Der Zusammenhang zwischen sozialem Status und Sprach- und Sprechstörungen im Kindesalter


Dossier / Travail, 2013

12 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Schuleingangsuntersuchungen in Brandenburg
2.1 Allgemeine Informationen
2.2 Befundung der Sprach- und Sprechstörungen

3 Wie kann der Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Sprachstörungen erklärt werden?
3.1 Einflüsse auf die kognitive Entwicklung
3.2 Bedeutung der kommunikativen Umwelt

4 Schlussbetrachtung und Ausblick

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Gesundheit der Menschen hängt wesentlich von ihrer sozialen Lage ab. Sozial benachteiligte Menschen weisen einen schlechteren Gesundheitszustand auf: Krankheiten und Gesundheitsstörungen treten in diesen Bevölkerungsgruppen häufiger auf (Lampert, Saß, Häfelinger & Ziese, 2005, S.7).

Der Zusammenhang zwischen der sozialen und gesundheitlichen Situation zeigt sich auch ganz deutlich bei Kindern und Jugendlichen, da sie „ […] in Deutschland die am stärksten von Armut und Sozialhilfeabhängigkeit betroffene Altersgruppe“ darstellen (ebd., S. 149).

Die Relevanz der Thematik für diese Altersgruppe stellen Ellsäßer, Böhm, Kuhn, Lüdecke und Rojas (2002) heraus: „Gesundheitliche Unterschiede bei Kindern, die mit sozialer Ungleichheit zusammenhängen, stellen eine besondere Herausforderung für die Gesundheitspolitik dar, da Kinder ihren Status nicht selbst beeinflussen können und sie eventuell lebenslang infolge der frühen Benachteiligungen gesundheitliche und soziale Folgen zu tragen haben“ (S. 249).

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, gesundheitliche Unterschiede in Beziehung zu der sozialen Ungleichheit zu untersuchen, um notwendige Präventionsmaßnahmen zu bestimmen (ebd.).

Dass gesundheitliche Beeinträchtigungen häufiger bei Kindern aus sozial schwächeren Familien auftreten, wird durch viele empirische Untersuchungen belegt (Lampert, Hagen & Heizmann, 2010, S. 10).

In den Einschulungsuntersuchungen in Brandenburg im Jahr 2005 ergab sich bei 30 % der Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus ein medizinisch relevanter Befund[1], während der Anteil bei Kindern aus Familien mit mittlerem und hohem Sozialstatus bei 15 % bzw. 9 % lag. Besonders prägnant sind die statusspezifischen Unterschiede bei Sehstörungen, Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen, Wahrnehmungs- und psychomotorischen Störungen und intellektuellen Entwicklungsverzögerungen (siehe Abbildung 1) (ebd., 2010, S.11 f.).

Abbildung 1:

Entwicklungsstörungen bei Einschülern nach sozialem Status im Land Brandenburg 2005.

(aus: Lampert, T., Hagen, C. & Heizmann, B. (2010). Gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ob Kinder eine ihrem Alter angemessene Sprachkompetenz besitzen, kennzeichnet ihren Entwicklungsstand und ist wichtig für den Schulerfolg. Studien bestätigen, dass schulische Leistungen von dem sozialen Status und früher Sprache abhängen (Butzkamm & Butzkamm, 2008, S. 355; Landesgesundheitsamt Brandenburg, 2007, S. 59)

Kinder mit Artikulationsstörungen können diese schneller überwinden und zeigen im weiteren Verlauf eine positive Entwicklung, während Sprachstörungen sich negativ auf die weitere Entwicklung auswirken und zu schulischen Leistungsproblemen führen. So entwickeln Kinder mit rezeptiven oder expressiven Sprachstörungen zu mehr als 50 % eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und zeigen oft auch psychische Auffälligkeiten. Folglich sind frühe Fördermaßnahmen für die Entwicklung der Kinder von großer Bedeutung (Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg [MUGV], 2010, S. 41).

