Strategische Kommunikation in Museen

Die Eröffnung der Türckischen Cammer (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)


Bachelorarbeit, 2014

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Türckische Cammer
2.1 Staatliche Kunstsammlungen Dresden
2.2 Die Ausstellung
2.3 Die Eröffnung

3. Zum Begriff der Strategischen Kommunikation
3.1 Betriebswirtschaftliches Verständnis
3.2 Kommunikationswissenschaftliches Verständnis

4. Öffentlichkeit und Organisation als zentrale Begriffe strategischer Kommunikation
4.1 Öffentlichkeit und Museum
4.1.1 Kommunikationstheoretischer Ansatz
4.1.2 Publikumsorientierung und Museum
4.2 Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) als Organisation -Betrachtung der Mesoebene
4.2.1 Einblick in die Organisationstheorie
4.2.2 SKD als Museum: Gemeinsame Aufgabe, gemeinsames Ziel der Organisation ..
4.2.3 Museale Öffentlichkeitsarbeit der SKD

5. Strategie
5.1 Zum Begriff der Strategie
5.2 Strategische Konzeptionsplanung
5.3 Taktik und Anwendung im Fall Türckische Cammer

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
A Kampagne zur Eröffnung der Türckischen Cammer
B Kommunikationsplan Türckische Cammer, Januar bis März
C Interview Martina Miesler
D Korrespondenz mit Dr. Stephan Adam

1. Einleitung

Im März 2010 eröffnete die Türckische Cammer, ein Teil der Rüstkammer in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Hier sind osmanische Mode, exotische Kunst und prächtig glän- zende Kriegswaffen zu bestaunen. Dies verspricht jedenfalls die Verpackungstüte der Döner, die es im Zeitraum von Februar bis März 2010 bundesweit an vielen Dönerständen zu kaufen gab. Die Ausstellung wurde aufwändig und kreativ umworben - eine kommunikative Strategie, um den Interessen der Organisation „Museum“ gerecht zu werden: Die Öffentlichkeit aufmerk- sam zu machen und Besucher1 anzulocken. Doch lässt sich die Instrumentalisierung einer Dönertüte als Akt strategischer Kommunikation verstehen? In dieser Arbeit möchte ich den Begriff „strategische Kommunikation“ untersuchen und am Beispiel der Eröffnung der Türckischen Cammer dessen Anwendbarkeit für Museen erörtern. Meine Fragestellung lautet somit:

Wie lässt sich das Konzept „Strategische Kommunikation“ auf die externe Kommunikation von Museen anwenden -am Beispiel der Eröffnung der Türckischen Cammer zu Dresden?

Zunächst werde ich die Türckische Cammer vorstellen, um eine Einführung in den zu Untersuchenden Gegenstand zu geben. Danach erarbeite ich das betriebswirtschaftliche und kommunikationswissenschaftliche Verständnis von „Strategischer Kommunikation“. Da es um das externe strategische Kommunizieren geht, ist Öffentlichkeit eine wichtige Bezugsgröße in diesem Kontext. Im vierten Kapitel möchte ich das Phänomen Öffentlichkeit und dessen Unterscheidungsmöglichkeiten theoretisch hinterfragen und im weiteren Verlauf auf das Museumspublikum als Adressaten von externer musealer Kommunikation eingehen. Neben Ö ffentlichkeit ist das Museum als Organisation und somit als Akteur strategischer Kommunikation ein weiterer wichtiger Themenkomplex. Hier gebe ich einen Einblick in die Organisationstheorie und werde Aufgaben und Ziele der Dresdener Kunstsammlungen als Organisation und deren Öffentlichkeitsabteilung nennen. Den letzten großen Schwerpunkt bildet der Begriff Strategie. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, was eine Strategie ist und welche Voraussetzungen eine Maßnahme erfüllen muss, um strategisch zu sein, kann meine Forschungsfrage nicht beantwortet werden.

