Peter von Polenz und seine „Faktoren des Sprachwandels“ angewandt auf die italienische Sprache


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Intention der Hausarbeit

2. Peter von Polenz und die vier Sprachfaktoren: Definitionen
2.1 Sprachökonomie
2.2 Innovation
2.3 Variation
2.4 Evolution

3. Die Anwendung der Faktoren auf die italienische Sprache
3.1 Sprachökonomie
3.2 Innovation
3.3 Variation
3.4 Evolution

4. Kritik an Peter von Polenz
4.1 Kritik von Rudi Keller
4.2. Persönliche Kritik

5. Schluss: Fazit und Ausblick in die Zukunft

6. Bibliographie und Quellen

1. Einleitung: Intention der Hausarbeit

„Le fleuve de la langue coule sans interruption“ hatte Saussure über die Sprache und deren fortlaufende Veränderung gesagt.1 Jeder Sprachzustand würde schon immer Ansätze zum Sprachwandel enthalten2, schreibt Peter von Polenz in seinem Werk zur deutschen Sprachgeschichte.

Zahlreiche Linguisten haben sich dem Thema Sprachwandel gewidmet und Theorien dazu aufgestellt. Peter von Polenz, einer der wichtigsten deutschen Linguisten mit dem Schwerpunkt Germanistik und Mediävistik, war einer davon. Im Bezug auf die deutsche Sprache, hatte er im ersten Band seines Werkes zur deutschen Sprachgeschichte, vier Faktoren für den Sprachwandel erläutert und erklärt.

Es ist hier anzumerken, dass Peter von Polenz die zu behandelnden vier Faktoren des Sprachwandels nicht selber begründet hat, sondern durch soziopragmatische Theorien des Sprachwandels3 dazu angeregt wurde, diese näher zu betrachten und mit seinen eigenen Thesen zu erklären und zu belegen.

Gegenstand dieser Hausarbeit wird es sein, diese vier Faktoren zu definieren und dann auf die italienische Sprache anzuwenden wobei hier zu untersuchen ist, inwiefern diese sich auf die italienische Sprache projizieren lassen und diese beeinflussen bzw. in der Vergangenheit beeinflusst haben.

2. Peter von Polenz und die vier Sprachfaktoren: Definitionen

2.1 Sprachökonomie

Sprachökonomie ist die (universelle) Neigung des Menschen, die Sprache in einer reduzierten Weise zu verwenden, um Zeit und Artikulationsaufwand zu sparen.

Dies erfolgt z.B. durch Auslassungen, Aussparungen, Ellipsen und unvollständige Sätze oder Wörter. Genauso lässt sich dieses Prinzip auf den Hörer anwenden, denn wie von Polenz betont, „entspricht [Sprachökonomisches Verhalten] oft auch den Erwartungsnormen der Gesprächspartner“4, da diese zum Einen im Normalfall nicht bis zum Ende jedes Wortes bzw. Satzes warten müssen, bis sie den Sprecher verstehen5 und zum Anderen sogar „Folgerungen“ daraus ziehen könnten, falls der Sprecher langweilig redet oder viele überflüssige Informationen in das Gespräch einbringt.6

Als Beispiele in der deutschen Sprache, lassen sich vor allem häufig verwendete Äußerungen und Ausdrücke nennen. So wird <haben> fast immer wie [ham], <ist> wie [is], <ein> wie ['n], <nichts> wie [nix] und <wenn es> wie [wenns] ausgesprochen, außer man befindet sich medial in der phonischen, konzeptionell aber in der distanziellen Situation und bemüht sich sehr beim Artikulieren.7

Die Wörter, die in der Sprache sehr oft verwendet werden bzw. auch früher verwendet wurden, sind meist die Kürzesten, so z.B. der, die, das, und, mit, ist, ein, es u.s.w.8

Es ist anzumerken, dass Peter von Polenz unter Bezug auf Hugo Moser zwei Typen der Sprachökonomie nennt. Zum Einen die Systembezogene Ökonomie mit den Merkmalen wie „Einsparung sprachlicher Mittel“ z.B. Kurzwörter („Bahn“ statt „Eisenbahn“). Der zweite Typ ist die Informationsbezogene Ökonomie, bei der „inhaltsbezogene Wirkungen systembezogener Sprachökonomie auf die kommunikative Effizienz“ untersucht werden. 9

2.2 Innovation

Das übliche sprachliche Inventar eignet sich nicht immer ausreichend für originelle und neue, autonome und nonkonformistische Handlungen. Deshalb werden gelegentlich sprachliche Neuerungen gebraucht. Diese werden eingebracht, entlehnt oder erfunden. 10

