Grundlagen zu Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter


Akademische Arbeit, 2007

61 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation, Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Generelle Überlegungen zum Einsatz von Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter
2.1 Immaterielle Wirtschaftsgüter
2.1.1 Definition und Bedeutung der immateriellen Wirtschaftsgüter
2.1.2 Klassifizierung der immateriellen Wirtschaftsgüter
2.1.2.1. In der wissenschaftlichen Literatur
2.1.2.2. Im deutschen Immaterialgüterrecht
2.1.2.3. Im Handels- und Steuerrecht
2.1.3 Entstehungsmöglichkeiten sowie Eigennutzung, Einzelabrechnung und Umlagevertrag als Verwertungsalternativen von immateriellen Wirtschaftsgütern
2.2 Verrechnungspreise als betriebswirtschaftliches Steuerungsinstrument
2.2.1 Definition, Funktionen und Klassifizierungsmöglichkeiten von Verrechnungspreisen
2.2.2 Divisional organisierte und verbundene Unternehmen als Einsatzfelder der Verrechnungspreise
2.2.2.1. Divisional organisierte Unternehmen
2.2.2.2. Verbundene Unternehmen
2.2.3 Überblick über die Verrechnungspreismethoden
2.2.3.1. Betriebswirtschaftliche Verrechnungspreismethoden
2.2.3.2. Steuerliche Verrechnungspreismethoden
2.2.3.3. Geltungsbereich der Vorschriften
2.2.3.4. Korrekturvorschriften
2.2.3.5. Richtlinien

3 Resümee und Ausblick

4 Anhang

5 Literaturverzeichnis und weiterführende Literatur

1 Einleitung

1.1 Ausgangssituation, Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

Die Themen Verrechnungspreise und immaterielle Wirtschaftsgüter haben in der Wissenschaft und in der Praxis immer wieder Anlass zu Diskussionen gegeben, verursacht durch die jeweils aktuellen Wirtschaftsentwicklungen. Die herausragendste dieser bedeutsamen Entwicklungen ist die Tatsache, dass die immateriellen Wirtschaftsgüter eine immer wichtigere Rolle in der Wirtschaft spielen und zu den spannendsten Gebieten im Rahmen der Unternehmensführung, des Con­trollings und der Rechnungslegung gehören.1 Diese tragen momentan viel mehr als die materiellen Wirtschaftsgüter zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens bei.2 Die Problematik der Erfassung und der Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter3 ist in der Theorie und Praxis bereits umfassend diskutiert, die Fragen der Steuerung sowie der Gestaltung von Verrechnungspreisen sind dagegen trotz ihrer Bedeutung in der Vergangenheit viel weniger beachtet worden.4

Als zweite Entwicklungsrichtung kommt die Veränderung der wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen in Betracht, weshalb mehrere Unternehmen ihre Organisation anpassen mussten.5 In den Unternehmen setzt sich der Dezentralisierungstrend fort.6 Es entstehen Unternehmen mit einer divisionalen Organisation, bei denen die Zentralisation nach Objektgesichtspunkten vorgenommen wird und die einzelnen Divisionen für ihre Ergebnisse verantwortlich sind.7 Diese Entwicklung hat die Diskussion um die Verrechnungspreise belebt, da die Steuerung solcher divisional organisierten Unternehmen mit Hilfe von Verrechnungspreisen erfolgt.8

Die fortschreitende Globalisierung der Märkte und die verstärkte Internationalisierung von Unternehmensverbünden stellen die dritte Entwicklungsrichtung dar.9 Die unternehmensinternen grenzüberschreitenden Lieferungen und Leistungen spielen dadurch eine immer wichtigere Rolle.10 Die international tätigen Unternehmensverbünde versuchen, die Gewinne innerhalb des Verbundes so aufzuspalten, dass sie der hohen Besteuerung entzogen werden.11 Die Finanzverwaltungen müssen ihrerseits den Einsatz der gewinnverlagerungsneutralen Verrechnungspreise gewährleisten.12 Die steuerlichen verrechnungspreisbezogenen Themen, wie steuerliche Planung, Gestaltung und Anstrengungen zur Minimierung von steuerlichen Risiken, gewinnen somit in internationalen Unternehmensverbünden immer mehr an Bedeutung.13