Strategische Kommunikation erfüllt Funktionen und hat Folgen in der Gesellschaft (vgl. Röttger et al. 2013, 9). Als Teil öffentlicher Kommunikation und als Impuls für öffentliche Kommunikation hat sie gesellschaftliche Relevanz und berührt Handlungsmöglichkeiten unterschiedlicher Gruppen bzw. Subsysteme (ebd.). Im Jahr 2010 wurde der Rekord von 2,6

Mio Besuchern der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden aufgestellt (vgl. Roth 2011, 5), ein Indiz dafür, dass die Kommunikationsideen und -maßnahmen der Öffentlichkeitsabteilungen gefruchtet haben könnten. In dieser Arbeit soll und kann jedoch keine Auswertung und Beurteilung der einzelnen Strategien und Unternehmungen zur Gewinnung der Öffentlichkeit statt finden. Vielmehr möchte ich untersuchen, inwiefern das Museum die Vorraussetzungen erfüllt, um „strategische Kommunikation“ zu praktizieren, in einer Zeit, in der die Öffentlichkeitsarbeit an Relevanz für Museen zugenommen hat (vgl. Reussner 2009, 5).

2. Türckische Cammer

Gegenstand meiner Untersuchungen ist die Kommunikation bezüglich der Türckischen Cam- mer, insbesondere ihrer Eröffnung. Im Folgenden möchte ich diese Ausstellung kurz vorstel- len, besondere Gegebenheiten verdeutlichen und vermitteln, welchen Inhalten sie sich widmet.

2.1 Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, im Folgenden SKD abgekürzt, sind ein historisch entstandener Museumsverbund, welcher dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen untergeordnet ist. Er strukturiert sich in vierzehn Museen, der Generaldirektion, zentralen Servicebereichen sowie einer Verwaltung und ist seit dem 01.01.2009 als Staatsbetrieb organisiert2 (vgl. Adam 2014).

Die Gründung der Museen ist auf die Sammeltätigkeiten der sächsischen Kurfürsten und pol- nischen Könige zurückzuführen und wird auf das Jahr 1560 datiert (ebd.). August der Starke (*1670, †1733) und sein Sohn König August III. legten systematisch Kunstkabinette an, die ausgewählten Kreisen zugänglich gemacht wurden. Mit ihren rund 1,5 Millionen Objekten (vgl. Roth 2011, 5) gehören die SKD heute zu den bedeutendsten Museen der Welt (vgl. Adam 2014). Im Jahr 2010 feierten die SKD nicht nur ihre 450-jährige Sammeltätigkeit, sondern auch die Eröffnung des in der Elbeflut 2002 schwer beschädigten Gebäudes der Skulpturensamm- lung „Albertinum“ sowie die Öffnung der Türckischen Cammer. Alle drei Ereignisse dieses Ju- biläumsjahres tragen zu dem Rekord von 2,6 Millionen Museumsbesuchern bei (vgl. Roth 2011, 5).

2.2 Die Ausstellung

Der Name „Türckische Cammer“, kurz: TC, wird in historischer Schreibweise genutzt: Ab dem Jahr 1614 betitelte man so jenen Teil der Rüstkammer, welcher im Jahr 1591 erstmals einen eignen Sammlungsbereich orientalischer Herkunft verzeichne (vgl. von Mallinckrodt et al. 2011,14). Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert trugen die Kurfürsten von Sachsen mit ihrer Sammelleidenschaft und dem Streben nach fürstlicher Machtdarstellung „legendäre“ (Adam, Dr. Stephan 2014) Schätze der sogenannten Türkenmode zusammen, darunter osmanische Waffen, Prunkreitzeug, verzierte Zelte, Kostüme, Fahnen und andere Kunstwerke (ebd.). Kurfürst August der Starke hegte eine besondere Bewunderung für das damalige osmanische Reich und erweiterte die Sammlung, welche zunächst vorwiegend aus diplomatischen Geschenken bestand, mit gezielten Ankäufen und Auftragswerken (vgl. von Mallinckrodt et al. 2011,14). Aufgrund der anhaltenden Nutzung3 der Bestände und des damit einhergehenden Verschleißes und vor allem wegen des zweiten Weltkrieges, durch dessen „Wirrungen“ (ebd.) der Großteil der Sammlung nach Russland gelangte, erreichte die Geschichte der TC ihren Tiefpunkt. Nach der Rückführung der Bestände 1959, war ein kleiner Teil der Exponate in die Dauerausstellung der Rüstkammer integriert. Der verbliebene Bestand wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten aufwändig restauriert4 und grundlegend wissenschaftlich erforscht. Der Freistaat Sachsen investierte für die Ausstattung der neuen Ausstellung eine Summe von 5,7 Millionen Euro.

