Selbststeuerung im pädagogischen und psychologischen Kontext

Die Persönlichkeit und das Lernumfeld als Basis für motiviertes und erfolgreiches Lernen


Master's Thesis, 2014

48 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Theoretische Grundlagen der Selbststeuerung
1.1 Begriffsklärung
1.2 Selbststeuerung nach Heinz Mandl & Gabi Reinmann-Rothmeier
1.2.1 Motivation
1.2.2 Interesse
1.2.3 Soziale Einflüsse
1.2.4 Strategien zur Selbstregulation und Selbstkontrolle
1.3 Selbststeuerung nach Horst Siebert
1.3.1 Emotionaler und kognitiver Prozess
1.3.2 Kognitive und emotionale Voraussetzungen für die Selbststeuerung
1.3.3 Metaemotionale Reflexion
1.4 Selbstgesteuertes Lernen nach Franz G. Deitering
1.4.1 Metakognition
1.4.2 Lernmotivation
1.5 Kritische Würdigung

2 Charakterbildung
2.1 Begriffsklärung
2.2 Charaktereigenschaften
2.3 Selbststeuerung begünstigende Charakterbildung
2.3.1 Resilienz
2.4 Selbststeuerung verhindernde Charakterbildung
2.4.1 Verzärtelung und Verwöhnung
2.4.2 Strenge
2.4.3 Verwahrlosung
2.4.4 Faulheit
2.4.5 Narzissten und Egomanen
2.5 Kritische Würdigung

3 Lerntheorien
3.1 Begriffsklärung
3.2 Behaviorismus
3.2.1 Operante Konditionierung
3.2.2 Lehr- und lerntheoretische Konsequenzen des Behaviorismus
3.3 Soziales Lernen
3.3.1 Lehr- und lerntheoretische Konsequenzen des sozialen Lernens
3.4 Gestaltpsychologie
3.4.1 Lehr- und lerntheoretische Konsequenzen der Gestaltpsychologie
3.5 Konstruktivismus
3.5.1 Lehr- und lerntheoretische Konsequenzen des Konstruktivismus
3.6 Kritische Würdigung

4 Die Rolle der Erwachsenenbildnerin, des Erwachsenenbildners
4.1 Begriffsklärung
4.2 Wie Lernen Erwachsene?
4.3 Förderung der Selbststeuerung
4.3.1 Direkte Förderung über Strategietraining
4.3.2 Indirekte Förderung über die Lernumgebung
4.3.3 Methodik
4.4 Rolle der Lehrperson
4.5 Kritische Würdigung

5 Schlussfolgerungen
5.1 Welche Voraussetzungen sind erforderlich für ein selbst gesteuertes Lernen in der Erwachsenenbildung?
5.2 Welche Charaktereigenschaften sind vorteilhaft, um die Voraussetzungen zu erfüllen?
5.3 Welche Lerntheorie unterstützt die Selbststeuerung am besten?
5.4 Welchen Einfluss hat die Erwachsenenbildnerin, der Erwachsenenbildner? Inwiefern können sie die Selbststeuerung im Erwachsenenalter positiv beeinflussen?

6 Fazit

Einführung

Selbststeuerung ist ein hochaktuelles Thema und ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Schulkarriere. Der Unterricht in den Schulen baut immer wie mehr auf eine gute Selbstkompetenz und die Jugendlichen müssen fähig sein sich Unterrichtsstoff selbst zu erarbeiten. Junge Erwachsenen, die der Selbststeuerung nicht mächtig sind haben grosse Mühe ein Universitätsstudium, oder eine höhere Ausbildung, erfolgreich abzuschliessen. Dies belegen die grossen Abbruchquoten der Universitäten.

In diesem Buch wird beschrieben, was die pädagogische und die psychologische Selbststeuerung ausmacht und welche Charaktereigenschaften vorhanden sein müssen, um selbst gesteuert lernen zu können. Wie sollte denn Unterricht, welcher die Selbststeuerung fördert aufgebaut sein und welche Lerntheorien sollte er beinhalten? Auch diese Themen werden erläutert. Um eine Vielfalt von Meinungen zu gewährleisten, kommen verschiedene Autoren zu Worte, die miteinander verglichen werden.

