Carl Schmitt. Theorie und Aktualität im "war on terror"


Hausarbeit, 2014

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Carl Schmitt als Denker der „Konservativen Revolution“

2. Der Begriff des Politischen
2.1 Freund-Feind-Beziehungen
2.2 Der Ausnahmefall und die Normalität
2.3 Die Souveränität des Staates
2.4 Die Legitimität des Krieges
2.5 Der Pluralismus der Staatenwelt
2.6 Schmitts Kritik am Liberalismus

3. Die Aktualität Carl Schmitts im „war on terror“

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Carl Schmitt als Denker der „Konservativen Revolution“

Als einer der bedeutendsten und zugleich umstrittensten politischen Denker des 20. Jahrhunderts gilt der deutsche Staats- und Völkerrechtler Carl Schmitt (1888-1985). In dieser Eigenschaft zählt Schmitt zu den Vertretern der „Konservativen Revolution“ in Deutschland, einer antidemokratischen, gegen die Weimarer Republik gerichteten, sehr heterogenen Strömung des politischen Denkens, die dem Nationalsozialismus nahe stand, ohne in ihm aufzugehen.1 Carl Schmitt lehrte als Professor an zahlreichen Universitäten, unter anderem in München, Greifswald und Berlin und beriet in der untergehenden Weimarer Republik als Experte für den „Ausnahmezustand“ die konservativen Präsidialkabinette. Zur Zeit des Nationalsozialismus war er seit 1934 als Hauptschriftleiter der „Deutschen Juristen-Zeitung“ tätig und beschäftigte sich vor allem mit dem Gebiet des Völkerrechts. Schmitt gilt als „Kronjurist des Dritten Reiches“, wenngleich die Bewertung seiner Stellung zum Nationalsozialismus bis heute sehr umstritten ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Carl Schmitt von den Amerikanern mehrfach verhaftet, verhört und schließlich doch freigelassen, was der US-Ankläger Robert Kempner folgendermaßen begründete: „Wegen was hätte ich den Mann anklagen sollen? Er hat keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, keine Kriegsgefangenen getötet und keine Angriffskriege vorbereitet.“2

Ebenso umstritten wie das Wirken und Leben von Schmitt ist die von ihm entwickelte Theorie. Während Schmitt für seine Theorie besonders nach dem Nationalsozialismus zahlreiche Kritiken einfährt, wird er beispielsweise von Herfried Münkler, nicht zuletzt aufgrund seiner Wirkung auf das Staatsrecht und die Rechtswissenschaft der frühen Bundesrepublik, als „Klassiker des politischen Denkens“3 geehrt. Aufgrund der radikalen Ablehnung des pluralistischen Liberalismus findet Schmitt bis heute Anhänger bei jenen, die dem Liberalismus gegenüber kritisch eingestellt sind.

Doch lässt sich die Person Carl Schmitt überhaupt von der von ihm entworfenen Theorie trennen oder muss beides als Gesamtwerk gelesen werden? Zur Beantwortung dieser Frage soll Schmitts Hauptwerk „Der Begriff des Politischen“ (1932) dienen, welches die Abwendung vom Politikmonopol des Staates beschreibt. Neben der Begriffsbestimmung des „Politischen“ und der Beschreibung von Freund-Feind-Beziehungen, sollen die Aussagen zum Pluralismus sowie die Kritik am Liberalismus untersucht werden. Abschließend soll die Aktualität der Theorie von Carl Schmitt am Beispiel des „war on terror“ belegt werden.

2. Der Begriff des Politischen

Schmitt beschreibt mit seinem Werk „Der Begriff des Politischen“ (1932) eine Theorie, die sich durch eine Abkehr vom Politikmonopol des Staates auszeichnet. Diese Abkehr entwickelt Schmitt in Form einer Theorie der Feindschaft und grenzt sich damit vom traditionellen, an Aristoteles orientierten Politikverständnis ab. Setzt das traditionelle Politikverständnis Politik (als „gute Ordnung“ menschlichen Zusammenlebens) und Staat gleich, grenzt sich Schmitt bereits im ersten Satz seiner Schrift davon ab: „Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus.“4. Demnach wird das Politische nicht nur in staatlichen Einheiten dargestellt, sondern auch in revolutionären Klassen, Nationen, politischen Parteien, Partisanen, Reichen und anderen kollektiven Akteuren. Da sich Staat und Gesellschaft gegenseitig durchdringen, kann jeder soziale Bereich unter bestimmten Umständen politisiert werden, auch die „neutralen“ Gebiete Religion, Kultur, Bildung und Wissenschaft.5 Grundlage für die Politisierung bildet dabei die Unterscheidung von Freund und Feind.

2.1 Freund-Feind-Beziehungen

Schmitt geht von verschiedenen Gegenstandsfeldern menschlichen Denkens und Handelns aus, die jeweils von einem Grundwiederspruch geprägt und auf einander angewiesen sind. Der Gegensatz in der Moral ist dabei die Unterscheidung von „gut und böse“, in der Ästhetik die Unterscheidung von „schön und hässlich“ und in der Wirtschaft die Unterscheidung in „rentabel und nicht-rentabel“. Mit dem Verschwinden dieser Grundunterscheidungen würde sich auch das jeweilige Gegenstandsfeld auflösen, wobei sich die Attribute der einzelnen Kategorien nicht gegenseitig bedingen. Ein hässlicher Gegenstand kann also sowohl ökonomisch rentabel, als auch ökonomisch irritabel sein.

