Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Selbsthilfegruppen und das Dilemma der Leitung
2.1 Begriffsklärungen
2.2 Charakteristika
2.3 Schwierigkeiten und positive Wirkungen
2.4 Die Leitung von Selbsthilfegruppen - ein Widerspruch?
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Erreichen Sie nicht genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen, wenn Sie fort- laufend Selbsthilfegruppen anregen, fördern und unterstützen? Geraten die Grup- pen nicht eben dadurch in Abhängigkeit? Zerstören Sie nicht die Selbsthilfegrup- penidee statt sie zu fördern? Stirbt auf diese Weise nicht die Selbstverantwortlich- keit?“ (Moeller, 1978, S.61). Dieses Zitat bringt das Dilemma der Leitung von Selbsthilfegruppen auf den Punkt. Einerseits möchte man helfen, fördern und un- terstützen, doch wird seitens der Selbsthilfegruppen diese Hilfe auch gern kriti- siert, da wie im Zitat schon erwähnt unter anderem die Selbstständigkeit darunter leidet. Ist es notwendig einen professionellen Helfer dabei zu haben? Werden dadurch nicht Selbstverantwortlichkeit und Selbstbestimmung eingeschränkt? Die- se Bedenken geben Anlass zur Beschäftigung mit folgenden Aspekten dieser Ar- beit. Im Hauptteil werden zunächst allgemeine Begriffe zur Verständnis geklärt und Charakteristika von Selbsthilfegruppen aufgezeigt. Im Anschluss daran wer- den Schwierigkeiten, die sich innerhalb von Selbsthilfegruppen breitmachen, so- wie auch positive Auswirkungen dieser Form von Selbsthilfe näher gebracht. Schließlich im Schwerpunkt dieser Arbeit wird das Dilemma der Leitung von Selbsthilfegruppen, welche als determinierend und abhängig machend gilt, disku- tiert und mit einem Fazit abgerundet.
2. Selbsthilfegruppen und das Dilemma der Leitung
In Deutschland bestehen zurzeit 70000 bis 100000 Selbsthilfegruppen, wobei sich die Anzahl in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt hat. In diesen Grup- pen befinden sich ca. 3,5 Millionen Mitglieder (NAKOS,o.J.). Selbsthilfegruppen haben aufgrund ihrer wachsenden Zahl in der heutigen Zeit eine zunehmende Be- deutung, jedoch eine geringe Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Diskussi- on.
2.1 Begriffsklärungen
Die Selbsthilfegruppe ist der sozialen Gruppenarbeit als Methode der Sozialen Arbeit, untergeordnet. Doch zunächst ist der Begriff Methode eindeutig zu klären, da er neben der wissenschaftlichen Kontroverse auch in der alltäglichen Sprache verwendet wird, ist es von Bedeutung, vorsichtig damit umzugehen (vgl. Galuske, 2011, S.26).
Aus der Fachliteratur ist zu entnehmen, dass sich der Versuch „Methode“ zu definieren, als schwierig herausstellt. Es existiert eine Reihe von Definitionsversuchen, doch hat man sich noch für keine zu 100 Prozent entschieden. Deswegen ist für den weiteren Verlauf folgende Definition zu verinnerlichen.
„Methoden der Sozialen Arbeit thematisieren jene Aspekte im Rahmen sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Konzepte, die auf eine planvolle, nachvollziehbare und damit kontrollierbare Gestaltung von Hilfeprozessen abzielen und die dahingehend zu reflektieren und zu überprüfen sind, inwieweit sie dem Gegenstand, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den Interventionszielen, den Erfordernissen des Arbeitsfeldes, der Institutionen, der Situation sowie den beteiligten Personen gerecht werden.“(Galuske, 2011, S.33). Diese Methodendefinition beinhaltet zumindest sieben signifikante Orientierungen in Bezug auf das Problem, dem Ziel, der Person, dem Arbeitsfeld und der Institution, Situation, der Planung und Überprüfbarkeit und erscheint somit als ausreichende Verständigung innerhalb der Begriffsdiskussion (vgl. Galuske, 2011, S.33).
Weiterhin ist klar zu stellen, dass die soziale Gruppenarbeit mit der sozialen Einzel(fall)hilfe und der Gemeinwesenarbeit als klassische Methodentrias der Sozialen Arbeit zusammengefasst werden (vgl. Belardi 1980 nach Galuske s. 75). Da es sich ausschließlich um Soziale Gruppenarbeit dreht, werden die beiden anderen deswegen vernachlässigt.
Für eine eindeutige Definition der sozialen Gruppenarbeit, ist es wichtig im Vorfeld, Begriffe wie „Gruppenpädagogik“ und „Gruppenarbeit“ zu erläutern, da diese in der Literatur häufig als Synonyme verwendet werden, jedoch inhaltlich etwas anderes verkörpern.
Die Gruppenarbeit ist nicht ausschließlich auf die Soziale Arbeit fokussiert, son- dern spiegelt sich in verschiedensten Kontexten wieder. Beispielsweise in Betrie- ben, um Arbeitsabläufe zu ökonomisieren oder auch in der Freizeit. Inhalt und Ausformung sind jeweils abhängig von der Aufgabe, wodurch sich daraus Ziel und Zweck herausbilden.