Dieses Buch entstand auf Grund der Masterarbeit für Adult and Professional Education. In

1 Theoretische Grundlagen der Selbststeuerung

Selbststeuerung ist ein Schlagwort, das häufig angetroffen wird. Was ist denn eigentlich genau die Selbststeuerung? Um den Begriff zu klären, werden verschiedene Autoren begutachtet und ihre Gemeinsamkeiten oder Differenzen, in Bezug auf die Selbststeuerung, erläutert.

1.1 Begriffsklärung

Meuler meint, bei der Selbststeuerung oder dem selbstbestimmten Lernen, gehe es um Verrichtungen, die auf das Ich einer sich selbst bewussten Person zurückzuführen sind (vgl. Meuler, 2001, S. 81). Dies ist die psychologische Seite der Selbststeuerung. Die Person verfügt über ein Bewusstsein und kann sich selbst reflektieren. Es braucht die selbstständige Handlung, also die Selbsttätigkeit, um schlussendliche Selbstständigkeit zu erlangen (vgl. Meuler, 2001, S. 82). Dies ist die pädagogische Seite. Das Lernen wird selbst verantwortet und selbst organisiert. Das Ich ist in der Lage, aufgrund schon vorhandener Lernstrategien, benötigte Informationen zu beschaffen und erfolgreich zu verarbeiten, um so die verlangten Fertigkeiten zu erlangen und auch umzusetzen (vgl. Meuler, 2001, S. 83-84).

Nach Mandl wird bei der Selbststeuerung der Lernprozess eigenständig überwacht und es wird selbst bestimmt welche Massnahmen zu ergreifen sind, um zu dem verlangten Wissenserwerb zu gelangen. Verwandte Begriffe für Selbststeuerung sind: autonomes Lernen, selbst reguliertes Lernen oder selbst organisiertes Lernen. Entscheidend an dem Begriff Selbststeuerung, ist der hohe Anteil der Selbstbestimmung im Lernprozess (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 463-464).

1.2 Selbststeuerung nach Heinz Mandl & Gabi Reinmann-Rothmeier

Wissenserwerb, also lernen, ist ein aktiver, selbst gesteuerter und sozialer Prozess. Neues Wissen kann nur mit einer aktiven Beteiligung der Lernenden stattfinden. Dazu braucht es Motivation und auch Interesse am Stoff, der gelernt werden sollte. Der Prozess des Wissenserwerbs unterliegt der Selbststeuerung und Kontrolle der Lernenden. Lernen ohne jegliche Selbststeuerung ist nicht möglich (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 459). Die Selbststeuerung beim Wissenserwerb kann sich auf verschiedene Aspekte beziehen, als da wären: die Vorbereitung des Lernens, der Prozess des Lernens selbst, die Bewertung der eigenen Leistung, die Hochhaltung der Konzentration sowie der Motivation und schlussendlich die Metakognition des eigenen Lernens (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 464). Der Lernprozess ist konstruktiv. Neues Wissen muss in bestehende Wissensstrukturen eingebaut werden können, damit es genutzt werden kann. Es wird aufgrund individueller, früherer Erfahrungen interpretiert und adaptiert. Lernen ist stark situativ geprägt und auch abhängig von den soziokulturellen Einflüssen, denen der Lernende ausgesetzt war. Daher ist es auch ein sozialer Prozess (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 459-460). Diese soziokulturellen Einflüsse und die früher gemachten Erfahrungen, spielen auch eine Rolle bei der psychologischen Selbststeuerung. Beim selbst gesteuerten Wissenserwerb bestimmen die Lernenden selbst, welche Massnahmen zu ergreifen sind, um den Lernprozess zu steuern und auch zu überwachen. Dabei sind die emotionalen Gesichtspunkte und wie oben erwähnt, die Motivation, auf keinen Fall ausser Acht zu lassen. Die Prozesse, die beim Lernen intern ablaufen, liegen in der Verantwortung der Lernenden selbst. Selbst verantwortet ist auch, die vorhandenen Möglichkeiten, für den Lernzuwachs zu nutzen. Ebenso müssen die Lernenden fähig sein, das Lernen selbst zu organisieren und es mit all ihren anderen Verpflichtungen in Einklang zu bringen (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 464-465).

