Text- und Gedichtanalyse zu Bertolt Brechts „Terzinen über die Liebe“


Dossier / Travail, 2010

15 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufbau des Textes

3. Kommunikationssituation – Aussageinstanzen

4. Vers- und Satzstruktur

5. Metrum, Reimschema und Kadenzen

6. Lautstruktur – Klangfiguren

7. Rhetorische Techniken
7.1 Wiederholungsfiguren
7.2 Tropen

8. Schlussbemerkung

9. Literaturverzeichnis
9.1. Primärliteratur
9.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

Im Seminar „Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft“ steht als abschließende Aufgabe, eine formale Textanalyse an einem Gedicht durchzuführen. Im Rahmen dieser Hausarbeit habe ich Bertolt Brechts „Terzinen über die Liebe“ (1928) untersucht. Dabei beziehe ich mich auf Dieter Burdorfs „Einführung in die Gedichtanalyse“[1], auf Wolfram Groddecks „Reden über Rhetorik“[2], sowie auf die „Einführung in die Erzähltheorie“[3] von Matias Martinez und Michael Scheffel

Ich habe mich in dieser Hausarbeit auf einen bestimmten Aspekt des Gedichts bezogen, nämlich, inwiefern die Vermittlung von Einheit und anschließendem Zerfall inhaltlich und formal dargestellt ist. Auf diesen Aspekt werde ich in der folgenden Arbeit an verschiedenen Stellen immer wieder eingehen

In der Analyse des Gedichts untersuche ich zunächst im zweiten Kapitel den Aufbau des Textes und im Anschluss daran die Aussageinstanzen. Im vierten Kapitel werden Vers- und Satzstruktur des Gedichts, darauf im fünften Kapitel Metrum, Reimschema und Kadenzen thematisiert. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit Lautstruktur und Klangfiguren und das siebte Kapitel fokussiert zum Abschluss der Analyse die rhetorischen Mittel der Wiederholungen und Tropen. In der Schlussbemerkung fasse ich das zuvor Erarbeitete zusammen und ziehe ein Fazit

2. Aufbau des Textes

Das Gedicht „Terzinen über die Liebe“ von Bertolt Brecht spiegelt seinen Titel in seiner graphischen Darstellung wieder: Es ist in Form von Terzinen abgedruckt. Doch dies betrifft lediglich die Verse bis einschließlich Vers 19 („Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.“). Die restlichen Verse entsprechen nicht der Terzinenform. Sie wirken angehängt, so, als wären sie erst nachträglich beigefügt worden. Das Gedicht wurde bekannt unter dem Namen „Die Liebenden“ (1928). In diesem Fall hat das Gedicht allerdings nicht die typische Terzinenform, sondern ist als eine einzige lange Strophe mit nur 20 Versen abgedruckt.[4]

Bei der Analyse des Aufbaus des Gedichts komme ich zunächst auf die äußere Form zu sprechen. Es handelt sich hierbei zum größten Teil um Terzinen. Die Terzine hat eine lange Tradition. Sie ist zurückzuführen auf Dantes (1265-1321) Divina Commedia und besteht in der Regel aus „drei fünfhebigen, alternierenden Versen mit Auftakt.“[5] Auch in Brechts Gedicht lässt sich dies in den meisten Versen feststellen. Eine genaue Ausführung von Metrum und Reimschema ist in Kapitel 5 zu finden

