Der Einfluss der Peergroup auf jugendliche Migrantinnen und Migranten


Akademische Arbeit, 2006

44 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Peergroup als eine wichtige Quelle bei der Überbrückung von Hindernissen

2.1 Begriffsdefinition

2.2 Die Peergroup als wichtige Sozialisationsinstanz

2.2.1 Gründe für die Hinwendung zu einer Peergroup
2.2.3 Die Wirkung und der Einfluss der Peers auf die Jugendlichen
2.3 Die Bedeutung der Peergroup für jugendliche Migrantinnen und Migranten
2.4 Der Einfluss der Peergroup auf familiale und schulische Instanzen
2.4.1 Die Rolle der Peers in Zusammenhang mit der Familie
2.4.2 Die Rolle der Peers in Zusammenhang mit der Schule
2.5 Positive und negative Auswirkungen der Peergroup hinsichtlich des Bildungserfolgs

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Tatsache, dass das deutsche Bildungssystem in den letzten Jahren, vor allem aufgrund der PISA Debatten deutlich in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gerückt ist und Schülerinnen und Schüler anderer Nationalitäten geringere Bildungschancen gewährt, lässt auch für die Zukunft vermuten, dass aufgrund der Benachteiligungen und Bildungsungleichheiten der Jugendlichen mit Migrationshintergrund das deutsche Schulsystem auch weiterhin im Fokus des öffentlichen Interesses stehen wird. Solange jedoch keine umsetzbaren Vorschläge und effiziente Fördermaßnahmen unternommen werden, um die prekäre Situation von Migrantenjugendlichen im Bildungswesen zu verbessern und ihnen dementsprechend gleiche bzw. bessere Bildungschancen zu ermöglichen wie gleichaltrigen deutschen Kindern und Jugendlichen, werden zukünftige Studien vermutlich dem deutschen Schulsystem ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aushändigen.

Da gegenwärtig in Deutschland sowohl viele Studien als auch die Medien bislang Fragen der schulischen Bildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund vielfach nur unter den Aspekten ihrer Benachteiligung beleuchten und Auskunft darüber geben, wie miserabel die Betroffenen im deutschen Bildungswesen abschneiden, soll sich daher der Schwerpunkt dieser Arbeit nicht hauptsächlich auf den Misserfolg, sondern vielmehr auf bildungserfolgreiche Jugendliche mit Migrationshintergrund beschränken. Im Hinblick auf bildungsspezifische Aspekte und Bildungsbeteiligung ausländischer Schülerinnen und Schüler wird des Öfteren und immer wieder nur die Schattenseite aufgezeigt bzw. reflektiert, sodass das Thema Bildungserfolg von Migrantenkindern vernachlässigt und aus den Augen verloren wird.

Daher soll sich das Augenmerk dieser Arbeit hauptsächlich auf Schülerinnen und Schüler richten, die ein migrationsgeschichtlichen Hintergrund aufweisen und aufgrund dieser Eigenschaft viele Benachteiligungen, Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen durch die Familie, Schule und Peergroup erfahren, aber trotz all dem in der Lage sind, auftretende Hürden zu überwinden und einen außerordentlich guten Weg einzuschlagen, sodass sie schließlich eine erfolgreiche schulische Laufbahn mit guten Schulleistungen, Schulabschlüssen und den Besuch einer höheren Schulform durchlaufen. In diesem Kontext sollen wichtige Mechanismen im Rahmen der Peergroup aufgezeigt werden, die in gewisser Weise den Bildungserfolg dieser Jugendlichen fördern oder auch einschränken können.