Wie Heinz Mandl und Gabi Reinmann-Rothmeier erwähnen, ist die Selbststeuerung somit von verschiedenen Komponenten abhängig. Zu erwähnen sind die emotionalen Faktoren, die Motivation, die sozialen Einflüsse und das Interesse am zu lernenden Stoff. Friedrich und Mandl erachten auch die Strategien zur Selbstkontrolle und Selbstregulation beim Lernprozess als wichtig (vgl. Friedrich, & Mandl, 2006, S. 5).

1.2.1 Motivation

Da Lernen ein aktiver Prozess ist, ist der Motivation grosse Beachtung zu schenken. Früher kam vor allem die behavioristische Motivation zum Tragen, die versuchte, die Lernenden durch äussere Reize zu aktivieren und vom Lernen zu überzeugen. Dies nennt man extrinsische Motivation. Lernen, das effektiv sein soll, ist aber von intrinsischer Motivation abhängig. Es ist dann intrinsisch motiviert, wenn es um seiner selbst willen geschieht und somit absolut selbstbestimmt ist. Nach der Selbstbestimmungstheorie beruht die intrinsische Motivation auf einem grundlegenden psychischen Bedürfnis, nämlich auf dem Bedürfnis nach Kompetenz und Selbstbestimmung. Um die intrinsische Motivation hochzuhalten, braucht es beim Lernen ein optimales Anforderungsniveau. Das heisst, die zu lernende Materie darf nicht zu einfach, aber auch nicht zu schwierig sein. Die Fantasie sollte dabei beflügelt werden und es muss eine gewisse Neugierde, in Bezug auf den Wissenserwerb, vorhanden sein. Es braucht eine realistische Kompetenzerwartung, seitens der Lernenden, und sie müssen fähig sein, ihr Verhalten zu kontrollieren und zu steuern (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 461-462). Hier kommt wieder die psychologische Seite der Selbststeuerung zum Tragen.

1.2.2 Interesse

Das Interesse für einen bestimmten Wissenserwerb ist bei allen Lernenden spezifisch, auf ihr Selbst als Mensch bezogen. Es besteht also eine Verbindung zwischen dem zu lernenden Stoff und dem Menschen selbst. Je profunder diese Beziehung, umso grösser und breiter der Wissenserwerb. Haben die Lernenden bestimmte Vorlieben für gewisse Tätigkeiten oder Wissensgebiete, so kann das Lernen und das Verstehen des Gelernten erleichtert, wie auch positiv beeinflusst werden. Dabei spielen positive Gefühle eine grosse Rolle. Geht man völlig in einer Tätigkeit oder im Lernen auf, kann ein Flow-Erleben erreicht werden. Beim Lernen ist es wichtig, auf schon vorhandenen Interessen aufzubauen und so vielleicht auch neue Wissensgebiete zu erschliessen (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 462-463).

1.2.3 Soziale Einflüsse

Jeder Prozess des Lernens ist ein sozialer Prozess und dadurch auch abhängig von sozio-kulturellen Einflüssen. Alle Lernende bringen bestimmte sozio-kulturelle Einflüsse mit. Kultur und Wissenserwerb beeinflussen sich. Nicht in jeder Kultur läuft der Wissenserwerb gleich ab. Nicht in jeder Kultur wird gleich gelehrt. Wissen und Bedeutung des Wissens, sowie welches Wissen in welcher Kultur wichtig ist, ist immer sozialer Natur. Lernen heisst nicht nur Fertigkeiten und Fähigkeiten zu erlernen, es heisst auch sich in dieser Kultur übliche Überzeugungen, Gewohnheiten und Lernstile anzueignen. Der Lernende beginnt als Anfänger und wird dann allmählich zum Experten. Dadurch, dass er mit anderen Lernenden im Austausch ist, wird die individuelle Anstrengung gefördert. Die Lernenden profitieren von den Partnern mit denen sie sich in einer Kooperation befinden (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 470-471). Wie schon oben erwähnt, haben die sozialen Einflüsse, also in welcher Umgebung und Kultur die Menschen aufwachsen, einen wesentlichen Einfluss auf die psychologische Selbststeuerung, sprich Charakterbildung (vgl. Adler, 1991, S. 107).