Die Entmaterialisierung14 der Erfolgsfaktoren des Unternehmens, fortschreitende Dezentralisierung der Unternehmensorganisation und zunehmende Internationalisierung stellen somit eine besondere Herausforderung an ein Verrechnungspreissystem dar. Dies liefert hinreichende Gründe für die intensive Beschäftigung mit der Gestaltung von Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter in den Folgekapiteln. Die vorliegende Arbeit verfolgt somit das Ziel, einen umfassenden Überblick über theoretische Grundprinzipien und praktische Umsetzungsmöglichkeiten der Verrechnungspreisgestaltung für immaterielle Wirtschaftsgüter zu liefern. Die Arbeit befasst sich mit der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Verrechnungspreisproblematik im Zusammenhang mit der Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern sowohl in einzelnen divisional organisierten Unternehmen als auch in Unternehmensverbünden. Die Thematik wird aus der nationalen und der internationalen Perspektive betrachtet. Alle Ausführungen gehen von dem Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aus.

1.2 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit stellt zunächst die Ausgangssituation dar, anschließend werden Problemstellung und Zielsetzung formuliert. Daraus wird ersichtlich, dass für eine Analyse der Gestaltung von Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter die Veranschaulichung von grundlegenden Bausteinen erforderlich ist. In diesem Zusammenhang werden in Kap.2 die immateriellen Wirtschaftsgüter, die Verrechnungspreise und die Verknüpfung zwischen den beiden Themen beleuchtet. Kap.2.1 befasst sich dabei mit den immateriellen Wirtschaftsgütern. In Kap.2.1.1 und 2.1.2 wird auf die Bedeutung der immateriellen Wirtschaftsgüter im Unternehmen, vorhandene Definitionen und Klassifizierungen eingegangen. Dies ermöglicht die Abgrenzung eines für diese Arbeit relevanten Begriffes und der dazugehörigen Definition. Anschließend werden in Kap.2.1.3 die Entstehungsmöglichkeiten und Verwertungsalternativen von immateriellen Wirtschaftsgütern dargestellt, woraus wiederum die Einsatzmöglichkeiten von Verrechnungspreisen ersichtlich sind.

Nach der Darstellung der grundsätzlichen Überlegungen und Betonung der zunehmenden Rolle der immateriellen Wirtschaftsgüter als Erfolgsfaktoren eines Unternehmens in Kap.2.1 wird in Kap.2.2 das theoretische Konzept der Verrechnungspreise dargestellt, das eine wesentliche Grundlage für die Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern bildet. Zunächst wird in Kap.2.2.1 auf die Definition, Funktionen und Klassifizierungsmöglichkeiten von Verrechnungspreisen eingegangen. Danach werden in Kap.2.2.2 und 2.2.3 die Unternehmensarten, in denen der Einsatz von Verrechnungspreisen möglich ist, und die wesentlichen betriebswirtschaftlichen sowie gesetzlich vorgeschriebenen steuerlichen Verrechnungspreismethoden vorgestellt. Die Darstellung des rechtlichen Rahmens im Hinblick auf den Einsatz von Verrechnungspreisen rundet in Kap.2.2.4 den theoretischen Überblick ab.

2 Generelle Überlegungen zum Einsatz von Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter

2.1 Immaterielle Wirtschaftsgüter

2.1.1 Definition und Bedeutung der immateriellen Wirtschaftsgüter

Den immateriellen Wirtschaftsgütern wird ein steigender Anteil am Unternehmenserfolg und am Marktwert des Unternehmens beigemessen.15 Vor allem ist diese Entwicklung bei den wissensintensiven Unternehmen sichtbar, bei denen, wie aus der Abbildung1 erkennbar ist, der Marktwert weit über dem Buchwert liegt.16

Die Unterschiede sind vor allem durch das Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter begründet.17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verhältnis zwischen Markt- und Buchwert bei Produktionsunternehmen und wissensintensiven Unternehmen18

