In einer parallel zur Niederschrift des Nathan-Dramas entstandenen Vorrede sagt Lessing selbst über Nathan der Weise: „Noch kenne ich keinen Ort in Deutschland, wo dieses Stück schon jetzt aufgeführt werden könnte. Aber Heil und Glück dem, wo es zuerst aufgeführt wird.“
Diese Aussage kann man nun zum einen auf die Frage nach der ‚wahren‘ Religion beziehen, die im Stück mit der berühmten Ringparabel beantwortet wird.
Zum anderen ist aber auch die Zusammenführung der Familie im Stück, deren Mitglieder nicht nur räumlich, sondern auch durch verschiedene Religionen, und damit auch unterschiedliche Traditionen und Erziehung, voneinander getrennt sind, mehr als fortschrittlich.
Auch die Familienstrukturen, die Lessing im Stück zeigt, wie die auf Vernunft basierende Vater-Tochter-Beziehung zwischen Nathan und seiner Adoptivtochter Recha, sind für die Zeit der Aufklärung überaus modern.
Grundlage für diese utopisch erscheinenden Entwicklungen im Stück ist Lessings „Humanitätsreligion, [bei der] [a]lle Schranken und Grenzen des sozialen und religiösen Lebens […] als wesenslos“ zurücktreten.
Die folgende Arbeit untersucht zunächst für das dramatische Gedicht grundlegende Familienbilder: Die sogenannte Menschheitsfamilie, als welche das Schlusstableau häufig gedeutet wird, die Entwicklung der Familie zur Zeit der Aufklärung im Allgemeinen und kurz die Entwicklung der Familiendarstellung in Lessings Dramen.
Anschließend werden die drei zunächst getrennten Familien in Nathan der Weise, also Nathans Familie, der Tempelherr und die Familie des Sultans, beschrieben und die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander betrachtet.
In Kapitel 4 wird schließlich das tatsächliche Familienverhältnis und dessen Aufdeckung erläutert sowie die Folgen dieser Aufdeckung. Dabei soll jedoch nicht der Wandel vom Liebespaar Recha/Tempelherr zum Geschwisterpaar im Vordergrund stehen, welcher durchaus zu Recht als „nicht sehr überzeugend“ und als „die schwächste Stelle dieses in seiner Botschaft so starken und überzeugenden Schauspiels“ bezeichnet wird, sondern es wird zum einen das Gegensatzpaar Adoptivvater – leiblicher Vater betrachtet und es wird die Schlussszene, die Zusammenführung als Menschheitsfamilie, näher untersucht, insbesondere die Fragen, weshalb sich die Familie in dieser Form finden und vereinen muss und welche Position Nathan dabei einnimmt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Familienbilder
- 2.1 Die Menschheitsfamilie
- 2.2 Die Entwicklung der Familie zur Zeit der Aufklärung
- 2.3 Familien in den Dramen Lessings
- 3. Familien in Nathan der Weise
- 3.1 Nathans Familie
- 3.2 Der Tempelherr
- 3.3 Die Familie des Sultans
- 4. Die Aufdeckung des Familienverhältnisses und die Folgen
- 4.1 Tatsächliche Verwandtschaftsbeziehungen
- 4.2 Blutsverwandtschaft vs. Adoption
- 4.3 Schlusstableau als Menschheitsfamilie?
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Familienstrukturen in Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ im Kontext der Aufklärung. Sie analysiert verschiedene Familienbilder im Stück und setzt diese in Beziehung zur Entwicklung des Familienverständnisses im 18. Jahrhundert. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Frage nach der Bedeutung der „Menschheitsfamilie“ als zentrales Motiv.
- Die Entwicklung des Familienbegriffs während der Aufklärung
- Das Konzept der „Menschheitsfamilie“ in Theorie und Praxis
- Analyse der Familienstrukturen in „Nathan der Weise“ (Nathans Familie, der Tempelherr, die Familie des Sultans)
- Die Rolle der Adoption und Blutsverwandtschaft im Stück
- Die Bedeutung der Schlusszene im Hinblick auf das Thema der Menschheitsfamilie
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und hebt die progressive Darstellung von Familien und religiöser Toleranz in Lessings „Nathan der Weise“ hervor. Lessings Aussage über die Aufführungsmöglichkeiten des Stücks wird im Kontext der im Stück behandelten Themen – religiöse Toleranz und neuartige Familienstrukturen – interpretiert. Die Arbeit skizziert den methodischen Ansatz, der die Untersuchung der Familienbilder im Drama, deren Entwicklung während der Aufklärung und die Analyse der Familien in „Nathan der Weise“ umfasst, um schließlich die Bedeutung der Schlusszene zu erörtern.