„Das Ergebnis dieses einzigartigen Prozesses ist die heutige Türckische Cammer mit ihrem ausgefeilten Ausstellungskonzept, das […] auf höchstem technischen Niveau entworfen und umgesetzt wurde.“ (von Mallinckrodt et al. 2011,14)

2.3 Die Eröffnung

Mit dem Zusammenspiel zweier Kulturen, der osmanisch-türkischen und der sächsisch-deut- schen, erhält die TC eine „hoch aktuelle, politische Dimension“ (von Mallinckrodt et al. 2011,15). Zum offiziellen Festakt zur Ausstellungseröffnung am 06.03.2010 im großen Saal des Staatsschauspiels Dresden begrüßte der Generaldirektor Prof. Dr. Roth 650 geladene Gäste. Der Besuch des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu und seines deutschen Kollegen Dr. Guido Westerwelle gestaltete sich mit einer Führung durch die Ausstellung und anschließendem Pressetermin, in welchem sie die TC mit ihrer 750 Quadratmeter großen Aus- stellungsfläche als herausragendes deutsch-türkisches Kulturprojekt würdigten (ebd.). Unter anderem hielten die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst5, der Türkische Botschafter Ahmet Acet und die türkischstämmige Autorin und Schauspielerin Emine Sevgi Özdamar eine Festrede. Die Moderatorin Nazan Eckes, Tochter türkischer Einwanderer, und der Schauspieler Adnan Maral, konnten als «Botschafter» der Türckischen Cammer gewon- nen werden. Der Abend wurde mit einem Festessen gekrönt, an dem auch die beiden Außenminister und der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich teilnahmen (vgl. von Mallinckrodt et al. 2011,16).

3. Zum Begriff der Strategischen Kommunikation

Um der Fragestellung nachgehen zu können, inwiefern sich das Konzept „Strategische Kom- munikation“ auf die Kommunikation von Museen anwenden lässt, möchte ich zunächst eine überblicksartige Vorstellung zu diesem Begriff geben. Diese fußt auf dem einheitlichen Ver- ständnis der Beiträge in dem Sammelband „Strategische Kommunikation“ von Ulrike Röttger, Volker Gehrau und Joachim Preusse: Sie wird hier verstanden als „Organisationsfunktion, konkret als Kommunikation im Auftrag von Organisationen“ (Röttger et al. 2013,9).

3.1 Betriebswirtschaftliches Verständnis

Sich dem Forschungsgegenstand zu nähern ist aus sehr unterschiedlichen theoretischen und methodischen Perspektiven möglich, zumal dieser sich in der Empirie sehr vielgestaltig zeigt. Im betriebswirtschaftlichen Kontext werden Strategien verstanden als „Entscheidung[en] darüber […] in welcher oder welchen Domänen (Branchen, Märkte) eine Unternehmung tätig sein soll, und welche Handlungsweisen und Ressourcenverwendungen zu wählen sind, um eine vorteilhafte Wettbewerbsposition zu erreichen. […] Strategie bezeichnet die Wahl des Produkt/ Markt-Konzeptes und der zent- ralen Aktionsparameter (Wettbewerbsschwerpunkte) zur Sicherstellung des Unternehmenserfolges.“ (Schreyögg, 1984, 5)

Bleicher (1991) differenziert in seinem Buch zwischen einer normativen, strategischen und operativen Ebene. Verknüpft man nun die strategische Ebene mit der Begrifflichkeit des Erfolgspotentials6, so ist laut Müller-Stewens und Lechner „all das strategisch, was zu Schaffung und Sicherheit von Erfolgspotentialen führt.“ (Müller-Stewens et al. 2003, 22). Mit der betriebswirtschaftlichen Orientierung geht ein instrumentelles Verständnis von strategischer Kommunikation einher. Sie wird hier vorrangig als Mittel betrachtet, um spezifische Organisationsinteressen zu realisieren. Zentrales Erfolgskriterium sind hierbei die (messbare) Steigerung der Effizienz und Effektivität von strategischer Kommunikation (vgl. Röttger et al. 2013, 10). Röttger kritisert unter anderem: „Gesellschaftliche Effekte, die keine Relevanz für den (organisationalen) Absender strategischer Kommunikation haben, werden ausgeblendet.“ (ebd.)