Das gestiegene Interesse aus Wissenschaft und Praxis an dem Bereich der immateriellen Wirtschaftsgüter zog die unterschiedlichsten Terminologien nach sich: Intangibles, Intangible Assets, Intellectual Capital, immaterielles Vermögen, immaterielle Werte u.a.19 Eine Verständigung auf eine einheitliche Verwendung der Be­griffe ist weder in der Literatur noch in den Gesetzen erkennbar.20 Die dazugehörigen Definitionen variieren ebenso stark.21

Das deutsche Handelsrecht verwendet den Begriff immaterieller Vermögensgegenstand.22 Der Begriff wird im Handelsgesetzbuch (HGB) nicht definiert, sondern nur in zwei Paragraphen erwähnt.23 §248 HGB enthält das Aktivierungsverbot „für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden.“24 §266 HGB ist reine Gliederungsvorschrift, die ebenso keine Definition enthält.25 Laut diesem Paragraphen können die immateriellen Wirtschaftsgüter in Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten, Geschäfts- oder Firmenwert und geleistete Anzahlungen aufgeteilt werden.26 Die in den Gesetzen und Gesetzeskommentaren vorhandenen Definitionen der einzelnen Kategorien werden anschließend in Kap.2.1.2.3 dargestellt.

Bei internationalen Angelegenheiten kann die Definition vom immateriellen Wirtschaftsgut aus den internationalen Rechnungslegungsvorschriften verwendet werden.27 Sie ist in dem International Accounting Standard (IAS)38 erläutert, der ein Bestandteil der vom International Accounting Standards Committee verabschiedeten International Financial Reporting Standards (IFRS) ist.28 IAS38 verwendet den Begriff immaterieller Vermögenswert, der als „ein identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz“29 definiert ist.30 Definitionskriterien sind die Eigenschaften wie Identifizierbarkeit31, Beherrschung32 und das Vorhandensein eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens33. IAS38 enthält außerdem eine Reihe von Beispielen für immaterielle Wirtschaftsgüter.34

Das deutsche Steuerrecht verwendet den Begriff immaterielles Wirtschaftsgut, wobei eine Definition des Begriffes fehlt.35 Deswegen orientiert sich die Bestimmung des Begriffes an den Grundsätzen der Rechtsprechung und Kriterien der Literatur.36 Laut der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Meinung in der Literatur sind der handelsrechtliche Begriff immaterieller Vermögensgegenstand und der steuerrechtliche Begriff immaterielles Wirtschaftsgut gleichzusetzen.37 Für die Bestimmung des steuerlichen Begriffes sind somit die in Kap.2.1.2.3 dargestellten Definitionen der einzelnen handelsrechtlichen Kategorien von immateriellen Wirtschaftsgütern einschlägig.

Eine wichtige Rolle für die Begriffsbestimmung spielen auch die Urteile des Bundesfinanzhofes (BFH). Die immateriellen Wirtschaftsgüter sind laut BFH diejenigen Wirtschaftsgüter, die körperlich nicht fassbar sind.38 Durch die Rechtsprechung entstand außerdem ein Katalog von steuerlich anerkannten immateriellen Wirtschaftsgütern, wie z.B. der Geschäfts- oder Firmenwert, Patente, Software und Markenrechte.39 In den Regelungen der Finanzverwaltung sind die beispielhaften Aufzählungen ebenfalls ausgeführt.40

Auf internationaler steuerlicher Ebene sind die Vorschriften der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) maßgebend. Nach diesen Vorschriften sind gewerbliche immaterielle Wirtschaftsgüter als „Patente, Know-how, Muster und Modelle, die für die Herstellung einer Ware oder für die Erbringung einer Dienstleistung verwendet werden, sowie immaterielle Rechte,…, welche an Kunden übertragen oder im Rahmen der Geschäftstätigkeit verwendet werden“41 und immaterielle Marketingwerte als „Marken und Firmennamen, welche die gewerbliche Verwertung eines Produktes oder einer Dienstleistung unterstützen, Kundenlisten, Vertriebskanäle und Einzigartige Namen, Symbole oder Bilder, die für das betreffende Produkt einen wichtigen verkaufsfördernden Wert haben“42 definiert.