2. Die Peergroup als eine wichtige Quelle bei der Überbrückung von Hindernissen

Der Titel dieses Kapitels erscheint auf den ersten Blick einen positiven Eindruck zu hinterlassen und könnte eigentlich auch direkt als eine Frage dahin gestellt werden. Denn hierbei kann auch verstanden werden, dass die Sozialisationsinstanz Peergroup ausschließlich zur Überwindung von Problemen beitragen und nur Gutes bezwecken könnte. Bedauerlicherweise ist dies zum Teil anzuzweifeln, ohne dass jetzt schon auf Details eingegangen werden soll, da sich dieser Sachverhalt im Laufe der Arbeit bzw. in den jeweiligen Unterkapiteln zeigen wird. Es ist nicht nur von fördernden, positiven Effekten, sondern auch von hemmenden, negativen Effekten hinsichtlich des Schulerfolges auszugehen. Daher sollte hierbei der zentralen Frage nachgegangen werden, welche Position und Aufgabe die Peergroup hinsichtlich des Bildungserfolges von Jugendlichen mit Migrationshintergrund einnimmt bzw. übernimmt. Um heutzutage in unserer wandelnden Gesellschaft den Schulerfolg dieser Jugendlichen aufzuzeigen, genügt es teilweise nicht mehr auf die institutionelle und häusliche Umwelt zurückzugreifen. Angenommen, das schlechte Abschneiden im schulischen Sektor des Jugendlichen kann nicht durch die Schule oder Familie bedingt sein, dann wird versucht die Hemmfaktoren im sozialen Umfeld des Jugendlichen zu suchen, sodass dann die Peergroup in den Mittelpunkt des elterlichen und schulischen Interesses rückt. Heutzutage ist generell der Umgang mit den Jugendlichen ziemlich schwierig geworden, sodass der elterliche Zugang in diese Jugendkultur erschwert wird. Denn die Jugendlichen leben in ihrer eigenen Welt und haben nur die Vorstellung von einer eigenen Sphäre, in der nur die Freunde teilhaben dürfen. Insofern ist das Dazugehören in eine Gruppe zu einem Selbstverständnis geworden mit der sich Jugendliche identifizieren können und somit auch die Gruppe als den „Ort der Selbstentfaltung“ bzw. als Zufluchtsort betrachten, wo Eltern und Schule tabuisiert werden.

Daher soll im Folgenden, nach einer kurzen Begriffsdefinition, sowohl die Wirkung und Bedeutung der Peergroup für Migrantenjugendliche als auch die Einflussintensität der Peers auf den Schulerfolg aufgezeigt werden. Jedoch wird vor diesem Hintergrund zunächst einmal die Rolle der Peergroup im Rahmen des familiären und schulischen Umfeldes thematisiert, sodass letztendlich dadurch Rückschlüsse auf den Bildungserfolg dieser Jugendlichen gezogen werden können.

