Vom Sound zum bewegten Bild


Bachelorarbeit, 2013

87 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


INHALT

1 Einleitung

2 Definitionen
2.1 Visual
2.2 Sound
2.3 VJ
2.4 Synästhesie

3 HistorischeEntwicklungderVisuals
3.1 Farbmusikinstrumente
3.2 Abstrakter/ Absoluter Film
3.3 Visuelle Musik
3.4 Musikvideos
3.5 Animations-/Trickfilm und Computerkunst
3.6 Lichtshows
3.7 Expanded Cinema
3.8 Entwicklung der heutigenVisuals

4 VJing
4.1 Theoretische Grundlagen
4.1.1 VJ
4.1.2 Visual
4.1.3 Zielgruppe
4.1.4 Zweck
4.2 Hilfsmittel
4.2.1 Software
4.2.2 Hardware
4.3 Praktische Umsetzung
4.3.1 Vorbereitung
4.3.2 Performance
4.3.3 Stil
4.3.4 Anpassungsmöglichkeiten
4.4 Footage
4.4.1 Found Footage
4.4.2 Eigenes Footage
4.4.3 Rechtliche Regelungen
4.5 Szene

5 Zusammenfassung

6 Quellenverzeichnis
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Internetquellen
6.3 Abbildungsverzeichnis
6.4 Interviews

1 Einleitung

Licht ist für den Menschen lebensnotwendig. Es ist die wichtigste Grundlage unserer Wahrnehmung. Über 80 Prozent aller Informationen nimmt der Mensch über die Augen auf. Damit sind sie des Menschen wichtigstes SinnesorganOhne Licht wäre dies nicht möglich, da es die visuelleWahrnehmung überhaupt erst möglich macht.1Wer genauer hinschaut, entdeckt or allem in Großstädten heutzutage an unterschiedlichen Orten eine neue Kunstform, die erst durch Licht möglich wurde. Bei den sogenannten «Visuals» versucht der Künstler Musik, auch «Sound» genannt, visuell umzusetzen. Kaum eine moderne öffentlicheVeranstaltung kommt ohne diese visuelle Kunstform aus.Trotz der allgegenwärtigen Existenz wissen die wenigsten Menschen genaueres über diese relativ neue Kunstform.

FürVisuals generiert der Künstler, auchVJ genannt, live Clips aus vorher zusammengesuchten und bearbeitetenVideomaterial, um die fehlende Performance der «DJs» zu kompensieren. DieVisuals werden dem Publikum mittels Projektoren oder Fernsehgeräten präsentiert.VJing ist die mediale Raumgestaltung.2 Seit den Anfängen um 1725 mit den Farbklavieren von Louis Bertrand Castel und dem absoluten Film von Oskar Fischinger 1921, entwickelten sich dieVisuals stetig weiter. Der Einzug der elektronischen Musik und vor allem desTechnos in die Clubs, verhalf den ihnen zu einer enormen Steigerung des Bekanntheitsgrades und einer großen Anzahl an neuenVJs. Durch die technischen Entwicklungen ist das Produzieren derVisuals so einfach wie noch nie.3 Ein Laptop mit spezieller Software und ein Beamer reichen aus, um die auditiven Reize visuell zu unterstützen. Da die neue Hardware portabel einsetzbar ist, vergrößern sich die Einsatzmöglichkeiten und folglich auch die Nachfrage gewaltig.

ObwohlVisuals unübersehbar sind, ist das Interesse an der Kunstform sehr gering. Das zeigt die in der Zeitung groß angekündigteVeranstaltung mit dem Namen «What the hell isVJ?» vom 5. September 2013 aus München. Der seit 2009 halbjährlich stattfindende Event ist einVJ-Stammtisch mit Open-Stage-Session, bei der jeder Interessierte mit seinem Laptop eigeneVisuals präsentieren kann. Das Ziel derVeranstaltungsreihe ist das Informieren des Künstlernachwuchs und der Austausch derVJs über neueTechniken und Software. Obwohl Publikum erwünscht war, waren außer zehnVJs keine Zuschauer anwesend.

Da man in der Öffentlichkeit wenig überVisuals lesen kann, wird in diesem Buch versucht, die geläufigen Begriffe, die Geschichte, die Hintergründe, die theoretische und praktische Umsetzung sowie die Szene genauer zu beleuchten.

In der Szene rund um dieVisuals existieren einige wenig verbreitete Begriffe und Abkürzungen. Um dem Leser Klarheit über die verwendetenWörter zu bringen, beginnt das Buch mit der Definition und Abgrenzung der wichtigsten Ausdrücke. Im dritten Kapitel wird die Entstehungsgeschichte von den Farbklavieren bis hin zu den heutigen Clubvisuals näher erläutert. Da wenig Fachliteratur zu theoretischen und praktischen Grundlagen der Erzeugung vonVisuals existiert, baut der vierteTeil des Buches auf Interviews und persönlichen Gesprächen mitVJs in Clubs und Festivals auf. Diese wurden mit Fachbüchern zu ähnlichen Kunstrichtungen verglichen, um so dem wissenschaftlichen Anspruch zu entsprechen. Mitunter geht es um Hilfsmittel, wie Soft- und Hardware, die Bühnenperformance, den eigenen Stil, Anpassungsmöglichkeiten desVideomaterials an den Sound und die Möglichkeiten der Beschaffung von Inhalten. Das Kapitel 5 schließt das Buch mit einem Ausblick und einer kurzen Zusammenfassung ab.

Anzumerken ist, dass auf geschlechtsspezifische Formulierung aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet wurde. ImText sind immer beiderlei Geschlechter gemeint.

2 Definitionen

In der heutigen Zeit werden viele englische Begriffe und Abkürzungen ganz selbstverständlich verwendet. Deshalb sollen zunächst einmal die wichtigsten Ausdrücke für dieses Buch geklärt werden, da diese sonst irreführend oder mehrdeutig sind. Allgemeingültige Definitionen sind sehr schwer zu finden, da die verschiedenenTheorien meist zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die Entwicklung der Begriffe rund um dasThemaVJ ist vergleichbar mit der des DJs. DieTheoretiker streiten, ob «DJ» nur für Künstler verwendet werden darf, die selbst Musik produzieren und live spielen, oder aber auch für Personen, die nur fremde Lieder hintereinander abspielen und mischen.4

Um den Umfang des Buches festzulegen, beginnt das Buch mit der Definition derWörter «Visual» und «Sound».

