Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmungen
2.1. Soziale Herkunft
2.2. Soziale Ungleichheit
2.3. Schulerfolg
3. Forschungsstand und (mögliche) Gründe
3.1. Die Ergebnislage zum Schulerfolg von GrundschülerInnen und dem Zusammenhang mit der sozialen Herkunft
3.2. Die Ergebnislage zum Schulerfolg von SchülerInnen und Schülern der Sekundarstufe und dem Zusammenhang mit der sozialen Herkunft
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Die Ergebnisse der PISA-Studie aus dem Jahr 2000 haben jedoch deutlich gemacht, dass die soziale Herkunft in Deutschland auf den schulischen Erfolg der SchülerInnen so viel Einfluss hat, wie in keinem anderen der untersuchten OECD-Staaten (vgl. Leven/ Hurrelmann/ Quenzel 2011, S. 72). Die weiteren PISA-Studien aus den Jahren 2003 und 2006, die IGLU-Studien von 2001 und 2006 sowie verschiedene kleinere Studien, die aufgrund der PISA- und IGLU-Ergebnisse durchgeführt wurden, kamen ebenfalls zu diesem Schluss (vgl. u.A. Choi 2009, Shell Jugendstudie 2010, World Vision Kinder in Deutschland 2010).
Die benachteiligten Gruppen unter den SchülerInnen sind – darin sind sich die verschiedenen Untersuchungen einig – jene, die aus Elternhäusern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status oder mit Migrationshintergrund kommen. Einzelne Untersuchungen beschäftigen sich auch mit den Ungleichheiten im Schulerfolg, die auf das Geschlecht zurück geführt werden.
In der vorliegenden Hausarbeit soll der aktuelle Forschungsstand dahingehend aufgearbeitet werden, wie die soziale Herkunft den Schulerfolg der SchülerInnen in der Bundesrepublik Deutschland beeinflusst oder gar grundlegend bestimmt. Da eine Betrachtung der Ungleichheit im Schulerfolg aufgrund von Migrationshintergrund oder Geschlecht den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, soll es hier explizit nur um die soziale Herkunft im Sinne des sozioökonomischen Status' der Herkunftsfamilie gehen. Auf Sonder- und Förderschulen wird nicht gesondert eingegangen. Zwar werden auch diese beiden Schulformen teilweise eher von den unteren sozialen Schichten, MigrantInnen und Jungen besucht und dieser Tatsache liegen nach Angaben verschiedener Untersuchungsergebnisse ebenfalls Ungleichheitsfaktoren im deutschen Bildungssystem zugrunde. Eine Aufarbeitung dessen in diesem Kontext würde jedoch ebenfalls zu weit führen.
In einem Teil der Publikationen wird der Fokus entweder nur auf Kinder oder nur auf Jugendliche gerichtet. Dies soll hier nicht der Fall sein. Da der Schwerpunkt auf der sozialen Herkunft der SchülerInnen und deren Zusammenhang mit ihrem Schulerfolg liegt, spielt das Alter in dieser Arbeit keine Rolle. Daher wird auf alle SchülerInnen eingegangen, gleich dessen, ob sie ihrem Alter nach als Kind oder JugendlicheR gelten würden. Letztendlich sind es auch nur die verschiedenen Erhebungen, die entweder an Kindern oder Jugendlichen einer bestimmten Jahrgangsstufe oder eines bestimmten Geburtenjahrgangs vorgenommen wurden. Die Ergebnisse all dieser Untersuchungen sprechen jedoch insofern für sich, als sie – trotz unterschiedlicher Untersuchungsschwerpunkte – in einem Aspekt zu einheitlichen Ergebnissen gekommen sind: Die soziale und ökonomische Herkunft von Kindern und Jugendlichen hat wesentlichen Einfluss auf ihren Schulerfolg. Mit dieser Hausarbeit sollen die verschiedenen Forschungsergebnisse dahingehend zusammengetragen werden, wie sich dieser Zusammenhang konkret äußert.
2. Begriffsbestimmungen
2.1. Soziale Herkunft
Die Frage nach einer Definition des Begriffs der sozialen Herkunft bringt hier die Frage mit sich, was eine „nicht-soziale“ Herkunft meinen könnte, ob es eine solche gibt und weshalb soziale Herkunft nicht automatisch das gleiche meint wie Herkunft.