2.1 Begriffsdefinition

In Anlehnung an Hillmann (1994) bedeutet das aus dem englischen übernommenen Wort Peergroup eine Gruppe von Gleichaltrigen bzw. Gleichen (vgl. Hillmann, 1994, S. 659), die gleiche Merkmale, Eigenschaften und Absichten haben und gemeinsame Zielvorstellungen verfolgen können. Im alltäglichen Leben sind statt Peergroup häufiger die Begriffe wie Clique und Gang unter den Jugendlichen verbreitet. Dieser Peerbegriff, der seinen Ursprung in der amerikanischen Jugendsoziologie hat, bezeichnet „informelle Spiel- u. Freizeitgruppen von etwa gleichaltrigen Kindern u. Jugendlichen. Die P. g. bietet dem Individuum beim Übergang von der familienbezogenen u.- geprägten Kindheit zum vollen Erwachsenensein eine bedeutungsvolle soz. Orientierung u. übt oft eine starke soz. Kontrolle aus“ (Hillmann, 1994, S. 659). Wie anfangs schon kurz erwähnt, kann die Peergroup den Individuen als eine Sphäre dienen, in der Kindern und Jugendlichen freie Entfaltungsmöglichkeiten gegeben werden, ohne dass hier die Familie oder Schule einen Platz einnehmen muss, d.h. Kinder und Jugendliche haben „eine starke Neigung zu unbedingter Unabhängigkeit hinsichtl. bestimmter Wertvorstellungen und Erwartungen der Erwachsenen (Eltern), Empfindlichkeit gegenüber soz. Kontrolle durch Erwachsene sowie eine vorherrschende Konformität u. Loyalität gegenüber den Verhaltensnormen der eigenen Gruppe“ (Hillmann, 1994, S. 659). Das Konzept der Peergroup setzte in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere nach 1960 aufgrund enormer „Verlängerung der Bildungs- und Ausbildungszeiten für die Mehrzahl der Jugendlichen“ (Schäfers, 2003, S. 161 f.) ein, sodass aufgrund dessen neue und unbekannte Formen von Gruppen zustande gekommen sind, in denen die Gruppenangehörigen „ähnlichen Alters sind […] mit ähnlicher sozialer Herkunft (Soziallage) und gleichem Geschlecht“ (Schäfers, 2003, S. 121 f.). Da die Peergroup neben der Familie und der Schule auch eine erzieherische Funktion und Aufgabe übernimmt und im Zentrum nur die Jugendlichen stehen, da sie selber, ohne jegliche Erwachsenenhilfe handeln und reagieren, kommt dieser Instanz eine sehr wichtige Bedeutung zu. Daher soll im Weiteren auch auf den Begriff der Sozialisation im Rahmen der Peergroup eingegangen werden. Denn in dieser Gleichaltrigengruppe vollzieht sich eine essenzielle Sozialisation, wie auch in der Familie oder in der Schule, die für den Jugendlichen ausschlaggebend ist für seine zukünftige Entwicklung, wobei diese letztendlich auch Auswirkungen und Einfluss auf das familiäre und schulische System haben kann. Man kann hier von einer Dreierkonstellation sprechen, in der die Erziehungsmächte Familie, Schule und Peers in einer ständigen Wechselwirkung zueinander stehen. Die Sozialisation in einem bestimmten Erziehungsmilieu eines Kindes, nämlich in einer Peergroup, kann bewirken, dass seine Verhaltensweisen entweder einen positiven oder negativen Einfluss auf die familiären und schulischen Geschehnisse haben kann.

2.2 Die Peergroup als wichtige Sozialisationsinstanz

Viele Untersuchungen, die bislang aufgeführt worden sind, demonstrieren immer wieder, dass für die Jugendlichen und deren Sozialisation im Kindheits- und Jugendalter die Familie und die Schule die ausschlaggebenden Bezugsfelder sind. In dieser familiär-schulischen Konstellation wurde dem Sozialisationsbereich Peergroup weniger Achtung geschenkt, wobei diese heutzutage nicht mehr unthematisiert bleibt bzw. bleiben darf. Denn durch „sie werden kulturelle, soziale, ökonomische und politische Strukturen in die Persönlichkeit ihrer Mitglieder und Nutzer transportiert“ (Hurrelmann, 2002, S. 239). Demnach kann der Peergroup „neben […] Familien und Erziehungs- und Bildungssystemen […] auch die Funktion der »tertiären Sozialisation« zugeschrieben werden“ (Hurrelmann, 2002, S. 239). Der Begriff Sozialisation soll hier zunächst einmal kurz definiert werden. Die Sozialisation „ist heute überall dort […] wo die Reform der Erziehung und des Bildungswesens erörtert wird. Man versteht darunter den Prozeß der Integration eines jungen Menschen in die Gesellschaft, in der und zu der er aufwachsen soll […] Dieser Prozeß […] ist zugleich ein Prozeß der Vergesellschaftung wie auch […] zunehmender Selbststeuerung (Selbstbestimmung, Selbstbildung) […] Von besonderer Bedeutung für seinen Verlauf und seine Gestalt ist die Gruppe, in der und zu der das Kind zunächst heranwächst, deren Sprache, Verhaltensweisen und Lebensverständnis es übernimmt“ (Preising, 1977, S. 465). Bei der Sozialisation wird im Großen und Ganzen das grundlegende Ziel beabsichtigt, dass der Jugendliche auf ein mehr oder weniger unkompliziertes Leben in der Gesellschaft vorbereitet wird. Im Vergleich zu den deutschen Kindern und Jugendlichen haben es Jugendliche mit einem migrationsgeschichtlichen Hintergrund wesentlich schwieriger sich in einem fremden Land, insbesondere in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Obwohl ein ziemlich großer Teil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund mittlerweile den Geburtsort Deutschland aufweist und dadurch wiederum eine eindeutig soziale Integration aufweisen sollte, weil sie letztendlich ein Teil der deutschen Gesellschaft geworden sind und dementsprechend hier ihre Sozialisationserfahrungen machen, differenzieren sich die Sozialisationsverläufe, -prozesse und –bedingungen zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen.