3.2 Kommunikationswissenschaftliches Verständnis

Die Konnotation des Begriffs Strategische Kommunikation variiert enorm. Mit ihm wird teils eine normativ problematische und aus demokratietheoretischer Perspektive unerwünschte Persuasionstechnik assoziiert (vgl. Röttger et al. 2013, 11). Foucault setzt bei der Annahme an, dass jeder Kommunikation strategische Intentionen inhärent sind (vgl. Foucault 1990). Es wird in der Kommunikationswissenschaft meist jene Kommunikation als „strategisch“ benannt, die intentional-zweckgebunden ist. Beispiele hierfür sind die Erhöhung organisationaler Legitimation oder Reputation oder die Erhöhung der Verkaufszahlen von Dienstleistungen oder Produkten (vgl. Röttger et al. 2013, 11). Der Versuch wird unternommen, strategische Kommunikation mit Blick auf spezifische Wirkungsziele zu steuern.

„Insoweit wird strategische Kommunikation verstanden als die Vertretung von Partikularinteressen mittels des intentionalen, geplanten und gesteuerten Einsatzes von Kommunikation.“ (ebd.)

Das kommunikationswissenschaftliche Verständnis basiert laut Röttger et al. (2013) auf den folgenden fünf Merkmalen: 1) Idealtypische Abgrenzbarkeit von strategischer und ver- ständigungsorientierter Kommunikation, 2) Intentionalität, 3) Zweckgebundenheit, 4) Persua- sionsorientierung und 5) Organisationsgebundenheit (ebd.). Der Einsatz strategischer Kommunikation kann sich sowohl auf interne Bezugs- und Zielgruppen, z.B. Mitarbeiter, beziehen, als auch auf externe, z.B. Journalisten, Publikum und Kunden. „Traditionell werden hier beispielsweise Werbung, Public Relations, […] Kampagnenkommunikation oder Marke- tingkommunikation als Varianten strategischer Kommunikation unterschieden.“ (Röttger et al. 2013, 11).

4. Öffentlichkeit und Organisation als zentrale Begriffe strategi- scher Kommunikation

In dieser Arbeit soll es um die externe Kommunikation in Museen gehen -eine Kommunikation, die sich nach außen, also an die Öffentlichkeit richtet. Gemein ist den soeben genannten Varianten (siehe 3.2) strategischer Kommunikation, dass sie grundsätzlich gemanagt, somit zweckbezogen geplant und gesteuert werden. Sie sind organisational eingebunden und vertreten demzufolge Partikularinteressen der Organisation. Im Folgenden möchte ich diese beiden Dimensionen, Öffentlichkeit und Organisation, als zentrale Begriffe für den Gegenstand „strategische Kommnikation in Museen“ beleuchten.

4.1 Öffentlichkeit und Museum

Öffentlichkeit und öffentliche Meinung gelten als wichtige Bezugsgrößen, nicht nur für die strategische Kommunikation von Organisationen, sondern für den Begriff Museum allgemein. So formuliert der internationale Museumsrat ICOM7 das weltweit anerkannte Selbstverständnis und die Aufgaben von Museen:

„A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment.” (International Council of Museums, ICOM Statutes)

Somit sind Museen der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen im Dienste der Gesellschaft. Es ist an dieser Stelle zu klären, wie Öffentlichkeit bzw. unterschiedliche „Öffentlichkeiten“ analytisch unterschieden und theoretisch hinterfragt werden können. Dies geschieht zunächst auf kommunikationstheoretischer Basis. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird der Begriff konkret auf den Gegenstand Museum bezogen.

4.1.1 Kommunikationstheoretischer Ansatz

Öffentlichkeit kann bereits entstehen, wenn verschiedene, mindestens zwei Beobachter das gleiche Ereignis8 wahrnehmen und dies ebenfalls einander unterstellen können, z.B. weil jenes Ereignis kaum zu ignorieren ist. Deshalb macht Westerbarkey eine wichtige Unterscheidung auf der Handlungsebene: 1) Die gemeinsame Wahrnehmung eines Ereignisses und 2) Die Rezeption einer Mitteilung (vgl. Westerbarkey 2013, 24). Ersteres nennt er „virtuelle Öffent- lichkeit“, Letzteres „kommunikative Öffentlichkeit“. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass im ersten Fall mehrere Personen Gleiches beobachten und wie bereits erwähnt, diese Beobachtung einander unterstellen können, während sie im zweiten Fall das Gleiche aufgrund von Kommunikation wissen. Beide Fälle sind Sozialsysteme, da sie kollektiv generiert werden: Es wird eine gemeinsame Aufmerksamkeit vorausgesetzt und sie werden durch gemeinsame Beobachtung sowie Kommunikation hergestellt.