Der Teil des Gedichts, der den Terzinen zuzuordnen ist, besteht aus neun Strophen zu je drei Versen und einem Abschlussvers, insgesamt aus 19 Versen. Sie sind linksbündig gedruckt, Vers 14 ist etwas eingerückt. Es ist die Sprache von zwei „Kraniche[n]“ (V. 1), die den „schönen Himmel […] befliegen“ (V. 9). Sie werden vom „Wind“ (V. 13) durch die „Wolken“ (V. 2) geleitet. Dieser Kranichflug ist nicht in ein Zeitfenster einzuordnen, man kann ihn als zeitlos bezeichnen. Wohin sie fliegen, wird zwar erwähnt, doch was bzw. wo dieses Ziel genau ist, wird nicht deutlich. Die Rede ist vom „Nichts“ (V. 13), in das die Kraniche vom „Wind […] „entführ[t]“ (V. 13) werden. Außerdem liest man in Vers 4, die Kraniche seien „aus einem Leben in ein andres Leben“ „entflogen“ (V. 3). Heißt das, dass sie bereits ein Leben vor diesem Leben hatten? Auch dies bleibt unklar. In den Terzinen wird ein Bild im Kopf des Lesers erzeugt. Sie bilden sowohl inhaltlich als auch formal eine Einheit. Doch bereits zu Beginn wird diese Einheit zweifelhaft, denn die Kraniche entfliegen „in großem Bogen“ (V. 1), was eine große Entfernung, vielleicht sogar zwischen den Kranichen, andeutet. „Verfallen“ in Vers 19 weist ganz konkret auf den Zerfall des erzeugten Bildes hin

Als zweiten Abschnitt des Gedichts ist Vers 20 zu benennen. „Wohin, ihr? Nirgendhin. Von wem entfernt? Von allen.“ ist in vier Teile gespalten und abgedruckt. Diesen Teil kann man nicht direkt als Strophe bezeichnen, denn nach Burdorf kann man ein Gedicht nur dann als „strophisch gegliedert“ bezeichnen, wenn „ein Gedicht in mehrere formal gleich oder doch sehr ähnlich gebaute Versgruppen unterteilt ist.“[6] Dies trifft zwar auf die Terzinen, jedoch nicht auf diesen Teil des Gedichts zu, weshalb er als Abschnitt zu bezeichnen ist.[7]

Es wird erkennbar, dass es sich um einen Dialog handelt. Es geht nicht mehr um eine Beschreibung des Kranichflugs. Diese Abgrenzung des zweiten Teils von den Terzinen lässt sich in Verbindung bringen mit der Leitfrage dieser Arbeit. Die Terzinen bilden formal und inhaltlich eine Einheit, wogegen die restlichen Verse einen Kontrast darstellen, insofern, als dass die Einheit beginnt, zu zerfallen

„Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?“ (V. 21) ist ein Vers und als solcher abgedruckt. Der nächste Vers 22 ist wieder gespalten, es lässt sich demnach abermals eine Art Gespräch feststellen. In Vers 23, der zugleich der letzte Vers des Gedichts ist, heißt es „So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.“ Auch wenn der Begriff „Liebe“ nach dem Titel erst im letzten Vers genannt wird, wird durch die gewählten Worte in dem Text vermittelt, dass die „Liebe“ das zentrale Thema des Gedichts darstellt. Es handelt sich um das Fazit des Gedichts, was durch die einleitenden Worte „So scheint […]“ deutlich wird, die man häufig als faziteinleitend vorfindet

Festzustellen ist, dass in dem Gedicht drei Teile unterschieden werden können.[8] Die Terzinen in den Versen 1 bis 19 bilden eine Einheit, es entsteht ein Bild im Kopf des Lesers. Vers 20 leitet die Dialogsituation ein, die im Kontrast zu den Terzinen steht. Die Verse 21 bis 23 führen dies fort und thematisieren die Trennung der Kraniche, somit den Zerfall der zuvor erschaffenen Einheit

3. Kommunikationssituation - Aussageninstanzen

In dem Gedicht spiegelt dessen Aufbau die Kommunikationssituation im Text wieder. Die Einteilung in drei Abschnitte ist im Hinblick auf diesen Aspekt naheliegend

