Schulschwänzen. Über die Ursachen von Schulsabsentismus und wie Schulsozialarbeiter helfen können


Hausarbeit, 2013

22 Seiten, Note: 1,3

Sabrina Puetz (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsvielfalt „Schulabsentismus“
2.1 Zur allgemeinen Schulpflicht in Deutschland
2.1.1 Historische Betrachtung der Schulpflicht in Deutschland
2.1.2 Die Schulpflicht heute

3... Erklärungsansätze und Ursachen für Schulabsentismus
3.1 Individuelle Beweggründe
3.2 Familiäre Einflüsse
3.3 Soziales Umfeld und Kontakte
3.4 Schulische Bedingungsfaktoren

4 Schulabsentismus und seine möglichen Folgen für Schüler

5 Interventionsmöglichkeiten im Rahmen von Schulsozialarbeit
5.1 Was ist Schulsozialarbeit?
5.2 Zu den Aufgaben und Zielen von Schulsozialarbeit
5.3 Schulabsentismus - Hilfe durch Schulsozialarbeit

6 Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Jeder Heranwachsende hat in seiner Schulzeit vermutlich mit dem Gedanken gespielt, dem Unterricht fernzubleiben. Sollte dem nicht sein, so erinnert man sich bestimmt an jemanden, der hin und wieder keine Lust auf Schule hatte und „blau gemacht hat“. Was kann schon passieren, wenn man mal fehlt? Wie aber ist die Situation zu bewerten, wenn aus gelegentlichem Fehlen dauerhaftes Schwänzen wird, der Schulbesuch durch den Schüler verweigert wird oder sogar der frühzeitige Schulabbruch folgt? Das Thema Schulabsentismus beschäftigt längst nicht mehr nur Lehrkräfte und Eltern. Das Phänomen, das auch als Schulverweigerung oder Schulschwänzen bekannt ist, sorgt ebenso in der Bildungspolitik und in den Medien für hohen Diskussionsbedarf. Aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ging im Jahr 2002 hervor, dass bis zu 500.000 Jugendliche der Schule regelmäßig fernblieben1. Diese Zahlen sind nach Schätzungen bis heute konstant geblieben. In einer Pressemitteilung vom 29.03.2012 teilte das Statistische Bundesamt mit, dass 6,5 % der in Deutschland lebenden Schülerinnen die Schule im Jahr 2010 ohne einen Hauptschulabschluss verließen2. Dennoch existieren nur wenige empirische Befunde, die das Ausmaß von Schulabsentismus statistisch erfassen, sodass Kommunen und Länder lediglich schätzen können, in wie weit die Problematik bundesweit greift. Doch warum bleiben Schüler der Schule fern? Welche Folgen entstehen dabei für die Betroffenen und wie kann der Problematik entgegengewirkt werden? Die vorliegende Hausarbeit soll das Thema Schulabsentismus näher beleuchten und Schulsozialarbeit mit ihrem Aufgabenfeld als mögliche Interventionsmaßnahme vorstellen. Um das Forschungsfeld einzugrenzen, sollen zunächst die verschiedenen Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt werden und eine historische, sowie zeitnahe Betrachtung der Schulpflicht in Deutschland erfolgen. Im weiteren Verlauf werden mögliche Ursachen und Folgen des Phänomens skizziert und das Handlungsfeld der Schulsozialarbeit erläutert. Dazu soll erklärt werden, was unter Schulsozialarbeit zu verstehen ist, welche Aufgaben sie verrichtet und wie diese durch schulsozialarbeiterische Angebote den Schulbesuch fördern kann. In einer Schlussbetrachtung soll anschließend eine Zusammenfassung erfolgen und die Frage beantwortet werden, in wie weit sich Interventionen im Rahmen von Schulsozialarbeit erfolgreich umsetzen lassen und welche Probleme entstehen können.