Dafür sind Kenntnisse über die Mechanismen, die Einflüsse auf den Spracherwerb haben, wichtig. Die vorliegende Arbeit geht daher der Frage nach, wie sich der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Sprach- und Sprechstörungen bei Kindern und dem sozialen Status ihrer Herkunftsfamilie erklären lässt. Dabei wird vor allem der Einfluss von Umweltfaktoren betrachtet. Eine vollständige Erfassung der Wirkfaktoren kann in diesem begrenzten Rahmen nicht geleistet werden.

Vorher sollen die Einschulungsuntersuchungen in Brandenburg und ihre Ergebnisse näher betrachtet werden, da diese als Ausgangspunkt der Arbeit dienen. Die Festlegung auf Brandenburg stellt indes keine Einschränkung dar, da ähnliche Ergebnisse auch für andere Bundesländer, z.B. Berlin und Schleswig-Holstein vorliegen (Lampert et al., 2010, S.11 f.).

2 Schuleingangsuntersuchungen in Brandenburg

2.1 Allgemeine Informationen

In Deutschland werden Kinder vor ihrer Einschulung vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) der Gesundheitsämter untersucht, um beurteilen zu können, ob in Bezug auf die körperliche, kognitive und psychosoziale Entwicklung des Kindes eine Einschulung sinnvoll ist. Falls medizinisch relevante Auffälligkeiten vorliegen, werden die Eltern über Beratungs-, Behandlungs- und Fördermöglichkeiten informiert. In einigen Bundesländern, wie auch in Brandenburg, werden zusätzlich Angaben zur Schulbildung und zum Erwerbsstatus der Eltern erhoben, aus denen ein Sozialindex gebildet wird. Der Index ist ein Indikator für die soziale Lage der Einschüler, so dass der Gesundheitszustand der Schulanfänger im Zusammenhang mit ihrer sozialen Herkunft betrachtet werden kann (Lampert et al., 2010, S. 10 f.).

Beim Brandenburger Sozialstatusmodell wird ein Punktwert für jedes Kind ermittelt, das sich aus den jeweiligen Punkten für die Schulbildung (3-stufig) und dem Erwerbsstatus (2-stufig) von Vater und Mutter additiv zusammensetzt (siehe Abbildung 2). Wenn Angaben bei einem Elternteil fehlen, wird der Wert des anderen Elternteils doppelt gewichtet, ebenso bei Alleinerziehenden. Die kleinste mögliche Summe ist somit 4, d.h. beide Eltern haben eine niedrige Schulbildung und sind nicht erwerbstätig. Der höchste Wert ist 10, nämlich wenn beide erwerbstätig sind und eine hohe Schulbildung haben (Ellsäßer et al., 2002, S. 249 f.).

Abbildung 2: Bildung der Variable Sozialstatus

(aus: Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2012): Brandenburger Sozialindikatoren 2012: Aktuelle Daten zur sozialen Lage im Land Brandenburg.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Befundung der Sprach- und Sprechstörungen

Die Kategorie Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen beinhaltet konkret Störungen der Sprachfunktion (z.B. gesprochene Sprache, Sprachverständnis, Wortschatz, Grammatik), des Sprechens (Artikulationsstörungen, Stottern, Poltern) und der Stimme (Landesgesundheitsamt Brandenburg, 2007, S. 109).

Im Handbuch für den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst finden sich keine speziellen Informationen zu Stimmstörungen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie selten vorkommen.

Die Sprach- und Sprechstörungen werden mit Hilfe von drei Tests diagnostiziert: Grammatiktest, Möhringtest (Artikulationstest) und Pseudowörter bzw. Mottiertest.

Der Grammatiktest und Möhringtest stellen beide Untertest des sogenannten BUEVA- Testsystems dar (Basisdiagnostik für umschriebene Entwicklungsstörungen im Vorschulalter). Der Grammatiktest erfasst die expressive Sprache. Der Untersucher zeigt hier auf eine Zeichnung und spricht einen Satz vor, bei dem das Kind jeweils das letzte Wort ergänzen soll. Dadurch soll beurteilt werden, ob das Kind grammatische Regeln anwenden kann. Beispielitem: „Das ist ein Bett. Das sind zwei …“ (MUGV, 2010, S. 158 f.).