2.1 Visual

«Bei Raves, in Clubs, bei Partys und Konzerten, aber auch in Galerien und Museen ist seit einigen Jahren eine audiovisuelle Praxis beheimatet, die im öffentlichen Raum filmische Bilder und Musik miteinander kombiniert. […] [In] einem Raum [werden] zu Musik vonDJs oder Live-MusikernVisuals, meist digitaleVideosequenzen, live produziert [..].» 5

Die von dem Künstler live erstellten Mischungen werden «Visuals» genannt. Die Bildschnitte folgen meist dem Rhythmus der Musik oder versuchen in einen Dialog mit dieser zu treten. Dabei sind dieVisuals meist zyklisch oder assoziativ, sehr selten narrative Bildketten, da sie Platz für Interpretationsfreiraum lassen müssen. Sie sind abstrakte Aneinanderreihungen von Formen und Farben. Die Bilder undVideos werden ähnlich der Montage und Collage geschnitten, bearbeitet und überblendet. MöglicheTechniken dafür sind das «Sampling» oder der «Loop». Sampling meint die Fragmentierung und Weiterbearbeitung von fremden oder eigenem Material. Loops sind Endlosschleifen.6 Die beiden Begriffe werden im hinterenTeil des Buches noch genauer betrachtet.

Eine Unterscheidung derVisuals ist aufgrund des Ausgangsvideomaterials, des Aufmerksamkeitsgrades des Publikums und des künstlerischen Anspruchs möglich. Das Videomaterial, auch «Footage» genannt, muss vorproduziert werden und wird dann live

auf der Bühne mit spezieller Software und Hardware präsentiert Es gibt zwei verschiedene Arten von visuellem Material. «Found Footage» bedeutet, dass der Künstler fremdes Videomaterial z.B. aus dem Internet oder dem Fernsehen benützt und verändert. Bei der zweiten Möglichkeit stellt der Künstler die Clips selbst her, z.B. durch Animation oder eigene Filmaufnahmen. Auf die Clipbeschaffung und auch die praktische Umsetzung wird später näher eingegangen.

Der Künstler, der für das Erzeugen derVisuals verantwortlich ist, heißt «Visual Artist», im folgenden «VJ» genannt. Eine genauere Definition des Begriffs erfolgt im Kapitel 23.

Visuals können als ein spezieller Bereich derVideokunst betrachtet werden. Der Medienkunsttheoretiker Holger Lund nennt die Praxis der Musikvisualisierung «Visuelle Musik» oder «Live-Cinema», mit auf die räumlichenVerhältnissen abgestimmten Projektoren oder Monitoren.7 Wichtigist,dasssich diese Kunst nur der visuellen Gestaltung widmet und nicht der Erzeugung von Musik oder Sounds.Visuals versuchen die Energie der vorgegebenen Musik zu nutzen, um Inhalte in Form von bewegten Bildern dem Betrachter zu vermitteln.8

Das übergeordnete Ziel ist die kompletteVerschmelzung der auditiven und visuellen Ebenen zu einer Neuen. Die sogenannte Synästhesie wird im Punkt 2.5 genauer erläutert.

Die Hierarchie vom Sound undVideo ist grundsätzlich festgelegt. Zu Beginn der Clubkultur gab es nur den DJ, der sich um die Musik kümmerte. Es gab niemanden, um die visuellen Sinne der Besucher anzusprechen. Erst mit der Zeit entwickelte sich derTrend, auch sichtbare Reize in den Club einzubauen. Der visuellen Künstler begannen im Club mit dem Live-Mischen vonVideos.9 Dasich dieDJsjedoch schon einen großen Personenkult aufgebaut hatten, musste sich derVJ unterordnen. Er musste dieVisuals an die Musik anpassen. Die umgekehrte Arbeitsweise ist auch heute, nachdem sich einigeVJs einen Namen erarbeitet haben, undenkbar.

Trotz der Benachteiligung gegenüber den DJs habenVJs vielzählige Möglichkeiten bei der Gestaltung derVisuals. Es gibt zahlreiche Soft- und Hardware, um das Arbeiten der Künstler zu unterstützen. Im Kapitel 4.2 werden die Hilfsmittel derVJs näher betrachtet. Die gestalteten Clips werden mit Hilfe eines Projektors, Beamers oder Monitors meist auf eine Leinwand projiziert. DochVisuals werden im Clubkontext nicht nur auf 2D Flächen übertragen. Mithilfe des sogenannten «Mappings» und der dazugehörigen Software können sie beliebig im Raum oder sonstigen Projektionsflächen wie Häusern oder Personen positioniert werden.10

Daneben entstand aus demVJing eine Form derVideo-Musik Performance, das sogenannten «Live-Cinema». Für diese audio-visuelle Performance versucht der Künstler dieWirkung vonTon und Bild imVoraus zu planen und zeigt sie in Galerien oder ähnlichen

Orten.11

2.2 Sound

Sound bedeutet übersetzt Klang,Ton, Musik oder Schall. Er besteht aus akustischen Schwingungen eines Mediums wie Luft oderWasser, die sich als wellenförmigerVerlauf darstellen lassen. Man bezeichnet sie auch als Schallwellen, die von Menschen undTieren über das Gehör auditiv wahrgenommen werden können. Die Schallereignisse werden durch ihre Periodizität unterschieden, also ob sich eine Schwingung ab einem bestimmten Zeitpunkt wiederholt oder nicht. Im Gegensatz zur Musik ist bei Rauschen kein regelmäßiger Schwingungsanteil vorhanden. Für dieses Buch interessant ist nur die Musik die eine organisierte Form von Schallereignissen ist.12

Musik ist auf mehreren aus verschiedenen Faktoren aufgebaut. Auf der einen Seite steht die Harmonik, also die Beziehung derTöne untereinander. Die Melodik beschreibt eine Abfolge von bestimmtenTönen, die über dieTonhöhe eine Beziehung zueinander aufbaut. Der Rhythmus beruht auf demTakt und folglich dem zeitlichen Aufbau derTöne. Der vierte relevante Begriff ist die Metrik. Sie befasst sich mit der Betonung der Noten innerhalb eines Taktes. Das heißt, Musik funktioniert immer nach Regeln und ist stets danach gestaltet und geordnet, auch wenn diese vielleicht nicht immer auf Anhieb zu erkennen sind. Jedoch werden die musikalischen Strukturen ständig erweitert, zerstört und wieder neu aufgebaut und unterliegen folglich einem stetigenVeränderungsprozess.13