1.2.4 Strategien zur Selbstregulation und Selbstkontrolle

Strategien zur Überwachung des Lernprozesses, das heisst die Planung, die Bewertung und die Überwachung des eigenen Lernens, können auch metakognitive Strategien genannt werden. Es wird zum Beispiel überlegt, wie eine Aufgabe am besten gelernt werden kann, ob etwas nochmals gelernt werden muss, oder ob das Gelernte befriedigend ist. Diese metakognitiven Prozesse sind Kernelemente des selbst gesteuerten Lernens, damit des Lernerfolges und spielen eine wichtige Rolle (vgl. Friedrich, & Mandl, 2006, S. 5).

Metakognitive Strategien sind den kognitiven Lernstrategien übergeordnet. Sie sind nicht an der Verarbeitung des Lernstoffes beteiligt, sondern überwachen und regulieren die kognitiven Strategien. Eine metakognitive Überwachungsstrategie ist zum Beispiel, wenn während des Lernprozesses innegehalten wird, um zu überprüfen, ob mit der gewählten Lernform das Ziel erreicht wird. Ist dies nicht der Fall, wird mittels der metakognitiven Regulationsstrategie eine andere Lernform gewählt und so die Vorgehensweise reguliert (vgl. Leutner, & Leopold, 2006, S. 162).

1.3 Selbststeuerung nach Horst Siebert

Selbst gesteuertes Lernen ist abhängig von der Haltung, die einem Menschen eigen ist. Die Haltung, oder die Werte, die er besitzt, sind seine grundlegenden Einstellungen gegenüber der Welt und anderen Menschen. Diese Werte machen die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen aus. Die Haltung gegenüber der Welt kann offen oder defensiv sein, der Mensch kann optimistisch oder pessimistisch der Welt gegenüberstehen. Er kann ein stabiles, positives Selbstbild haben oder ein mutloses, negatives. Um selbst gesteuert Lernen zu können, braucht es eine positive Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten, Interesse an Neuem, an den Mitmenschen, an der Welt. Es braucht Neugier, um ein Problem anzugehen und nach Antworten zu suchen. Es braucht Offenheit zum Experimentieren und auch die Bereitschaft, sich verunsichern zu lassen. Lernen muss Freude bereiten (vgl. Siebert, 2009, S. 33). Horst Sieber beschreibt hier die psychologische Seite der Selbststeuerung. Er erachtet zum Beispiel die grundlegenden Einstellungen gegenüber der Welt und den Mitmenschen als wichtig. All dies macht die Persönlichkeit eines Menschen aus. Selbststeuerung ist biografieabhängig, selbst verantwortet, ein emotionaler und kognitiver Prozess und braucht einen sozialen Kontext (vgl. Siebert, 2009, S. 32).

1.3.1 Emotionaler und kognitiver Prozess

Um selbst gesteuert Lernen zu können, braucht es eine reflexive Selbstbeobachtung und das Bewusstsein, sein Lernverhalten ändern zu können. Es braucht realistische Ziele und die Lernenden sollten sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst sein. Ebenso sollte geklärt sein, was als wichtig und unwichtig erachtet wird. Im selbst gesteuerten Lernen werden Emotionen frei, die wahrgenommen und eingeordnet werden sollen. Zum Beispiel ist es möglich, dass sich Widerstände aufbauen, wenn unser Alltagswissen infrage gestellt wird. Passt das neu gewonnene Wissen nicht in die schon bestehenden Strukturen, bilden sich Irritationen. Diese Widerstände gilt es einzuordnen. Lassen sich die Lernenden zu stark verunsichern, leidet die Selbstsicherheit. Lassen sie sich aber überhaupt nicht verunsichern, ist es unmöglich zu lernen (vgl. Siebert, 2009, S 36-37).

