Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Armut – was ist das?
2.1 Absolute Armut
2.2 Relative Armut
2.3 Kinderarmut
3. Ursachen und Auswirkungen von Armut
3.1 Ursachen
3.2 Auswirkungen
4. Armut und gesundheitliche Ungleichheit
4.1 Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit/Krankheit
4.2 Auswirkungen von Armut auf die Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen
5 Interventionen
6 Fazit
Literatur – und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Bei Armut denkt man zuerst an die afrikanischen Kinder in der Wüste mit ihren aufgeblähten Bäuchen und ohne Bekleidung oder an die Lebensbedingungen in den Favelas dieser Welt, in der es Wellblechhütten, keinen Strom und erst recht keinen ausreichenden Wohnraum für eine Familie hat. Die Kinder müssen betteln und/oder arbeiten gehen, damit sie nicht verhungern und kommen früh mit Gewalt, Drogen und Prostitution in Kontakt.
Armut in Deutschland gibt es nicht im Sinne einer existenziellen Notlage, was das Fehlen der Mittel zum physischen Überleben bedeutet, sondern in Deutschland bedeutet es arm zu sein im Sinne von sozialer Ungleichheit, Benachteiligung und Ausgrenzung. Und das hat zahlreiche Auswirkungen auf das Aufwachsen der Kinder und für ihren Lebensverlauf und ist verbunden mit sozialer Diskriminierung und ungleichen Bildungschancen.
In Deutschland wurde das Thema „Kinderarmut“ lange Zeit nicht beachtet und fand erst spät Interesse in der Öffentlichkeit und in der Politik. Selbst in der Fachwelt wird erst seit den neunziger Jahren dazu geforscht.
In der folgenden Hausarbeit geht es um die Darstellung der Armut im Allgemeinen, um Kinderarmut und ihre Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten bei Kindern und Jugendlichen. Die Forschungsfrage lautet:
„Inwieweit wirkt sich Armut auf das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen aus?“
Im Kapitel 2 wird die Armut begrifflich definiert und die unterschiedlichen Armutskonzepte vorgestellt. Darin finden sich auch der Lebenslagenansatz und der Ressourcenansatz erklärt. Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Ursachen von Armut und mit den Auswirkungen allgemein und speziell auf die Kinder und Jugendlichen. Armut von Kindern kann nicht losgelöst von der Armut ihrer Eltern wahrgenommen werden und ist auch immer ein mehrdimensionales Problem. Im darauffolgenden Kapitel geht es um den Zusammenhang von Armut und Gesundheit in Bezug auf die Auswirkungen für Kinder und Jugendliche. Im Kapitel 5 werden mögliche Interventionen durch die Soziale Arbeit und präventive Möglichkeiten beleuchtet. Den letzten Teil dieser Arbeit bildet das Fazit und fasst die Erkenntnisse kurz zusammen.
2. Armut – was ist das?
Eine Definition des Begriffes Armut lässt sich laut Butterwegge (2011) nur sehr schwer und auch nicht statisch aufstellen. Armut ist etwas, was von den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen abhängt und da diese gewissen Änderungen unterliegen, wird es für die Wissenschaftler*innen schwierig, sich festzulegen, was nun dazu gehört und was nicht.
Armut beruht nicht auf einer Selbstverschuldung – Armut wird durch die Mechanismen des ökonomischen Systems und (unterlassenen) politische(n) Handlungen hervorgerufen. Somit wird entscheidend, was in dem jeweiligen Land als Maß für Armut gilt und wie die davon Betroffenen behandelt werden. Butterwegge (ebd.) entscheidet sich für eine Arbeitsdefinition nach Groh-Samberg: „Eine Person gilt in dem Maße von Armut betroffen, wie sie sich in Hinblick auf ihre ökonomischen Ressourcen und die mit ihnen in unmittelbarer Wechselwirkung stehenden Lebenslagen dauerhaft unterhalb des gesellschaftlichen Wohlstandsniveaus bewegt“ (Groh-Samberg, zit.n. Butterwegge 2011, 16). Armut umfasst ökonomische, soziale und kulturelle Aspekte und wird dadurch zu einem mehrdimensionalen Problem. (vgl. Butterwegge 2011, 12ff.)
Weitere verschiedene Definitionen des Armutsbegriffes finden sich in einem Dossier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und drücken somit die Vielschichtigkeit des Begriffes nochmals aus. Dabei kann das verfügbare Haushaltseinkommen sowohl Ursache als auch Folge einer prekären Lebenssituation sein.
Als arm gilt in der EU jemand, der über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügt, dass er in seinem Land entsprechend am Existenzminimum lebt.