Um nicht den Rahmen des Buches zu sprengen, werden nur die relevantenTeile des Sounds für dieVisuals erklärt. Die ersten bekannten Musikinstrumente sind etwa 35000 Jahre alte Knochenflöten. Davor gab es zwar auch schon Musik, diese wurde aber mit dem Mund und den Stimmbändern erzeugt. Seitdem entwickelte sich eineVielzahl an Instrumenten mit unterschiedlichsten Funktionsweisen. Dazu gehören selbstklingende Gegenstände wie Glocken, Saitenklinger wie das Klavier oder Luftklinger wie Blasinstrumente.14

Die erstenVisuals wurden noch auf der Basis von instrumentaler Musik erzeugt. Die historische Entwicklung der heutigenVisuals werden im Kapitel 3 genauer ergründet. Weitaus relevanter für die zeitgemäßenVisuals in Clubs und ähnlichen Einrichtungen ist Musik, die von elektronischen Klangerzeugern erzeugt wird. Am Anfang der elektronischen Musik standThaddeus Cahill, der bereits 1897 mit seinem elektromechanischen «Telharmonium» Klänge über dasTelefon übertragen konnte.15

Abb. 1: « DasTelharmonium »

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Die nächste erwähnenswerte Neuerung ist das «Trautonium» von FriedrichTrautwein im Jahre 1930. Es gilt alsVorläufer der heutigen Synthesizer.16 Zu dieser Zeitwarabereine Aufzeichnung der erzeugten Musik dieser Geräte unmöglich. Erst 1935 stellte die Firma «AEG» in Berlin das ersteTonbandgerät namens «Magnetophon K1» vor. DieTöne und somit der Sound wurden reproduzierbar. Der nächste große Fortschritt in der Musik in Richtung der heutigenVisuals ist die Entwicklung des Musikgenres «Techno» in den 1980er Jahren. Juan Atkins, ein DJ und Musikproduzent aus Detroit, war maßgeblich für die Entstehung des Genres verantwortlich.17 D e elektronische Musik ist zu diesem Zeitpunkt kein Experiment mehr sondernTanzmusik.

Techno zeichnete sich damals durch eine melancholische Stimmung und elektronischen Drum-Rhythmus aus. Die Grenzen sind aber fließend. Das Genre ist sehr bassorientiert und wird in Geschwindigkeiten von 120-145 BPM produziert. Das zentrale Merkmal ist ein repetitives Arrangement im 4/4Takt. Oft werden den Drums Melodien, Geräusche, Samples, Gesang und andere Klangelemente hinzugefügt. Das Arrangement entsteht durch Ein- und Ausblenden der einzelnen Elemente. Durch Filter, die bestimmte Frequenzgänge anheben bzw. absenken, lassen sich weitere Effekte erzeugen.18

Sound ist für ein visuelles Gesamterlebnis im Club essentiell. Ohne ihn sindVisuals undenkbar und hätten sich nicht in der Art undWeise entwickeln können, wie wir sie heute im Clubkontext finden.

2.3 VJ

«Meist begegnen wirVJs in Clubs, wenn sie, inVerbindung mit elektronischer Musik, Visuals anWände projizieren. Im synchronen Zusammenspiel mit der Musik zeigen sie schnell aufeinanderfolgende und ineinander übergehendeVisuals. Mithilfe der genutzten Instrumente (in der Regel Computer, Projektor,Video-Mixer etc.) werden die Visuals gemischt, und die gewünschten Farbkombinationen in der erforderlichen Geschwindigkeit auf Oberflächen mit diversen geometrischen Formen projiziert.»19

Die Abkürzung «VJ» ist eine ähnlicheWortkreation wie «DJ», was «Disc Jockey» bedeutet. Anstatt des Pferds, wie ein normaler Jockey, muss der DJ die «discs», also die Platten, unter Kontrolle haben. Er kann Autor, Komponist, Produzent, musikalischer Gestalter und Künstler zugleich sein. Mit Platten, CDs, Synthesizern, MIDI Controllern und Laptop ist er für die musikalische Untermalung vonVeranstaltungen verantwortlich. DerVJ steuert hingegen live passend zur Musik Bildmaterial aus seinem Repertoire. Durch die Videosequenzen liefert er nicht nur Bilder, sondern auch Licht und Farbe für den Raum.20

Die Arbeit desVJs ist wesentlich aufwändiger als die des DJ. Im Normalfall kümmert sich der DJ um die Übergänge zwischen zwei Liedern während derVJ seine meist kurzen Videoclips regelmäßig wechseln, verändern und an die Musik anpassen muss. Des weiteren lässt sich derVJ durch die Herkunft des verwendeten Materials vom DJ differenzieren. DJs spielen selten durchwegs selbst produzierte Musik und kaufen deshalb CDs, Platten und MP3 in Onlineshops oder Musikläden. Für denVJ gibt es nahezu keine vergleichbaren Angebote. Er muss die Clips selbst produzieren,Videoportale durchsuchen oder sich um Live Aufnahmen während des Auftritts kümmern. Zudem muss derVJ, falls noch nicht vorhanden, die von ihm benötigten technischen Mittel im Raum installieren und fungiert alsTechniker und Installateur.21 V s gestalten folglich Räume mithilfe von Videoinstallationen, Projektoren, Monitoren, Live Kameras, Mixer, Software, Effektgeräten und schaffen eineVerbindung zwischen Audio undVideo.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abb. 2: « VJ-Performance »

Der Begriff «VJ» hat verschiedene Bedeutungen. Zum einen, in dem für das Buch relevanten Kontext, meint erVisual Jockey, kann aber auch alsVideojournalist oderVideo Jockey verstanden werden. EinVideojournalist produziert in Eigenregie ganze Videobeiträge - er übernimmt gleichzeitig die Funktion des Journalisten, des Kameramanns, desTonmanns und des Cutters.22 VideoJockeybezeichnet -von Musiksendern wie MTV undVIVA geprägt - einen Moderator im Fernsehen, derVideoclips ansagt. Aufgrund der verschiedenen Bedeutungen grenzen sich vieleVisual Jockeys vom Begriff «VJ» ab und bezeichnen sich als «Visualisten». ZurVereinfachung sollen ab jetzt beide Begriffe gleichgesetzt werden. Im folgenden wird der BegriffVJ alsVisual Jockey verstanden.