Der Gegensatz von Freund und Feind ist dabei die spezifische politische Unterscheidung, auf die sich politische Handlungen und Motive zurückführen lassen. Schmitt stützt sich dabei auf der Annahme „[…],daß alle echten politischen Theorien den Menschen als 'böse' voraussetzen, d.h. als keineswegs unproblematisches, sondern als 'gefährliches' und dynamisches Wesen betrachten.“6 Dennoch ist unter Feind nicht der persönliche Feind (inimicus) dem man Antipathie entgegenbringt, sondern der öffentliche Feind (hostis) zu verstehen. Jeder ökonomische, moralische oder jede andere Gegensatz kann laut Schmitt politisiert werden, sobald er stark genug die Menschen in Freund und Feind zu gruppieren. Der Feindbegriff ist dabei kein symbolischer Begriff im Sinne eines Konkurrenten oder Diskussionsgegners und politische Entscheidungen sind immer an konkrete Situationen und festgelegte Normen gebunden: „Der Krieg folgt aus der Feindschaft, […].“7 Dabei ist der Feindbegriff eng mit dem Begriff des Kampfes verbunden, den an ihm kommt der Ernstfall an dem sich das Politische konstituiert am besten zum Ausdruck: „Die Begriffe Freund, Feind und Kampf erhalten ihren realen Sinn dadurch, daß sie insbesondere auf die reale Möglichkeit der physischen Tötung Bezug haben und behalten.“8.

Für Schmitt bedeutet Politik zwar schon die bloße Androhung physischer Gewalt, Kriege die aus humanitären, wirtschaftlichen oder anderen Gründen geführt werden und somit nicht der Sicherung des eigenen Daseins dienen, lehnt er jedoch ab: „[Der Krieg], die physische Tötung anderer Menschen, alles das hat keinen normativen, sondern nur einen Existenziellen Sinn […].“9. Für Schmitt ist der bewaffnete Konflikt Ausdruck der Realität, er betont aber mehrfach, dass er dem Krieg nichts Positives beipflichtet und ihn nicht als den eigentlichen Inhalt des Politischen empfindet.10

Des Weiteren besitzt nach Schmitt lediglich der Staat, als organisierte Einheit von Menschen, die Chance einen Feind im Sinne des hostis zu definieren. Dabei gilt die Voraussetzung, dass diese organisierte Einheit die reale Möglichkeit besitzt, eine Unterscheidung von Freund und Feind mit allen Konsequenzen zu treffen und (im Bedarfsfall) in der Lage ist Krieg zu führen. Es ist nicht entscheidend, wie aussichtsreich solch ein Krieg ist, oder auf welchem technischen Niveau er geführt wird, ausschließlich die prinzipielle Bereitschaft den (bewaffneten) Kampf für den Erhalt der eigenen Existenz aufzunehmen ist bedeutend. Zwar räumt Schmitt auch die Möglichkeit der Neutralität von Staaten ein, er geht aber davon aus, dass mit dem Ende der Unterscheidung von Freund und Feind auch die Neutralität ihren Sinn verloren hätte.

2.2 Der Ausnahmefall und die Normalität

Für Schmitt orientiert sich stark an dem Ausnahme- bzw. Ernstfall und auch der Krieg stellt seiner Meinung nach nichts anderes als den „Ernstfall“ dar. Dieser Ernst- oder Ausnahmefall hat dabei besondere Bedeutung für die Freund-Feind-Unterscheidung, da sich durch ihn beide Gruppen voneinander abgrenzen und ihre wahre Gesinnung offenbaren: „Die Ausnahme ist interessanter als der Normalfall. Das Normale beweist nichts, die Ausnahme alles; sie bestätigt nicht nur die Regel, die Regel lebt überhaupt nur von der Ausnahme.“11. Wie die beiden Bereiche Freund und Feind gehören auch Ausnahme- und Normallfall zusammen und bedingen sich gegenseitig, denn durch die Ausnahme wird überhaupt erst durch den Normalfall konzipiert.