Selbststeuerung beim Lernen sollte als Bereicherung erfahren werden. Die Selbststeuerung ist erfolgreich, wenn die Lernenden sehen, dass sie nun etwas begriffen, eine schwierige Aufgabe gelöst, eine Fertigkeit erlernt, oder wenn sie einen Einblick in eine neue Welt gewonnen haben. Je wichtiger die gelernte Sache ist, umso nachhaltiger ist diese Erfahrung. Intensiv lernen heisst, sich voll und ganz einer Sache hingeben zu können und in einen Flow-Zustand zu gelangen. Es bildet sich ein Glücksgefühl, eine Selbstzufriedenheit und die Lernenden sind intrinsisch motiviert. Geglücktes Lernen heisst oft, während einer bestimmten Zeit auf andere Tätigkeiten, die vielleicht mehr Spass gemacht hätten, zu verzichten. Diese Bereitschaft auf den Verzicht sollte vorhanden sein (vgl. Siebert, 2009, S. 38-39).

1.3.2 Kognitive und emotionale Voraussetzungen für die Selbststeuerung

Selbstständig Lernende haben in etwa folgende Fähigkeiten: Sie sind anpassungsfähig, besitzen die Fähigkeit zur Selbstregulation und Selbstkontrolle, haben einen Wissensdrang, sind offen für Neues, verfügen über logische und analytische Vorgehensweisen und Lernstrategien, haben ein positives Selbstbild und sind selbstbewusst. Sie sind zielstrebig und beharrlich, verlieren nicht sofort die Geduld und setzen sich realistische Ziele (vgl. Siebert, 2009, S. 59-60). Es braucht die Überzeugung, dass ein Problem selbstständig gelöst werden kann. Diese Überzeugung wurde durch frühere Lernerfolge, aber auch Misserfolge angeeignet. Bei einem Misserfolg werden die selbstständig Lernenden nicht an der eigenen Kompetenz zweifeln, sondern sie werden Lehren daraus ziehen, um einen nächsten Misserfolg zu vermeiden. Die Lernenden haben sich Strategien zur Bewältigung des Lernprozesses angeeignet. Sie verfügen über metakognitives Wissen, zum Beispiel kennen sie ihre eigenen Stärken und Schwächen. Sie sind fähig Lernanforderungen zu beurteilen und verfügen über Kontrollstrategien, um ihre eigenen Lernfortschritte zu beurteilen und wenn nötig, ihre Lernstrategien zu überdenken. Die Lernenden können unterscheiden welche Informationen für den Wissenserwerb wirklich nötig und welche überflüssig sind (vgl. Siebert, 2009, S. 61).

1.3.3 Metaemotionale Reflexion

Lernprozesse können durch Emotionen gefördert oder auch behindert werden. Gehen die Lernenden mit Freude an eine Lernsequenz lernen sie besser. Sind sie an dem Thema interessiert, lernen sie einfacher. Es gibt aber auch Themen die Vermeidungsstrategien hervorrufen. Sind die Lernenden fähig metaemotional zu reflektieren, können Ursachen oder Verärgerungen aufgedeckt und Lösungen gesucht werden. Oft besteht ein emotionales Bedürfnis nach Ordnung und Übersicht bei einem Lerninhalt. Ist diese Ordnung nicht gegeben, kann daraus Ärger entstehen (vgl. Siebert, 2009, S. 115).