Als stellvertretend für die in der Literatur vorhandenen Definitionen wird an dieser Stelle diejenige von Bauer erläutert, da sie die meisten genannten Definitionsbestandteile umfasst und der herrschenden Meinung nicht widerspricht.43 Unter immateriellen Wirtschaftsgütern werden somit in der Literatur “unkörperliche wirtschaftliche Güter, die selbständig verkehrsfähig sind, einen wirtschaftlichen Wert aufweisen und selbständig bewertet werden können“44 verstanden.

In Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff immaterielles Wirtschaftsgut verwendet. Im Hinblick auf die Definition sind die nationale und internationale steuerrechtliche Definition der immateriellen Wirtschaftsgüter von besonderer Bedeutung, da die nachfolgend behandelten Rechtsnormen sich auf diese Definitionen beziehen. Gleichzeitig ist anzumerken, dass die steuerrechtlichen Definitionen mit weiteren bereits vorgestellten Definitionen entweder deckungsgleich oder weitgehend übereinstimmend sind.45

Sehr stark variieren auch die Eigenschaften, die den immateriellen Wirtschaftsgütern zugeschrieben werden. Die meisten Wissenschaftler unterstellen dabei den Bezug zu dem Bereich Wissen und einen ökonomischen Wert.46 Unter anderem werden folgende Eigenschaften genannt: Nichtrivalität, hoher Fixkostenanteil, Profitierung von Netzwerkeffekten, erhöhtes Risiko bei Investitionen.47 Außerdem wurden sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung und Gesetzgebung mehrere Vorschläge zur Klassifizierung der immateriellen Wirtschaftsgüter ausgeführt, die im nachfolgenden Kap.2.1.2 vorgestellt und analysiert werden. Diese Analyse ermöglicht einen Überblick über die einzelnen Arten von immateriellen Wirtschaftsgütern.

2.1.2 Klassifizierung der immateriellen Wirtschaftsgüter

2.1.2.1. In der wissenschaftlichen Literatur

Bei der Klassifizierung in der Literatur überwiegt die Dreiteilung der immateriellen Wirtschaftsgüter in Humankapital, Kundenkapital und Strukturkapital.48 Es wurden auch detailliertere Klassifizierungen vorgenommen, die relativ wenige Überschneidungen enthalten und sinnvoll in der Praxis angewendet werden können.49 Es werden zwei oft zitierte detaillierte Klassifizierungen vorgestellt. Eine dieser Klassifizierungen ist der Vorschlag des amerikanischen Financial Accounting Standards Board, der die folgenden Kategorien umfasst: technologiebasiertes, kundenbasiertes, marktbasiertes, personalbasiertes, organisationsbasiertes und auf Verträgen und gesetzlichen Rahmenbedingungen beruhendes Vermögen.50 Es wurden somit die Kriterien der oben genannten Dreiteilung berücksichtigt.51 Dazu kommen die zusätzlichen vier Kategorien, die eine deutliche Erweiterung der Kategorisierung von immateriellen Wirtschaftsgütern darstellen.52

Die zweite detailliertere Klassifizierung nach dem Arbeitskreis der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschafte.V. erweitert die Kategorien ebenso von drei auf sieben: Location Capital, Human Capital, Process Capital, Customer Capital, Innovation Capital, Supplier Capital und Investor Capital.53 Auch diese Kategorisierung enthält das Humankapital, das Kundenkapital und das Prozesskapital.54 Dazu kommen weitere vier, teilweise mit der Kategorisierung des Financial Accounting Standards Board übereinstimmende Kategorien.55

In der Anlage1 im Anhang sind die Inhalte der einzelnen Kategorien kurz erläutert und einige Beispiele genannt.

2.1.2.2. Im deutschen Immaterialgüterrecht

Eine Klassifikation der immateriellen Wirtschaftsgüter kann außerdem durch die Analyse von einschlägigen geltenden Rechtsnormen vorgenommen werden. Daraus ergibt sich die Klassifikation in rechtlich geschützte und rechtlich ungeschützte immaterielle Wirtschaftsgüter.56 Nachfolgend werden wesentliche Normen des deutschen Immaterialgüterrechts, das seinerseits die Vorschriften des gewerblichen Rechtschutzes und des Urheberrechtes umfasst, vorgestellt.57 Dies impliziert die Veranschaulichung der einzelnen Arten von immateriellen Wirtschaftsgütern sowie deren Eigenschaften.