2. Begriffsvielfalt „Schulabsentismus“

Schulabsentismus ist sowohl in seinen Ursachen, als auch in seiner Definition komplex und vielfältig. Der Begriff wurde von Heinrich Ricking aus der englischsprachigen Fachliteratur (school absenteeism) übernommen und meint das „dauerhafte und wiederkehrende Versäumen des Unterrichts von Schülern ohne ausreichende Begründung“, (Ricking 1999, S.2 in Sälzer 2010, S.10). Schulabsentismus zeichnet sich vor allen Dingen durch die physische Abwesenheit des Schülers aus der Institution Schule aus und wird in der Literatur häufig mit verwandten Begriffen wie „Schulverweigerung, Schulschwänzen“ oder „Schuldistanzierung“ umschrieben (vgl. Sälzer 2010, S.14). Im Verlauf der vorliegenden Arbeit soll dennoch der Begriff Schulabsentismus Verwendung finden, da dieser als Oberbegriff für das Phänomen genutzt wird. Aufgrund der verschiedenen Faktoren, die Schulabsentismus bewirken, unterscheidet Ricking (2009) zwischen drei Subformen: Dem Schulschwänzen, der Schulverweigerung und dem Zurückhalten von Schülern3 durch Erwachsene (vgl. Ricking 2009, S.14f). Diese Unterscheidungen dienen dazu, gelegentliches Fehlen von Versäumnissen mit massiven Hintergründen zu differenzieren. Im Folgenden sollen die Begrifflichkeiten erläutert und voneinander abgegrenzt werden, wobei die möglichen Ursachen und Folgen von Schulabsentismus im Laufe der Arbeit genauer herausgearbeitet werden.

Schulschwänzen:

Als Schulschwänzen bezeichnet man alle grundlosen Schulversäumnisse, die vom Schüler selbst einhergehen und bei denen er „während des Vormittags einer angenehmeren Aktivität“ als dem Besuch der Schule nachgeht (Ricking 2009, S.15). Das unerlaubte Fernbleiben ereignet sich in der Regel ohne Wissen der Eltern und kann sowohl das Zu-Spät Kommen, als auch das Versäumen von einzelnen Unterrichtsphasen bzw. Schultagen umfassen. Dieses Verhalten ist als typischer Regelverstoß von Heranwachsenden zu verstehen, bei welchem sie sich gegen die Autoritäten der Erwachsenenwelt auflehnen wollen. Bei unregelmäßigem Auftreten ist dies nicht allzu bedenklich (vgl. Stamm et al. 2009, S.17). Wird das Fehlen jedoch zur Routine, so kann eine potenzielle Gefährdung für den Betroffenen Schüler hinsichtlich seiner schulischen Laufbahn und seiner persönlichen Entwicklung entstehen (vgl. ebd. S.17).

Schulverweigerung:

Von Schulverweigerung ist die Rede, wenn Schüler der Schule nicht nur gelegentlich, sondern beständig fernbleiben. Die Betroffenen haben oftmals keinen Bezug mehr zur Schule, verweigern die Teilnahme am Unterricht, oder „sind über einen längeren Zeitraum kontinuierlich abwesend“, (Sälzer 2010, S.16). Preuß (1978) definiert Schulverweigerer als diejenigen Schüler, „deren Verhaltensprobleme sich im emotionalen Bereich so verdichten, daß das Nicht-zur-Schule-Gehen-Können mit auffälligen psychogenen und/oder psychosomatischen Änderungen einhergeht“, (Preuß 1978 in Ricking 2006, S.50). Nicht selten wird Schulverweigerung von emotionalen Ausbrüchen wie Schreien oder Weinen begleitet (vgl. Ricking 2009, S.17f). Indikatoren für Schulverweigerung können

Trennungsängste von den Eltern, Furcht vor Lehrern und Mitschülern oder Leistungsdruck sein. Verweigert ein Schüler die Schule, so ist den Eltern das Fernbleiben des Kindes in der Regel auch bekannt, denn anders als Schulschwänzer, die es häufig bevorzugen, sich mit Gleichgesinnten an außerschulische Plätzen aufzuhalten, ziehen sich Schulverweigerer auf der Suche nach Sicherheit in der Regel in das Elternhaus zurück (vgl. ebd. S.17).