Nach Klaus Beck ist Öffentlichkeit nicht gleich zu setzen mit der „gesamten Gesellschaft“ oder mit „öffentlichem Raum“ (Beck 2010, 116), sondern als „Netzwerk“ zu bezeichnen (ebd.). Er betont den kommunikativen Prozesscharakter: „Öffentlichkeit ist ein mehrschichtiger Kommu- nikationsprozess, an dem Öffentlichkeitsakteure (Sprecher) und Medien maßgeblich beteiligt sind.“ (ebd.)

Westerbarkey schließt sich dieser Annahme9 an und ergänzt, dass die Erzeugung von Öffent- lichkeit durch Kommunikation ebenfalls bedeute, dass diese wieder zerfällt, sobald die Kom- munikation beendet ist und es zu keiner Anschlusskommunikation kommt (vgl. Westerbarkey 2013, 27). Es gibt eine Vielzahl von Kommunikationsbarrieren, die Emergenz von Öffentlichkeit kann aus vielen Gründen misslingen. Beispiel hierfür sind motivationale (z.B. Müdigkeit, Desinteresse), kognitive (Inkompetenz), oder emotionale (z.B Angst oder Antipathie) Barrieren (vgl. Westerbarkey, 2013, 30), die dazu führen, dass Beobachtungen, Mitteilungen und deren Verstehen kumulativ eingeschränkt werden. Es werden spezifische „Öffentlichkeiten“ konstituiert (vgl. Westerbarkey 2013, 30), welche „Teilöffentlichkeit“ zu nennen laut Westerbarkey unkorrekt ist:

„Da eine totale Zugänglichkeit und Transparenz aller Angelegenheiten für alle, eine umfassende Information aller über alles und eine Partizipation aller an allem unmöglich sind, ist jede Öffentlichkeit de facto eine „Teilöffentlichkeit“, was das Kompositum überflüssig macht. Außerdem setzt ein Teil immer ein Ganzes voraus, […] doch im Falle von Öffentlichkeit dürfte dieses aufgrund ihrer Komplexität, Prozessualität und Flüchtigkeit kaum möglich sein.“ (Westerbarkey, 2013, 31)

Zudem dürfe man „Teilöffentlichkeiten“ nicht mit Zielgruppen10, Bezugsgruppen11 oder Anspruchsgruppen12 verwechseln (ebd.). Der Öffentlichkeitsbegriff steht ebenfalls eng mit dem des Publikums in Verbindung. Hierauf möchte ich mit Bezug auf Museen eingehen.

4.1.2 Publikumsorientierung und Museum

Publikum meint im kommunikationswissenschaftlichen Kontext „Die Gesamtheit aller Personen, die sich einer bestimmten Aussage zuwenden“ (Maletzke 1998, 55) und beinhaltet im allgemeinen Sprachgebrauch diverse Bedeutungselemente, wie die Definition aus dem Brockhaus-Lexikon (2003) zeigt:

„Publikum: Öffentlichkeit, Allgemeinheit; Gesamtheit aller Adressaten, auf die sich eine Darbietung be- zieht, beziehungsweise Gesamtheit der Rezipienten, die diese Information empfängt (Zuhörer-, Leser-, Besucherschaft); alle […] bei einem Geschehen Anwesenden.“ (Brockhaus 2003)

Laut Reussner werden anhand der Reichweite folgende Begriffsebenen unterschieden: 1) All- gemeine Öffentlichkeit, 2) die Gruppe der Adressaten (ob anwesend oder nicht), und 3) die anwesenden Besucher/ Rezipienten (vgl. Reussner 2009, 3). Öffentlichkeit und Adressaten fallen bei Museen als öffentlich finanzierte Einrichtungen prinzipiell zusammen, die tatsächlich erreichten Besucher, also 3), sind jedoch nur ein Teil davon (ebd.). Zudem diskutiert sie den Unterschied zwischen Publikum und Besucher: Publikum ist der breitere Begriff und unterstreicht, dass es nicht allein um den optimalen Umgang mit bereits erreichten Besuchern geht. Die Frage nach dem Verhältnis Museum - Publikum soll sich auf der Ebene der gesamten Öffentlichkeit, einschließlich museumsferner Bevölkerungsteile, stellen. Sie präferiert somit den Begriff Publikumsorientierung (vgl. Reussner 2009, 5). Der Wortbestandteil „Orientierung“ weist auf eine übergreifende Denkhaltung hin, die Leitlinien für das Handeln vorgibt (ebd.). Als im engeren Sinne publikumsorientiert bezeichnet Reussner daher jene Einrichtungen, bei welchen solch eine Denkhaltung, von der Leitung getragen, „die gesamte Organisation durchdringt und nicht auf Vertreter klassischer publikumsnaher Aufgabengebiete wie […] der Museumspädagogik beschränkt bleibt.“ (Reussner 2009, 5-6). Wie die SKD diesbezüglich aufgestellt sind, werde ich im Kapitel „SKD als Organisation - Betrachtung der Mesoebene“ eingehender untersuchen.