An dieser Stelle ist davon auszugehen, dass in Bezug auf die Herkunft eines Menschen auch von der biologischen und ethnischen Herkunft gesprochen werden kann, weshalb eine Abgrenzung des Begriffs durch den Zusatz des sozialen sinnvoll erscheint.
Den Begriff der sozialen Herkunft definiert das Lexikon Pädagogik als „das Milieu, in dem man aufwächst bzw. aufgewachsen ist, d.h. die im Prozess des Aufwachsens erfahrenen ökonomischen und materiellen Verhältnisse, die Wohnumwelt, das Wertegefüge, die Art der Erziehung etc.“ (Tenorth/ Tippelt 2007, S. 668).
Huinink und Schröder fassen unter sozialer Herkunft die Ressourcen zusammen, „die man nicht durch eigene Anstrengungen gewonnen hat“ und deren Ausmaß vorrangig „von den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Bedingungen des Aufwachsens im Elternhaus, also von den Statuspositionen der Eltern“ abhängt (Hervorheb. i. Original; 2008, S. 133).
In der vorliegenden Hausarbeit sollen dem Begriff der sozialen Herkunft Bestimmungen wie die in den zuvor genannten Quellen zugrunde liegen. Damit bedeutet soziale Herkunft in der Regel das Elternhaus bzw. (z.B. im Fall von Adoptiv- oder Pflegefamilien) das vergleichbare soziale Umfeld, in dem ein Kind oder JugendlicheR aufwächst und sozialisiert wird. Dazu gehören sowohl die ökonomischen Verhältnisse des Elternhauses, wie auch der Bildungsgrad der Eltern, ihre Fördermöglichkeiten, das Wohnumfeld und Wertegefüge.
2.2. Soziale Ungleichheit
Der Versuch einer Bestimmung des Begriffs der sozialen Ungleichheit korreliert in der Auseinandersetzung mit der Frage, ob – und wenn ja inwieweit – eine (soziale) Gleichheit möglich oder unter Umständen gar wünschenswert ist.
Das Lexikon Pädagogik definiert Ungleichheit als eine „ungleiche Verteilung sozialer Positionen [...], Rechte und Ressourcen (Eigentum, Einkommen, Macht, Prestige), wobei vorteilhafte und nachteilige Lebensbedingungen entstehen. Die gesellschaftliche Bewertung dieser Differenzen als ungerecht und problematisch wird davon beeinflusst, ob die jeweiligen Unterschiede als ,natürlich' oder als Resultat gesellschaftlicher Bedingungen angesehen werden“ (Tenorth/ Tippelt 2007, S. 725). Im Weiteren heißt es: „In Deutschland trägt das Bildungssystem nach wie vor zur Reproduktion sozialer U. bei.“ (ebd.). Obwohl an dieser Stelle des Lexikons nur der Begriff „Ungleichheit“ bestimmt werden soll, endet der Eintrag bei dem Aspekt der sozialen Ungleichheit und setzt sie wegen der Form ihres Auftretens in der Bildung mit Ungleichheit gleich.
Ähnlich erklärt auch Hackauf den Begriff, der für ihn eine „unterschiedliche Verteilung von Statuspositionen, nach denen jedes Gesellschaftsmitglied platziert ist“ meint. „Die Ressourcen Geld, Bildung, Prestige usw. ermöglichen es den Einzelnen, die erreichte Statusposition zu verändern und sich auf- oder abwärts zu bewegen“ (Beck et al. 2002, S. 19). Er sieht in sozialer Ungleichheit offenbar etwas relativ Natürliches, da anhand dieser die Positionierung in der Gesellschaft vorgenommen wird und erweitert diese Sichtweise dahingehend, dass es unter (Nicht-)Vorhandensein der entsprechenden Ressourcen möglich ist, seine Position zu verändern.
Für Huinink und Schröder ist soziale Ungleichheit eine „[g]esellschaftlich bedingte, strukturell verankerte Ungleichheit der Lebens- und Handlungsbedingungen von Menschen, die ihnen in unterschiedlichem Ausmaß erlauben, in der Gesellschaft allgemein anerkannte Lebensziele zu verwirklichen“ (2008, S. 99).