Die technischen Erfindungen, die „neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar“ sind,58 sind durch das Patentgesetz (PatG)59 geschützt. Zu den technischen Erfindungen gehören nicht die Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien, mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Pläne, Regeln und Verfahren für Spiele oder gedankliche oder geschäftliche Tätigkeit, EDV-Programme und die Wiedergabe von Information.60 Wer ein Patent anmeldet, erhält für 20Jahre das ausschließliche Recht, Erfindungen wirtschaftlich auszuwerten und das Benutzungsrecht in Form von Lizenzen oder durch die Veräußerung auf andere zu übertragen.61

Das Gebrauchmustergesetz (GebrMG)62 bildet die Rechtsgrundlage für alle patentierbaren Erfindungen im Sinne des §1 PatG außer den Verfahren.63 Gebrauchsmuster sind durch den im Vergleich zum Patentantrag reduzierten Prüfungsaufwand leichter anzumelden.64 Die Schutzdauer für die Gebrauchsmuster beträgt 3Jahre, eine Verlängerung auf bis zu insgesamt 10Jahre ist möglich.65 Ein Gebrauchsmuster kann ebenso wie ein Patent durch Verkauf oder Nutzungsüberlassung verwertet werden.66

Die ästhetisch wirkenden gewerblichen Gestaltungsformen stellen den Gegen­stand des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen, kurz des Geschmackmustergesetzes (GeschmMG)67 dar. Geschützt werden zweidimensionale Muster und dreidimensionale Modelle von Erzeugnissen, die neu sind und Eigenart haben.68 Als Beispiele können die ansprechende oder geschmackvolle Gestaltung von Industrieerzeugnissen, Tapetenmuster oder Keramikwarenmodelle genannt werden.69 Die Verwertung ist nach §§29 und 31 GeschmMG durch Verkauf und Lizenz möglich.70

Die Marken, geschäftliche Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben sind durch das Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG)71 geschützt.72 Die Marke kann ganz oder teilweise auf andere übertragen werden.73 Durch die Lizenzvergabe kann ein Nutzungsrecht eingeräumt werden.74

Außerdem unterliegen Pflanzenzüchtungen dem Sortenschutzgesetz (SortSchG)75 und elektronische Halbleitererzeugnisse dem Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (HalblSchG)76. Die Verwertung ist dabei in §11 HalblSchG i.V.m. §22 GebrMG und in §11 SortSchG geregelt.77

Alle bereits dargestellten Normen gehören zum deutschen gewerblichen Rechtschutz.78 Außerdem sind Werke aus Literatur, Wissenschaft und Kunst, die durch die persönliche geistige Schöpfung entstanden sind, durch das Urheberrecht79 geschützt.80 Die wichtigsten Rechtsnormen sind das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG), das Gesetz über das Verlagsrecht und das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie.81 Das Urheberrecht ist, außer im Fall der Vererbung, nicht übertragbar.82 Ein Nutzungsrecht kann aber eingeräumt werden.83

Ansonsten ist das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis eines Unternehmens durch die §§17–19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor Geheimnisverrat, Spionage und der unbefugten Verwertung oder Weitergabe von anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften geschützt.84

2.1.2.3. Im Handels- und Steuerrecht

Das deutsche Handelsrecht unterscheidet die folgenden drei Kategorien von immateriellen Vermögensgegenständen:

- Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten,
- Geschäfts- oder Firmenwert,
- geleistete Anzahlungen.85

Bei Konzessionen handelt es sich um durch die öffentliche Verwaltung verliehene öffentlich-rechtliche Befugnisse, die die Ausübung von bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeiten erlauben.86 Die gewerblichen Schutzrechte entsprechen den in Kap.2.1.2.2 dargestellten, durch den gewerblichen Rechtsschutz erfassten immateriellen Wirtschaftsgütern.87 Unter ähnlichen Werten und Rechten sowie Lizenzen an diesen werden alle immateriellen Wirtschaftsgüter verstanden, die nicht unter Konzessionen und gewerblichen Schutzrechten erfasst werden können und die weder zu den Sach- oder Finanzanlagen noch zum Umlaufvermögen gehören.88 Als Beispiele kommen Belieferungsrechte, Nutzungsrechte und Know-how in Betracht.89