Diese Annahme kann dadurch gestützt werden, dass in Migrantenfamilien ein anderes Verständnis für die Kultur, Religion und Wertvorstellungen herrscht wie vergleichsweise in deutschen Familien. Wichtig ist im Rahmen der Gleichaltrigenforschung vor allem, dass der Anschluss an eine Gleichaltrigengruppe sowohl auf deutsche als auch auf Migrantenjugendliche einen positiven Einfluss ausüben soll, sodass Sanktionen, die eventuell durch die Gruppe zustande kommen, nicht auf die Familie und Schule übertragen werden. Demnach sollte die Peergroup als Stütze dienen und durch die Unterstützung und den Rückhalt der Peermitglieder beim Jugendlichen zu besseren Leistungen in der Schule und zu einem aufgelockerten Verhältnis zu den Eltern führen.

2.2.1 Gründe für die Hinwendung zu einer Peergroup

„Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe verbindet die Mitglieder zeitlebens aufs engste, sie verpflichtet sie in weitaus höherem Maße füreinander als die Blutsverwandtschaft […] Man könnte sagen, sie sind zur Freundschaft verdammt“ (Renner, 2002, S.132). In diesem Zusammenhang erscheint es ziemlich wichtig, welche Gründe sich dahinter verbergen, wenn schon angenommen werden kann, dass die Jugendlichen ihre Kind- und Jugendzeit in einer Peergroup verbringen. Daher können die Gründe für den Anschluss an eine bestimmte Gruppe bei ausländischen Jugendlichen sehr unterschiedlich ausfallen. Auffallend und erwähnenswert ist jedoch, dass beispielsweise die Gruppe der türkischen Jugendlichen üblicherweise den Kontakt zu anderen Jugendlichen, die nicht türkischer Herkunft sind, in ihrer Freizeit vermeiden und „bleiben vor allem unter sich, verbringen ihre Zeit mit den eigenen Landsleuten“ (Bielefeld et al., 1982, S. 93), was eventuell durch die gleiche Muttersprache bedingt sein kann. Insofern würden sich keine Kommunikationsschwierigkeiten ergeben können. Auch weisen weitere Studien darauf hin, dass „Kinder [mit] aller Wahrscheinlichkeit nach eher Freunde aus ihrer eigenen rassischen bzw. ethnischen Gruppe wählen“ (Markou, 1981, S. 56). Obwohl der Kontakt zu den deutschen Jugendlichen in der Schule unumgänglich ist und demnach diese schulischen Kontakte zu deutschen Mitschülerinnen und Mitschülern auch in die Freizeit übertragen werden sollten, scheint es nicht immer zu gelingen. Auch wenn „Schulkontakte mit Deutschen außerhalb der Schule überhaupt fortgesetzt wurden, waren sie fast ausnahmslos bedeutungsloser und unregelmäßiger als die Kontakte zu Landsleuten“ (Bielefeld et al., 1982, S. 94). Jedoch ist gegenwärtig auch zu beobachten, dass sich teilweise Jugendliche zu einer Gruppe zusammenschließen, die wiederum durch verschiedene Nationalitäten geprägt ist, also ein so genannter „Multi-Kulti-Zusammenschluss“. Der hauptsächliche Ursprung bzw. der Auslöser für dieses Verhalten von Jugendlichen ist in den 90er Jahren verankert, wo zum Beispiel musikalische Hip Hop Bands und Breakdancer[1] (deutsche und ausländische Jugendliche gemeinsam) im Zentrum des jugendlichen Interesses gestanden haben[2] (vgl. Schwann, 2002, S. 52 ff.).

