dieser Stelle nicht vertieft werden.
1.2.2 Grundlagen für die Bewertung im Marktgleichgewicht
Die neoklassische Kapitalmarkttheorie baut auf der Theorie der Portfolioselektion auf. Diese Theorie, auch Portfolio Selection Model genannt, bildet damit gleichzeitig den Ausgangspunkt für das Capital Asset Pricing Model, auf das später eingegangen wird. Die Theorie der Portfolioselektion, die auf Markowitz (1952, 1959) und Tobin (1958) zurückgeht, beschäftigt sich mit der Frage der Aufteilung und Haltung unterschiedlich ausgeprägter Wertpapiere, und sucht Gründe für die Neigung von Investoren Portfolios zu bilden.[20]
Es werden gewisse Annahmen gemacht, damit das Modell anwendbar ist. Diese teilen sich in anlageobjektbezogene-, anlegerbezogene- und kapitalmarktbezogene Annahmen. Bezüglich der Anlageobjekte wird angenommen, dass die Renditen als stochastisch abhängige Zufallsvariablen betrachtet werden können. Dabei muss es sich um Renditeverteilungen handeln, für die µ und σ existieren.[21] Anlegerbezogen werden folgende Annahmen getroffen: Zum einen ist der zugrundegelegte Investor risikoscheu. Wie oben bereits gezeigt wurde, besitzt er also eine konkave Nutzenfunktion. Er strebt zwar Renditemaximierung aber gleichzeitig Risikominimierung an. Um sich dabei bei einem Wertpapier orientieren zu können, betrachtet er ausschließlich Erwartungswert der Renditen und deren Streuung, also Varianz bzw. Standardabweichung der Renditen. Der Investor folgt damit dem (µ,σ)-Entscheidungsprinzip, das eine Vorauswahl effizienter Portfolios ermöglicht. Zudem betrachtet der Investor einen Planungszeitraum von einer einzigen Periode und beschäftigt sich deshalb jeweils mit einem einperiodigen Entscheidungsproblem.[22]
Weiter wird angenommen, dass der Investor rational denkt und handelt und damit, in Verbindung mit der Risikoaversion, das Wertpapier (-Portfolio) auswählt, das bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite oder bei gleicher erwarteter Rendite ein niedrigeres Risiko aufweist.[23] Alle Portfolios die diese Eigenschaft erfüllen, liegen auf der sogenannten Effizienzlinie. Portfolios die unter- oder oberhalb der Linie liegen, sind weniger effizient und werden deshalb von dem rationalen, risikoaversen Investor nicht ausgewählt.[24]
Zusätzlich zu den Annahmen bezüglich der Anlageobjekte und der Anleger, wird von einem vollkommenen Kapitalmarkt ausgegangen. Das bedeutet, dass die auf den Märkten vorhandenen Wertpapiere unendlich teilbar sind, weder Steuern und Transaktionskosten, noch Markteintritts- oder Austrittsbarrieren existieren. Es ist eine kostenlose und vollkommene Informationsbeschaffung und -verarbeitung möglich, der Investor kann keinen Einfluss auf die Preisbildung der Wertpapiere nehmen, und es ist jederzeit eine unbeschränkte Kapitalanlage, sowie Kreditaufnahme zum einheitlichen, risikolosen Zinssatz möglich.[25]
Markowitz entwickelt die Theorie der Portfolioselektion aufgrund der Beobachtung in der Realität, dass die meisten Anleger ihr Vermögen nicht in ein einziges Wertpapier investieren, sondern ihr Kapital streuen. Daraus schließt er, dass Investoren bei der Kapitalanlage nicht nur die erwartete Rendite (μ) eines Wertpapiers betrachten, denn dann müssten sie ihr gesamtes Vermögen in das Anlageobjekt investieren, das die höchste erwartete Rendite aufweist. Er schlussfolgert, dass zusätzlich zur erwarteten Rendite auch die Streuung der Renditen (σ) betrachtet wird und es deshalb zur Portfoliobildung kommt. Die ausschließliche Betrachtung von Rendite und Risiko hält Markowitz für ausreichend, wenn die Renditen normalverteilt sind.[26]