Nach dem Verständnis der Bundesregierung und deren Armuts- und Reichtumsbericht ist Armut u.a. ein Mangel an Teilhabechancen. Außer das es am Einkommen mangelt, fehlen den Betroffenen die Möglichkeiten, an der Gesellschaft teilzuhaben sowie an persönlichen Ressourcen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für eine Lebensplanung und -gestaltung notwendig sind und somit in ein unsicheres Leben führen. (vgl. bmfsfj 2008, 7f.)
Armut wird nach der Europäischen Kommission so definiert: „Verarmte Personen sind Einzelpersonen, Familien, Personengruppen, die über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, daß sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben als Minimum annehmbar ist.“ (zit. n. Baum o.J., 4)
Materielle Armut wird in der Regel durch die Armutsrisikoquote ausgedrückt. Die Berechnung der Armutsquoten erfolgt nicht über das durchschnittliche Erwerbseinkommen, sondern auf Basis des äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommens, welches wiederum festgelegt wird auf Grundlage des Minimalbedarfs dessen, was ein Mensch dringend benötigt, um zu überleben. Wer 50 Prozent oder weniger eines solchen Äquivalenzeinkommens im Monat zur Verfügung hat und dadurch von einem normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird, gilt als arm. Man vermutet, dass ohne ein ausreichendes Einkommen eine Integration in die unterschiedlichen Lebensbereiche nicht mehr möglich ist. (vgl. Baum o.J., 4)
2.1 Absolute Armut
Absolute Armut beschreibt einen Zustand, der eine Bedrohung der physischen Existenz darstellt – wer seine fundamentalen Bedarfe an Nahrung, Kleidung, Wohnung und Gesundheit nicht erfüllen kann, lebt am Rande des Existenzminimums, immer der Gefahr ausgesetzt, darunter zu rutschen. Von gesellschaftlichen Standards ist die Definition absoluter Armut unabhängig, obwohl die Grenze von Armut durch die jeweiligen Entwicklungsstatus bestimmt wird. (vgl. Baum o.J., 2)
Man ist sich heute einig, dass in der modernen Gesellschaft kaum noch absolute Armut anzutreffen ist. Die Gefahr, dass man infolge schlechter Lebensumstände erfriert oder verhungert, hat sich deutlich reduziert. (vgl. Hradil 2010, 3)
Deswegen ist die Bedeutung der absoluten Armut für die Industrienationen geringer als für die Entwicklungs- oder Industrieschwellenländer.
2.2 Relative Armut
Im Gegensatz zur absoluten Armut ist relative Armut im Zusammenhang mit der Gesellschaft zu betrachten. Relative Armut bedeutet, dass die Menschen in ihren Lebensbedingungen erheblich von denen des gesellschaftlichen Durchschnitts abweichen. Das Konzept der relativen Armut orientiert sich am gesellschaftlichen Mindeststandard. Maßgeblich für die relative Armut sind soziale und kulturelle Standards. Solche Standards entstehen durch die Öffentlichkeit und deren Diskussionen darüber, was ein Mensch braucht, um an der Gesellschaft teilhaben zu können. Wie bereits eingangs des Kapitels 2 erwähnt, ist Armut ein mehrdimensionales Problem in Bezug auf die Lebenslagen von Menschen und betrifft verschiedene Lebensbereiche. Um diese Komplexität zu verdeutlichen, bietet sich der Lebenslagenansatz an. (vgl. Höblich 2012, 48f.)
Lebenslagenansatz
Hier wird Armut nicht nur auf das fehlende Einkommen bezogen, sondern Armut als komplexe Lebenslage gesehen, für die es verschiedene Gründe gibt. Diese unterschiedlichen Dimensionen der Armutslage umfassen alles, was zu den objektiven Lebensbedingungen gehört: Einkommen, Wohnung, Gesundheit, Wohlbefinden. So können „zentrale ökonomische, nicht-ökonomische und immaterielle Dimensionen der Lebenslage kombiniert“ (Baum o.J. 6) werden. Lebenslage wird als Gesamtspielraum erklärt, welcher einem Menschen zur Verfügung steht, um sich in die Gesellschaft anzupassen. Werden zentrale Handlungsspielräume durch ein Unterschreiten des Mindeststandards in einem Bereich eingeschränkt, wird dadurch der gesamte Handlungsrahmen eingeschränkt. Natürlich beachtet der Lebenslageansatz auch die ökonomischen Ressourcen – allerdings in Bezug auf solche Werte der Integration, die der Mensch erzielen muss, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden. (vgl. Baum o.J., 5ff.)
