Kann Inklusion an deutschen Schulen gelingen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

18 Seiten

Eva Wieser (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Wie kann Inklusion an deutschen Schulen gelingen?

2. Aufbau des Bildungssystems in Deutschland
2.1. Geschichte und gesellschaftliche Rahmenbedingungen des Bildungssystems
2.2. Soziopolitische und soziokulturelle Rahmenbedingungen der Entwicklung des deutschen Bildungssystems
2.2.1. Heterogenität in der Schule
2.2.2. Lehrerausbildung
2.3. Bildungspolitische Leitvorstellungen und Ziele im Bildungswesen
2.4. Struktur des Bildungssystems

3. Inklusion im historischen Kontext
3.1. Geschichtliche Entwicklung der sonderpädagogischen Anfänge
3.2. Definition „Inklusion“

4. Umsetzung im Schulsystem
4.1. Organisatorische Ebene
4.2. Inhaltliche Ebene
4.3. Qualifizierung

5. Inklusiver Unterricht
5.1. Was ist inklusiver Unterricht?
5.2. Ziele inklusiven Unterrichts
5.3. Guter inklusiver Unterricht
5.3.1. „Öffnung“ des Unterrichts (Nach Brügelmann)
5.3.2. „Offene“ Aufgaben – „Gute Aufgaben“

6. Zusammenfassung: Kann Inklusion an deutschen Schulen gelingen?

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis

1. Wie kann Inklusion an deutschen Schulen gelingen?

Das deutsche Schulsystem und deren Pläne über Gesetzesveränderungen erhält durch zahlreiche PISA – Studien immer wieder eine neue Aktualitätsdimension. Dabei kommen u.a. die frühe Selektion nach der Grundschule und die unfertigen Pläne für die Inklusion auch in die öffentliche Kritik.

Im Jahre 2009 ist die Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten, diese soll allerdings bereits im Schuljahr 2013/ 2014 umgesetzt werden. Dabei werden nicht nur Ängste seitens der Eltern und der Lehrer durch unzureichendes Vorwissen ausgelöst, sondern es bleibt nach wie vor ungeklärt wie die Schulen das bei den aktuellen Rahmenbedingungen erfolgreich ermöglichen sollen.

Wir leben heute in einer modernen Gesellschaft, die funktional differenziert ist. Durch die Entwicklung unserer Gesellschaft, kommt die Frage auf, was mit dem Individuum darin genau passiert. Kann es sein, dass Ungleichheiten unter den Menschen größer werden?

Im Fokus des 21. Jahrhunderts steht die Inklusion in der Gemeinschaft und somit auch im deutschen Bildungssystem. Inklusion stellt eine Herausforderung an der Schule und im Unterricht dar. Damit geklärt werden kann, ob Inklusion an Schulen gelingen kann, wird im ersten Teil der Arbeit der geschichtliche Kontext dargestellt und die Entwicklung des Schulsystems erörtert. Des Weiteren soll geklärt werden, wie sich die sonderpädagogischen Bemühungen entwickelt haben und wie sich diese in der schulischen Umsetzung ausdrücken.

Durch die Seminararbeit soll deutlich werden, wie Menschen mit Beeinträchtigungen in die heutige Gesellschaft eingegliedert werden sollten. Das Thema „Inklusion – Eine Schule für Alle!?“ löst Vorurteile bei Eltern und Lehrern aus. Außerdem wird darauf eingegangen wie die Umsetzung von Inklusion im Schulsystem gelingen soll, denn es besteht Gefahr, dass eine höhere Belastung für die Lehrkräfte eintritt. Denn bei der Umsetzung der Inklusion muss eine Ausbildung von sonderpädagogischen Grundkenntnissen erfolgen.

2. Aufbau des Bildungssystems in Deutschland

2.1. Geschichte und gesellschaftliche Rahmenbedingungen des Bildungssystems

Bereits ab dem 9. Jahrhundert beginnt das deutsche Schulsystem mit den Klosterschulen, gefolgt von den Dom-und Stiftsschulen im 12. Jahrhundert. Im frühen Mittelalter waren allerdings v.a. die Klosterschulen von hoher Bedeutung, welche sich als Vorläufer der heutigen Gymnasien erweisen (vgl. Döbert, 2010, S.175). Mit der Institutionalisierung wurde das Schreibe, Lesen und Rechnen als wertvoller Bestandteil der eigenen Kompetenzen angesehen. Aus diesem Grund wurden nun private und schließlich kommunale Schulen vom 13. – 18. Jahrhundert gegründet (vgl. Baumert, 2008, S. 55).