Bereits das erste Wort „Sieh“ (V. 1) gibt an, dass die sprechende Instanz jemanden anspricht, nämlich den Leser, der auf diese Weise in das Geschehen mit einbezogen wird. Das artikulierte Ich beschreibt den Flug der Kraniche am Himmel so, als würde es mit dem Leser gemeinsam zum Himmel hinaufschauen. Der homodiegetische Erzähler agiert als unbeteiligter Beobachter. Die Kraniche scheinen dabei weit entfernt zu sein, denn es geht ab Vers 1 um „jene Kraniche“ die in „großem Bogen“ dahinfliegen. Der große Bogen deutet nicht nur auf den Flugweg der Vögel, sondern auch auf die Entfernung zum sprechenden Ich hin. Diese Situation dauert bis einschließlich Vers 19 an. Der Tempuswechsel von Präsens zu Präteritum in Vers 3 („Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen“) lässt darauf schließen, dass das sprechende Ich eine auktoriale Erzählerposition einnimmt, denn es wird deutlich, dass es bereits über Vorwissen zu der Situation verfügt. Der Leser wird in eine Position gerückt, in der er sich selbst ein Bild der Kraniche am Himmel erschafft. Der gleichmäßige Rhythmus der Terzinen vermittelt ein Gefühl des Dahinschwebens. Die Verwendung des Konjunktivs (V. 7/ 8: „Daß also keines länger hier verweile/ Daß so der Kranich mit der Wolke teile“; V. 14: „Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben“) steht in enger Verbindung mit dem Ausdruck „scheinen“ (V. 6), denn auch dies deutet darauf hin, dass das sprechende Ich einen gewissen Abstand zur Situation hat. Dies wirkt entsprechend auf den Leser, der darauf angewiesen ist, seine Phantasie zu wecken, eine Illusion zu erschaffen und den Zeilen selbst einen Sinn zu geben. Das Gedicht bietet einige Stellen, die dem Leser die Möglichkeit zur Sinngebung eröffnen, da sie nicht ganz eindeutig sind. Die Rolle der „Wolken, welche ihnen beigegeben“ (V. 2) ist unklar, auch ist nicht ersichtlich, um welche „Leben“ (V. 4) es sich handelt. Was ist „das Nichts“ (V. 13), in das die Kraniche vom „Wind […] entführ[t]“ (V. 13) werden? Diese offenen Fragen sollen vom Leser in dessen Phantasie beantwortet und gefüllt werden

Die Illusion der Idylle, in der die Kraniche entfliegen, erfährt in Vers 19 einen deutlichen Hinweis auf die bevorstehende Desillusionierung.[9] „Fliegen sie hin, einander ganz verfallen“, somit beginnt auch das Bild, das sich im Kopf des Lesers befindet, zu „verfallen“

[...]


[1] Dieter Burdorf: Einführung in die Gedichtanalyse. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart 1997

[2] Wolfram Groddeck: Reden über Rhetorik. Zu einer Stilistik des Lesens. Basel und Frankfurt am Main 2008

[3] Matias Martinez und Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. 7. Auflage, München 2007

[4] Vgl. Jan Knopf: Gelegentlich: Poesie. Ein Essay über die Lyrik Brechts, Frankfurt am Main 1996, S. 107

[5] Vgl. Burdorf (1997), S. 104 f

[6] Vgl. ebd., S. 96

[7] Ebd

[8] Vgl. Knopf (1996), S.112

[9] Vgl. ebd., S. 112 f

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Text- und Gedichtanalyse zu Bertolt Brechts „Terzinen über die Liebe“
Université
University of Frankfurt (Main)
Note
2,3
Auteur
Année
2010
Pages
15
N° de catalogue
V285797
ISBN (ebook)
9783656860211
ISBN (Livre)
9783656860228
Taille d'un fichier
419 KB
Langue
allemand
Mots clés
Brecht, Terzinen über die Liebe, Lyrikanalyse, Gedichtanalyse
Citation du texte
Lena Thies (Auteur), 2010, Text- und Gedichtanalyse zu Bertolt Brechts „Terzinen über die Liebe“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285797

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