1.4 Selbstgesteuertes Lernen nach Franz G. Deitering

Beim selbst gesteuerten Lernen ist der lernende Mensch der Schöpfer und Gestalter seines Lernprozesses. Der Lernprozess ist selbst verantwortet und selbstbestimmt. Die Selbststeuerung wird durch verschiedene Grundlagen eines Individuums beeinflusst. Motivation, Emotion, Kognition und Metakognition (vgl. Deitering, 1995, S. 11-12). Bei der Selbststeuerung wird davon ausgegangen, dass die Lernenden Ziele, Orte, Inhalte, Methoden und Zeiten ihres Lernprozesses selbst bestimmen. Auch können sie sich selbst beobachten, bewerten und ihre Emotionen steuern. Um diese Lernprozesse selbst zu gestalten, brauchen die Lernenden Selbstsicherheit und Selbstvertrauen (vgl. Deitering, 1995, S. 21-22). Deitering sagt ganz klar, dass die Selbststeuerung ein Ergebnis von Entwicklungs- und Erziehungsprozessen ist. Es ist der Inhalt und die Form der Erziehungseinflüsse, die für die Selbststeuerung wichtig sind. Die Selbststeuerung wird auch von kultur- und gesellschaftsspezifischen Vor- und Einstellungen geprägt. Ein wesentliches Merkmal der Selbststeuerung ist die Fähigkeit zur Reflexion verinnerlichter Handlungen (vgl. Deitering, 1995, S. 72). Die Selbststeuerung kann in verschiedenen Punkten vorhanden sein. Zum Beispiel in der Planung, in der Ausführung der Planung, in der Überwachung und Bewertung des Lernprozesses. Eigentlich kann von einer grundsätzlichen Selbststeuerung ausgegangen werden, weil alle Lerninhalte nur Angebote sind, die von den Lernenden wahrgenommen werden müssen. Niemand kann zum Lernen gezwungen werden. Also müssen die Lernenden auch fähig sein zu erkennen, welche Angebote für ihren Lernprozess förderlich sind und welche nicht (vgl. Deitering, 1995, S. 73).

1.4.1 Metakognition

Ist das Lernen selbst gesteuert und reflektiert werden die Lernschritte, die Lernzustände und die Zwischenergebnisse immer wieder überdacht und angepasst. Die Lernenden überlegen sich was sie wissen und was sie noch alles wissen sollten, um zu einem guten Endergebnis zu gelangen (vgl. Deitering, 1995, S. 78). Sie befassen sich mit den Problemen des Wissenserwerbs und haben adäquate Lösungen zur Hand. So sind die Lernenden fähig vorherzusagen, ob sie mit diesen Lösungen zum Erfolg gelangen können. Dieses Wissen beruht auf der Fähigkeit sich Aktivitäten und die Ergebnisse, die daraus resultieren könnten, vorzustellen (vgl. Deitering, 1995, S. 79). Die Lernenden überwachen den Prozess und die Wirksamkeit ihrer Lernstrategie. Sie können den Prozess steuern, Erfolg und Misserfolg abwägen und beurteilen, wann sie den Wissenserwerb beenden können, um zu einem guten Resultat zu gelangen (vgl. Deitering, 1995, S. 80). Ohne diese drei Schritte: Überwachen, immer wieder überprüfen und schlussendlich beurteilen, ist eine Steuerung der eigenen Aktivitäten nicht möglich (vgl. Deitering, 1995, S. 80).

