Das Sündenverständnis Dietrich Bonhoeffers in "Schöpfung und Fall"


Trabajo Escrito, 2006

70 Páginas, Calificación: 15 von 20 Punkten


Extracto


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung
0.1. Hinführung
0.2. Gegenstand und Ziel der Untersuchung
0.3. Stand der Forschung zu Schöpfung und Fall

1. Schöpfung und Fall und Politik

2. Methode und Hermeneutik in Schöpfung und Fall
2.1. Methode: Theologische Auslegung in Schöpfung und Fall
2.2. Hermeneutik: Spannung zwischen Bibelzentrismus und Bibelkritik

3. Die Schöpfung vor dem Fall
3.1. Der Anfang oder die Notwendigkeit des Hörens des biblischen Zeugnisses
3.2. Unbedingte Schöpfung
3.3. Die Erschaffung des Menschen
3.3.1. Das Problem der zwei Schöpfungsberichte
3.3.2. Imago Dei als relatio relationalis
3.3.3. Imago Dei: Leiblichkeit des Menschen
3.3.4. Das Gebot Gottes: Grenze und Mitte des Menschen
3.3.5. Der Mitmensch als die leibliche Vergegenwärtigung der Grenze

4. Der Sündenfall
4.1. Die fromme Frage der Schlange
4.2. Sicut-Deus Verheißung : Der Mensch zwischen Gottes Wahrheit und der der Schlange
4.3. Der Sündenfall als Schuld des Menschen die ganze Schöpfung betreffend

5. Die Schöpfung nach dem Fall: Folgen der Sünde
5.1. Sicut Deus: Das zerstörte Verhältnis des Menschen zu sich selbst
5.1.1. bAj und [r;: Die Entzweiung des menschlichen Wissens
5.1.2. Auf sich gestellt sein
5.1.3. Verfluchte Existenz: verzweifelter Durst nach Leben
5.2. Zerstörung der Beziehung des Menschen zu Gott
5.2.1. Neues Sein für Gott durch Zurückgehen hinter sein Wort
5.2.2. Die Funktion des Gewissens als Flucht vor Gott
5.3. Störung der zwischenmenschlichen Beziehungen
5.3.1. Die neu empfundene Begrenzung durch den Mitmenschen
5.3.2. Sexualität als Ausdruck von Sucht, Mißtrauen und der Verdichtung des sicut-Deus-Seins
5.3.3. Die Gewaltdimension der Sünde im Mord Kains: gesteigertes sicut-deus-Sein aus Verzweiflung über die gestörte Gottesbeziehung
5.4. Störung der Beziehung des Menschen zur nichtmenschlichen Kreatur
5.5. Der Mensch zwischen Fluch und Verheißung
5.5.1. Die Beziehung des Menschen zu Gott: Kampf um das Wort
5.5.2. Die Beziehung von Mann und Frau
5.5.3. Die Beziehung des Menschen zur Natur / Arbeit
5.5.4. Die Beziehung des Menschen zum Tod
5.5.5. Gottes Erhaltungsordnungen
5.6. Ausblick: Die christologische Wiederherstellung

6. Zusammenfassung und kritische Würdigung

7. Bibliographie und Abkürzungsverzeichnis
7.1. Primärliteratur
7.2. Sekundärliteratur

0. Einleitung

0.1. Hinführung

Schon früh wurde ich mit der Person Dietrich Bonhoeffers konfrontiert. Es war bereits im Jugendkreis meiner örtlichen Gemeinde, als ich ihn als strahlendes Vorbild kennenlernte, welches akademisches Denken mit praktischem Glauben zu verbinden wusste. Ein Seminar während meines Gießener Studiums über Bonhoeffers Gemeinschaftsbegriff, wie er in Gemeinsames Leben entfaltet wird, weckte mein vertieftes Interesse an ihm. Seine Gedanken zur Spannung zwischen Einsamkeit und Gemeinsamkeit blieben bei mir in fortdauernder herausfordernder Erinnerung. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung meiner Abschlusspredigt stieß ich dann zum ersten Mal bewusst auf Schöpfung und Fall. Bonhoeffers dort entfaltete Interpretation von Gen 1-3 faszinierte mich, zeigte sie doch nicht nur die Totalität der Sünde, sondern auch ihr Wesen als Bruch der Beziehung zu Gott und eigenmächtiger Lebensführung stattdessen. Damals jedoch hatte ich kaum zeitliche Möglichkeiten, den mir eindrücklichen, aber doch noch recht schillernd vorkommenden Ausführungen Bonhoeffers nachzuforschen. Als es dann jedoch um eine Themenfindung für diese Thesis ging, nutzte ich die Gelegenheit, mich eingehender mit Schöpfung und Fall zu beschäftigen.

Während des ersten Lesens in Claß einschlägiger Monographie zum Thema „Der verzweifelte Zugriff auf das Leben – Dietrich Bonhoeffers Sündenverständnis in Schöpfung und Fall“ bemerkte ich zudem, dass das 1933 erschienene Werk in der theologischen Wissenschaft nie auf sehr viel Interesse gestoßen ist.1 Claß Werk stellt mehr als 40 Jahre nach dem Tode Bonhoeffers die erste systematische Abhandlung über das Buch dar. Diese relativ spärliche Forschungslage wurde mir zum zweiten Grunde, Bonhoeffers Denken in diesem Punkt zu untersuchen.

0.2. Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Wie schon bei Claß beschränkt sich die Analyse des Sündenbegriffes im Werk Bonhoeffers in dieser Untersuchung aus Umfangsgründen auf das Buch Schöpfung und Fall, was folglich eine umfassende Behandlung der Thematik unter möglicher Entwicklung des Sündenbegriffes im Werk Bonhoeffers ausschließt.