Kernpunkt des Modells von Markowitz ist der erwünschte Diversifikationseffekt. Dieser beschreibt die Risikoreduktion durch die optimale Mischung von Wertpapieren. Die einzelnen Renditen innerhalb eines Portfolios werden mit ihrem entsprechenden Portfolioanteil multipliziert und anschließend insgesamt aufaddiert, um zur Portfoliorendite zu gelangen.[27] Bei dem Portfoliorisiko kann nicht so verfahren werden. Es genügt nicht, die einzelnen Varianzen zu gewichten und aufzuaddieren. Es müssen ebenso die Kovarianzen, also das Maß für die Stärke der stochastischen Abhängigkeit der Renditen, betrachtet werden. Da der direkte Vergleich von Kovarianzen, aufgrund der damit beinhalteten Dimension, wenig sinnvoll ist, werden diese zum Korrelationskoeffizienten standardisiert. Dieser Korrelationskoeffizient ist auf Werte zwischen +1 und -1 begrenzt.[28] Bei einer vollständigen positiven Korrelation der Renditen, und damit bei einem Wert von +1, ergibt sich das Gesamtrisiko als Summe der gewichteten Einzelrisiken. Der bereits erwähnte Diversifikationseffekt tritt dann auf, wenn keine vollständige positive Korrelation vorliegt. Bei vollständiger negativer Korrelation, also einem Wert von -1, wird der maximale Diversifikationseffekt erreicht.[29]
Tobin erweitert das Modell von Markowitz, indem er eine weitere Annahme hinzufügt. Diese sagt aus, dass Investoren unbeschränkte Geldanlage- und Geldaufnahmemöglichkeiten besitzen. Damit kann die Entscheidung über die Zusammensetzung des risikobehafteten Portfolios unabhängig von der Risikoneigung des Investors getroffen werden.[30] Es lässt sich, durch zusätzliche Betrachtung dieser Annahme, jedes Portfolio mit dem risikolosen Wertpapier (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) kombinieren, wobei Mischportfolios entstehen, die eine Gerade bilden, deren Achsenabschnitt auf der Ordinate der risikolose Zins formt. Tobin bestimmt dann die effizienten Mischportfolios, wobei sich eine Effizienzlinie ergibt, die eine Tangentiallinie an der Effizienzkurve nach Markowitz bildet. Aus dieser Bestimmung folgt, dass sämtliche effizienten Mischportfolios aus dem risikolosen Wertpapier und einem einzigen risikobehafteten Portfolio bestehen. Welches Mischportfolio der Investor nun auswählt, hängt von seiner Risikoneigung ab. Im Extremfall wird der sehr risikoaverse Investor allein die risikolose Anlage wählen.[31]
Die Schwierigkeit der Theorie der Portfolioselektion, obwohl sie in der Kapitalanlagepraxis große Verbreitung gefunden hat, liegt vor allem in der Schätzung zukünftiger Rendite- und Risikodaten und in der benötigten Datenmenge. Eine Erleichterung bringt das von Sharpe erdachte Indexmodell, das zu einer erheblichen Reduzierung der zu ermittelnden Daten führt. Markowitz zeigt mit seinem Modell, dass sich das Portfoliorisiko durch Diversifikation stark verringern lässt. Tatsächlich sind vollständig negativ korrelierte Aktien nicht zu finden. Den Grund vermutet Sharpe darin, dass Marktentwicklungen alle Aktien beeinflussen. Somit spaltet sich die Rendite einer Anlage in einen von der Markteintwicklung abhängigen und einen von der Marktentwicklung unabhängigen Teil.[32] Ein Index soll dabei die Marktentwicklung möglichst genau widerspiegeln. Damit können dann die zu ermittelnden Kovarianzen der Renditen zwischen den einzelnen Aktien durch die Korrelation mit der Marktrendite ersetzt, und die benötigte Datenmenge verringert werden. Die Haupterkenntnis des Index-Modells von Sharpe ist, dass sich das Risiko eines Wertpapiers in einen systematischen, also vom Markt induzierten Teil und einen unsystematischen, also objektspezifischen Teil gliedert. Das systematische Risiko wird häufig mit β bezeichnet.[33] Werden in die Betrachtung mehr Faktoren als nur der Marktindex einbezogen, spricht man auch vom Multi-Index Modell.[34]