1.4.2 Lernmotivation

Es wird davon ausgegangen, dass die Lernmotivation aus unterschiedlichen Bedürfnissen, sozialer und kognitiver Natur, resultiert. Die Wissbegierde, die Neugier und das Streben nach neuen Erkenntnissen stehen in direkter Beziehung zum Lernen. Diese Bedürfnisse können durch das Lernergebnis gestillt werden (vgl. Deitering, 1995, S. 86-87). Eine entscheidende Rolle, in Bezug auf die Lernmotivation spielt die Erwartung auf das Lernergebnis. Werden die Bemühungen zum Erfolg führen? Die Erwartung kann einen hohen Reiz auf die Lernmotivation ausüben (vgl. Deitering, 1995, S. 87). Ein anderer Reiz kann die Beschäftigung mit einer interessanten Sache sein, über die mehr erfahren werden möchte. Zu wissen, dass es möglich ist in einer Sache zum Experten zu werden, kann sehr motivierend wirken. Die Lernenden erleben sich dabei als Menschen, die allein für ihr Handeln und die getroffenen Entscheidungen verantwortlich sind. Dies nennt man intrinsische Motivation. Die Lernenden möchten die Kontrolle über ihr eigenes Handeln. Je mehr Selbstbestimmung sie haben, umso grösser wird das Gefühl der Selbstverantwortung. Je stärker sie ihre eigenen Organisatoren in der Sache der Lernhandlung sind, umso mehr sind sie für ihre Lernergebnisse selbst verantwortlich. Je stärker sie selbst verantwortlich sind, umso weniger können sie ihr Scheitern auf andere Faktoren abwälzen. Dadurch werden ihre Bemühungen den Erfolg zu suchen gesteigert. Die Lernenden bauen so ihre Kompetenzen laufend aus, was wiederum ihr Selbstwertgefühl steigert (vgl. Deitering, 1995, S. 87-88).

1.5 Kritische Würdigung

Wie in den oberen Kapiteln beschrieben, hängt die Selbststeuerung von verschiedenen Komponenten ab. Nach Mandl, H. & Reinmann-Rothmeier, G. spielen die intrinsische Motivation, das Interesse an dem zu lernenden Stoff, sozio-kulturelle Komponenten und metakognitive Strategien eine Rolle. Es braucht Neugier und emotionale Faktoren, Selbstbestimmung, Kompetenz und Selbstregulation (vgl. Mandl, & Reinmann-Rothmeier, 1998, S. 459-460).

Nach Horst Siebert spielen die Werte und die Haltung gegenüber der Welt, sprich die Persönlichkeit der Lernenden, eine Rolle. Sie brauchen ein positives Selbstbild, Neugier, eine reflexive Selbstbeobachtung und sie sollten sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst sein (vgl. Siebert, 2009, S. 33). Sie brauchen Zielstrebigkeit, Beharrlichkeit, Geduld, Motivation, Interesse an der Sache und metakognitives Wissen (vgl. Siebert, 2009, S. 60-61).

Franz G. Deitering erachtet auch die Motivation, Kognition, Metakognition und Emotion als wichtig bei der Selbststeuerung (vgl. Deitering, 1995, S. 86-87). Er meint, dass die Selbststeuerung ein Ergebnis des Inhaltes und der Form der Erziehung ist (vgl. Deitering, 1995, S. 72-73). Auch er findet, dass die Reflexion ein wichtiger Bestandteil der Selbststeuerung ist, ebenso die Lernmotivation und das Streben nach neuen Erkenntnissen (vgl. Deitering, 1995, S.87).

Die verschiedenen Autoren sind sich in vielen Punkten einig, was Selbststeuerung ausmacht: Motivation, Emotionen, Metakognition, Neugier, Geduld, Beharrlichkeit und Selbstregulation, um einige davon zu nennen. Auch sind sich einig, dass die Persönlichkeit der Lernenden, in Bezug auf die Selbststeuerung, wichtig ist. Die Persönlichkeit, die abhängig ist von der Form und des Inhaltes der Erziehung. Wie aber wird man zu einer Persönlichkeit, die selbst gesteuert lernen kann? Eine Persönlichkeit, die bestimmte Voraussetzungen braucht, also bestimmte Charaktereigenschaften wie, Neugier, positives Selbstbild, reflexive Selbst-beobachtung, Motivation, Interesse am Lernen, Geduld und Beharrlichkeit? Diese Frage wird im nächsten Kapitel geklärt, das sich mit dem Vorgang der Charakterbildung befasst.

2 Charakterbildung

Im folgenden Kapitel wird die Charakterbildung veranschaulicht. Welchen Einflüssen ist die Charakterbildung, aus der die psychologische Selbststeuerung resultiert, unterworfen? Gibt es Einflüsse, die die Selbststeuerung fördern oder behindern? Ist die pädagogische Selbststeuerung überhaupt möglich, wenn die psychologische Selbststeuerung durch eine nicht ideale Charakterbildung erschwert wird? Die Erarbeitung des Themas stützt sich hauptsächlich auf die Individualpsychologie von Alfred Adler.