Der Geschäfts- oder Firmenwert ist im HGB als ein Unterschiedsbetrag definiert, „um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt“90. Aus dieser Definition folgt, dass der Geschäfts- oder Firmenwert nicht selbstständig verkehrsfähig und bewertungsfähig ist und seine isolierte Übertragung nicht möglich ist, soweit er nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert ist.91 Der Firmenwert besteht folglich aus nicht separat aktivierten immateriellen Wirtschaftsgütern und weiteren Komponenten, wie z.B. Mehrpreis aufgrund des Verhandlungsgeschicks des Verkäufers.92 Der Firmenwert wird von einigen Experten nicht als immaterieller Vermögensgegenstand, sondern eher als eine Bilanzierungshilfe angesehen, obwohl er unter Anlagevermögen zu bilanzieren ist.93 Gleichzeitig wird angemerkt, dass es nicht mehr ausreicht, den Geschäfts- oder Firmenwert als verfahrenstechnischen Differenzbetrag zu betrachten.94 Dies geschieht in der Absicht, dem Geschäfts- oder Firmenwert aktuell eine Schlüsselrolle zur Unternehmensbeurteilung zuzuweisen, umfasst jedoch höchst unsichere wirtschaftliche Vor- und Nachteile.95

Die geleisteten Anzahlungen als letzte Gruppe beinhalten alle Anzahlungen, die den Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts zum Ziel haben.96

In den internationalen IFRS-Vorschriften wird keine Klassifizierung der immateriellen Wirtschaftsgüter innerhalb des Rahmens der Definition vorgenommen.97

Da das deutsche Steuerrecht sich an das Handelsrecht anlehnt, wird auch die handelsrechtliche Klassifizierung übernommen.98 Die internationalen steuerlichen Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen (OECD-Verrechnungspreisgrundsätze) unterteilen immaterielle Wirtschaftsgüter in solche, die Marketingzwecken dienen, und alle restlichen Wirtschaftsgüter.99 Zur ersten Gruppe gehören immaterielle Wirtschaftsgüter, die eine wesentliche Rolle bei der Produktvermarktung spielen, z.B. Kundenlisten, Vertriebswege und Marken.100 Zu den immateriellen Wirtschaftsgütern, die nicht den Marketingzwecken dienen, gehören insbesondere die auf Forschung und Entwicklung beruhenden und für die Produktion notwendigen immateriellen Güter, wie Patente, Know-how und Gebrauchsmuster.101 Die OECD-Verrechnungspreisgrund­sätze unterstreichen, dass es auch solche Güter gibt, die gleichzeitig zu beiden Kategorien gehören, und Güter, bei denen die Zuordnung besonders schwierig sein kann.102 Diese Klassifizierung ist von besonderer Bedeutung, da bei diesen Kategorien die Entwicklung und die Verwertung auf verschiedene Weise erfolgen, worauf in Kap.2.1.3 näher eingegangen wird.

Um den Überblick zu erleichtern, sind die Zusammenhänge zwischen den dargestellten Klassifizierungsvarianten in den Anlagen 2 und 3 grafisch dargestellt.

2.1.3 Entstehungsmöglichkeiten sowie Eigennutzung, Einzelabrechnung und Umlagevertrag als Verwertungsalternativen von immateriellen Wirtschaftsgütern

Die Marketingzwecken dienenden immateriellen Wirtschaftsgüter entstehen regelmäßig nicht durch Forschung und Entwicklung, sondern erhalten ihren Wert durch die Nutzung im Geschäftsverkehr und durch ihre Bekanntheit.103 Die Verwertung dieser immateriellen Wirtschaftsgüter erfolgt grundsätzlich nur durch die Nutzungsüberlassung.104

Die Produktionszwecken dienenden immateriellen Wirtschaftsgüter entstehen dagegen in der Regel im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.105 Diesbezüglich hat ein Unternehmen zu entscheiden, ob ein Forschungsprojekt intern durchgeführt oder an Dritte vergeben wird.106 Dabei kommen drei Alternativen in Form von Eigenforschung, Auftragsforschung und Gemeinschaftsforschung in Betracht.107 In diesem Zusammenhang gibt es einige für die Verrechnungspreisverwendung spezifische Situationen, die eine genaue Aufklärung erfordern.