Während das Lexikon Pädagogik eine Bewertung dessen, was als (sozial) ungleich empfunden wird und was nicht, der Gesellschaft überlässt und anhand einer (Un-)Natürlichkeit der vorhandenen Differenzen vornehmen lassen will, gehen sowohl Hackauf, als auch Huinink und Schröder offenbar davon aus, dass das Vorhandensein von Ungleichheit in einer Gesellschaft etwas (relativ) natürliches ist und sich in den unterschiedlichen Ressourcen und Bedingungen, die dem einzelnen zur Verfügung stehen, äußert. Diese stellen für Hackauf auch den Schlüssel dar, der eine Veränderung der Positionierung innerhalb der Gesellschaft ermöglicht.
Im Folgenden wird der Begriff der sozialen Ungleichheit mit dem Hintergrund verwendet, dass er das Vorhandensein unterschiedlicher Statuspositionen in der Gesellschaft beschreibt, die durch die Ressourcen Bildung und Geld/Vermögen vergeben werden. Als feststehende Tatsache wird gesehen, dass soziale Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft vorhanden ist und sich in den unterschiedlichen Teilhabechancen Einzelner äußert.
2.3. Schulerfolg
Die Ergebnisse der für diese Hausarbeit herangezogenen Untersuchungen und daraus abgeleiteten Analysen verschiedener Autoren befassen sich mit der Schullaufbahn von Kindern und Jugendlichen sowie mit ihren Schulabschlüssen. Insofern ist von Schulerfolg die Rede, was das erfolgreiche Abschließen der Schullaufbahn meint.
Dabei steht „erfolgreich“ oder auch „Erfolg“ im Kontext mit schulischer Laufbahn für „das Erreichen eines [...] positiv bewerteten und zuvor willentlich angestrebten Zieles auf der Basis einer zur Zielerreichung erbrachten Leistung“ (Heim/ Pollak/ Reinhold 1999, S. 134).
Für jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler stellt Schulerfolg aufgrund der unterschiedlichen angestrebten Ziele und Leistungsmöglichkeiten etwas anderes, sprich einen anderen Schulabschluss und/oder Notenspiegel dar. Als Ressourcen, die als relevant für den Schulerfolg gesehen werden können, gelten an dieser Stelle das Elternhaus (bzw. die soziale Herkunft), ein um den Lernerfolg der SchülerInnen bemühtes schulisches Umfeld (i.d.R. in Form der Lehrkräfte) sowie die Peergruppe, die Orientierung, Anerkennung und Unterstützung bieten kann.
3. Forschungsstand und (mögliche) Gründe
Im Jahr 2000 wurde die erste PISA-Studie durchgeführt, die sich im Hinblick auf die Schulleistungen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Staaten sowohl mit ihrem Kompetenzstand, als auch mit dem Zusammenhang der schulischen Kompetenzen und der sozialen Herkunft beschäftigte. Diese Daten wurden in der Auswertung in Zusammenhang gebracht und das sich ergebende Bild zeigte für die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu den anderen OECD-Staaten, die untersucht worden waren, einen besonders engen „Zusammenhang zwischen der Schichtzugehörigkeit der Herkunftsfamilie und den Basiskompetenzen der Jugendlichen“ (Leven/ Schneekloth 2007, S. 112). Da an der PISA-Studie 15-jährige Schülerinnen und Schüler teilgenommen hatten, stellte sich anschließend die Frage, inwiefern sich die Herkunft junger Menschen auch bereits früher auf die schulischen Kompetenzen auswirkt. Dies wurde in der „Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung“ (kurz „IGLU“) erforscht, die an SchülerInnen der vierten Klassen durchgeführt wurde. Auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse bestätigen: Es liegt ein „bemerkenswerter Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft der Schülerinnen und Schüler und den Schullaufbahnempfehlungen der Lehrkräfte“ (ebd.) vor.
Dass die soziale Herkunft in Deutschland einen weitreichenden Einfluss auf den schulischen Erfolg, letztendlich auf den Schulabschluss junger Menschen hat, gilt im Rahmen der PISA- und IGLU-Ergebnisse als unumstrittene Tatsache. Einigkeit besteht auch darin, wie sich diese Ungleichheit von Bildungschancen im deutschen Schulsystem auswirkt: Je höher bzw. niedriger der soziale und ökonomische Status der Eltern, desto höher bzw. niedriger die Wahrscheinlichkeit des Einzelnen ein Gymnasium zu besuchen und Abitur zu machen.
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