Herausforderung dieser Untersuchung ist zudem, dass es sich bei Schöpfung und Fall nicht um eine systematische Abhandlung zum Thema Sünde handelt, sondern um eine theologische Auslegung von Gen 1-3. Aufgabe wird es demzufolge sein aus dem exegetischen Werk einen systematischen Beitrag zur Sündenlehre Bonhoeffers abzuleiten. Da Bonhoeffer stark mit dem politischen Geschehen seiner Zeit verflochten war wird in einem ersten Kapitel der Bezug von Schöpfung und Fall und damaligen politischen Verhältnissen untersucht. Im zweiten Kapitel geht es um die Hermeneutik Bonhoeffers in Schöpfung und Fall. Zwei Gründe rechtfertigen dies: Zum einen stellt die von Bonhoeffer benutzte Methode ein relativ starkes Novum im Vergleich zur üblichen Auslegungsmethode seiner Zeit dar.2 Zum anderen mutet Bonhoffers Hermeneutik aus evangelischer Sicht z.T. recht fragwürdig an. Aussagen wie, Gen 1-3 sei als „Märchen“3 zu verstehen sind Anlass genug um Bonhoeffers Hermeneutik kritisch zu reflektieren.

Die Kapitel drei bis fünf folgen dann in ihrer inhaltlichen Anordnung dem Verlauf der Sündenfallgeschichte: „Die Schöpfung vor dem Fall“, „Der Sündenfall“ und „Die Schöpfung nach dem Fall: Folgen der Sünde.“

Abschließend erfolgt eine zusammenfassende Darstellung und kritische Würdigung dieser Arbeit.

0.3. Stand der Forschung zu Schöpfung und Fall

Im bisherigen Hauptwerk zur Theologie Bonhoeffers sucht man vergeblich einen Abschnitt über „Sünde in Schöpfung und Fall.“4 Einige Autoren erwähnen Schöpfung und Fall am Rande:

M. Kuske in seiner Dissertation „Das Alte Testament als Buch von Christus“ geht lediglich auf Bonhoeffers Auslegung von Gen 1,1 ein.5 Er schreibt hier über die weitreichende christologische Begründung der Schöpfungsgeschichte: „Das Lesen der Schöpfungsgeschichte vom Auferstandenen her ist also ontisch und noetisch begründet und notwendig.“

G.L. Müller gibt in seiner Monographie eine einführende Interpretation zum Verlust der Urstandes durch die Sünde im Rahmen seines vierten christologischen Kapitels „Jesus Christus als Seinsgrund und Lebensprinzip der Kirche.“6

Eine Reihe von Autoren ist auf drei wichtige Themenkomplexe aufmerksam geworden:7

1.) Der Begriff der Mitte: Feil bringt ihn mit den aus den Frühschriften bekannten Gedanken von der Grenze zusammen, ohne jedoch eine Systematisierung des Begriffes zu leisten.8 Auch R. Maiers Buch reflektiert den Mitte-Begriff.9 Er argumentiert, dass der Begriff der Mitte bei Bonhoeffer den monistischen und dualistischen Aspekt der christlichen Ontologie, die er bei Bonhoeffer annimmt festmachen könnte. Wendel dann untersucht den Grenz- bzw. Schranken-Begriff noch genauer und kommt zu dem Ergebnis, dass ihm Klarheit und Stringenz mangele.10

2.) H. Müller bietet in „Stationen auf dem Weg zur Freiheit“ einen anderen Zugang. Er untersucht den Freiheitsbegriff in der Theologie Bonhoeffers ausgehend und schwerpunktmäßig von der Schrift Schöpfung und Fall.11

3.) E.G. Wendel schließlich beschäftigt sich in „Studien zur Homiletik Bonhoeffers“ mit Prinzipien der Schriftauslegung Bonhoeffers in Schöpfung und Fall.12 Seine Ausführungen sind aufgrund ihrer großen Nähe zum Text wichtiger Gesprächspartner für die Untersuchung der hermeneutischen Vorrausetzungen Bonhoeffers. Besonders der Begriff des Bildes und des Bibelzentrismusses sind weiterführend.

Nicht zu übersehen sind auch eine Reihe englischsprachiger Publikationen. Godsey gibt in „The Theology of Dietrich Bonhoeffer“ eine solide Einführung in Grundthemen von Schöpfung und Fall.13 Plant bietet, wie später noch genauer untersucht wird, interessante Einsichten in die Thematik Schöpfung und Fall und Politik.“14 Nickson in „Bonhoeffer and freedom“ arbeitet wie Müller den Freiheitsbegriff in Schöpfung und Fall als zentral für Bonhoeffers Denken heraus. Er spielt im kreativen Handeln Gottes und im Bezug auf das Ebenbild Gottes eine wichtige Rolle. Die Beziehung zwischen göttlicher und menschlicher Freiheit erklärt sie ebenfalls. Zwar sind sie unterschiedlich, da erstere „gracious and freely given“ letztere aber ein Geschenk ist, doch haben sie ihre pneumatische und christologische Begründung gemein.15 Als weiteren wichtigen Punkt ihrer Beobachtung sind der Verweis auf die Verbundenheit des Schöpfers mit der Schöpfung und der Menschen zu der nichtmenschlichen Schöpfung16 und auch die Grenzen im Bonhoefferschen Freiheitsbegriff zu nennen.17

Green schließlich widmet sich in “Bonhoeffer - A Theology of Sociality ?“ nicht nur dem Thema der christologischen Grundlegung der Schöpfungslehre, sondern untersucht auch detailliert den analogia relationis - Begriff. Die Beziehung des Menschen zur Natur als auch das Thema „Sünde und Sozialität“ werden gleichsam beachtet. Ein Ausblick auf die „Preservation towards Christ“ rundet diese Untersuchung ab.18

Chr. Schließers „Everyone Who Acts Responsibly Becomes Guilty“ stellt den neuesten Beitrag zur Erschließung von Schöpfung und Fall dar.19 Sie ist, wie der Buchtitel schon ausdrückt, am Begriff der Schuld bei Bonhoeffer interessiert und untersucht dazu alle wichtigen Primärwerke Bonhoeffers. Im Abschnitt über Schöpfung und Fall erklärt sie grundlegende Gedanken zum Begriff der Schuld: Bonhoeffer zeige hier eine erweiterte Definition von Schuld, die gemeinhin akzeptierten oder selbstdefinierten ethischen Kriterien widerspreche. Bonhoeffer begreife Schuld so als deformiertes Verständnis der Realität. Damit eröffne sich für uns heute eine neue Dimension des Verständnisses von Schuld: Gott mache die Menschen für ihre falsch aufgefasste Realität verantwortlich.