Die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten in einem Unternehmen für eigene Zwecke und mit eigener Finanzierung wird als Eigenforschung bezeichnet.108 In diesem Fall ist das forschende Unternehmen Eigentümer des Wirtschaftsgutes und kann es nutzen, verkaufen oder zur Nutzung überlassen.109

[...]


1 vgl. Becker (2005), S.11

2 vgl. Matzler u.a. (2006), S.V

3 für Darstellung der Bewertungsmethoden und Erfassung der immateriellen Wirtschaftsgüter vgl. die Beiträge in Horvath und Möller (Hrsg., 2004)

4 vgl. Becker (2005), S.11

5 vgl. Daum (2002), S.171ff.

6 vgl. Kreuter (1999), S.VII und 3

7 vgl. Coenenberg u. a. (2007b), S.681

8 vgl. Ewert und Wagenhofer (2005), S.577

9 vgl. Bauer (2000), S.33

10 vgl. Bauer (2000), S.33

11 vgl. Schreiber (2005), S.352

12 vgl. Bauer (2000), S.34

13 vgl. Weber u.a. (2004), S.12

14 den Begriff verwenden Weber u.a. (2004), S.12

15 vgl. Kreis u.a. (2006), S.500

16 vgl. Kottbauer (2007), S.380

17 vgl. §248 II HGB

18 eigene Darstellung in Anlehnung an Kottbauer (2007), S.380

19 vgl. Kaufmann und Schneider (2006), S.28–31

20 vgl. Portner (1994), S.78

21 vgl. Kaufmann und Schneider (2006), S.28–31

22 vgl. §§248, 266 HGB

23 vgl. Bauer (2000), S.71

24 §248 II HGB

25 vgl. §266 HGB

26 vgl. §266 II HGB

27 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1382, Rdnr.7

28 vgl. IAS 38.8–8.17

29 IAS 38.8

30 vgl. IAS 38.8

31 für eine ausführliche Darstellung vgl. IAS 38.11 und 38.12

32 für eine ausführliche Darstellung vgl. IAS 38.13–38.16

33 für eine ausführliche Darstellung vgl. IAS 38.17

34 vgl. IAS 38.8ff.

35 vgl. §5 II EStG und Bauer (2000), S.87

36 vgl. Bauer (2000), S.87

37 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1390, Rdnr.24, Portner (1994), S.79, und BFH-Schreiben vom 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1998, S.351ff.

38 vgl. BFH-Schreiben vom 03.07.1987, III R 7/86, BStBl. II 1987, S.728

39 vgl. Weber-Grellet, in: Schmidt, Drenseck, §5 Rdnr.172f.

40 vgl. R 31 a, H 31a EStR und Tz.3.1.2.3 VGr

41 Tz.6.3 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

42 Tz.6.4 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

43 die herrschenden Definitionen von immateriellen Wirtschaftsgütern sind in Kaufmann und Schneider (2006), S.28–31, vorgestellt

44 Bauer (2000), S.79

45 vgl. Anlagen 2 und 3

46 vgl. Weber u.a. (2006), S.13

47 vgl. Müller (2006), S.9f.

48 vgl. Stewart (1997), S.75ff., Bukh u.a. (2001), S.87ff., Sveiby (1998), S. 30f. und Günther (2001), S.54f.

49 vgl. Weber u.a. (2006), S.15, 17

50 vgl. o.V. (2001), S.6f.

51 vgl. Weber u.a. (2006), S.15

52 vgl. Weber u.a. (2006), S.15

53 vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (2001), S.990 f.

54 vgl. Weber u.a. (2006), S.15

55 vgl. Weber (2006), S.15

56 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1383, Rdnr.9

57 zur Begriffsabgrenzung von Immaterialgüterrecht, gewerblichem Rechtschutz und Urheberrecht vgl. Pierson u.a. (2007), S.1ff.