Am Ende des 18. Jahrhunderts entstand die Realschule, welche für die Schüler geeignet waren, die einerseits eine Bildung anstrebten, aber andererseits keine akademischen Abschluss beabsichtigten.

Während des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das dreigliedrige Schulsystem, bei der als Schulträger die Kirche und die reichsfreien unabhängigen Städte wirkten. Im 19. Jahrhundert war die Schule so geregelt, dass die Kirche zuständig war für den Inhalt des Unterrichts, Organisation von Lehrkräften etc. und der Staat war beauftragt die äußeren Schulangelegenheiten zu regeln (vgl. Döbert, 2010, S. 176). Erst durch das Reichsgrundschulgesetz 1920 wurde die vierjährige Grundschule offiziell eingeführt und gesetzlich verankert. Die Unterrichtspflicht war bis 1918 in Kraft, wurde dann aber von der Schulpflicht abgelöst (vgl. Tenorth, 1992). Die Schulpflicht wurde in der Weimarer Reichsverfassung (31.Juli 1919) im Artikel 145 festgehalten. Die Schulstruktur wurde in der nationalsozialistischen Zeit von 1933-1945 nicht verändert.

Nach dieser Zeit wurde das Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem staatlichen Föderalismus gezeichnet. Dadurch wurde verursacht, dass nun die einzelnen Bundesländer für ihr Schulsystem gesetzgebend verantwortlich sind. Dadurch, dass Deutschland nach dem 2. Weltkrieg in drei Westzonen unterteilt wurde, entstand einerseits im Westen ein föderalistisches System und andererseits im Osten eine zentralistische Bildungsverfassung (vgl. Anweiler, 1996). Im Westen gab es das dreigliedrige Schulsystem: Volksschule, anschließend Hauptschule/ Realschule/ Gymnasium. Im Osten bzw. in der DDR gab es keine Gliederung, sondern eine zehnjährige allgemeinbildende Schule für alle (vgl. Döbert, 2010, S.177).

2.2. Soziopolitische und soziokulturelle Rahmenbedingungen der Entwicklung des deutschen Bildungssystems

2.2.1. Heterogenität in der Schule

Grundsätzlich ist jede Gesellschaft von großer Heterogenität geprägt, was sich wiederum auch in der Schule wiederspiegelt. Damit keine Chancenungleichheit entsteht, muss daher auch die Heterogenität im Bildungssystem mitberücksichtigt werden. Heterogenität in der Schule bedeutet, dass Schüler mit unterschiedlichem Geschlecht, Alter, sozialer Herkunft, Religion, Ethik etc. eine Klassengemeinschaft bilden. Dadurch ergeben sich ungleiche Startchancen für jeden Beteiligten und die Herausforderung für die Lehrkraft liegt darin, jeden Schüler bestmöglich gerecht zu werden und den Einzelnen auf den individuellen Weg zu unterstützen (vgl. Baumert, 2008, S. 108).

Durch die Segregation nach der Grundschule versucht man die Lerngruppen zu homogenisieren (vgl. Döbert, 2010, S. 179). Die jeweilige Aufteilung an den Schulen kann mithilfe des Kapitalartenansatzes von Pierre Bourdieu erklärt werden. Im Dezember 2001 sagte Baumert, der Leiter der 1. PISA –Studie in Deutschland: „Die Chancen eines Arbeiterkindes, anstelle der Realschule ein Gymnasium zu besuchen, sind vier Mal geringer als eines Kindes aus der Oberschicht.“ Es gibt also einen eindeutigen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsergebnis. Allmendinger und Dietrich vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung haben in ihren Untersuchungen von Studien 2004 herausgefunden, dass nur 6% der Kinder aus bildungsfernen Milieus den Schritt an eine Universität schaffen, dagegen schaffen es 49% der Beamtenkinder. Bourdieu begründet diese Vorkommnisse durch seine Gesellschaftstheorie, in deren Mittelpunkt die soziale Ungleichheit steht.