Als Gruppenpädagogik bezeichnet man eine Verbindung aus oben genannten Prinzipien der Gruppenarbeit und einer erzieherischen Absicht (Schmidt-Grunert, 2009, S. 56ff).
Man könnte behaupten, dass Soziale Gruppenarbeit nun eine Kombination dieser beiden Begriffe wäre, jedoch grenzt sie sich noch in einem entscheidenden Aspekt davon ab. Soziale Gruppenarbeit ist problemzentriert. (vgl. ebd., S.62). Dies ver- anschaulicht auch folgende Definition: „Soziale Gruppenarbeit ist eine Methode der Sozialarbeit, die den Einzelnen hilft, ihre soziale Funktionsfähigkeit durch zweckvolle Gruppenerlebnisse zu steigern und ihren persönlichen Gruppen- oder gesellschaftlichen Problemen besser gewachsen zu sein.“ (Schiller, 1966, S.89, aus S.62 Schmidt-Grunert).
Zudem wird auch ersichtlich, dass man hier von einer sozialpädagogi- schen/sozialarbeiterischen Methode sprechen kann, mit deren Hilfe anderen Men- schen geholfen wird. Ohne eine entsprechende sozialpädagogische Ausbildung, kann diese Hilfsfunktion nicht gewährleistet werden. Diese Methode ist also fokus- siert auf eine bestimmte Menschengruppe, mit persönlichen und sozialbedingten Defiziten, die nicht mehr in der Lage sind, alltägliche Angelegenheiten zu meis- tern. Man versucht, die Hilfeempfänger so zu befähigen, den Alltag zu bewältigen, Beziehungen zum sozialen Umfeld zu stabilisieren, sodass das Individuum, ge- mäß zweier großer Ziele der Sozialpädagogik, in der Lage ist sich selbst helfen zu können und sich erfolgreich in die Gesellschaft integrieren zu können. Somit wird auch in Hinblick auf andere Definitionen deutlich, dass der Schwerpunkt dieser Methodik, auf den Einzelnen in Beziehung zum sozialen Kontext und der Gesell- schaft liegt.
Des Weiteren sind fünf grundlegende Prinzipien innerhalb der sozialen Gruppen- arbeit von Bedeutung. Zunächst sollte jedes Mitglied der Gruppe als individuell betrachtet werden, mit eigenen Bedürfnissen. Der Gruppenleiter holt die Gruppe dort ab mit den jeweiligen Interessen ihrer Mitglieder und setzt einen Anfangs- punkt. Weiterhin ist der Sozialpädagoge vor Ort, jedoch zieht er sich mehr und mehr zurück und macht sich somit überflüssig. Den Mitgliedern wird zudem durch bestimmte Aktivitäten geholfen, zum Beispiel durch Spiele, Diskussionen und Bas- telarbeiten. Schließlich ist es außerdem von Bedeutung pädagogisch passende Grenzen zu setzen. Darunter ist unter anderem zu verstehen, dass man diesen Prinzipien, gebunden an gesellschaftlich akzeptierte Werte und Normen, treu bleiben muss (vgl. Galuske, 2009, S.97).
Da es hier um den Bereich der Selbsthilfe geht, ist es wichtig diesen Begriff au- ßerdem zu erklären. „Selbsthilfe ist das Prinzip, eigene Probleme aus eigener Kraft beziehungsweise gemeinsame Probleme mit gemeinsamer Anstrengung zu bearbeiten. Dieses Prinzip lässt sich einerseits im privaten und familiären Umfeld realisieren, andererseits bietet die organisierte Selbsthilfe über ihre Problemlö- sungs- und Problembearbeitungsfähigkeit ein bewusstes Gegenkonzept zur pro- fessionell organisierten Fremdhilfe an.“ (Universität Hamburg, o.J.) Selbsthilfe bedeutet also aus eigener Kraft, gemeinsam mit anderen, Probleme zu lösen, weswegen anschließend der Begriff „Selbsthilfegruppen“ erläutert wird.
Die „Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.“ definiert Selbsthilfegruppen wie folgt: „Selbsthilfegruppen sind freiwillige, meist lose Zusammen- schlüsse von Menschen, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten, psychischen oder sozialen Problemen richten, von denen sie - entweder selbst oder als Angehörige - betroffen sind...“(zit. DAG SHG e.V. 1991, S.20f. nach Haller, Gräser, 2012, S.16).
Aus weiteren Definitionen ist herauszulesen, dass kein professioneller Helfer kon- tinuierlich vor Ort ist, sondern lediglich bei bestimmten Fragestellungen ein Exper- te herangezogen wird. Empirisch gesehen bedient sich trotzdem eine Vielzahl von Selbsthilfegruppen professioneller Anleitung (vgl. Haller, Gräser, 2012, S.16). Oftmals spricht die Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch von einer Hilfe zur Selbsthilfe in ihren Grundprinzipien, weswegen eine Diskussion in Bezug darauf relevant ist. Für eine Integration dieser Methode der Selbsthilfegruppe in die Sozi- ale Arbeit ist also dessen Modifikation notwendig. Unter anderem gilt hier der Ein- satz von Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagogen, die sich gemäß des oben ge- nannten Prinzips der Sozialen Gruppenarbeit mehr und mehr entbehrlich machen. Darauf wird im Abschnitt „Leitung von Selbsthilfegruppen - Ein Widerspruch?“ ge- nauer eingegangen.
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