Im Gegensatz zuVideo Jockeys agierenVisual Jockeys eher im Hintergrund und sind unbekannt. IhreVisuals stehen imVordergrund. Der geringe Personenkult um dieVJs hat den Nachteil, dass die Clubbetreiber nur die DJs als Hauptacts ankündigen und diese so wesentlich mehr Gage bekommen.Trotz desTrends, dassVisuals nicht mehr aus den Clubs wegzudenken sind, können die wenigstenVJs von ihrer Aktivität leben.Viele verdienen sich deshalb außerhalb der Partyszene wie beispielsweise in derWerbebranche oder auf öffentlichenVeranstaltungen Geld dazu oder arbeiten anVideokunstwerken, Musikvideos, Kunst- und Spielfilmen.23 E n Grund dafür könnte sein, dassVJs aus verschiedensten technischen und künstlerischen Sparten kommen. Deshalb entwickeln sich auch viele neue kreative Formen. Solange derVJ in derWahrnehmung der Clubbetreiber unter dem DJ steht,wird dessen Gage immer höher bleiben. Audio undVideo müssten im Clubkontext gleichberechtigt betrachtet werden, daVisuals die Stimmung stark beeinflussen können und für ein Erleben des Raumes imVordergrund stehen. Deshalb müssenVJs die Stimmung des Publikums analysieren, auffangen und interagieren, um einen einzigartigen Event zu schaffen. Die wichtigsten Methoden, um dies live zu erreichen, werden sowohl vom DJ als auch vomVJ angewandt. Neben dem Looping gehört das Sampling zum Standard in der Branche. Geloopte Musiksequenzen oder sich wiederholende Bildpatterns werden vomVJ in ähnlichen visuellen Loops aufgegriffen. Auf dieVerfahren wird im Abschnitt 43 «praktische Umsetzung» noch genauer eingegangen.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit vonVJs ist die Herkunft der verwendeten Clips. Einerseits gibt es die vom Künstler selbst erstelltenVideos und Animationen. Auf der anderen Seite steht dieVerwendung von bereits existierendem Material. Um die Definitionen nicht in die Länge zu ziehen wird die «Clipbeschaffung» im Kapitel 4.4 genauer beleuchtet.

2.4 Synästhesie

Bild undTon hängen für unsereWahrnehmung stark zusammen. So ist ein Horrorfilm auf einmal harmlos, sobald man denTon ausschaltet. Und auch nur die Audiospur löst bei den meisten Rezipienten keine Angst mehr aus.

DasWort «Synästhesie» ist vom Griechischen abgeleitet und bedeutet genau genommen «Mitempfindung». «Syn» heißt «zusammen» und «áisthêsis» meint dieWahrnehmung.

«Synästhesie wird im allgemeinen die Erscheinung genannt, bei der durch Reizung irgendeines Sinnesorganes eine lebhafteWahrnehmung nicht nur auf dem Gebiet des betreffenden Sinnes, sondern auch auf einem oder mehreren anderen Sinnesgebieten hervorgerufen wird.»24

Sie meint also die Kopplung mehrerer Sinne bei derWahrnehmung. Zwischen den beiden Komponenten besteht eineWechselwirkung. Sobald eine der Ebenen verändert wird, ist dieWirkung eine andere. Die häufigste Erscheinungsform ist das Farbenhören.

«Dabei handelt es sich um das Erzeugen von Farbeindrücken durchTöne. Diese Form der Synästhesie basiert somit auf Notennamen,Tonhöhen,Tonarten, Klangfarben und akkordischen Strukturen. Ändert man einenTon, so ändert sich auch die synästhetischempfundene Farbe beziehungsweise Farbkombination.» 25

Doch Beweise einer allgemeingültigen Synästhesie von Farbe und Klang existieren nicht.BeiVersuchen mit Synästhetikern fand der deutsche Psychologe Georg Anschütz heraus, dass bei den verschiedenenVersuchspersonen keine einheitlichen Doppelempfindungen auftraten. Die Zuordnung einesTons zu einer bestimmten Farbe ist immer subjektiv und kann nicht allgemeingültig wissenschaftlich dargestellt werden.26 Wie viele Menschen Synästhetiker sind, ist relativ unklar. Baron-Cohen, Psychologe am Camebridge Forschungszentrum, schätzt die Zahl auf 1 von 2000, der Neurologe Richard Cytowic auf 1 von 25 000. Er geht davon aus, dass jeder Mensch synästhetisch veranlagt ist, aber nur wenige wissen, dass sie Synästhetiker sind.27

3 Historische EntwicklungderVisuals

«DieWelt der Farben scheint eng verbunden mit derWelt derTöne und der Musik.Worauf jedoch dieseVerbindung eigentlich beruht, darüber zerbrechen sich Philosophen, Naturwissenschaftler und Künstler seit Jahrhunderten die Köpfe. Heute wissen wir: Rein physikalischer Natur ist dieVerbindung nicht - es sind allein der Mensch und seine Wahrnehmung, die beideWelten immer wieder aufs Neue zusammenführt.» 28

ImVerlauf der Geschichte haben sich verschiedensteTheorien über das Zusammenspiel von Farbe undTon entwickelt. Schon Pythagoras und Aristoteles erkannten eine Analogie und ordneten jedemTon eine Farbe zu.29 AuchLeonardodaV nci experimentierte bereits im 15. Jahrhundert mit farbigen Lichtprojektionen.