Auch Prüller-Jagenteufels „Befreit zur Verantwortung – Sünde und Versöhnung in der Ethik Dietrich Bonhoeffers“ stellt einen sehr jungen Beitrag zur Sündenforschung bei Bonhoeffer dar.20 Er diskutiert in seinem 2004 erschienenen Werk Sünde in Schöpfung und Fall zwar nicht im Rahmen einer dezidierten Monographie, widmet diesem Thema aber ein umfangreiches Kapitel. Prüller-Jagenteufel reflektiert dabei Sünde und Rechtfertigung als zentrale Kategorien des ethischen Denkens Dietrich Bonhoeffers. Dazu geht er erfreulicherweise recht intensiv auf die Sündenfallerzählung ein. Er ist, gemäß seinem Buchtitel, stark am Wesen der Sünde bei Bonhoeffer interessiert, welches er als theologische und soziale Wirklichkeit erkennt. Besonderheit seiner Ausführungen zur Sündenfall-Erzählung sind die Bestimmungen der Sünde bei Bonhoeffer als schuldhaft, verborgen und endgültig. Auch sein Kapitel über Gottes Erhaltungshandeln nach dem Fall ist erwähnenswert, da es die Veränderungen der menschlichen Existenz in ihren vier großen Relationen (Selbst, Mitmensch, Gott, Welt) ausführlich behandelt.

Die einzige Monographie zum Thema ist die auch relative neue Bucherscheinung von Claß „Der verzweifelte Zugriff aus das Leben – Dietrich Bonhoeffers Sündenverständnis in Schöpfung und Fall.“21

Im Einzelnen bietet er ein umfassendes Kapitel über die theologische und christologische Erkenntnis der Sünde, in dem er auch auf die Hermeneutik Bonhoeffers des Altes Testamentes in Schöpfung und Fall eingeht. In seinem zweiten Kapitel „Gott und Mensch vor dem Sündenfall“ widmet er sich der Gottesebenbildlichkeit (analogia relationalis), den für Bonhoeffer im Bezug auf das Gebot Gottes zentralen Begriffen der Mitte und Grenze, sowie dem Mitmenschen Eva als Verleiblichung dieser Grenze. Sein dritter Abschnitt „Das Wesen der Sünde“ enthält neben der Analyse der biblischen Erzählung vom Sündenfall als „Hinführung aus das Unbegreifliche“ eine Darstellung über die Totalität der Sünde, die sich sowohl in der Zerstörung der drei großen Relationen des Menschen, zu sich selbst, zu Gott und zum Mitmensch als auch in der Zerstörung der gesamten Schöpfung ausdrückt. Weiter reflektiert Claß die Sündenlehre Bonhoeffers im Sinne einer Kritik an der Erbsündenlehre. Die Begrenzungen der Sünde nach dem Sündenfall werden ebenfalls behandelt. Neben einem ausblickhaften Abschnitt über die christologische Befreiung von der Macht der Sünde (Kap. 4) erörtert Claß den Beitrag Bonhoeffers zur protestantischen Sündenlehre. Dies erfolgt nicht nur unter dem Begriff der Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich, sondern auch im Hinblick auf die von ihm propagierte Krise in der protestantischen Sündenlehre. Weiter vergleicht er Bonhoeffers Sündenverständnis mit einer sozialpsychologischen und damit fachfremden Studie und schließt mit einem Kapitel über die durch den Bonhoefferschen Sündenbegriff gewonnenen Unterscheidungsmöglichkeiten der verschiedenen Erscheinungsformen der Sünde, basierend auf den Begriffen bAj und [r;.

Neben den genannten Werken muss auch das Nachwort von Schöpfung und Fall erwähnt werden. Im wissenschaftlichen Apparat findet sich eine Reihe von Informationen, die nicht nur inhaltliche Schwerpunkte von Schöpfung und Fall, sondern auch die Planung der Vorlesung innerhalb ihres theologischen und politischen Kontextes betreffen.22 Durch die Fülle von Hinweisen zur von Bonhoeffer verwendeten Literatur ist zudem der theologische und philosophische Hintergrund von Schöpfung und Fall aufgehellt worden.23

1. Schöpfung und Fall und politik

Da es sich bei Bonhoeffer um einen Theologen handelt, der stark mit dem politischen Geschehen seiner Zeit verwurzelt ist, wird im folgenden ersten Kapitel überblicksweise das Thema „ Schöpfung und Fall und Politik“ untersucht. Obwohl Schöpfung und Fall „kaum direkt einen Bezug auf die aktuellen politischen Vorgänge aufweist“ ist doch eine Reihe von politischen Implikationen zu beobachten.24

Eine erste wichtige Beobachtung macht Plant. Er vertritt die These, dass mit Bonhoeffers Vorlesungen über Gen 1-3, die er im Wintersemester 1932/33 gehalten hatte,25 sein politisches Engagement beginnt.26 Am 1. Februar 1933, zwei Tage nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, ist so von einer Rede in der Technischen Hochschule berichtet, die Bonhoeffer an die Jugend des Nationalsozialistischen Reiches adressierte und die aufgrund ihres politisch kontroversen Charakters abgebrochen wurde. In dieser Rede ging es primär um das Thema „Autorität und ihre Grenzen.“ Bonhoeffer gibt hier zu bedenken, dass es in Deutschland zu einem Wechsel in der Definition von Autorität gekommen sei: Leiteten die Autoritätspersonen ihre Identität bis dato von ihrem Amt ab, z.B. als Lehrer oder Richter, mit entsprechenden Begrenzungen, so begründet der Führer seine Autorität nicht in einem Amt, sondern von den ihm Loyalen her. Damit einher geht seine unbegrenzte Autorität. Gab es in der frühen Periode des Reiches eine Akzeptanz der Beschränkungen, analog zu Adam der das Gebot nicht von der Frucht des Baumes des Wissens zu essen akzeptierte, maßte sich der Führer nach dem Fall der Weimarer Verfassung sicut deus Macht ohne gesetzliche Beschränkung an. Bonhoeffers Angst war nun, dass der Führer, die Schlange, die Jugend in eben dieser Weise verführen könnte sich selbst zu Gott zu machen.