Geht man davon aus, dass es keine Unterschiede zwischen den Investoren gibt, stets alle Informationen vollständig in den Wertpapierkursen Ausdruck finden und ebenso in die Anlageentscheidungen aller Marktteilnehmer einfließen, lässt sich das Index-Modell zum Markt-Modell erweitern. Durch diese Annahmen ist es möglich, ein im Gegensatz zum effizienten Portfolio leichter zu ermittelndes Referenzportfolio zu generieren, das für die Beurteilung der tatsächlichen Portfolios herangezogen werden kann. Das Marktportfolio stellt die herrschende Meinung hinsichtlich des anzustrebenden Portfolios dar. Es beinhaltet nur systematische und keine unsystematischen Risiken. Ein rationaler, risikoaverser Investor wird immer das Marktportfolio besitzen wollen. Das führt dazu, dass im Marktgleichgewicht alle Investoren das Marktportfolio halten.[35] In einem Marktgleichgewicht besitzen die Wertpapiere Preise, die sich abhängig von den Raten, mit denen Produzenten und Konsumenten diese Assets gegen andere Assets substituieren können, einstellen. Entspräche der Preis des Wertpapiers nicht dem Marktgleichgewicht, zum Beispiel weil der Preis zu niedrig wäre und somit die gesamte Nachfrage auf dieses Papier gezogen und von anderen Papieren abgezogen werden würde, dann wäre dieses Wertpapier nicht mehr Teil des Marktgleichgewichtes.[36] Marktgleichgewicht beschreibt damit den Zustand, in dem alle Marktteilnehmer ihre Wirtschaftspläne realisieren können, keiner seine Dispositionen ändern möchte und der Markt geräumt ist.[37]
1.2.3 Capital Asset Pricing Model (CAPM)
Das Capital Asset Pricing Model ist das Grundmodell der neoklassischen Kapitalmarkttheorie. Seine besondere Leistung besteht darin, Einzelwertrisiken quantifizierbar und bewertbar zu machen. Das Modell basiert auf den zwei Grundannahmen, dass erstens alle Markteilnehmer danach streben, effiziente Portfolios zu halten, um somit im Sinne von Markowitz Portfolio-Optimierer zu sein, und dass sich zweitens der Markt im Gleichgewicht befindet, also ein einheitlicher Marktpreis des Risikos gilt.[38] Dieses Marktgleichgewicht ist jederzeit durch Arbitrageprozesse gewährleistet. Entwickelt wurde das Modell zwischen 1962 und 1965 von Sharpe, Lintner und Mossin fast zeitgleich, aber dennoch unabhängig voneinander.[39]
[...]
[1] vgl. Goldberg/ Nietsch, 1999, S. 6ff
[2] vgl. Vossebein, 1990, S. 7
[3] vgl. Hein, 2002, S. 110f
[4] vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler, 2005, S. 172f
[5] vgl. Weber, 1990, S. 22f
[6] vgl. Nitzsch/ Friedrich, 1999, S. 8f
[7] vgl. Kottke, 2005, S. 9
[8] vgl. Sorger, 2000, S.39f
[9] vgl. Kottke, 2005, S. 10f
[10] vgl. Hein, 2002, S. 112f
[11] vgl. Weber, 1990, S. 32
[12] vgl. Hein, 2002, S. 113f
[13] vgl. Hein, 2002, S. 114ff
[14] vgl. Entrup, 1995, S. 28f
[15] vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi, 2004, S. 79ff
[16] vgl. Schredelseker, 2002, S. 418f
[17] vgl. Bruns/ Meyer- Bullerdiek, 2000, S. 80f
[18] vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi, 2004, S. 92
[19] vgl. Bruns/ Meyer- Bullerdiek, 2000, S. 79
[20] vgl. Kosfeld, 1996, S. 44
[21] vgl. Schmidt-von Rhein, 1996, S. 230f
[22] vgl. Schulz, 2001, S.17ff
[23] vgl. Ulschmid, 1994, S. 9
[24] vgl. Steiner/ Bruns, 1995, S. 3f
[25] vgl. Schmidt-von Rhein, 1996, S. 231f
[26] vgl. Mertens, 2004, S. 1
[27] vgl. Gräfer, 2001, S. 333f
[28] vgl. Schmidt-Wilke, 1998, S. 99f
[29] vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler, 2005, S. 56ff
[30] vgl. Schulz, 2001, S. 20
[31] vgl. Schmidt-Wilke, 1998, S. 100ff
[32] vgl. Steiner/ Bruns, 1995, S. 11ff
[33] vgl. Lapp, 1999, S. 11ff
[34] vgl. Schmidt-von Rhein, 1996, S. 278
[35] vgl. Lapp, 1999, S. 13ff
[36] vgl. Spremann, 2003, S. 259
[37] vgl. Kosfeld, 1996, S. 18
[38] vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi, 2004, S. 65
[39] vgl. Spremann, 2003, S. 256f