Um nicht zu sehr von der Thematik abzuweichen und auf nationalitätenspezifische Peergroups eingehen zu wollen, sollen einige Gründe aufgezeigt werden, die das Zugehörigkeitsgefühl und die Hinwendung Jugendlicher mit Migrationshintergrund zu einer bestimmten Gruppe verdeutlichen. Insofern können ausschlaggebende Gründe für die Hinwendung zu einer Peergroup musikalische, sportliche und andere Interessen sein.[3]

Ausgehend von der Hoffnung, dass diese aufgesuchten Gleichaltrigen sowohl die schulbedingten als auch die familienspezifischen Probleme mit dem Jugendlichen zusammen bewältigen und nachvollziehen können, da sie eventuell auch die gleichen Schwierigkeiten und Komplikationen erfahren haben oder ganz einfach ihre Emotionen teilen möchten, erfüllt die Peergroup ihre Aufgabe als Kommunikationszentrum, weil aufgrund von positiven und negativen Erlebnissen ein großer Bedarf an Gesprächen besteht. Hierbei wird deutlich, dass Jugendliche außerhalb ihrer familiären und schulischen Umwelt einen eigenen Raum benötigen, wo sie ihre Erfahrungen austauschen und mit Individuen reden können, die ähnlich veranlagt sind wie sie. Es werden demnach die gleichen Ziele angestrebt und Lösungen für die einzelnen Probleme gesucht; vor allem geht es bei der Geborgenheit zu einer Peergroup darum, dass „Jugendkulturen […] Jugendlichen einen Ort der Zugehörigkeit, ein Wir-Gefühl und einen Raum für Selbstinszenierungen“ (Riegel, 2004, S. 109) vermitteln. Eines dieser Felder könnte schon ein hinreichender Grund dafür sein, dass sich Jugendliche einer Peergroup anschließen. Die Zugehörigkeit zu einer Peergroup wird demnach nicht nur durch negative Sichtweisen erzeugt und ausgelöst, wie auch festgestellt werden kann. Dahinter verbergen sich zwar zum Teil solche Gründe, jedoch sind die positiven Effekte, die die Hinwendung der Jugendlichen bedingen, nicht außer Acht zu lassen. Es scheint aber schon teilweise bei den türkischen Jugendlichen daran zu liegen, dass sie Geborgenheit und Nähe suchen, die sie in ihren Familien nicht fühlen können, sodass sie in irgendwelchen Cliquen und Gangs Anschluss finden. Hier können sie sich frei bewegen, „Reden ohne zu denken“, ihren Emotionen freien Lauf lassen, undiszipliniertes Verhalten zeigen sowie ihre Wut und Aggressivität ausleben, da sie teilweise in ihren Familien aufgrund der Disziplin, Autorität und der Respekterwartung der Erziehungsberechtigten, insbesondere des Vaters, verhaltensmäßig eingeschränkt sind. In den Jugendgruppen „bewegen sie sich unter Gleichaltrigen, sind außerhalb des unmittelbaren Zugriffs von sozialer Kontrolle durch Ausbildung, Arbeit und Familie“ (Bielefeld et al., 1982, S. 90).