Ein weiteres Indiz für seine These sieht er im Gespräch im Richmond Methodist College im Oktober 1934.27 John Wright, der dieses Gespräch aufzeichnete, notierte als Thema „Autorität in Deutschland.“ Hier geht es um das große Thema zwischen der Beschaffenheit der Schöpfung vor dem Fall und nach dem Fall. Die von großen Teilen der Deutschen Christen propagierte historische Autorität nimmt einen nicht gefallenen Teil in der Welt, wie z.B. die Kirche an. Bonhoeffer argumentiert dagegen, dass nur Jesus frei von Sünde ist und somit ultimative Autorität hat. Plant sieht hier die politische Implikation der christozentrischen Hermeneutik von Schöpfung und Fall, die den Nazis und den Deutschen Christen den Boden unter den Füßen wegzieht.

Plant nennt sodann einen zweiten Aspekt zum Thema der Kontinuität bzw. Diskontinuität der Schöpfung nach dem Fall. Nach dem Fall ist Gott nunmehr nicht mehr Schöpfer, sondern Erhalter. Bonhoeffer betont diesen Gedanken um zwei Missverständnissen, wie er sie sah kritisch zu begegnen. Erstens wendet er sich damit gegen die von den Deisten in der Aufklärung vertretene Position Gottes als ersten Beweger, ersten Grund, der sich, die Welt erschaffen habend, zurücklehnt und nicht mehr in das Leben der Schöpfung involviert ist. Neben diesem etwas älteren Einwand sieht Plant Bonhoeffer diejenigen aufkommenden deutschen Pro-Nazi-Theologen attackierend, die von einer kontinuierlichen Schöpfung ausgehen, die sich unter u.a. in der Schaffung des deutschen Volkes ausdrückt. Diese Annahme würde bedeuten, dass Gottes ursprüngliche Schöpfung nicht perfekt wäre. Gott schafft nicht in kontinuierlicher Weise immer neu aus dem Nichts, sondern bewahrt die Schöpfung, obwohl sie gefallen ist.

Drittens ist die Debatte um die Kontinuität von ethischer Seite zu sehen. Anfang der dreißiger Jahre herrschte große ethische Verunsicherung.28 In dieser sowohl wirtschaftlich als auch politisch instabilen Zeit ging es um die Neubegründung der Ethik. Bonhoeffer schreibt hierzu in seiner 1932-33 parallel zu Schöpfung und Fall gehaltenen Vorlesung „Jüngste Theologie:“

„Die Frage ist jetzt nur, wo und wie die Ethik zu begründen ist, in der Schöpfungs- oder in der Versöhnungs- oder in der Heiligungslehre? Die völkische Bewegung fordert heftig eine Begründung in den „Schöpfungsordnungen.“ Hier müsse Notwendigkeit und Wirklichkeit politischen Handelns ihren Ausgang nehmen.“29

Bonhoeffers Antwort auf diese Problematik erfolgt auf der von ihm einberufenen Konferenz der Mittelstelle ökumenische Jugendarbeit am 29.-30. April 1932 in Berlin.30 In der Diskussion mit Prof D.W. Stählin sagt er: „Es sei nicht möglich, gewisse Gegebenheiten der Welt als Schöpfungsordnungen vor anderen herauszuheben und hierauf ein christlich-sittliches Handeln zu begründen.“ Der Begriff sei eine „gefährliche und trügerische Basis.“ Anstatt von Schöpfungsordnung zu reden, die „gewisse Ordnungen, Gegebenheiten als an sich wertige, urständliche, als solche sehr gut ansehen sollte, man besser vom Begriff der Erhaltungsordnungen ausgehen, die mit dem Konzept verbunden sind, „dass jede Gegebenheit nur von Gott in Gnade und Zorn erhaltene Gegebenheit sei im Ausblick auf die Offenbarung Christus.“

Ferner sei,

„jede Ordnung unter der Erhaltung Gottes auf Christus ausgerichtet und nur seinetwegen erhalten. Eine Ordnung ist nur solange als Erhaltungsordnung Gottes anzusehen, als sie noch offen ist für die Verkündigung des Evangeliums. Wo eine Ordnung, und sei sie die ursprünglichst scheinende, Ehe, Volk usw. dieser Verkündigung grundsätzlich verschlossen ist, muss sie preisgegeben werden. Statt von der Schöpfungsordnung her müsse allein aus der in Christus gegebenen Offenbarung Gottes die Lösung des allgemeinen ethischen, hier des ökumenischen Problems gesucht werden.31

In seinem Vortrag „ Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit “ in Cernohorske Kupele, Tschechoslowakei, im Juli 1932 kritisiert er die Lehre von den Schöpfungsordnungen noch stärker. Gegen die Ansicht, dass die schon genannten gewissen Ordnungen schöpfungsmäßig sind und in ihnen das Gebot Gottes und damit der Wille Gottes zum Ausdruck kommt schreibt er:

„Man braucht ein Daseiendes nur als Gottgewolltes, Gottgeschaffenes auszugeben, und jedes Daseiende ist für Ewigkeit gerechtfertigt, die Zerrissenheit der Menschheit in Völker, nationaler Kampf, der Krieg, die Klassengegensätze, die Ausbeutung der Schwachen durch die Starken, die wirschaftliche Konkurrenz auf Tod und Leben.“32

Fehler dieser Gleichsetzung ist, dass übersehen wird, dass Sünde und Schöpfung dermaßen miteinander verflochten, „dass kein menschliches Auge sie mehr voneinander lösen kann, dass jede Ordnung Ordnung der gefallenen Welt ist und nicht der Schöpfung, (…).“ Die Schöpfungsordnungen an sich sind demnach verhüllt deshalb kann sich keine Ordnung, auch nicht die der Nationalsozialisten, schöpfungsgemäß nennen.