2.2.2. Lehrerausbildung

In Deutschland beginnt die Lehrerausbildung durch den Studiengang an einer Universität. Abhängig davon für welche Schulart man sich entschieden hat, studiert man sechs bis zehn Semester. Am Ende des Fach-, Didaktik-, und erziehungswissenschaftlichem Studium absolviert man den ersten Teil des Staatsexamen. Den zweiten Teil des Staatsexamen legt man nach dem bis zu zwei jährigem Referendariat ab. Insgesamt beträgt die Lehrerausbildung somit ca. sechs Jahre. Allerdings wird in manchen Bundesländern geplant, dass sich diese Ausbildung verändern soll. Es soll v.a. der Anteil an Praxis vermehrt werden, sowieso der Fokus auf einer fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Ausbildung. Ob nach dem Abschluss des Studiums und Referendariats ein Beamtenstatus erworben werden kann, ist abhängig vom Einstellungsnotendurchschnitt und von der Anzahl der Bewerbenden. Als Lehrer ist man je nach Schulart 23 bis 28 Unterrichtsstunden, also 45 Minuten pro Einheit, in der Woche verpflichtet (vgl. Döbert, 2010, S. 180).

2.3. Bildungspolitische Leitvorstellungen und Ziele im Bildungswesen

Das demokratische und soziale Deutschland ist durch eine föderale Struktur gekennzeichnet. Jedes Bundesland besitzt eine eigene Gesetzgebung, Verwaltung und Regierung. Das Grundgesetz enthält wichtige Bestimmungen und Werte, die im Bildungswesen beachtet werden müssen; beispielsweise „die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre, die Freiheit des Glaubens und der Weltanschauung, die freie Wahl des Berufs und des Ausbildungsplatzes…“ (vgl. Döbert, 2010, S. 180).

Das Bildungswesen sieht v.a. drei Ziele vor: die individuelle Regulationsfähigkeit, die gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit sowieso Humanressourcen. Mit der individuellen Regulationsfähigkeit ist die Fähigkeit gemeint, selbstständig sein Verhalten, sein Leben und alles was damit zusammenhängt zu planen und zu formen. Insgesamt kann man sagen, dass das Grundgesetz die Lehrer/Innen dazu verpflichtet allen Schülern gleiche Chancen zu bieten und jedem Schüler einen schulischen Erfolg zu ermöglichen. Bei Kindern, die durch sozialer Herkunft oder anderweitig benachteiligt sind, muss dementsprechend nachgeholfen werden.

2.4. Struktur des Bildungssystems

In Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen beginnt die Vorschulerziehung im Alter von drei bis sechs Jahren. Der Besuch von Vorschuleinrichtungen ist auf freiwilliger Basis, denn die Schulpflicht beginnt ab einem Alter von sechs Jahren und diese dauert normalerweise zwölf Jahre an (vgl. Döbert, 2010, S. 186). Neun Jahre sind die deutschen Kinder verpflichtet fünf Mal in der Woche eine Schule zu besuchen. Dies wird auch die Vollzeitschulpflicht genannt. Unter Teilzeitschulpflicht versteht man, dass die Schüler in der späteren Berufsausbildung zwei Mal in der Woche zur Schule gehen müssen. Wichtig ist, dass mit dieser Schulpflicht auch behinderte Schüler gemeint sind (vgl. Döbert, 2010, S. 187). Der Kindergarten stellt den Elementarbereich dar. Anschließend folgt der Primarbereich mit der Grundschule. Je nachdem wie sehr die Kinder mit Beeinträchtigungen unterstützt und gefördert werden müssen, kommen sie anstatt auf den „normalen“ Kindergarten auf einen Sonderkindergarten; anstatt der Grundschule besuchen diese Kinder dann die Förderschule (Abb. 1). Nach der Grundschule wechselt Schüler in Abhängigkeit von schulischen Leistungen und sozialer Herkunft auf eine weiterführende Schule des Sekundarbereichs I. Zur Auswahl stehen die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium. Schüler der Förderschule bleiben weiterhin auf einer Förderschule (Abb. 1).