Grundsätzlich kann man laut von Polenz damit rechnen, dass „die Kommunikationspartner zur mitdenkenden Verstehens-Kooperation bereit, also lernfähig sind, so daß man ihnen gelegentlich auch neue sprachliche Ausdrücke (Neologismen) oder neue Verwendungen üblicher Ausdrücke zumuten kann.“11

Durch Entdeckungen z.B. neuer Gemüsesorten in Südamerika oder Tabak, durch die spanischen Eroberer, entstand das Bedürfnis, diese „Dinge“ zu benennen, allerdings so, dass es mit unserer Sprache einvernehmlich klingt. Deshalb wurden Begriffe wie z.B. „Mais“ und „Tabak“ entlehnt und morphologisch an die deutsche Sprache angepasst. So kommt das Wort „Mais“ aus dem Spanischen „maiz“ und das wiederum aus dem Arawakischen „mays“; „mahiz“ und „marisi“.12

Neue Erfindungen im technischen Bereich erfordern neue Bezeichnungen, sodass sich in diesem Feld ganze Wortgruppen gebildet haben. Oft werden hier Fachbegriffe aus dem Englischen entlehnt bzw. neue Äußerungen mithilfe des englischen Wortschatzes entwickelt. Medizinische Erfindungen und Bezeichnungen wie z.B. Antibiotika, Medikamente, Namen von Krankheiten und moderne Operationsmethoden, haben oft lateinische oder griechische Namen.

Durch Wortbildungen mithilfe von Verfahren wie Derivation, Komposition und Wortkürzungen13 entstehen neue, innovative Begriffe und Ausdrücke, die sich erfolgreich und schnell in die deutsche Sprache eingliedern können. Euphemismen wie „Raumpflegerin“ für „Putzfrau“ tragen dazu bei, dass eine andere, positive Konnotation entsteht.14 Auch durch Lehnwörter, Lehnsuffixe und Lehnübersetzungen aus anderen Sprachen werden kreative, neue Sprachelemente gebildet, die sich oft reibungslos in die Sprache einfügen.15

2.3 Variation

In unterschiedlichen Situationen, Kontexten und Gesellschaften, kann der Sprecher jeweils individuell entscheiden, welche sprachlichen Mittel und Varianten er für seine Zwecke verwenden wird. Oft sind Varianten16 durch institutionelle oder gesellschaftliche Konventionen mit Prestige oder aber negativem Empfinden, bis hin zu Sanktionen belegt.17

Durch Abkürzungen (siehe Sprachökonomie) und Innovationen, kommt es zu einer oftmals breiten Auswahl an Varianten, (partiellen) Synonymen und stilistisch-unterschiedlichen Begriffen.

Von Polenz nennt zunächst sprachliche Variationen wie z.B. die Graphemische Variation (ß/ss/sz) als Variante für <ß>, die Phonemische Variation, in der es um die verschiedenen Möglichkeiten der Aussprache des Phonems /r/ geht, die Wortbildungsvariation mit den Endungen der nomina qualitatis (-heit/-keit/-igkeit/-e/-ität) und die Morphosyntaktische Variation, in der er beschreibt, dass der Konjunktiv II (würde-Fügung) bei manchen Verben moderner klingt als Konjunktiv I.18

Weiterhin erklärt er die außersprachliche Variationsbereiche mit z.B. Regionalen Varianten, zu der die Mundarten, Dialekte oder bestimmte Äußerungen einer Region gehören. Die Soziolektalen Varianten sind gruppenspezifisch und beziehen sich auf die Sprache einer bestimmten Gruppe, z.B. von jungen Leuten (Jugendsprache), von Studenten (häufige Beispiele für Varianten dieser Gruppe sind Uni für Universität, Bib für Bibliothek und Prof für Professor) und von den Männern in der Bundeswehr. Die Funktionalen Varianten geben den selben Sachverhalt mit unterschiedlichen – jeweils stark negativ oder positiv konnotierten – Mitteln wieder, wie z.B. essen/ speisen/ fressen.19

Von Polenz betont, dass „Ein großer Teil der Sprachveränderungen [ …] aus Verschiebungen im System der Varianten, die als stilistische Alternative längst in der Sprache vorhanden sind [resultiert].“ 20

2.4 Evolution

Laut von Polenz ist die Sprache „veränderbar und zugleich veränderlich, weil ihre Existenzweise nicht in einer 'revolutionären' Abfolge von festen Zuständen und plötzlichen Veränderungen besteht, sondern in ständiger evolutionärer Bewegung.“21

Durch den ständigen Sprachgebrauch verändert sich die Sprache also manchmal auf eine Weise, die von den Sprachnutzern nicht vorhergesehen und nicht vorauszusehen war und zwar unabhängig davon, ob die Sprache einfach nur benutzt wurde oder ob sogar versucht wurde, auf die Sprache einzuwirken.22

Von Polenz erläutert und beleuchtet auch andere Theorien und Ansätze, die sich mit Sprachwandel und vor allem mit der sprachlichen Evolution befassen, wie z.B. die von Rudi Keller oder von Helmut Lüdtke.