Bonhoeffer konkretisiert den Charakter der postlapsarischen Schöpfung und der Erhaltungsordnungen sodann in Schöpfung und Fall. Diese Explikation wird erst in der Besprechung des laufenden Textes vorgenommen (s.u.). Nach 1933 verwendet er den Begriff der Erhaltungsordnungen nicht mehr, da er ihn von Lutheranern wie Künneth, die auf dessen Basis ihr eigenes Konzept von den zwei Reichen aufbauen wollten missbraucht sah.33 Interessant ist zudem, dass Bonhoeffer in seiner Ethik den Begriff der Erhaltungsordnungen durch die Lehre von den Mandaten ersetzt.34

2. Methode und Hermeneutik in Schöpfung und Fall

2.1. Methode: Theologische Auslegung in Schöpfung und Fall

Bonhoeffer hat ein im Vergleich zur damals üblichen und dominierenden historisch-kritischen Exegese differenziertes Verständnis der Auslegung biblischer Texte.35 Er schreibt in seiner recht knapp gehaltenen Einleitung zu Schöpfung und Fall: „Theologische Auslegung nimmt die Bibel als das Buch der Kirche und legt es als solches aus.“36 Der Ort des rechten Verstehens der Bibel ist damit im Raum oder der Wirklichkeit der Kirche zu sehen.37 Weil die Bibel das Buch der Kirche ist, „darum ist die Schöpfungsgeschichte in der Kirche allein von Christus her zu lesen und erst dann auf ihn hin.“38 Er ist, wie Wendel bemerkt, „die vorgegebene Einheit des Schriftganzen.“39 In Bezug auf Bonhoeffers Verhältnis zur historisch-kritischen Methode ergibt sich ein differenziertes Bild. Auf der einen Seite „kann man die Bibel auch lesen wie jedes andere Buch, also unter dem Gesichtspunkt der Textkritik etc. Dagegen ist nichts zu sagen.“40 Jedoch erschließt dieser Gebrauch nicht das Wesen der Bibel, sondern nur ihre Oberfläche. Dieser Umstand hält Bonhoeffer jedoch nicht davon ab zu proklamieren, dass der alttestamentliche Text in Kombination mit oben beschriebenen christologischen-ekklesiologischen hermeneutischen Grundsätzen „mit allen Methoden philologischer und historischer Forschung“ untersucht werden muss.41 Im Folgenden wird untersucht inwiefern Bonhoeffer historisch-kritische Grundsätze praktisch anwandte. Er benutzt zwar mit Kautz kommentierter Übersetzung von Genesis 1 bis Hesekiel das exegetisch-philologische Standardwerk seiner Zeit, um an einigen Stellen zu einem differenzierterem Verständnis der Begrifflichkeiten zu gelangen, führt aber keine exegetische Wortstudien, geschweige denn Analyse der hebräischen Syntax durch.42 Auch die Einbettung der Genesis-Perikopen in ihren Mikro- und Makrokontext der Genesis bleibt Bonhoeffer schuldig. Stattdessen geht Bonhoeffer von einem systematischen-theologischen Verständnis aus. Er bezieht sogar Vertreter klassischer Philosophie wie z.B. Nietzsche in seine Interpretation mit ein. Dessen Bild des Ringes benutzt er, um die Unmöglichkeit sich selbst zu denken darzustellen; in der Auseinandersetzung mit Hegel verwehrt er sich gegen Hegel gegen dessen anthropologischen Gottesbegriff.43 In Bezug auf literarkritische Untersuchungen erwähnt er, „dass die Geschichten vom Lebensbaum und vom Baum der Erkenntnis ursprünglich verschiedener Herkunft waren“, jedoch sei dieser Umstand für die theologische Auslegung belanglos.44 Ferner bemerkt er in Gen 2,24 eine Ungereimtheit: „Man könnte sagen, hier stolpert der Erzähler offenbar.“45 Er löst diese Ungereimtheit jedoch nicht mit literarischen oder überlieferungsgeschichtlichen Hypothesen, sondern theologisch im Sinne einer aktuellen Bedeutung von Gen 2,24.46 Ähnlich verhält es sich mit dem Problem der zwei Schöpfungsberichte. Auch hier harmonisiert er die Spannung der verschiedenen Berichte theologisch, siehe S.22. Mit Claß kann deswegen festgehalten werden, dass bei Bonhoeffer zumindest eine Spannung zwischen seinem theoretischen Anspruch der historisch-kritischen Auslegung und seiner Auslegungspraxis vorliegt.47 Ähnlich äußert sich Wendel. Er folgert aufgrund der oben genannten Grenzen der Schriftauslegung (Kirche und Christus), dass Bonhoeffer der historisch-kritischen Bibelauslegung keine selbstständige Funktion zuschreibt.48

Eng verbunden mit der Methode ist die Frage nach der Hermeneutik Bonhoeffers, um die es im nächsten Abschnitt geht.

2.2. Hermeneutik: Spannung zwischen Bibelzentrismus und Bibelkritik

Als erstes ist hier die schon beobachtete Verbindung zwischen „Bibel und Existenz“ zu nennen.49 Sie kommt in einem Brief an eine Bonhoeffer nahestehende Frau aus dem Jahre 1936 deutlich zum Ausdruck. Bonhoeffer beklagt hier rückblickend auf einen Zeitpunkt vor der Vorlesung zu Schöpfung und Fall im Wintersemester 1932/33 seine durch „wahnsinnigen Ehrgeiz“ geprägte unchristliche Arbeitsweise50:

„Ich kam zum ersten Mal zur Bibel (…) Ich hatte schon oft gepredigt, ich hatte schon viel von der Kirche gesehen darüber geredet und geschrieben – und ich war noch kein Christ geworden, sondern ganz wild und ungebändigt mein eigener Herr (…) ich war bei aller Verlassenheit ganz froh an mir selbst. Daraus hat mich die Bibel befreit und insbesondere die Bergpredigt.“51

Eng damit verbunden ist zweitens sein Bibelzentrismus. In einem Brief an seinen Schwager aus dem gleichen Jahr 1936 schreibt er, dass es wichtig sei das Wort Gottes einfach zu hören und zu meditieren, wie man es mit einem Liebesbrief tut.52:

„Nur wenn wir einmal wagen, uns so auf die Bibel einzulassen, als redete hier wirklich Gott zu uns, der uns liebt und mit unseren Fragen nicht allein lassen will, werden wir an der Bibel froh. (…). Jeder andere Ort außer der Bibel ist mir zu ungewiß geworden. Ich fürchte dort nur auf einen göttlichen Doppelgänger von mir selbst zu stoßen.“53