«Die Musik kann nicht anders genannt werden als die Schwester der Malerei, denn sie ist dem Gehör zugeordnet, einem Sinn, der nach dem Sehvermögen kommt, und erzeugt Harmonie durch dieVerbindungen ihrer wohlproportionierten und gleichzeitig auftretendenTeile, die aber gezwungen sind, in einem einzigen oder mehreren Zeitmaßen zu entstehen und zu vergehen. […] Die Malerei überragt und beherrscht die Musik, weil sie nicht sofort nach ihrer Erschaffung wieder vergeht […] ».30

Im 17. Jahrhundert beschäftigte sich Isaac Newton mit derVerbindung von Farbe und Tönen. Er teilte die von ihm entdeckten Spektralfarben in Anlehnung an die siebenstufige Tonleiter in sieben Farben ein.31 DennochwarendarstelendeKunstundMusikfürlange Zeit getrennt. Erst ab dem 19. Jahrhundert übten sich Maler in der Synästhesie mit Musik und Musiker versuchten ihre Lieder mit Bildern zu verknüpfen. Ihr Ziel war es aus zwei Kunstrichtungen eine neue Einheit zu schaffen, die auch von Außenstehenden so wahrgenommen wird.32

Die ersten synästhetischen Ansätze sind die sogenannten Farborgeln. Die verschiedenen Einflüsse für dieVisuals werden in den folgenden Kapiteln genauer beleuchtet. Dieser Abschnitt soll nur einen kleinen Überblick geben.

Einen großen Schritt vorwärts in Richtung der heutigenVisuals schaffte die Entstehung des Films. Es waren viele verschiedene Entwickler, die den Film und so die Möglichkeit, Momentaufnahmen von bewegten Szenen aufnehmen und wiedergeben zu können, erfunden haben. Dazu gehören Edisons Kinetoskope von 1891 sowie die öffentlichen Filmvorführungen der Brüder Skladanowsky und der Brüder Lumière um 1895, um nur einige der wichtigen Eckpfeiler der Filmgeschichte zu nennen.33 Die Gerätefürdie Aufnahme undWiedergabe von bewegten Bildern wurden seitdem kontinuierlich verbessert und an die Ansprüche der Filmschaffenden angepasst. Die Impression von bewegten Bildern entstand durch die schnelle Abfolge von Einzelbildern, die durch ein Objektiv mithilfe einer Lichtquelle auf lichtempfindliches Material projiziert wurden. Anfangs wurden 16 Bilder in der Sekunde aufgenommen. So lässt sich für das menschliche Auge die Illusion kontinuierlicher Bewegungen erzeugen. 34

Nach dem 2.Weltkrieg hatten die Künstler durch die technischen Neuerungen unterschiedlichste Möglichkeiten, dieWahrnehmung der Rezipienten zu verändern und zu beeinflussen. Es entstanden mehrere neue Kunstformen, die sich auf andere bezogen und daraus eine neue Bedeutung schufen. Die wichtigste Entwicklung in RichtungVisuals ist dieVeränderung des Film hin zum absoluten Film. Die Kunstschaffenden versuchten sich von dem narrativen Erzählstil des Kino- und Fernsehfilms zu lösen, um ihre abstrakten Botschaften zu vermitteln. Etwa zur gleichen Zeit etablierte sich der Begriff der «Visuellen Musik». Der Begriff steht inVerbindung mit einer langen Reihe verschiedener Künstler, die über Jahrhunderte hinweg von der Möglichkeit der gleichzeitigen Erzeugung musikalischer und visueller Information fasziniert waren.35 AusderVisuellen Musik entwickelten sich unterschiedlichste Kunstformen. Auf alle einzugehen wäre an dieser Stelle zu umfangreich. Deshalb soll nur auf die für das Buch relevanten Aspekte eingegangen werden. Musikvideos beispielsweise versuchten vorhandene musikalische Stücke visuell zu untermalen und die Botschaft der Interpreten mit Bildern zu veranschaulichen. Andere Künstler wollten dagegen aus den klassischen Genres ausbrechen und erweiterten die Präsentationsformen des Kinos. Das sogenannte «Expanded Cinema» beschäftigte sich mit der Frage der Raumprojektion und ließ den Protagonisten Raum für Experimente mit Mehrfachprojektionen oder demVorführen von Videos an zu diesem Zeitpunkt untypischen Orten. Mit dem Aufkommen digitaler Technologien und in dessen Folge des Computers etablierte sich die Animations- und Computerkunst und vereinfachte die Umsetzung der Synästhesie. Je leistungsstärker die Rechner wurden, desto bessere Bildmanipulationen und -effekte waren möglich. Bald war auch eine Echtzeitbildgenerierung möglich. Auf Konzerten und Partys experimentierten Lichtkünstler ab 1970 mit Lichtern, Lasern und ähnlichen visuellenTechnologien.

Diese kurz erwähnten Formen sind die wichtigsten Einflüsse für dieVisuelle Musik wie wir sie heute kennen. Um besser verstehen zu können, was sich hinter denVisuals verbirgt, sollen in den nächsten Kapiteln die verschiedenen Kunstgenres genauer erläutert werden.

3.1 Farbmusikinstrumente

Im 18. Jahrhundert begannen die ersten Experimente Instrumente zu entwickeln, dieTöne und Farben miteinander verbinden sollten, um eine synästhetischeWahrnehmung hervorzurufen. Einer der Ersten, der sich mit der theoretischen und praktischen Umsetzung auseinander gesetzt hat, war der Mathematiker Louis Bertrand Castel (1688-1757). 1725 entwarf er ein Farbenklavier namens «Clavecin oculaire», ein Cembalo, das farbige Fenster aufTastendruck mit Kerzen sichtbar werden ließ.36

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abb. 3:« Clavecinoculaire »

«Das Farbenklavier sollte den Farben denVorteil bieten, Beweglichkeit und Leichtigkeit zu erlangen, die ihnen auf einer leblosen Leinwand nie zu eigen sein könnte, mit dem Nachteil, nun vergänglich zu sein wie die musik37

Doch die Konstruktion war zu komplex und zu teuer für eine Massenproduktion und geriet nach CastelsTod schnell inVergessenheit. Auch andere Entwickler versuchten sich an ähnlichen Konstruktionen, die aber ebenfalls wenig erfolgreich und eher Randerscheinungen waren. 1893 revolutionierteWallace Rimington die Entwicklung, indem er sich als Erster seine Farborgel patentieren ließ.38 Zusätz ich stellte er noch eine Farb-Ton-Theorie auf, in der die Farbskala einer bestimmten Oktave zugeordnet werden kann. Unterschiedliche Sättigungen der Farben bezogen sich auf verschiedene Oktaven.