Als Normalzustand bezeichnet Schmitt den intakten Staat, der in der Lage ist souveräne Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung dafür, dass ein Staat souveräne nach außen handeln kann, ist dabei die Ruhe, Sicherheit, Ordnung sowie die Durchsetzung von Rechtsnormen nach innen.12

2.3 Die Souveränität des Staates

Auch für die Bestimmung der Souveränität eines Staates hat der Ernstfall laut Schmitt eine große Bedeutung, so ist für ihn nur jene Gruppe politisch, die sich am Ernstfall orientiert. Ein souveräner Staat muss daher immer und in jeder Situation das Entscheidungsmonopol (autoritas, non veritas facit legem) besitzen. Wie bereits im vorherigen Punkt angeführt ist es der Ausnahmefall, in dem der Souverän den Feind dieser politischen Einheit bestimmt. Dazu führt Schmitt nun weiter aus: „[…] infolge der Orientierung am möglichen Ernstfall des effektiven Kampfes gegen einen effektiven Feind ist die politische Einheit notwendig entweder die für die Freund- oder Feindgruppierung maßgebende Einheit und in diesem (nicht in irgendeinem absolutistischen) Sinne souverän, oder sie ist überhaupt nicht vorhanden.“13. Durch Existenz eines Feindes wird die Existenz des Staates überhaupt erst möglich und erklärt so, warum Schmitt ihn nicht von Anfang an als Staatsfeind bezeichnet.14

Neben der Souveränität des Staates kennzeichnet ihn das ius belli, d.h. die reale Möglichkeit der politischen Einheit des Staates durch einen Krieg von ihren Mitgliedern Todes- oder Tötungsabsichten gegenüber einem Feind zu fordern. Das Volk muss also bereit sein für seine eigene Existenz einzustehen und für seine Unabhängigkeit zu kämpfen.15 Des Weiteren besitzt der Staat durch das jus vitae ac necis, die alleinige Befugnis über Leben und Tod in Form eines Strafrechtsurteils, zu urteilen: „Durch die Macht über das physische Leben der Menschen erhebt sich die politische Gemeinschaft über jede Art von Gemeinschaft oder Gesellschaft.“16. Da nur der Staat die Befugnis besitzt einen Krieg zu führen stellt sich die Frage, welche Formen des Krieges Schmitt überhaupt für legitim hält.

2.4 Die Legitimität des Krieges

Für Schmitt besitzt ausschließlich der Krieg zur Sicherung der eigenen Existenz einen legitimen Sinn, Kriege aus ökonomischer Gesinnung lehnt er ab. So beschreibt er den Krieg als „[…] Realität einer Situation des wirklichen Kampfes gegen einen wirklichen Feind, nicht [gegen] irgendwelche Ideale, Programme oder Normativitäten.“17. Kein politisches Ideal, kein Programm und keine ethnische oder juristische Norm rechtfertigen, dass sich Menschen gegenseitig töten. Nur durch die Existenz eines real existierenden Feindes erachtet es Schmitt für politisch Sinnvoll, dass sich ein Staat auch physisch zur Wehr setzt. Dabei ist es wichtig, dass ein Staat selbst bestimmt wer ihm gegenüber als Feind auftritt, da darin das Wesen seiner politischen Existenz liegt. Verliert der Staat diese Möglichkeit, verliert er auch seine politische Existenz.

[...]


1 Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des Nationalsozialismus zwischen 1918 und 1933.Dtv. München 1978

2 Darnstädt, Thomas: Mephisto als Untertan. In: Spiegel Special Geschichte. 1/2008. S. 30.

3 Vgl. Münkler, Herfreid: Erkenntnis wächst am Rande. In: Die Welt. 07.04.2005. Online verfügbar unter: http://www.welt.de/print-welt/article583822/Erkenntnis-waechst-an-den-Raendern.html (abgerufen am 26.02.2014)

4 Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen. Text mit einem Vorwort und drei Corollarien. (3. Auf. der Ausg. von 1963). Duncker & Humblot. Berlin 1991. S. 20

5 Vgl. Ebd. S 23 f.

6 Ebd. S. 61

7 Ebd. S. 33

8 Ebd. S. 49

9 Ebd. S. 49

10 Auf Seite 29 heißt es dazu: „[…], daß dieser Gegensatz [zwischen Freund und Feind] auch heute noch wirklich und für jedes politisch existierende Volk als reale Möglichkeit gegeben ist kann man vernünftigerweise nicht leugnen.“. Dazu führt Schmitt auf Seite 37 weiter aus: „Das Politische liegt nicht im Kampf selbst […]“

11 Ebd. S. 21 f.

12 Vgl. Ebd. S. 35 ff.

13 Ebd. S. 40

14 Vgl. Mehring, Richard: Politische Ethik in Max Webers „Politik als Beruf“ und Carl Schmitts „Der Begriff des Politischen“. In: Politische Vierteljahresschrift, Heft 4, 31. Jahrgang (1990). S. 621 ff.

15 Vgl. Schmitt, Carl: BdP S.46 Schmitt ergänzt, dass viele Staaten freiwillig aus die Ausübung des jus bellis verzichten werden, da aufgrund des technischen und militärischen Fortschritts einige Staaten übermächtig werden.

16 Ebd. S. 48

17 Ebd. S. 49

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Carl Schmitt. Theorie und Aktualität im "war on terror"
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft & Japanologie)
Veranstaltung
Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
13
Katalognummer
V286711
ISBN (eBook)
9783656876076
ISBN (Buch)
9783656876083
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Carl Schmitt, Weimarer Republik, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, Konservatismus, Konservativismus, Konservatives Denken
Arbeit zitieren
Alexander Wittwer (Autor:in), 2014, Carl Schmitt. Theorie und Aktualität im "war on terror", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286711

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