Aus dem Nachwort der Herausgeber zu Schöpfung und Fall wissen wir zudem, dass zum Hören des biblischen Wortes exercitium gehört, ein Begriff, der, von Thomas von Kempen stammend, „Übung“ bedeutet.54 Ferner betont Bonhoeffer auch in diesem Zusammenhang die Einheit und Ganzheit der Bibel in dem Brief: „Die ganze Bibel will also das Wort sein, in dem sich Gott von uns finden lässt.“55 Und bestimmt sich inhaltlich mit dem Kreuz Christi: „Und wer ihn dort finden will, der muss mit unter dieses Kreuz Christi, wie es die Bergpredigt fordert.“56 Mit dieser Einbeziehung des Alten Testamentes grenzt sich Bonhoeffer deutlich von seinem Lehrer Adolf Harnack ab, der dem Alten Testament ablehnend gegenüber stand.57 Drittens schätzt Bonhoeffer die Tradition der vorkritischen Bibelauslegung sehr hoch.58 Beim Betrachten mittelalterlicher Kunst ist ihm aufgegangen, dass die Menschen damals die Bibel besser verstanden hätten. Schließlich bedeutet die neue Konzentration auf die Bibel für ihn eine „wunderbare“ Erfahrung.59

Hat man die Aussagen zur Kenntnis genommen, so drängt sich der Eindruck einer sehr konservativen, vorkritischen Hermeneutik auf. Wenn man jedoch Bonhoeffers Schöpfung und Fall auf seine Schrifthaltung hin liest, stößt man auf hermeneutisch-kritische Aussagen. Er schreibt: „Wie sollte man von der ersten, der jungen Erde anders reden als in der Sprache der Märchen?“60 Im Bezug auf die beiden Bäume in der Mitte des Gartens fährt er fort: „Wir bleiben ganz in der Welt des Magischen, der Zauberwirkungen durch verbotene Berührungen geheiligter Gegenstände.“ Gleichzeitig sind diese märchenhaften Erzählungen für Bonhoeffer:

„Gottes Wort, Geschehen am Anfang der Geschichte und doch in der Geschichte; wir selbst die Betroffenen, die Gemeinten, die Angeklagten, die Verurteilten, die Ausgestoßenen, Gott selbst der Segnende und Verfluchende; unsere Urgeschichte, wirklich unsere eigene, jedes einzelnen Anfang, Schicksal, Schuld, Ende – so sagt die Kirche Christi.“61

Man solle diese Gedanken nicht gegen die Vorstellung von Gen 1-3 als „Mythos, kindliche, phantastische Ausmalung der grauen verborgenen Vorzeit“ ausspielen. Bonhoeffers Vorschlag, eine vermittelnde Lösung zu finden, liegt in der Bedeutung des Bildes:

„Es muss sich also bei der Auslegung des Folgenden darum handeln, die alte Bildersprache der magischen Welt in die neue Bildersprache der technischen Welt zu übersetzen, aber eben immer unter der Voraussetzung, dass dort wie hier wir die Gemeinten sind, dass wir uns in die geöffnete Bereitschaft geben, das damals über den Menschen des magischen Weltbildes Gesagte uns sagen zu lassen – uns die wir uns freilich von jenen dadurch unterscheiden, dass Christus erschienen ist, während jene warteten, die wir aber mit jenen darin dieselben sind, dass wir ob in Hoffnung oder Erfüllung, von Christus allein leben können, als die Verlorenen und die in Hoffnung oder Erfüllung Begnadigten.“62

Die hermeneutische Bedeutung des Bildes ist dabei recht schwierig zu bestimmen. Wendel schlussfolgert aus den Aussagen Bonhoeffers, dass „die Funktion des Bildes in der Identifikation mit dem in ihm Dargestellten bestehe.“63. Der Exeget fungiert als Übersetzer der alten biblischen Sprache der magischen Welt in die neue, moderne der technischen Welt.

So bleibt am Ende dieses Abschnitts die Spannung zwischen einem Bibelzentrismus, gegründet in existentiellen Erfahrungen auf der einen und eine recht kritische Hermeneutik auf der anderen Seite zu konstatieren.

3. Die schöpfung vor dem Fall

3.1. Der Anfang oder die Notwendigkeit des Hörens des biblischen Zeugnisses

Bonhoeffer beginnt seine theologische Auslegung zu Gen 1,1-3 mit der mehr dogmatischen-philosophischen als exegetischen Frage nach dem Anfang. Relativ ausführlich bespricht er das Thema der Unmöglichkeit des Menschen, den Anfang zu denken.64 Er kann hinter den biblischen Anfang „am Anfang schuf Gott“ nicht zurückgehen.65

Der Mensch kann den Anfang deswegen nicht denken, da der Anfang das Unendliche ist, der Mensch aber das Unendliche nur als Endloses, also das Anfangslose denken kann. Auch ist der Anfang die Freiheit, der Mensch jedoch kann die Freiheit immer nur von der Notwendigkeit her denken.

Das menschliche Denken befindet sich so in einem Ring.66 Es hält sich selbst für das eigentlich Anfängliche verwickelt sich aber doch nur in einen circulus vitiosus, da es sich dort, wo es sich als das Anfängliche setzt zum Gegenstand seiner selbst macht.67 So kommt es, dass im Bezug auf den Anfang lediglich verblendete Erkenntnis möglich ist. Die Lehre vom circulus vitiosus hängt eng mit der Sünden- und Urstandslehre zusammen: Einerseits setzt die Sündenlehre die Urstandslehre als notwendig voraus, anderseits problematisiert sie deren Möglichkeit, da die Sünde die Möglichkeit der Erkenntnis dieser ursprünglichen Welt zerstört. Aus dem circulus vitiosus führt allein die Christologie heraus, da Christus die Macht der Sünde gebrochen hat.

Mit diesen Bemerkungen grenzt sich Bonhoeffer, wie Nickson richtig bemerkt, von Hegels These, den Anfang wissen zu können, ab.68 Dementgegen stellt Bonhoeffer die Aussage, dass wir vom Anfang nur wissen können, indem wir Worte von dem hören, der im Anfang war.69 In der biblischen Rede vom Anfang bezeugt sich für Bonhoeffer derjenige, der von Anfang an die Wahrheit ist und der Weg und das Leben. Mit dem menschlichen Wort der Bibel, bezeugt er sich als ein schaffender Gott.

Bonhoeffer selbst fasst den ersten Gedankengang seiner Ausführung wie folgt zusammen.