Bei der Sekundarstufe I muss innerhalb Deutschlands unterschieden werden. Denn durch das föderalistische System, entscheidet jedes Bundesland über dessen Schulsystem selbst. In Deutschland kann der Sekundarbereich I zwischen zwei-und fünfgliedrig sein (vgl. Döbert, 2010, S.187). In Bayern liegt das dreigliedrige Schulsystem mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium vor. Im Sekundarbereich wird nach der Hauptschule der Hauptschulabschluss, in der Realschule die Mittlere Reife und im Gymnasium die Fachhochschul- und allgemeine Hochschulreife erlangt. Nach dem Sekundarbereich I folgt der Sekundarbereich II, in dem es mehrere Möglichkeiten gibt sich weiter fortzubilden.

Wer sich für eine Berufsausbildung entscheidet, geht zunächst auf die Berufsfachschule und hat auch die Möglichkeit später auf die Berufsoberschule zu wechseln. Ein duales System in der Berufsausbildung ermöglicht eine Ausbildung und ein Studium zugleich. Das Gymnasium wird im Sekundarbereich II beendet durch die Gymnasiale Oberstufe und mit dem Abschluss des Abiturs. Das Abitur ist die Allgemeine Hochschulreife und lässt einen Zugang zu allen Universitäten und fachlichen Hochschulen zu, wobei diese den Tertiären Bereich bilden. Fachhochschulen geben im Vergleich zu Universitäten den Studenten mehr praktische Erfahrung. Das Studium ist gebührenfrei. Der Tertiäre Bereich kann mit folgenden Abschlüssen absolviert werden: Diplom, Staatsexamen, Magister, Bachelor oder Master.

3. Inklusion im historischen Kontext

3.1. Geschichtliche Entwicklung der sonderpädagogischen Anfänge

Betrachtet man die Entwicklung der sonderpädagogischen Einrichtungen genauer, so fällt auf, dass dies ein Prozess ist, der bereits über viele Jahrhunderte andauerte. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es spezielle Klassen, die sich an geistig zurückgebliebene Schüler richten. Aus diesen Klassen ergaben sich 1879 die ersten „Hilfsschulen“ (vgl. Geißler, 2011, S. 239). In den sogenannten „Hilfsschulen“ wurden Schüler mit Behinderung in das Schulsystem integriert, wobei dieser erste Schritt einen Beitrag gegen die Exklusion darstellte. Unter Exklusion ist zu verstehen, dass Kinder mit Beeinträchtigung vom Schulwesen ausgeschlossen sind. Der Name der Hilfsschule wandelte sich um in Sonderschule, später dann in Förderschule (vgl. Geißler, 2011, S. 564). Es wurde festgestellt, welche „Bedeutung dem Sonderschulwesen im Rahmen des allgemeinen Schulwesens zukam und, dass ein modernes Bildungswesen ohne den entsprechenden Ausbau des Sonderschulwesens nicht entstehen und bestehen kann“ (vgl. Lesemann, 1966, S. 94). Daraus entwickelte sich das Hilfsschutzgesetz von 1955 in Baden-Württemberg: „Kinder, die infolge von Leistungsbehinderung dem Bildungsgang der Volksschule nicht zu folgen vermögen, jedoch gemeinschafts- und bildungsfähig sind, ein Unterricht mit vereinfachten Unterrichtszeiten im Rahmen der Volksschule einzurichten“ (Hilfsschutzgesetz vom 27.06.1955 §1). Nun wurden für Kinder mit Behinderungen verschlossene Türen geöffnet und neue Chancen ermöglicht: Unterricht mit diesen Kindern war möglich. Die Anzahl von Sonderschulen erhöhte sich enorm zwischen den Jahren 1950 und 1964. Die Anzahl stieg von 485 auf 1022 Stück, wobei sich die Schüleranzahl mehr als verdoppelt hat (vgl. Lesemann, 1966, S.95).

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Details

Titel
Kann Inklusion an deutschen Schulen gelingen?
Hochschule
Universität Passau
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V284976
ISBN (eBook)
9783656851646
ISBN (Buch)
9783656851653
Dateigröße
887 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inklusion
Arbeit zitieren
Eva Wieser (Autor:in), 2014, Kann Inklusion an deutschen Schulen gelingen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284976

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