Jede museale Einrichtung hat ihr charakteristisches Besucherprofil (vgl. Reussner 2009, 9). Zu wissen, wie sich die „Durchschnittsbesucher“ darstellen oder wie unterrepräsentierte Bevölkerungsteile (Nichtbesucher13 ) zu identifizieren sind, kann für vielfältige Maßnahmen der Umsetzung von Publikumsorientierung in der Museumsarbeit nützlich sein: „Von der Ausstellungsgestaltung über museumspädagogische Programme bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Da Museen einen gesellschaftlichen Auftrag haben, dienen Besucherprofile auch zum Teil ihrer Legitimation, denn sie geben Auskunft über Art und Umfang der erreichten Besucher“ (ebd.). Auch Heiner Treinen sieht Chancen in einer intensiveren, erweiterten Besucherforschung, denn sie „würde helfen, den Stellenwert des Mu- seumswesens im Gefüge kultureller Institutionen zu definieren, sein Bildungspotential zu be- kräftigen und die Besucherorientierung zu schärfen.“ (Treinen 2012, 192).

Auf die Frage an Martina Miesler, Leiterin der Marketingabteilung der SKD, inwiefern eine Evaluation der Besucher stattfindet, antwortet sie: „Die Besucher werden regelmäßig an den Kassen nach ihrer Postleitzahl gefragt. Danach werden die Tickets an den Eingängen der Museen gescannt. Besucherbefragungen gibt es derzeit nur stichprobenartig. Eine Gesamtevaluation ist vor Ewigkeiten gemacht worden, aber eben längst nicht mehr aktuell.“ (Miesler, Anhang C, Z. 35-38)

Somit können keine aktuellen Befunde der SKD in diesem Kapitel aufgezeigt werden, weder für den Gegenstand der Besucher, Nichtbesucher noch des Publikums. In dem Beitrag „Besu- cherforschung und Evaluation in Museen“ verweist Wegner ebenfalls auf die allgemeine „Prob- lematik einer teils erschwerten Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Besucherstudien.“ (Wagner 2010, 101). Die soziodemographischen und psychographischen Merkmale von Mu- seumsbesuchern, speziell am Beispiel der SKD, werde ich hier nicht eingehender behandeln können14.

4.2 Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) als Organisation -Be- trachtung der Mesoebene

Strategische Kommunikation geht in der Regel von einer Organisation aus15 und findet mit Blick auf die Realisierung ihrer spezifischen Organisationsziele statt. Ohne eine Vorstellung davon, was eine Organisation ist, welche Ziele Museen und speziell die SKD verfolgen und welche Akteure wie an der Realisierung dieser Ziele beteiligt sind, kann die Forschungsfrage nicht beantwortet werden.

4.2.1 Einblick in die Organisationstheorie

Das Verständnis des Organisationsbegriffes ist ein weites, umstrittenes und bisher nicht abschließend beantwortetes Feld in der PR-Forschung (vgl. Friedrichsmeier et al. 2013, 61). Andreas Friedrichsmeier und Silke Fürst untersuchen in ihrem Beitrag „Welche Theorie der Organisation für welche PR-Forschung?“ den situativen, den neo-institutionalistischen und den systemtheoretischen Ansatz und bemerken in der Einleitung:

„In einem pragmatischen Sinne ist ein Verständnis von Organisation in jeder Forschung zu PR bereits vorhanden, wenn auch häufig nur implizit und unproblematisiert: […] Jeder, der von strategischer PR16 spricht, hat Annahmen darüber, in welcher Form eine Organisation kommunizieren oder gar strategisch handeln kann, was die Ziele einer Organisation sein könnten u.ä.m.“ (Friedrichsmeier et al. 2013, 60)

In diesem Kapitel soll das implizite Wissen in einen theoretischen Rahmen eingeordnet und eine Definition für „Organisation“ gefunden werden.