„Vom eigentlichen Sinn können wir nur wissen, indem wir in der Mitte zwischen Anfang und Ende vom Anfang hören, sonst wäre es nicht der Anfang schlechthin, der eben auch unser Anfang ist. Von Gott als dem Anfang wissen wir hier in der Mitte des verlorenen Anfangs und des verlorenen Endes allein – als von dem Schöpfer.“70

3.2. Unbedingte Schöpfung

Der Anfang der Schöpfung den Gott hier macht ist das schlechthin Einmalige, einmalig im qualitativen, nicht im zeitlichen Sinne. Der Zusammenhang zwischen Gott und Himmel und Erde ist dabei durch nichts bedingt als Freiheit. Zwischen Schöpfer und Geschöpf steht schlechthin das Nichts:

„Das Nichts das zwischen der Freiheit Gottes und der Schöpfung liegt, ist weder ein Erklärungsversuch für die Schöpfung des Seienden (…), es ist überhaupt nicht ein Etwas (…), es ist die Bestimmung, die allein das Verhältnis der Freiheit Gottes zu seiner Schöpfung auszudrücken vermag.“71

Zwischen Geschöpf und Schöpfer gibt es demnach kein Zwischenglied. Das Nichts findet seinen Ruhm und seinen Bestand allein in der Tat Gottes. Als Schöpfung in diesem Nichts im Anfang zu stehen bedeutet ganz in der Freiheit Gottes zu stehen: „Das Geschöpf gehört dem (freien) Schöpfer.72 Die Betonung der souveränen Freiheit Gottes ex nihilo zu schaffen, liegt relativ wahrscheinlich auch in der Auseinandersetzung mit Hegels Religionsphilosophie begründet.73 Gegen die Hegelsche Vorstellung einer Schöpfung, die sich als notwendiger Aspekt des Lebens Gottes darstellt, als die ewige Determination der Idee und nicht trennt zwischen menschlicher und göttlicher Freiheit, setzte Bonhoeffer seine These des einmaligen, unbedingten Schöpfungsaktes.

[...]


1 G. Claß, Der verzweifelte Zugriff auf das Leben: Dietrich Bonhoeffers Sündenverständnis in „Schöpfung und Fall“, ed. W. Huber, B. Klappert, a.o., Neukirchener Beiträge zur Systematischen Theologie, vol. 15, (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1994), 2. Er sieht dieses Desinteresse gegenüber den anderen viel beachteten Schriften Bonhoeffers, wie z.B. der Ekklesiologie, u.a. darin begründet, dass die Frage nach der Sünde in der Nachkriegszeit nicht gerade Hochkonjunktur hatte. Demgegenüber stellt er die hohe inhaltliche Bedeutung der Sündenlehre Bonhoeffers, als einem genuin lutherischen Theologen dar: So ist der deus justificans und homopeccator das entscheidende Thema der Theologie Bonhoeffers. Sein ganzes Werk ist vom Sündenverständnis durchzogen und eine Untersuchung deswegen notwendig.

2 Erläuterungen dazu finden sich bereits im Nachwort von D. Bonhoeffer, Schöpfung und Fall, ed. M. Rüter, I. Tödt, Dietrich Bonhoeffer Werke, vol. 3, (Kaiser: München, 1989).

3 So dezidiert in Bonhoeffer, SF, 76.

4 E. Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers, Hermeneutik, Christologie, Weltverständnis, ed. H. Baier, K. von Beyme a.o., 2nd ed., Abteilung: Systematische Beiträge, vol. 6, (München: Kaiser, 1971). Der erste Teil dieses Forschungüberblicks (FN 4- FN 12) beruht auf Claß, Der Zugriff auf das Leben, 11 ff.

5 M. Kuske, Das Alte Testament als Buch von Christus: Dietrich Bonhoeffers Wertung und Auslegung des Alten Testamentes, (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1972), 37 .

6 G.I. Müller, Für andere da – Christus - Kirche – Gott in Bonhoeffers Sicht der Welt, ed. J.A. Möhler – Institut, konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien, vol. XLIV, (Paderborn: Bonifacius-Druckerei, 1980).

7 zu diesem Abschnitt vgl. Claß, Zugriff auf das Leben, 12 ff .

8 Feil, Die Theologie Bonhoeffers, 167 ff.

9 R. Mayer, Christuswirklichkeit: Grundlagen, Entwicklung und Konsequenzen der Theologie Dietrich Bonhoeffers, (Stuttgart: Calwer Verlag, 1969), 158 ff.

10 E.G. Wendel, Studien zur Homiletik Dietrich Bonhoeffers, Predigt – Hermeneutik – Sprache, ed. H.D. Betz, G. Ebeling u.a., (Tübingen: J.C.B. Mohr, Tübingen, 1985), 231.

11 H. Müller, H. Stationen, „Stationen auf dem Weg zur Freiheit“, Die Präsenz des verdrängten Gottes: Glaube, Religionslosigkeit und Weltverantwortung nach Dietrich Bonhoeffer, (1987), 145-165.

12 E.G. Wendel, Studien zur Homiletik, 224 ff.

13 J.D. Godsey, The Theology of Dietrich Bonhoeffer, The preacher´s library, (London: SCM Press LTD, 1960).

14 S. Plant, Bonhoeffer, ed. B. Davies, Outstanding Christian Thinkers, (London: Continuum, 2004).

15 A.L. Nickson, Bonhoeffer on Freedom, Courageously Grasping Reality, ASHGATE NEW CRITICAL THINKING IN RELIGION, THEOLOGY & BIBLICAL STUDIES, (Hampshire: Ashgate Publishing Limited, 2002), 83.

16 Bonhoeffer, so Nickson, vertritt die Ansicht, dass eine angemessene Beziehung der Menschen zu unbelebten Natur nur dadurch möglich ist, wenn der Mensch eine rechte Beziehung zu anderen Menschen und zu Gott hat. Dieser Gedanke öffnet den Weg zu einer „celebration of bodiliness and to a Christ-centered theology of Nature”, Nickson, Bonhoeffer on Freedom, 83.

17 „The christological re-configuration of the concept of boundary in terms of „the limiting centre,“ offered a fruitful way of reconceiving the limit as facilitating freedom rather than a barrier to be overcome.“, Nickson, Bonhoeffer on Freedom, 83.