Daher liegt die auch mit großer Wahrscheinlichkeit die Vermutung Nahe, dass viele türkische Jugendliche, sowohl Mädchen als auch Jungen, den Drang des Dazugehörens haben, was zwar keine negative Eigenschaft darstellen muss, jedoch bei ihren Familien nicht immer als willkommenes Geschenk angesehen wird. Viele Türkische Familien stehen aufgrund ihrer strengen Art und ihres Glaubens den Anschluss ihrer Töchter und Söhne in eine Peergroup kritisch gegenüber und verbinden die Zugehörigkeit zu einer Clique mit negativen Vorstellungen. Laut Aussagen eines türkischen Jugendlichen aus einer Peergroup: „ich habe alles Mögliche gemacht, ich hab Körperverletzungsanzeigen […] Diebstahlanzeigen gekriegt, alles Mögliche also […] Meine Kumpels haben mich immer gezogen […] da bin ich einfach mitgegangen“ (Schwann, 2002, S. 14) , scheint die Sicht der Eltern nicht unbegründet zu sein. Hierbei sollte nur aufgezeigt werden, dass die türkischen Jugendlichen aufgrund schlechter Erfahrungen im schulischen und familiären Umfeld sich zu einer Peergroup hingezogen fühlen, ohne dass in erster Linie die Hinwendung zu einer Gruppe aus den gemeinsamen Interessen resultieren können. Denn wie sich auch in der Aussage des Jungen herausstellt, können kriminelle Aktivitäten nicht auf gemeinsamen Interessen beruhen, sondern vielmehr auf familiale Erziehung und Disziplin zurückgeführt werden. Daher löst die Absicht zu einer Gruppe dazuzugehören bei den Eltern in gewissem Maße eine kritische Betrachtungsweise und Einschränkungsbedürfnis aus. Auch verdeutlichen Akpinar et al. (1977), dass die häufige Kontaktaufnahme von Migrantenjugendlichen zu einer Peergroup damit zusammenhängt, dass aufgrund der Schwierigkeiten, die im Elternhaus zustande kommen, die Peergroup als ein Zufluchtsort für diese Jugendlichen angesehen werden kann (vgl. Akpinar et al., 1977, S. 60 f.). Natürlich soll diese Aussage nicht als Allgemeingültig verstanden und auch nicht für alle türkischen Jugendlichen gleichermaßen gültig angesehen werden, denn es gibt genügend türkische Jugendliche, die sich ausschließlich aufgrund ihres Interesses einer Gruppe Gleichgesinnter anschließen, ohne dass sie durch irgendwelche Fremdeinflüsse dazu gedrängt werden.

Festzuhalten ist in diesem Rahmen dieser Thematik vor allem, dass Gründe für die Hinwendung der Migrantenjugendlichen zu einer Peergroup zum einen durch „ ähnliche Lebenserfahrungen, Interessen, soziale Vertrautheit (z.B. ähnlicher Humor) und Unterstützung sowie der Wert der Solidarität […] auch die Hoffnung […] dadurch nicht in Kontakt mit Drogen und Alkohol zu kommen sowie nicht so leicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten“ (Herwartz-Emden/Westphal, 2002, S. 13) erfolgen können und zum anderen kann man als Gründe für den Zusammenschluss von Migrantenjugendlichen zu einer Peergroup annehmen, dass „die Allgegenwart offener oder latenter Diskriminierung und kulturell bedingte unterschiedliche Beziehungsnormen“ (Bielefeld et al., 1982, S. 98), die sie durch die deutsche Gesellschaft und durch deren Jugendliche verspüren, sie dazu verleiten, in eine altershomogene Gruppe aufgenommen zu werden. Insbesondere für Jungen ist die Bedeutung der Peergroup von großer Wichtigkeit, sodass zwar Mädchen „mit 13/14 Jahren am meisten Wert auf Peer-Beziehungen legen, beginnen Jungen damit ein Jahr später, bleiben dann aber auch länger in den Cliquen zusammen“ (Baacke, 1993, S. 243). In Anlehnung Baacke (1993), der familien- und schulbezogene Gründe formuliert, die die Jugendlichen dazu bewegt bei einer Peergroup Anschluss zu finden und sich dazu hingezogenzufühlen. „Je schwächer die Bindung an ein Elternhaus ist; je geringer die Leistungsbereitschaft in der Schule ist; je gleichgültiger der Jugendliche an einer vorwegnehmenden Orientierung an Erwachsenen oder rückbezüglichen Orientierung an kindlichen Verhaltensweisen ist; je weniger er Interesse hat, von anderen vorgeschlagene Aufgaben zu erfüllen und wahrzunehmen und je mehr er ablehnt, vorhandene Angebote […] anzunehmen, desto wahrscheinlicher ist es, daß er in der autonomen Clique einer Jugendkultur wichtige Orientierungen findet“ (Baacke, 1993, S. 243 f.).