Neben der Entstehung synästhetischer Instrumente, formulierten auch einigeTheoretiker Schriften, wie sich Farben undTöne zueinander verhalten, wie z.B. dasWerk «Über die Empfindungen» des Philosophen Moses Mendelssohn aus dem Jahr 1755.39 Auche nige Komponisten verschrieben sich der Kombination von Farbe und Musik. Der Russe Alexander Skrjabin komponierte 1915 «Le poème du feu Promethée», eine Symphonie für Orchester und Farborgel.40 Erbeschränktes ch nicht länger aufTöne, sondern experimentierte mit unterschiedlichen Klängen und Akkorden und wies diesen dann bestimmte Farben zu. Seine Experimente blieben jedoch erfolglos und seine Aufführungen wurden von Kritikern als «nette, poppige Show» bezeichnet.41 AuchandereFarborge n waren meist an ihre Erfinder gekoppelt und starben deshalb auch mit ihnen.

Zu dieser Zeit sind zwei verschiedene Bewegungen zu beobachten: Zum einen gibt es Musiker, die versuchen Malerei in ihre Musik zu integrieren. Auf der anderen Seite stehen die Maler, die Musik zum Zweck der Synästesie mit ihren Bildern verknüpfen. Die beiden Gruppen sind nicht klar voneinander abzutrennen, da auch Musiker und Maler zusammenarbeiten, um eine möglichst perfekte Synästesie zu erreichen. Malerei und Musik beeinflussen sich hierbei gegenseitig.

Anfang des 20. Jahrhunderts erlebten Farborgeln und Farbklaviere einen Boom. Durch die technischen Entwicklungen wie die Elektrizität vereinfachte sich die Konstruktion der Instrumente enorm. Jetzt konnten Glühlampen eingesetzt werden und auch die Koppelung der Klaviertasten an die Lichterzeuger war nicht mehr so kompliziert wie zuvor.

Mit der Entdeckung derTonaufzeichnung und der Elektroakustik zwischen dem frühen 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts gelingt nun auch die Entkoppelung von Klang und Klangkörper.42 TönekönnenohneInstrumenterzeugt,wiedergegeben und auch aufgenommen werden. Die Medien konnten ab jetzt leichter miteinander verbunden werden und ermöglichten somit das Erreichen der Synästhesie.

Doch das einfache An- und Ausschalten der Lichtquellen reichte den Künstlern nach einiger Zeit nicht mehr aus. Sie wollten nicht nur die Intensität und Größe des Lichts beeinflussen können, sondern auch die Möglichkeit einer künstlerischen Formgestaltung, die Musik mit ganzen Bildern zu verknüpfen und bessere visuelle Übergänge zu schaffen. Aus diesen Bestrebungen heraus entwickelte sich der abstrakte Film, der nicht wie bei den Farblichtinstrumenten live auf der Bühne entsteht, sondern schon vor der Aufführung fertig sein muss und so auch öfters aufgeführt werden kann.

3.2 Abstrakter/Absoluter Film

In den frühen 1920er Jahren entdeckten viele Künstler schnell das Medium Film für sich und entwickelten dieses weiter. Es entstand der experimentelle Film. Da alle Aspekte auszuführen den Umfang des Buches übersteigen würde, soll sich auf den abstrakten auch absoluten Film genannt, den wichtigsten Ableger für die Entwicklung derVisuals, beschränkt werden. Es wird versucht die Loslösung vom Gegenständlichen und dem narrativen Erzählstil zu erreichen.43 KonkreteMot ve wurden stark abstrahiert, sodass nur die vom Künstler gewünschte Bedeutung vermittelt wird. Ab welchem Grad der Abstraktion ein Film zu diesem Genre zählt, ist umstritten und nicht eindeutig geklärt.

«Der Blick, der in geistigen Dingen immer mehr auf die Betrachtung eines zeitlichen Geschehens gedrängt wird, weiß mit den starren, reduzierten zeitlosen Formeln der Malerei nichts mehr anzufangen»44

Durch die Gemeinsamkeit der Zeit ließen sich Film und Musik sehr gut miteinander verbinden. Die Künstler versuchten abstrakte Formen mithilfe des Films auf die Zeitachse zu transportieren und so eine «Malerei in Bewegung» oder eine «Malerei mit Zeit» zu schaffen. 45 Dabeiman pulierten sie das Filmmaterial auf unterschiedlichsteWeise: Sie belichteten den Film mehrfach, überlagerten Clips, colorierten den Film nach, experimentierten mit verschiedenen Substanzen, zerschnitten ihn in Formen und setzten ihn neu zusammen oder zerkratzten den Film. Dies sind nur einige bekannte Beispiele, aber die Möglichkeiten waren unbegrenzt.

WichtigeVertreter sindWalter Ruttmann (1887-1941), Oskar Fischinger (1900-1967), Hans Richter (1888-1976) oderViking Eggeling (1880-1925).

Die Filme des MalersWalter Ruttman «Opus I» (1921) bis «Opus IV» (1925) gelten als Meisterwerke derVisuellen Musik. 46 Se ne Absicht war es, einfache und abstrakte Figuren in Raum und Zeit zu bewegen und die Bewegungsabläufe nachvollziehbar zu strukturieren. Er selbst bezeichnet seine Kunst als neue Form, die «in der Mitte zwischen Malerei und Musik» steht.47

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abb. 4: « OpusIvonWalterRuttman1921 »

In seinen Filmen experimentiert Ruttman mit gemalten geometrischen Figuren, die sich im Takt zur gespielten Klaviermusik im Raum bewegen.Vergrößert sich beispielsweise ein Kreis, wird die Musik dynamischer, erscheint ein neues Dreieck im Bild, folgt ein hoherTon oder schweben Blätter durch das Bild, ist die Musik ruhig. Form, Farbe und Bewegung stehen also in direktem Zusammenhang mit der Musik. Da zu dieser Zeit noch kein Farbfilm existierte, musste Ruttmann alle Bilder von Hand nachcolorieren. Er nutzte seine erlangten Kenntnisse für Werbefilme und Animationen in Spielfilmen und gab diese auch an andere Künstler weiter. 48