18 C.J. Green, Bonhoeffer A Theology of Sociality, rev. ed., (Grand Rapids: Eerdmans, 1999), 203.

19 Chr. Schließer, Everyone Who Acts Responsibly Becomes Guilty – The Concept Of Accepting Guilt in Dietrich Bonhoeffer: Reconstruction And Critical Assesment, (Witten: 2006).

20 G.M. Prüller-Jagenteufel, Befreit zur Verantwortung – Sünde und Versöhnung in der Ethik Dietrich Bonhoeffers, ed. M. Heimbach-Steins, H.G. Ulrich, a.o., (Münster: 2004). 5

21 Claß, Der verzweifelte Zugriff auf das Leben, VIV ff.

22 Bonhoeffer, SF, 137.

23 gesehen von Claß, Zugriff aus das Leben, 12.

24 Ibid. 4.

25 siehe Vorwort zu Bonhoeffer, SF, 19.

26 vgl. Plant, Bonhoeffer, 88.

27 Ibid. 89.

28 Bonhoeffer, SF, 138.

29 D. Bonhoeffer, Seminare – Vorlesungen – Predigten, , ed. E. Bethge, O. Dudzus, Gesammelte Schriften, vol. 5, (München: Chr. Kaiser Verlag, 1972), 305.

30 D. Bonhoeffer, Ökumene: Briefe – Aufsätze – Dokumente, 1928 bis 1942, Gesammelte Schriften, vol. 1, (München: Chr. Kaiser Verlag, 1958), 128 f. Im Seminar „Gibt es eine christliche Ethik?“ des Sommersemesters 1932 äußert er sich ähnlich zum Thema „Schöpfungsordnungen oder Erhaltungsordnungen?“ Besonders ist hier der zugespitzte Gedanke, dass „das Gute nur in Christus selbst ist,“ siehe Bonhoeffer, Bonhoeffer, Bonhoeffer, GS 5, 292.

31 Bonhoeffer, GS 1, 129.

32 Ibid. 149 ff.

33 E. Bethge, Dietrich Bonhoeffer: Theologe – Christ – Zeitgenosse, (München: Chr. Kaiser Verlag, 1967), 525.

34 Die Erhaltung der Welt auf Christus hin, „wird konkret in bestimmten Mandaten Gottes in der Welt: die Arbeit, die Ehe, die Obrigkeit, die Kirche.“ D. Bonhoeffer, Ethik, ed. I. Tödt, H.E. Tödt, u.a., Dietrich Bonhoeffer Werke, vol. 6, (München: Chr. Kaiser Verlag, 1992), 54 ff.

35 Claß, Der Zugriff auf das Leben, 65.

36 Bonhoeffer, SF, 22.

37 E.G. Wendel, Studien zur Homiletik, 83.

38 Bonhoeffer, SF, 22.

39 E.G. Wendel, Studien zur Homiletik, 83.

40 D. Bonhoeffer, Theologie – Gemeinde: Vorlesungen – Briefe Gespräche, 1927 bis 1944, ed. E. Bethge, Gesammelte Schriften, vol. 3, (München: Chr. Kaiser Verlag, 1960) 27.

41 Bonhoeffer, SF, 22.

42 Claß, Der Zugriff auf das Leben, 66.

43 Bonhoeffer, SF, 28 f.

44 Ibid., SF, 78.

45 Idid., SF, 93.

46 „Auf den Grund der Sache gesehen, kommt hier eine fundamentale Erkenntnis zu Tage, die bisher immer mehr im Hintergrund gehalten worden war und die nun wie unbeabsichtigt offen herausbricht. Der Adam, der so redet, sind wir selbst, die wir Mutter und Vater haben, (…), Bonhoeffer, SF, 93, gesehen von Claß, Der Zugriff auf das Leben, 66.

47 Claß, Der Zugriff auf das Leben, 68.

48 E.G. Wendel, Studien zur Homiletik, 83.

49 vgl. Wendel, Studien zur Homiletik, 80.

50 vgl. Nachwort zu Bonhoeffer, SF, 143.

51 D. Bonhoeffer, Auslegungen – Predigten, ed. E. Bethge, Gesammelte Schriften, vol 4, (München: Chr. Kaiser Verlag, 1961) 367 f.

52 Bonhoeffer, GS 3, 27.

53 Ibid. 27-29.

54 Bonhoeffer, SF, 145.

55 Bonhoeffer, GS 3, 28.

56 Ibid. 28.

57 Wendel, Studien zur Homiletik, 88.

58 vgl. auch Ibid. 82.

59 Bonhoeffer, GS 3, 29.

60 Bonhoeffer, SF, 75.

61 Ibid. 77.

62 Ibid.

63 Wendel, Studien zur Homiletik, 86.

64 „Denn wir können nicht vom Anfang reden, dort wo der Anfang anfängt, hört unser Denken auf, ist es am Ende. Und doch ist es die innerste Leidenschaft unseres Denkens, es ist das, was jeder echten Frage letzten Endes Existenz verleiht, dass wir nach dem Anfang fragen wollen.“, Bonhoeffer, SF, 25.

65 Ibid. 30.

66 Claß, Der Zugriff auf das Leben, 68.

67 Bonhoeffer, SF, 26.

68 Nickson, Bonhoeffer on Freedom, 52 und Bonhoeffer, SF, 26.

69 siehe Bonhoeffer, SF, 29.

70 Ibid. 29.

71 Ibid. 32.

72 Ibid. 33.

73 Siehe Nickson, Bonhoeffer on freedom, 53: Im Sommer 1933 gab Bonhoeffer ein Seminar über die Hegelsche Religionsphilosophie und es scheint, als ob Hegel ungenannter Konversationspartner in den Ausführungen zu Gen 1-3 ist.

Final del extracto de 70 páginas

Detalles

Título
Das Sündenverständnis Dietrich Bonhoeffers in "Schöpfung und Fall"
Universidad
Evangelical Theological Faculty
Calificación
15 von 20 Punkten
Autor
Año
2006
Páginas
70
No. de catálogo
V284905
ISBN (Ebook)
9783656851141
ISBN (Libro)
9783656851158
Tamaño de fichero
622 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
sündenverständnis, dietrich, bonhoeffers, schöpfung, fall
Citar trabajo
Daniel Steffen Schwarz (Autor), 2006, Das Sündenverständnis Dietrich Bonhoeffers in "Schöpfung und Fall", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284905

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