Mehrmals ist es in der Sprachgeschichte passiert, dass beabsichtigte Sprachmaßnahmen zu nicht beabsichtigten Sprachwandel-Folgen geführt haben. So bewirkten die Übersetzungen, der reformatorischen Schriften vom Hochdeutschen in das Niederdeutsche, dass das Niederdeutsche unterdrückt und abgewertet wurde, obwohl die Reformationsbewegung das Niederdeutsche fördern wollte. Durch die Wort-für-Wort Übersetzungen waren die Texte stilistisch ganz anders als für das Niederdeutsche üblich und haben somit „die reiche mittelniederdt. Kirchenliteratur-Tradition publizistisch beiseitegeschoben“. Außerdem wurde „das Bedürfnis oder der Zwang zum originalen Luther-Text gefördert.“23 Ein weiteres Beispiel für nicht intendierte Sprachwandel-Folgen ist der sprachpuristische Wortersatz. Hierbei passiert es, dass ein Wort nicht durch die Verdeutschung verdrängt, sondern zur Variante wurde z.B. die deutsche Variante Anschrift neben Adresse (wobei Adresse bereits mit einer deutschen Wortfamilie in die Sprache etabliert war). Das Resultat war, dass die Postkunden die französische Entlehnung beibehielten und das verdeutschte Wort als „Wort der Amtssprache eine sozialdistazierende Konnotation erhielt.“24

[...]


1 Zu lesen im Buch Cours de linguistique générale. Es wurde 1916, also erst nach Saussures Tod 1913,

von zweien seiner Studenten mit Hilfe ihrer Vorlesungsmitschriften und Notizen veröffentlicht.

2 S. 28 in: Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band I. Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin/New York: de Gruyter.

3 Ebd. S.28; Explizit dazu werden Dieter Cherubim und Klaus J. Mattheier genannt.

4 S. 30 in: Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band I. Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin/New York: de Gruyter.

5 Siehe dazu die Top-Down Theorie: dieser nach, ist es oft ausreichend, den Anfang eines Wortes oder Satzes zu hören und das Gehörte mit bereits vorhandenem Wissen oder bereits gehörten Tatsachen zu verknüpfen, um den Sinn des Gesagten zu verstehen, noch bevor der Sprecher alles ausgesprochen hat.

6 S. 30 in: Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band I. Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin/New York: de Gruyter. Von Polenz bezieht sich auf die konversationellen Implikaturen von H. Paul Grice: Der Hörer könnte demnach zum Beispiel die Folgerung ziehen, dass der Sprecher ihn „für dumm verkaufen“ will, von etwas ablenken möchte oder sich „zu wichtig“ nimmt.

7 Vgl. dazu die Unterscheidung Medium vs. Konzeption von Söll 1947.

8 S. 31 in: Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band I. Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin/New York: de Gruyter. Von Polenz bezieht sich hier auf André Martinet.

9 Ebd. S.32-34; Das Zitat zur Informationsbezogener Ökonomie ist auf S.34.

10 Paraphrasiert nach der Polenz'schen Definition auf S. 28 in: Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band I. Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin/New York: de Gruyter.

11 Ebd. S. 38

12 <http://www.wissen.de/wortherkunft/mais> [Zugriff am 04.08.2014]

13 S.40 in: Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band I. Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Berlin/New York: de Gruyter. Von Polenz nennt noch weitere Arten der Wortbildung.

14 Ebd. S.41

15 Ebd. S.44 Auch hier nennt von Polenz weitere Arten der Entlehnung von Sprachelementen.

16 Es sollte unterschieden werden zwischen den Begriffen „Varianten“ und „Variation“. Varianten sind unterschiedliche Möglichkeiten, einen Sachverhalt darzustellen/ auszudrücken und die Variation ist die ganze Menge der Varianten.

17 Vgl. ebd. S.59

18 Ebd. S.61 – 62

19 Ebd. S.64 – 66

20 Ebd. S.28

21 Ebd. S.68

22 Paraphrasiert nach der Polenz'schen Definition auf S. 28 Ebd.

23 Ebd. S.71-74; die zwei Zitate zu den „reformatorischen Übersetzungen“ wurden von S.71 entnommen.

24 Ebd. S.74

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Peter von Polenz und seine „Faktoren des Sprachwandels“ angewandt auf die italienische Sprache
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V286435
ISBN (eBook)
9783656866312
ISBN (Buch)
9783656866329
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
peter, polenz, faktoren, sprachwandels, sprache
Arbeit zitieren
Margarita Mayzlina (Autor:in), 2014, Peter von Polenz und seine „Faktoren des Sprachwandels“ angewandt auf die italienische Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286435

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