Einer von Ruttmanns Lehrlingen war Oskar Fischinger. Ab 1921 experimentierte er mit abstrakten Formen in seinen «Studien 1-4». 1930 brachte Fischinger mit denWerken «Studie Nummer 2 bis 6» die ersten Filme heraus und machte mit diesen gleichzeitig Werbung für die von ihm verwendete Musik. 49 F schinger gilt mit seiner «Studie Nr. 2» als Vorreiter des Musikvideos. Er wollte kein Abbild unseres Alltags mit all den Geschichten zur Unterhaltung und Zerstreuung schaffen. Stattdessen entwickelte er eine abstrakte, auf Kunst basierende Farb- und Formensprache, deren visuelle Komposition meist auf eine als Ausgangspunkt genommene Musik reagiert.50 ErbenütztdenabstraktenFilmals Transportmittel, um seine abstrakte Kunst besser vermitteln zu können und nicht um die Musik zu illustrieren. Für seinWerk «Tönende Ornamente» aus dem Jahre 1932 belichtete Fischinger gemalte Formen auf die Bild- undTonspuren des Filmstreifens. Mithilfe eines Projektors konnten die Formen gleichzeitig gesehen und gehört werden. 51

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abb. 5: « OskarFischingerundseinWerkT ö nendeOrnamente »

«Zwischen Ornament und Musik bestehen direkte Beziehungen, das heißt Ornamente sind Musik.» 52

DerTon wurde mit dem Lichttonverfahren zusammen mit dem Bild auf eine Randspur des Films belichtet. DieseTechnik wird seit Ende der 1920er Jahre im Kino eingesetzt, um den Film mitTon zu ergänzen. 53 ZuBeg nn desTonfilms schaffte es Fischinger mit seinen Filmen in dasVorprogramm der Kinos und erlangte in Deutschland einen hohen Bekanntheitsgrad. Dieser sicherte ihm einige Aufträge in derWerbebranche und damit kommerziellen Erfolg.

Zusammen mitWalt Disney versuchte sich Fischinger im Jahr 1940 an dem Großprojekt namens «Fantasia», auf das später noch eingegangen wird. Dabei sollten aus der Musik Videoclips entstehen, die weltweit verstanden werden. Der Film war zwar anfangs kein Erfolg, gilt aber als internationaler Durchbruch für dieVideokunst.54

Viking Eggeling war Maler, bevor er sich mit dem Film befasste. Er arbeitete anfangs nur mit selbst gezeichneten Bildern auf Papierrollen, bis er den Film für sich als geeignetes Medium entdeckte. Sich verändernde Linien und Kurven, Hell-Dunkel-Kontraste und Richtungsänderungen waren die Hauptinhalte seiner methodisch durchdachten Arbeiten. In seinem letztenWerk «Symphonie Diagonal» aus dem Jahre 1923 wollte Eggeling den Rhythmus allein über die Bilder mit ungewohntem ruckartigemWechseln der Formen herstellen und wählte bewusst keine musikalische Untermalung.55 Eggeling entwickelte zusammen mit Hans Richter die sogenannten «Rollenbilder», die auf großen Gummibögen angefertigt wurden und eineVeränderung der Formen suggerierten. Sie können als Zwischenstufe von Malerei und bewegtem Bild betrachtet werden.56 D ese Rollenbilder weckten Richters Interesse an Filmen und er begann mit einigen Experimenten und Rhythmus-Studien.

Im Gegensatz zu Eggeling spezialisierte sich Richter auf Licht, Flächen, Abstraktionen und Gegensatzpaare von verschiedenen Formen. Er ist einVertreter des Konstruktivismus, da er sich auf elementare geometrische Formen konzentriert, diese abstrahiert und so versucht eine universelle Formensprache zu entwickeln. Seine Arbeit ist eher spontan und impulsiv als geplant, soll aber immer bestimmten logischen Regeln folgen. Sein erster Film «Rhythmus 21» zeigt kontrastreiche hell-dunkel, groß-klein, schnell-langsam sowie horizontal-vertikal Übergänge. Er gilt als eines der wichtigstenWerke des abstrakten Films und der Filmgeschichte. Neben der Produktion eigener Filme lehrte Richter am Institut für Filmtechnik in NewYork.57

Oft liefen die Filme trotz Orientierung an musikalischen Grundprinzipien ohne Musik und stellten den Rhythmus nur über die Schnittfolge der Bilder her, wie z.B. «Diagonalsymphonie» vonViking Eggeling um 1925. Bei anderenWerken hingegen, beispielsweise «Lichtspiel Opus I» vonWalter Ruttman von 1921, wurde für den Film eine eigene Partitur geschrieben, um die visuellen und auditiven Eindrücke perfekt aufeinander abstimmen zu können.58

Die Filme der vierVertreter können als direkteVorreiter der heutigenVisuals gesehen werden. IhreTechniken wurden von anderen Künstlern nachgeahmt und so weltweit bekannt. Ein wichtiges Stilmittel der Filmemacher ist die Montage, doch darauf wird im hinteren theoretischenTeil des Buches eingegangen.

3.3 VisuelleMusik

«Visuelle Musik bedeutet dieTransposition melodischer, harmonischer und rhythmischer Zusammenhänge in Bilder durch die Gestaltung von Zeit und Raum. Sie ist eine dynamische Kunstform, in welcher die besondereWirkung durch ein gleichberechtigtes Zusammenspiel des visuellen und des musikalischen Materials erfolgt.» 59

Bei derVisuellen Musik handelt es sich um eine Kunstform, bei der die Künstler versuchen, liveTöne visuell darzustellen. Dabei wird versucht einen Zusammenhang zwischen den Tönen und den Bildern herzustellen. Ein wichtiger Begriff dabei ist die bereits beschriebene Synästhesie. Durch die Koppelung des auditiven und visuellen Materials können andere Wahrnehmungen undWirkungen erreicht werden, die einzeln nie zustande kämen.