Ressourcenansatz
In der Armutsforschung wird, damit Armut identifiziert und gemessen werden kann, der Ressourcenansatz zugrunde gelegt und nimmt dafür als Indikatoren Einkommen und Sozialleistungsbezug. Der Ressourcenansatz geht davon aus, dass die wesentlichen Zugänge zu den wichtigen Handlungs- und Lebensbereichen über Geld und Recht zu erreichen sind. Wird im Gesetz eine Leistung versprochen, wird von den zuständigen Stellen (Agentur für Arbeit, Sozialamt, ...) diese Leistung erbracht, wenn diese vorher berechnet werden konnte. (Baum o.J.,6)
Bei der Berechnung der „relativen Armutsrisikoquoten“ werden Personen in Haushalten gezählt, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen bedarfsgewichteten Einkommens (Median) in Deutschland beträgt. Ab dieser Stelle spricht man von einer Armutsgefährdung. Diese Bedarfsgewichtung erfolgt anhand der neuen OECD-Äquivalenzskala. Das Armutsrisiko in Deutschland liegt nach Angaben des vierten Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung mit 15,8 Prozent, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, unter dem Durchschnitt der Europäischen Union. Während sich die Armutsquote von Minderjährigen in Deutschland je nach Datenquelle bei 18,9 Prozent (Ergebnis Mikrozensus 2011) eingependelt hat und damit weiterhin über dem Niveau der Gesamtbevölkerung liegt. (vgl. Vierter Armuts- und Reichtumsbericht 2013)
Soziale Leistungen des Staates wie das Arbeitslosengeld II sollen Betroffenen den Lebensunterhalt sichern und beinhalten dazu die Kosten für Unterkunft und Heizung. Arbeitslosengeld bezieht sich auf erwerbsfähige Hilfebedürftige. Die Grundsicherung für Arbeitssuchende hat das Ziel, den Betroffenen wieder auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern und somit die Hilfebedürftigkeit zu überwinden (vgl. Vierter Armuts- und Reichtumsbericht 2013, 106). Die Sozialhilfe nach § 28 SGB II richtet sich an nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dabei handelt es sich meist um Kinder unter 15 Jahren. (vgl. Höblich 2012, 50f.)
Nun lässt sich der Bezug von Sozialgeld als Indikator von Armut heranziehen. Dazu werden die Sozialhilfestatistiken bzw. seit 2005 die SGB II Statistiken verwendet. Nach dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht 2013 sank die Anzahl der betroffenen Kinder unter 15 Jahren, die in Bedarfsgemeinschaften leben und Sozialgeld erhielten, von 2007 bis 2011 von 1,89 Millionen auf 1,66 Millionen Kinder (vgl. ebd., 106). Kinder sind nach wie vor auf diese Grundsicherungsleistung nach SGB II angewiesen und sind deutliche stärker von Armut betroffen im Vergleich mit der übrigen Bevölkerung.
2.3 Kinderarmut
Mit der Zunahme der Familienarmut nimmt auch die Armut bei Kindern zu, da die Lebenslage des Kindes untrennbar mit der Lebenslage und der Einkommenssituation der Eltern verknüpft ist. Da Kinder über kein eigenes Einkommen verfügen, orientiert sich die Armutsrisikoquote am Haushaltseinkommen, in dem die Kinder aufwachsen. Verfügt also ein Haushalt über ein geringes Einkommen, sind damit auch die im Haushalt lebenden Kinder betroffen.
Kinder haben die ältere Bevölkerung – vor allem die alten Frauen – als die am stärksten von Armut betroffene Gruppe abgelöst, so dass man seit den neunziger Jahren von einer „Infantilisierung der Armut“ (vgl. Hauser 1989, zit.n. bmfsfj 2013, 92) spricht. Dieses Phänomen hat sich inzwischen verstetigt und Kinder sind nach wie vor die am häufigsten von Armut betroffene Altersgruppe. Die Kinderarmutsrisikoquote liegt je nach Datenquelle zwischen 17,5 Prozent (EU-SILC 2010) und 19,4 Prozent (SOEP 2010). (vgl. bmfsfj 2012, 50)
Diese Quoten sind abhängig von den Regionen und Orten, in denen sie erhoben werden. Im Osten Deutschlands sind die Kinder häufiger von Armut betroffen, aber auch in den Ballungsräumen und Großstädten zeigen sich solche Tendenzen. Wiederum das größte Risiko betrifft die Kinder im Vorschul- und Grundschulalter – in einer Lebensphase mit den größten Möglichkeiten zur Entwicklung individueller Ressourcen bzw. Fähigkeiten und Fertigkeiten.
(vgl. Holz 2006, 3)
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