Klaus Beck beschreibt „Organisationen“ als „soziale Gebilde, die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Tätigkeiten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel hin ausgerichtet werden sollen. Die Strukturen vor Organisationen sind dabei ebenso wie das Organisationsziel das Ergebnis von Aushandlungsprozessen, […].“ (Beck 2010, 62)

In seiner weiteren Ausführung gibt er Aufschluss darüber, wie Kommunikation intern ablaufen kann (z.B. Mitarbeiterkommunikation, Konfliktkommunikation, Kommunikationsberatung). Weder hier noch in den betrachteten Ansätzen von Friedrichsmeier und Fürst werden explizite Aussagen zu PR gemacht (vgl. Friedrichsmeier et al. 2013, 89).

Der situative Ansatz versteht „Organisation“ als ein System der formalen Struktur und sieht die Umwelt als eine unabhängige Variable, „deren wesentliche Ausprägungen quantitativ erfassbar“ (Friedrichsmeier et al. 2013, 92) sind. Vorgänge jenseits der Formalstruktur werden nicht berücksichtigt. Dieser Theorieansatz betrachtet hauptsächlich größere gewinnorientierte Unternehmen und tut dies aus einer „führungsnahen Perspektive“ (ebd.).

Der Neo-Institutionalismus ist begrifflich offen, was gleichsam zu seiner Schwäche beiträgt: Ein „unscharfes, theoretisches und begriffliches Profil“ (ebd.). Er betrachtet vorrangig öffentli- che Organisationen mit einer institutionell geprägten Umwelt. Gesellschaftliche Veränderungs- prozesse und Vorgänge jenseits der Formalstruktur werden in diesem Ansatz, im Unterschied zu den anderen beiden, besonders berücksichtigt. Trends wie Akademisierung und Globali- sierung und deren Effekte sind Gegenstand zentraler Veröffentlichungen des Neo-Institutiona- lismus.

[...]


1 Auf die weibliche Form wird zu Gunsten der besseren Lesbarkeit verzichtet. Siehe Eidesstattliche Erklärung.

2 Im Kapitel 4.2 wird genauer auf die Organisation des Museumsverbundes eingehen. Hier sei nur eine grobe Einführung gegeben.

3 August der Starke feierte prachtvolle orientalische Feste in türkischer Mode und Manier (von Mallinckrodt et al., 2011,14)

4 Die umfangreiche Restauration des osmanischen Staatszeltes („Highlight der Ausstellung“ von Mallinckrodt et al., 2011,14) dauerte beispielsweise über 10 Jahre und setzte aufgrund seiner Maße einen erheblichen Umbau der Räumlichkeiten des Schlosses voraus. (L:20m, B:8m, H:6m, ebd.)

5 Prof. Dr. Dr. Sabine Freifrau von Schorlemer

6 Der Begriff Strategische Erfolgspotentiale „kennzeichnet alle Handlungen, materiellen Ressourcen und Kompetenzen, die für die Realisierung der (gewählten) Strategie ausschlaggebend sind. Letztlich sind es diese Faktoren, die den operativen Erfolg (Rentabilität) und die jederzeitige Liquidität begründen und zusammen mit diesen den betriebswirtschaftlichen Zielhorizont bilden“ (Zerfaß, Ansgar, 1996, 241)

7 International Council on Museums

8 Unter Ereignis versteht Westerbarkey „eine Veränderung von Zuständen oder Vorgängen […], die von einem Beobachter als solche rekonstruiert wird. Durch die räumliche und zeitliche Lokalisierung eines Ereignisses wird aus der Beobachterperspektive die (scheinbare) Gleichförmigkeit von Situationen und Abläufen unterbrochen. Bisherige Unterscheidungen zwischen Ereignis (Veränderung) und Nichtereignis (z. B. Stillstand oder Routine) dienen uns dabei als Aufmerksamkeitsstrategie und Beobachtungsmodell. Insofern sind Ereignisse prinzipiell er- wartbar, können uns aber auch überraschen und zur Revision unserer Beobachtungen führen. Damit sind sie so oder so informativ: Entweder sie bestätigen unsere Erwartungen oder sie ‚enttäuschen‘ sie i. S. korrektiver Infor- mation. (Westerbarkey, 2013, 24)

9 „Öffentlichkeit ist keine Frage der Quantität, sondern eine soziale Qualität von Wissen, die ebenso aus einem intimen Geständnis wie der Übertragung eines Fußballspiels resultieren kann. In diesem Sinne ist übrigens jede Kommunikation Öffentlichkeitsarbeit, denn alle Kommunikanten `arbeiten` aktiv an der Herstellung von Öffentlichkeit, ob sie nun reden oder zuhören, etwas zeigen oder zuschauen.“ (Westerbarkey, 2013, 26)

10 Zielgruppen entstehen nicht durch gemeinsame Beobachtung/ Kommunikation, sie sind potentielle Publika mit bestimmten Merkmalen (Persönlichkeit, Einstellung und/oder Verhalten) (vgl. Westerbarkey, 2013, 31)

11 Bezugsgruppen werden von Mitgliedern/ Nichtmitgliedern von Organisationen gebildet, welche sich von deren Aktivitäten und Folgen betroffen sehen. (ebd.)