DieVisuelle Musik kann als Anfang der Bild- undTonverbindung der klassischen Avantgarde zwischen 1910 und 1930 und alsVorreiter für das Musikvideo betrachtet werden. Für Cornelia und Holger Lund sind die Grenzen derVisuellen Musik fließend. Denn der Begriff «Visual» selbst lässt alle Arten und Kombinationen von Bewegtbildern zu.60

Dazu gehören unter anderem spezielle Musikvideos, Musikfilm, Filmmusik oder die für das Buch relevantenVisuals im Club, wenn diese passend mit der Musik abgestimmt werden. Das heißt, die Produktionsorte unterscheiden sich enorm.Visuelle Musik entsteht live an öffentlichen Orten, z.B. in Clubs und Diskotheken, bei Raves oder Festivals.Sie wird auf Monitore übertragen oder mit Beamern auf Leinwände projiziert und dient der Gliederung und der Gestaltung des Raumes.Visuelle Musik ist Live Kino mit auf den Raum abgestimmten Projektionen und Monitoren.61 Dasheut geVJing ist eine an dieTechnik angepasste Praxis derVisuellen Musik. Aufgrund technischer Entwicklungen wie höherer Prozessorleistung oder verbesserter Grafikkartenkapazität ist es seit Ende der 1990er möglich,Visuelle Musik ohne großen Aufwand digital zu produzieren. Dies verhalf ihr zu größerer Popularität und mehr Interesse an dieser Kunstrichtung. Mit entsprechender Software können Fotos, Stills oder Bildsamples live generiert, manipuliert, überlagert, verlangsamt und beschleunigt werden. Sie bieten den Künstlern die Möglichkeit, wie Musiker zu agieren.Visuelle Musik stützt sich hinsichtlich der Konzeption, Gestaltung und Ausführung auf musikalische Parameter. StattTönen werden Farben und Formen in Echtzeit produziert.Visuelle Musik ist die Komposition mit audiovisuellen Samples.62

Nebenbei entstand der Begriff desVisual Jockeys, derfür die Produktion derVisuellen Musik verantwortlich ist undVisuelles und Musik aufeinander abstimmen muss.63 Von anderen Spielarten wie der Farbmusik mit Farborgeln unterscheidet sich dieVisuelle Musik inhaltlich. Bei derVisuellen Musik wird die Musik nicht nur in Farbe und Licht übertragen. Die Möglichkeiten der Umsetzung sind viel facettenreicher. Alle zu der Zeit bestehenden gestalterischen Möglichkeiten wie Realbilder oder animierte Bilder sind denkbar.64 Der wesentliche Unterschied zum Genre Film und folglich auch zum abstrakten Film ist der Live-Charakter. Bei dem Film geschieht dieVertonung im Nachhinein und ist eindeutig funktional gebunden.Visuelle Musik hingegen versucht Musik sichtbar zu machen und zugleich eine gleichberechtigte und sinnvolle Synthese ausVisuellem und Auditivem zu sein. Damit ist sie letztendlich auch eine eigenständige Kunstform.65 Zugleich darf sie nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

[...]


1 Vgl. http://licht.de/de/licht-know-how/ueber-licht/licht-und-sehen/ geprüft 01.10.2013

2 Vgl. Lund, 2004

3 Schindler, Ivo, aka mr.shintla vomVJ Kollektiv «Bildstörung» (2013). Interview, geführt vomVerfasser. München, 2.10.2013 siehe Anhang

4 Vgl.Weissenberger, 2012

5 Vgl. Lund, 2004

6 Vgl. Lund, 2009

7 Vgl. Lund, 2009: 292

8 Ebd.

9 Vgl. Ulto, 2005: 79

10 Vgl. Schindler, Ivo, aka mr.shintla vomVJ Kollektiv «Bildstörung» (2013). Interview, geführt vomVerfasser. München, 2.10.2013 siehe Anhang

11 Vgl. Gündüz, 2012

12 Vgl. Strassacker

13 Vgl. Lund, 2009: 302

14 Vgl. Hartogh, 2004: 114

15 Vgl. Föllmer

16 Vgl. Effinger, 2011

17 Vgl. Schneider, 2009: 5

18 Vgl. Mittermeier, 2013: 20

19 Vgl. Gündüz, 2012

20 Vgl. Lund, 2008: 134

21 Vgl. Lund, 2004

22 Vgl. Mischel, 2005

23 Vgl. Lund, 2011

24 Vgl. Söffing

25 Vgl. Caroll, 1961: 48

26 Vgl. Lund, 2009: 301

27 Vgl. Söffing

28 Vgl. Dewald, 2011

29 Vgl. Moritz, 1987: 17ff.

30 Ebd. S. 19

31 Vgl. Dewald, 2011

32 Vgl. Söffing

33 Vgl. Schmidt

34 Vgl. Anfänge des Films. www.movie-college.de/filmschule/filmtheorie/anfaenge.htm geprüft 04.09.2013

35 Vgl. Lund, 2009: 298

36 Vgl. Farbklaviere. www.universal_lexikon.deacademic.com/236843/Farbenklavier geprüft am 12.08.2013

37 Vgl. Söffing

38 Vgl Spinrad, 2005: 17-18

39 Vgl. Jewanski, 2006

40 Vgl. Jewanski, 1999: 40f

41 Vgl. Jewanski, 2003: 181

42 Vgl. Rohlf, 2009: 109

43 Vgl. Naumann

44 Vgl. Ruttmann, 1919:

45 Vgl. Emons, 1987: 3

46 Vgl. Bódy, 1987: 74

47 Vgl. Ruttmann, 1919: 63f

48 Vgl. Fischer, 2005

49 Vgl. Sheydin, 2008

50 Vgl. Lund, 2009: 302

51 Vgl. Schwierin, a

52 Vgl. Bódy, 1987: 84

53 Vgl. Swiguiski, 2004

54 Kletschke, 2012

55 Viking Eggeling - Musik für die Augen. www.kunstgeschichte.tu- berlin.de/fileadmin/user_upload/ArTUs/Lange_Nacht_AbFilm/WEB/Eggeling.pdf Seite 7-8

56 Ebd. Seite 5

57 Ebd. Seite 6

58 Vgl. Schwierin, b

59 Vgl.Visuelle Musik. www.visual-music-award.de/index.cfm?siteid=20 geprüft 02.09.2013

60 Vgl. Lund, 2008: 134

61 Vgl. Huber, 2006

62 Vgl. Lund, 2009: 302

63 Ebd. Seite 292

64 Vgl. Lund, 2008: 133

65 Vgl. Lund, 2009: 302

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Vom Sound zum bewegten Bild
Veranstaltung
Medienproduktion
Note
1,9
Autor
Jahr
2013
Seiten
87
Katalognummer
V284202
ISBN (eBook)
9783656844198
ISBN (Buch)
9783656844204
Dateigröße
3281 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Visual;, VJ;, Sound;, Club;, DJ;, Disco;, Filmkunst
Arbeit zitieren
Julian Hartmuth (Autor:in), 2013, Vom Sound zum bewegten Bild, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284202

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