Schulentzug:

Wird ein Kind durch Erwachsene am Schulbesuch gehindert, so spricht man von Zurückhalten oder Schulentzug. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Formen von Schulabsentismus, resultiert das Zurückhalten nicht aus der Initiative des Schülers, sondern ist auf das Verhalten der Sorgeberechtigten zurückzuführen. Diese verletzten dabei die gesetzlich vorgeschriebene Schulpflicht des Kindes, um es aus unterschiedlichen Gründen mit seinem Einvernehmen oder gegen seinen Willen aus der Schule fernzuhalten (vgl. Sälzer 2010, S.17).

2.1 Zur allgemeinen Schulpflicht in Deutschland

Im Folgenden soll eine kurze historische Betrachtung der Schulpflicht in Deutschland erfolgen. Dieser Aspekt ist für das Phänomen Schulabsentismus von Bedeutung denn „ohne die bestehende Schulpflicht [würde es] auch keine Schulverweigerung geben“, (Ricking 2006, S.12). Unter dem legitimen Begriff der Schulpflicht soll die Verpflichtung zum Besuch der Schule ab dem sechsten Lebensjahr verstanden werden. Er beinhaltet jedoch auch die Pflicht der Eltern dafür zu sorgen, dass ihre Kinder der Schulpflicht nachgehen (vgl. ebd. S.17). Warum Schüler sich dem Unterricht und somit Schulpflicht entziehen und welche Folgen daraus resultieren werden in den Kapiteln 3. und 4. genauer behandelt.

2.1.1 Historische Betrachtung der Schulpflicht in Deutschland

Die Schulpflicht wurde erstmals mit der Weimarer Verfassung gesetzlich verankert. Historische Vorläufer existierten zwar schon unter Karl dem Großen (747-814), allerdings setzte sich die Verbindlichkeit zum Schulbesuch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts legitim durch. Zuvor durften Eltern frei darüber entscheiden, ob sie ihre Kinder in eine Schule schickten, oder auf anderem Weg dafür sorgten, dass ein ausreichender Bildungsstand erreicht wurde. Solange Kinder über grundlegende Mindestkenntnisse in Religion, Rechnen, Lesen und Schreiben verfügten, war ein Schulbesuch nicht verbindlich (vgl. Ricking 2006, S.16). Mit dem Reichsgrundschulgesetz von 1920 wurden vier Pflichtschuljahre für die Grundschule eingeführt, wobei der Schulbesuch in Art. 145 der Weimarer Reichsverfassung wie folgt festgeschrieben wurde: „Es besteht die allgemeine Schulpflicht. Ihrer Erfüllung dient grundsätzlich die Volksschule ... und die anschließende Fortbildungsschule“, (Art. 145 Weimarer Verfassung in Ricking 2006, S.17). Im Zuge des Nationalsozialismus wurde am 6. Juli 1938 das Reichsschulpflichtgesetz verabschiedet, welches die Schulpflicht um vier Jahre verlängerte und Sanktionen in Form von Geld- oder Haftstrafen vorsah, falls sie missachtet wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Verletzen der Schulpflicht durch die Strafrechtsreform von 1975 zusätzlich als Ordnungswidrigkeit eingestuft (vgl. ebd. S. 17f).

2.1.2 Die Schulpflicht heute

Heute untersteht das gesamte Schulwesen nach Art. 7 des Grundgesetzes der Aufsicht des Staates. Da Deutschland hinsichtlich seiner Verfassung ein föderal organisierter Bundesstaat ist, wird die Schulpflicht nicht bundeseinheitlich geregelt. Die Bundesländer haben aufgrund ihrer Kulturhoheit das Recht, die Schulpflicht durch eigene Landesgesetze zu regeln (vgl. Ricking 2006, S.17). Die Gesetze unterscheiden sich jedoch nur geringfügig voneinander. In Deutschland unterliegen alle Kinder nach Vollendung des sechsten bzw. siebten Lebensjahres der allgemeinen Schulpflicht, welche in der Regel neun, in manchen Bundesländern auch zehn oder zwölf Schuljahre beträgt (vgl. Schulgesetze der Bundesländer). Sowohl Schüler als auch Eltern haben dafür zu sorgen, dass der Schulpflicht nachgegangen wird. Falls diese verletzt wird, muss mit unterschiedlichen Sanktionen gerechnet werden. In einigen Bundesländern, so zum Beispiel Berlin, kann dies bei wiederholten und dauerhaften Vergehen mit bis zu 2500 € Bußgeld geahnt werden. Ebenso kann eine zwanghafte Schulhinführung durch die Polizei erfolgen (vgl. Ricking 2009, S.35f).