2. Familienbilder: Dieses Kapitel legt den Grundstein für die Analyse der Familien in „Nathan der Weise“, indem es zunächst das Ideal der Menschheitsfamilie als umfassende Gemeinschaft aller Menschen unabhängig von Herkunft und Religion erläutert. Die Entwicklung der Familie von der Hausgemeinschaft der frühen Neuzeit zur modernen, intimen Familie des 18. Jahrhunderts wird beschrieben. Die Kapitel 2.1 bis 2.3 betrachten die Entwicklung des Familienbildes im Allgemeinen, in der Aufklärung und insbesondere in den Dramen Lessings.
3. Familien in Nathan der Weise: In diesem Kapitel werden die drei zentralen Familien des Dramas – Nathans Familie, die des Tempelherrn und die des Sultans – einzeln betrachtet. Es werden die jeweiligen Familienstrukturen, die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander sowie die Besonderheiten jeder einzelnen Familie im Kontext der Aufklärung untersucht. Die Darstellung der Familien dient als Basis für die spätere Analyse des Familienverhältnisses und der Schlusszene.
Schlüsselwörter
Nathan der Weise, Lessing, Aufklärung, Familie, Menschheitsfamilie, Adoption, Blutsverwandtschaft, Toleranz, Religion, Humanität, Familienstrukturen, Verwandtschaftsverhältnisse.
Häufig gestellte Fragen zu: Familienstrukturen in Lessings "Nathan der Weise"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung von Familienstrukturen in Gotthold Ephraim Lessings Drama "Nathan der Weise" im Kontext der Aufklärung. Sie untersucht verschiedene Familienbilder im Stück und setzt diese in Beziehung zur Entwicklung des Familienverständnisses im 18. Jahrhundert. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Bedeutung der "Menschheitsfamilie" als zentrales Motiv.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung des Familienbegriffs während der Aufklärung, das Konzept der "Menschheitsfamilie", die Analyse der Familienstrukturen in "Nathan der Weise" (Nathans Familie, der Tempelherr, die Familie des Sultans), die Rolle der Adoption und Blutsverwandtschaft im Stück und die Bedeutung der Schlusszene im Hinblick auf das Thema der Menschheitsfamilie.
Welche Familien werden im Detail untersucht?
Die Arbeit analysiert im Detail die Familien von Nathan, dem Tempelherrn und dem Sultan. Es werden die jeweiligen Familienstrukturen, die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander und die Besonderheiten jeder einzelnen Familie im Kontext der Aufklärung untersucht.
Welche Bedeutung hat die "Menschheitsfamilie"?
Das Konzept der "Menschheitsfamilie" als umfassende Gemeinschaft aller Menschen, unabhängig von Herkunft und Religion, bildet ein zentrales Thema der Arbeit. Es wird untersucht, wie dieses Ideal in Lessings Drama dargestellt wird und welche Bedeutung es im Kontext der Aufklärung hat.
Wie wird die Rolle von Adoption und Blutsverwandtschaft behandelt?
Die Arbeit untersucht den Gegensatz zwischen Adoption und Blutsverwandtschaft und deren Bedeutung für die Darstellung der Familienstrukturen und das Verständnis von Verwandtschaft im Stück.
Welche Bedeutung hat die Schlusszene?
Die Schlusszene des Dramas wird im Hinblick auf das Thema der Menschheitsfamilie analysiert. Ihre Bedeutung für das Gesamtverständnis des Stücks und die darin vermittelte Botschaft wird erörtert.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, Kapitel zu Familienbildern im Allgemeinen und in Lessings Dramen, eine detaillierte Analyse der Familien in "Nathan der Weise", eine Auseinandersetzung mit dem Thema des Familienverhältnisses und der Schlusszene und ein Fazit.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Nathan der Weise, Lessing, Aufklärung, Familie, Menschheitsfamilie, Adoption, Blutsverwandtschaft, Toleranz, Religion, Humanität, Familienstrukturen, Verwandtschaftsverhältnisse.
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- Bachelor of Arts Melanie Scheid (Autor:in), 2014, Die Bedeutung der Familie in G. E. Lessings "Nathan der Weise", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285022