58 §1 I PatG

59 für eine ausführliche Darstellung des Patentrechts vgl. z.B. Nirk und Ullmann (1999), S.1–151

60 vgl. §1 III PatG

61 vgl. §§16 I, 9 und 15 PatG

62 für eine ausführliche Darstellung des Gebrauchsmusterrechts vgl. z.B. Pierson u.a. (2007), S.103–113

63 vgl. §1 GebrMG und §2 Nr. 3 GebrMG

64 vgl. Pierson u.a. (2007), S.103

65 vgl. §23 I, II GebrMG

66 vgl. §22 GebrMG

67 für eine ausführliche Darstellung des Geschmackmusterrechts vgl. z.B. Hubmann u.a. (1998), S.230–253

68 vgl. §§1, 2 GeschmMG und Hubmann u.a. (1998), S.230

69 vgl. Bauer (2000), S.60, und Hubmann u.a. (1998), S.230

70 vgl. §§29, §31 GeschmMG

71 für eine ausführliche Darstellung des Markenrechts vgl. z.B. Pierson u.a. (2007), S.149–259

72 vgl. §1 MarkenG

73 vgl. §27 MarkenG

74 vgl. §30 MarkenG

75 für eine ausführliche Darstellung des Sortenschutzrechtes vgl. z.B. Nirk und Ullmann (1999), S.171–217

76 für eine ausführliche Darstellung des Halbleiterschutzrechts vgl. z.B. Nirk und Ullmann (1999), S.167–170

77 vgl. §11 HalblSchG und §11 SortSchG

78 vgl. Pierson u.a. (2007), S.1

79 für eine ausführliche Darstellung des Urheberrechts vgl. z.B. Pierson u.a. (2007), S.261–346

80 vgl. §§1, 2 II UrhG

81 vgl. Bauer (2000), S.66f.

82 vgl. §29 UrhG

83 vgl. §31 UrhG

84 vgl. §§17, 18 und 19 UWG

85 vgl. §266 II HGB

86 vgl. Dusemond u.a. (2006), S.12, Rdnr.14

87 vgl. Bauer (2000), S.74f.

88 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1380, Rdnr.2

89 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1381, Rdnr.2

90 §255 IV S.1 HGB

91 vgl. Ellroth und Brendt, in: Ellrott u.a., §255, Rdnr.511, Hoyos und Huber, in: Ellrott u.a., §247, Rdnr.424, Engler und Freytag (2004), S.1381, Rdnr.3, und BFH-Schreiben vom 16.09.1970, IR196/67, BStBl. II 1971, S.175f.

92 vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (2001), S.991

93 vgl. Dusemond u.a. (2006), S.12, Rdnr.15, Coenenberg u.a. (2007a), S.515, Knop und Küting (2006), S.115, Rdnr.428, und Ellroth und Brendt, in: Ellrott u.a., §255, Rdnr.511

94 vgl. Becker (2005), S.29

95 vgl. Becker (2005), S.29

96 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1382, Rdnr.6

97 vgl. IAS 38

98 vgl. die Ausführungen im Kap.2.1.1

99 vgl. Tz.6.3 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

100 vgl. Tz.6.4 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

101 vgl. Tz.6.3 und 6.8 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

102 vgl. Tz.6.5 und 6.12 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

103 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1403, Rdnr.63

104 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1403, Rdnr.63

105 vgl. Tz.6.3 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

106 vgl. Bauer (2000), S.147

107 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1399, Rdnr.53

108 vgl. Bauer (2000), S.147, und Engler und Freytag (2004), S.1400, Rdnr.55

109 vgl. Engler und Freytag (2004), S.1400, Rdnr.55

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Details

Titel
Grundlagen zu Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
61
Katalognummer
V286299
ISBN (eBook)
9783656863984
ISBN (Buch)
9783656864097
Dateigröße
698 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verrechnungspreise, immaterielle Wirtschaftsgüter, Globalisiserung, Wertsteigerung
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Anna Yaropolov (Autor:in), 2007, Grundlagen zu Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286299

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Titel: Grundlagen zu Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter



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