2.2.3 Die Wirkung und der Einfluss der Peers auf die Jugendlichen

Der Einfluss der Peergroup auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes und Jugendlichen ist daher von äußerst großer Bedeutung, „da die Art und Weise in der ein Kind von sich selbst zu denken lernt, außerordentlich stark von der Einschätzung seiner Person durch seine Altersgenossen abhängt“ (Markou, 1981, S. 53). Denn die altershomogenen Gruppen, denen Jugendliche mit Migrationshintergrund angehören, können mit Sicherheit vielfältige Reaktionen und Einstellungen herbeirufen, die unmittelbar den Charakter und die Identität des Jugendlichen positiv sowie negativ beeinflussen können. Die durch die Gruppenmitglieder vermittelten und von den Betroffenen aufgenommenen Gruppenmentalitäten und Verhaltensweisen können sich demnach entweder in Form einer guten oder schlechten Reaktion auf die außerpeersche Umgebung auswirken.

Zunächst einmal ist danach zu fragen, ohne dabei die Auswirkungen des Peerseinflusses auf die schulische und familiäre Institution zu betrachten, was in der Persönlichkeitsentwicklung und -struktur des ausländischen Jugendlichen durch die Peergroup verändert wird, sodass dadurch entweder ein positives oder auch ein negatives Ergebnis resultieren kann, welches sich in der Charaktereigenschaft und Denkweise des Jugendlichen widerspiegelt. Denn der Anschluss zu einer Peergroup kann mit Sicherheit mit Risiken verbunden sein, da man von vornherein die Charaktere der anderen Peermitglieder nicht eindeutig entschlüsseln kann, was sich im Laufe der Zeit wiederum herausstellt. Jedoch sei hier angemerkt, dass Jugendliche zum größten Teil auch der Überzeugung sein können, dass ihnen ihre gleichaltrigen Freunde immer gut tun und ausschließlich Gutes vermitteln, sodass sie letztendlich die Situation nicht selber einschätzen und beurteilen können. Demnach setzen objektive Sichtweisen von außen ein, die den Jugendlichen darauf aufmerksam machen, ob schlussendlich seine Gruppe einen guten oder schlechten Umgang für ihn darstellt.

Der peersche Einfluss kann demnach dazu führen, dass Jugendliche entweder Abheben oder eher Standfest bleiben, was letztendlich mit Charakterstärke des Einzelnen zun tun hat. Denn einige Peers können einfacher beeinflusst werden als andere. Die bewusste Absicht bzw. Idee eines Systems wie der Peergroup ist demnach, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe zu seiner „wahren“ Identität findet bzw. diese bildet. Denn der „Aufbau der Identität […] erfolgt nie aus dem isolierten Subjekt allein, sondern immer aus der sozialen Beziehung mit anderen […] Vor allem in der Gruppe der Gleichaltrigen, in der Clique oder Peer-Group“ (Baacke, 1993, S. 202), wobei unmittelbar der grundlegende Stein und der Ansatz von dem vorausgegangenen Sozialisationsprozess durch die Familie gelegt wird. Die vermittelten und erlernten Einstellungen, Verhalten und Funktionsweisen der Peergroup auf den einzelnen Jugendlichen zeichnen sich demnach dadurch aus, dass dieser wiederum die Möglichkeit findet in dieser altershomogenen Gruppe Risiken einzugehen, Konflikte mit Erwachsenen zu bewältigen, Prestige und Wertschätzung zu erproben, solidarische Erfahrungen zu machen und Zuverlässigkeit, Mut, Führungsfähigkeit zu zeigen, d.h. „um den Wert seiner Vorstellungen, seiner Fähigkeiten und seines Verhaltens zu testen […] ist [er] auch auf seine peer-group als Bezugsrahmen angewiesen, um einschätzen zu können, wie intelligent, gut aussehend, ehrlich, beliebt etc.“ (Markou, 1981, S. 53) er ist. Demnach erfahren Jugendliche, die nicht einer Peergroup angehören, einen großen Verlust, da ihnen diese grundlegenden Peererfahrungen fehlen, um sich in der Gesellschaft zu Recht zu finden. Das erkennen die Jugendlichen zum Teil auch selber.