2.1 Begriffsklärung

Unter dem Charakter eines Menschen werden die verschiedenen Ausdrucksweisen seiner Psyche verstanden, wenn es darum geht, sich mit den Lebensaufgaben auseinanderzusetzen. Der menschliche Charakter wird immer in Relation zu seiner Umwelt betrachtet. Es ist die Art wie der Mensch zu seiner Umwelt steht, in ihr agiert und sich Geltung verschafft. Jeder Mensch verfolgt das Ziel der Wertschätzung in seinem Leben. Dieses Ziel beeinflusst seine Lebensansicht und Denkweise. Mit seinen Charakterzügen vermittelt der Mensch seiner Umwelt die Haltung, die er einnimmt, in Bezug auf seine Mitmenschen, auf die Gemeinschaft und auf seine Lebensaufgaben (vgl. Adler, 2009, S. 146-149). Damit vertreten der Individualpsychologe Alfred Adler und Horst Siebert (vgl. Siebert, 2009, S 33), ganz ähnliche Meinungen, bezüglich der psychologischen Selbststeuerung.

2.2 Charaktereigenschaften

Die Charaktereigenschaften sind nicht, wie so viele meinen, angeboren, sondern werden sehr früh erworben. Der Mensch entwickelt seine Charakterzüge, indem er von anderen Menschen die ihm wichtig sind, das abschaut, was ihm erstrebenswert scheint. So gibt es eben auch Charakterzüge, die einer Familie oder einer ganzen Rasse eigen sind. Es ist wichtig, welche Lebensanschauungen, Sitten und Traditionen in einer Familie vorherrschen (vgl. Adler, 2009, S. 146-148). Die Charakterbildung gründet nicht auf der tatsächlichen Realität des Lebens, sondern auf der Interpretation des Einzelnen bezogen auf dessen Realität des Lebens. Jeder Mensch sieht seine objektive Realität anders. Darum bildet jedes Individuum, als Antwort auf seine Lebensauffassung, einen anderen Charakter aus (vgl. Adler, 1991, S. 7). Ist die Persönlichkeit ausgereift, liegen die zukünftigen Lebensregeln fest. Der Weg, wie der Mensch das Leben und seine Probleme angeht, folgt der eingeschlagenen Spur (vgl. Adler, 2005, S. 16). Immer dann, wenn ein Mensch nicht oder falsch auf eine Lebensaufgabe vorbereitet ist, versagt er (vgl. Adler, 1994, S. 20). Auch die Geschwisterposition ist für die Charakterbildung wichtig. Es spielt eine grosse Rolle, ob ein Kind als Ältestes, Mittleres oder Jüngstes zur Welt kommt. Ob es alleiniger Junge unter Mädchen ist oder umgekehrt. Ob es als Junge zwischen zwei Mädchen steht oder umgekehrt. Diese Tatsachen widerspiegeln gewisse Charakterbefunde (vgl. Rattner, 2013, S. 104). So sind Älteste oft sehr zuverlässig, leistungsstark und verantwortungsbewusst, Jüngste dagegen kreativ und sozial.

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Details

Title
Selbststeuerung im pädagogischen und psychologischen Kontext
Subtitle
Die Persönlichkeit und das Lernumfeld als Basis für motiviertes und erfolgreiches Lernen
College
Akademie für Erwachsenenbildung Schweiz
Author
Year
2014
Pages
48
Catalog Number
V287137
ISBN (eBook)
9783656898078
ISBN (Book)
9783656898085
File size
648 KB
Language
German
Keywords
selbststeuerung, kontext, persönlichkeit, lernumfeld, basis, lernen
Quote paper
Carmen Droll (Author), 2014, Selbststeuerung im pädagogischen und psychologischen Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287137

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Title: Selbststeuerung im pädagogischen und psychologischen Kontext



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