12 Das sind Bezugsgruppen, deren Vertreter ihre Anliegen und Ansprüche explizit an die Organisation heran tra- gen. (ebd.)

13 Die Nichtbesucherforschung wird in Reussners Dissertation als antwortgebend darauf charakterisiert, welche

Hindernisse bei einem nicht stattfindenden Museumsbesuch eine Rolle spielen (vgl. Reussner 2009, 69). Wagner schreibt ebenfalls: „Durch diese Studien [ist es] möglich, hilfreiche und wertvolle Hinweise zu erhalten, die keine andere Untersuchungsform erzielen kann. Insbesondere wenn Museen neue Zielgruppen erschließen wollen, ist der Einsatz demnach dringend nahezulegen.“

14 Ich möchte davon absehen, näher auf die Forschungsweise und Ergebnisse größer angelegter Studien einzugehen, welche nicht unmittelbar mit den SKD zusammen hängen. Dennoch sei hier besonders verwiesen auf die Studien von Nora Wagner (2010), in welcher sie erläutert, was aus empirischen Publikumsstudien über Museumsbesucher bekannt ist, sowie die Dissertation an der Universität Wien (2004) von Manuela Kohl: „Kunstmuseen und ihre Besucher: Eine Lebensstilvergleichende Studie“. Ebenfalls verweisen möchte ich auf den Beitrag von Heiner Treinen (2012), vor allem S. 187ff zum Thema „Visitor-Studies“ und rezenter Forschungsergebnisse und Entwicklungen, mit zahlreicher weiterführender Literatur.

15 Siehe hierzu die 5 Merkmale Strategischer Kommunikation nach Röttger et al. In Kapitel 3.2

16 Strategische externe Kommunikation wird in der Literatur von Röttger et al. und den Autoren der Beiträge darin unhinterfragt mit strategischer PR gleichgesetzt, da PR, Werbung etc. „Varianten“ strategischer Kommunikation darstellen (vgl. Röttger et al. 2013, 11 sowie Kapitel 3.2 dieser Arbeit) Dies werde ich in meiner Arbeit beibehal- ten.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Strategische Kommunikation in Museen
Untertitel
Die Eröffnung der Türckischen Cammer (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften)
Veranstaltung
Arbeitsstelle Wissenskommunikation / Wissenschaftsjournalismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
43
Katalognummer
V285882
ISBN (eBook)
9783656903789
ISBN (Buch)
9783656903796
Dateigröße
40753 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strategie, Wissenskommunikation, Wissenschaftsjournalismus, Journalistik, Publizistik, Öffentlichkeitsarbeit, Museale Öffentlichkeitsarbeit, Museumspädagogik, Marketing, Strategische Planung, Konzeptionsplanung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Taktik, Türckische Cammer, SKD, Organisationstheorie, Mesoebene, Publikum, Öffentlichkeit, Publikumsorientierung, Museumsbesucher, Kommunikationstheorie, Strategische Kommunikatione, Organisation, Kampagne, Kommunikationsplanung, Konzept, Pressearbeit, Presseabteilung, Ulrike Röttger, Volker Gehrau, Besucherorientierung, Verständigungsorientierung, Persuasion, Kundenorientierung, externe Kommunikation, museal, Museum, Public Relations, ICOM, Qualität, Besucherprofil, Besucherforschung, Marketingabteilung, Museologie, Statut, Besucherservice, Besucherbindung, Socia Media, Mediamix, Verbundenheitsstrategie, Event, Eventplanung, Eventtheorie, Plakat, Werbung, Werbestrategie, Preusse, Organisationsgebundenheit, Management, Museumsbund, Erlebnisgesellschaft, PR, Systemtheorie
Arbeit zitieren
Johanna Lamm (Autor:in), 2014, Strategische Kommunikation in Museen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285882

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