Beispielsweise sagt eine Jugendliche (2002): „Eigentlich bin ich` ne Einzelgängerin […] Ich zähle mich zu keiner Gruppe, dadurch bin ich erst mal schon seltsam, ich kann mich nicht integrieren“ (Lahn, 2000, S. 309). Diese Jugendlichen können insofern „zu Enge, Rigidität und einem übersteigerten individualisierenden Leistungsverhalten“ (Baacke, 1993, S. 247) neigen, sodass sie nicht imstande sein können ein eigenes Persönlichkeitsbild aufzuzeigen und Selbstbewusstsein aufzubauen. Denn die Erfahrungen und Aktivitäten, die in der Peergroup gemacht und getätigt werden sind zum großen Teil Lebenserfahrungen und Zukunftseinschätzungen die „von großer Bedeutung für das Selbstwertgefühl des Kindes“ (Markou, 1981, S. 53) sind. Im Gegensatz zu diesen „Einzelgängern“ zeigen die „Mitglieder der Jugendsubkultur […] insgesamt eine größere Selbständigkeit“ (Baacke, 1993, S. 244).

Somit hat die Peergroup und ihre Funktion als Einflussquelle eine wichtige Bedeutung, da sie in aller erster Linie die Persönlichkeit eines Menschen prägt und damit die Persönlichkeitsdetails wie Wertvorstellungen, Lebenseinstellungen, Zukunftsperspektiven, Leistungen etc. des Jugendlichen stark beeinflusst.

[...]


[1] In unserer heutigen Zeit gehören für die Jugendlichen neben den sportlichen Aktivitäten der Hip Hop und der Breakdance zu den unabdingbaren Entfaltungsmechanismen, wo sie ihre Emotionen und Aggressionen in Form von tänzerischem und gesanglichem Ausdruck verarbeiten und repräsentieren können.

[2] Seit den 90er Jahren kann man überwiegend von nationalitätenspezifischen Peergroups ausgehen. Dieser Trend ist dadurch zustande gekommen, dass sich gleichaltrige Jugendliche, die die gleichen musikalischen und tänzerischen Vorlieben und Interessen hatten, sich zu Hip Hop Bands und Breakdancern zusammengeschlossen haben, sodass dadurch eine große Welle ausgelöst worden ist. In diesem Zusammenhang sind Peergroups wie „Cartel“, „Microphone Mafia“, „Flying Steps“ usw. zu nennen, deren Mitglieder aus türkischen, deutschen, libanesischen und kurdischen Jugendlichen besteht.

[3] Neben dieser Interessenzuwendung können sich aber auch durch negative oder positive Errungenschaften und Erlebnisse, die innerhalb des schulischen sowie familiären Umfeldes entstehen, die Jugendlichen dazu verleiten, dass sie den Kontakt zu gleichaltrigen Mädchen und Jungen aufsuchen.

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der Peergroup auf jugendliche Migrantinnen und Migranten
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
44
Katalognummer
V285919
ISBN (eBook)
9783656858157
ISBN (Buch)
9783668139183
Dateigröße
573 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einfluss, peergroup, migrantinnen, migranten
Arbeit zitieren
Dipl.Soz.wiss. Feride Baduroglu (Autor:in), 2006, Der Einfluss der Peergroup auf jugendliche Migrantinnen und Migranten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285919

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