3. Erklärungsansätze und Ursachen für Schulabsentismus

Im nächsten Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, welche Faktoren Schulabsentismus begünstigen. Dabei ist anzumerken, dass die Ursachen für schuldistanziertes Verhalten nicht einheitlich zu beschreiben sind, da die Betroffenen häufig unterschiedliche Beweggründe haben. „Kein Schulverweigerer ist wie der andere, hinsichtlich der Hintergründe und Motive, der Faktorenmischungen, der Verläufe [und] der Zugänglichkeit [...] ist Schulverweigerung meist Ergebnis eines langen Prozesses des Hineinschlitterns mit möglichen Wendepunkten, an dessen Zustandekommen mehrere Systeme beteiligt sind“, (Thimm 2002, S.3).

Schulabsentismus entsteht also durch eine Wechselwirkung von unterschiedlichen Einflussfaktoren. Um mögliche Ursachen zu erfassen, sollen in dieser Hausarbeit die Bedingungsfelder Individuum, Familie, soziales Umfeld und Schule in Bezug auf das Problem untersucht werden.

3.1 Individuelle Beweggründe

Schulabsentismus kann in allen Altersgruppen beobachtet werden und tritt sowohl bei männlichen als auch weiblichen Schülern auf. Margrit Stamm (2008) hat Kinder und Jugendliche mit hohen Versäumniszahlen interviewt und dabei festgestellt, dass die Abwesenheit aus der Schule häufig mit Ängsten vor bestimmten Situationen und Ablehnung gegenüber Lehrern, Mitschülern und Fächern begründet wurde. Einige rechtfertigen ihr Fehlen auch mit Misserfolg, Leistungsdruck, Verdrossenheit oder Desinteresse (vgl. Stamm 2009, S.111f.) Die Pflicht die Schule besuchen zu müssen, erzeugt bei vielen Jugendlichen nach Stamm ebenso Protestverhalten, da sich einige von ihnen bestimmten Strukturen in der Schule nicht unterordnen wollen (vgl. ebd. S.17). Für die Ursache und Ausprägung der Versäumnisse ist vor allen Dingen die persönliche Haltung des Schülers gegenüber der Schule entscheidend. Kinder/ Jugendliche, die positiv über ihren Schulalltag berichten, fehlen nach Untersuchungen weitaus weniger als Schüler, die sich negativ zur Schule äußern (vgl. Ricking 2009 S.17f). Demotivierende Schulerlebnisse wie schlechte Noten, Strafen, oder Mobbing können dazu führen, dass Schüler die Schule bewusst meiden und stattdessen andere Orte bevorzugen: „Für manche dieser Schüler sind die elterliche Wohnung, die belebten Plätze der Stadt [...] oder der abgelegene Fußballplatz attraktive Alternativen zur negativ erlebten Unterrichts- und Schulsituation“, (ebd. S.16).

[...]


1 Bertelsmann-Stiftung, Pressemeldung vom 30.09.2002, http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_4538.htm zuletzt geprüft am 30.06.2013

2 M. Vollmar in: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.117 vom 29.03.2012, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2012/03/PD12_117_211.html zuletzt geprüft am 30.06.2013

3 Die Form „Schüler“ meint in der vorliegenden Arbeit sowohl weibliche als auch männliche Schüler

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Schulschwänzen. Über die Ursachen von Schulsabsentismus und wie Schulsozialarbeiter helfen können
Hochschule
Universität Trier
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V284957
ISBN (eBook)
9783656886396
ISBN (Buch)
9783656886402
Dateigröße
627 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schulschwänzen, über, ursachen, schulsabsentismus, schulsozialarbeiter
Arbeit zitieren
Sabrina Puetz (Autor:in), 2013, Schulschwänzen. Über die Ursachen von Schulsabsentismus und wie Schulsozialarbeiter helfen können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284957

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