Um die Artikultion von Lauten und Lautfolgen zu überprüfen, werden den Kindern beim Möhringtest Bilder gezeigt, die sie benennen sollen.

Pseudowörter und Mottiertest sind Untertests des Sozialpädiatrischen Entwicklungs-screenings für Schuleingangsuntersuchungen (SOPESS). Dem Kind werden Pseudowörter vorgesprochen, die es nachsprechen soll. Falls das Kind weniger als 4 dieser Wörter korrekt nachspricht, wird daran der Mottier-Test angeknüpft, bei dem es ebenfalls um das Nachsprechen von Pseudowörtern geht (ebd., S. 160 ff.).

Hierbei geht es um das phonetische Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis – „das kurzfristige Präsenthalten von Lauten, Buchstaben, Wörtern und semantischen Einheiten größerer Ordnung“ (Jansen, 2004, S. 117), das für den Schriftspracherwerb eine wichtige Rolle spielt.

Neben den Testergebnissen wird auch die sprachliche Kommunikation der Kinder bewertet, die sich zum einen auf die Kommunikation mit dem Kind in der Untersuchungssituation stützt und zum anderen auch Informationen der Eltern zum kommunikativen Verhalten des Kindes mit einbezieht (MUGV, 2010, S. 44).

3 Wie kann der Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Sprachstörungen erklärt werden?

Wie kommen nun aber die statusbezogenen Unterschiede in der Sprachentwicklung zustande? Über welche Mechanismen wirkt sich ein niedriger sozialer Status aus? Im Folgenden soll ausgehend von Forschungsergebnissen versucht werden, diesen Zusammenhang zu erklären.

3.1 Einflüsse auf die kognitive Entwicklung

Es gibt Untersuchungen, die Auswirkungen des sozialen Status auf die kognitive Entwicklung der Kinder betrachten. In einer Überblicksstudie kommen Hackman und Farah (2009) zu dem Schluss, dass die Umwelt und die Erfahrungen in der Kindheit in verschiedenen sozioökonomischen Schichten maßgeblich darüber bestimmen, ob das geistige Potential von Kindern ausgeschöpft wird (S. 71).

Da sich die Sprachregionen in der linken Hemisphäre nach der Geburt noch über einen langen Zeitraum weiterentwickeln (Wolf, 2009, S. 15), ist dieses Ergebnis auch für die Sprachentwicklung relevant.

Der Hirnforscher Raizada (2008), gab fünfjährigen Kindern die Aufgabe, zu entscheiden, ob sich vorgelesene Wörter reimten oder nicht und beobachtete dabei mit einer funktionellen Magnetresonanztomographie die Hirnregionen der Kinder. Er stellte fest, dass die neuronale Aktivität im Broca-Areal – einem der beiden Hauptkomponenten des Sprachzentrums – bei Kindern aus sozialen benachteiligten Familien im Durchschnitt geringer war und dass auch die Größe des Areals bei diesen Kindern kleiner war. Er vermutete, dass sich ein sprachlich reicheres Umfeld bei Kindern aus höheren Schichten auf die Entwicklung des Broca-Areals auswirken könnte (zit. n. Wolf, 2009, S. 16 f.).

[...]


[1] Befunde, die Gesundheitsbeeinträchtigungen für die Kinder bedeuten und bei denen ein medizinischer Handlungsbedarf besteht

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Der Zusammenhang zwischen sozialem Status und Sprach- und Sprechstörungen im Kindesalter
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
12
N° de catalogue
V285319
ISBN (ebook)
9783656854975
ISBN (Livre)
9783656854982
Taille d'un fichier
475 KB
Langue
allemand
Mots clés
zusammenhang, status, sprach-, sprechstörungen, kindesalter
Citation du texte
Suna Aydin (Auteur), 2013, Der Zusammenhang zwischen sozialem Status und Sprach- und Sprechstörungen im Kindesalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285319

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