[...] Diese Arbeit knüpft im wesentlichen an die genannten psychoanalytischen
und autobiographischen Studien zu Georges Perec an und stellt dar, wie
im Werk Perecs das durch den Verlust der Eltern erlebte Trauma zum
Ausdruck kommt und welche Auswirkungen es auf das Gedächtnis sowie
Perecs autobiographisches Schreiben hat. Es sollen zudem neuere
Forschungsergebnisse zu Trauma, Gedächtnis und Identität berücksichtigt
werden, die als wichtige Hilfsmittel für die nachfolgenden Analysen dienen.
Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der literaturwissenschaftlichen Untersuchung
der Texte von Georges Perec. Da in dieser Arbeit nicht das gesamte Werk Perecs analysiert werden
kann, müssen wir uns auf eine Auswahl von Texten beschränken. Es handelt
sich hierbei vorwiegend um seine zwischen 1968 und 1978 veröffentlichten
Werke La Disparition (1969), Espèces d’espaces (1974), W ou le souvenir
d’enfance (1975), Je me souviens (1978) und La Vie mode d’emploi (1978).
Wenn vor allem zwischen 1968 und 1978 erschienene Texte berücksichtigt
werden, so liegt dies nicht nur an der symbolischen Bedeutung des Jahres
1968, das auch als Wendepunkt für den Umgang mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit in der Gesellschaft gilt. 1969 erscheint nämlich auch
Perecs erster Roman nach seinem Eintritt in die Gruppe OuLiPo im Jahre 1967,
welche Perecs Schreiben in höchstem Maße beeinflußt hat. Des weiteren wurde
der Zeitraum von 1968 bis 1978 gewählt, weil die meisten der oben genannten
Texte (bis auf La Disparition) unter dem Einfluß einer von 1971 bis 1975
dauernden Psychoanalyse Perecs mit J.-B. Pontalis geschrieben wurden. Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der genannten Auswahl von Texten die
literarische Verarbeitung des Traumas und die Gedächtnisthematik bei Perec
zu untersuchen. Vor der Analyse der Werke Perecs muß zunächst geklärt
werden, was wir unter Trauma verstehen und weshalb das Trauma für Georges
Perec und sein Werk eine zentrale Rolle spielt. Der erste Teil der Arbeit
widmet sich daher Perecs Biographie, die bei den anschließenden Untersuchungen
berücksichtigt werden muß. Zu Beginn des zweiten Teiles wird dann
der Begriff Trauma definiert und auf die Charakteristika der durch den
Holocaust ausgelösten individuellen und kollektiven Traumata eingegangen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Biographie und Autobiographie
- 1.1. Name und Herkunft
- 1.2. Kindheit und Jugend
- 1.3. Der Schriftsteller Georges Perec
- 2. Die literarische Verarbeitung des Traumas
- 2.1. Das Trauma und seine Auswirkungen
- 2.1.1. Zur Definition des Traumas
- 2.1.2. Georges Perecs Trauma
- 2.1.3. Die Auswirkungen des Traumas auf Perecs Texte
- 2.2. Die contrainte und die Prinzipien der Gruppe OuLiPo
- 2.3. Geschichten rund um die Lücke
- 2.3.1. La Disparition: Der fehlende Buchstabe
- 2.3.2. W ou le souvenir d'enfance
- 2.3.3. La Vie mode d'emploi
- 3. Trauma, Gedächtnis und Identität
- 3.1 Gedächtnis, Identität und soziale Gruppen
- 3.2. Namen und Identität
- 3.3. Perecs Beziehung zum Judentum
- 4. Auf der Suche nach dem Gedächtnis
- 4.1. Vorbemerkungen zu Perecs Gedächtnis- und Identitätssuche
- 4.2. Auf der Suche nach seiner eigenen Geschichte
- 4.3. Je me souviens: Erinnerungen an das Alltägliche
- 5. Schreiben und Gedächtnis
- 5.1. Definitionen von écrire
- 5.2. æncrage: Schrift als Anker -Verankerungen in der Schrift
- 5.3. Schreiben, damit nicht vergessen wird
- 6. Schlußbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die literarische Verarbeitung von Trauma und die damit verbundene Gedächtnisthematik im Werk von Georges Perec. Der Fokus liegt auf der Analyse ausgewählter Texte, um aufzuzeigen, wie Perecs persönliche Erfahrungen, insbesondere der Verlust seiner Eltern während des Zweiten Weltkriegs, seine literarische Produktion beeinflussen. Es wird die Beziehung zwischen Trauma, Gedächtnis und Identität beleuchtet, wobei die literaturwissenschaftliche Untersuchung im Vordergrund steht.
- Die literarische Verarbeitung des Traumas durch Georges Perec
- Der Zusammenhang zwischen Trauma, Gedächtnis und Identität in Perecs Werk
- Die Rolle der Gruppe OuLiPo und der "contrainte" in Perecs literarischem Schaffen
- Die Bedeutung des Schreibens als Bewältigungsmechanismus und Erinnerungsprozess
- Analyse ausgewählter Texte von Perec im Kontext seiner Biographie und des Holocaust
Zusammenfassung der Kapitel
0. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik von Trauma und Gedächtnis ein und erläutert den Zusammenhang dieser Konzepte. Sie hebt die Bedeutung der Erforschung von Perecs Werk in diesem Kontext hervor und betont das zunehmende Interesse an der Verarbeitung des Holocaust-Traumas in der Gesellschaft. Die Arbeit selbst wird als literaturwissenschaftliche Untersuchung positioniert, die biographische Aspekte berücksichtigt.
1. Biographie und Autobiographie: Dieses Kapitel skizziert die Biographie Georges Perecs, insbesondere seine Kindheit und Jugend im Kontext des Zweiten Weltkriegs und den Verlust seiner Eltern. Es legt den Grundstein für das Verständnis seines Werks und der darin thematisierten Traumata. Der Abschnitt zeichnet ein Bild des Autors und seiner Entwicklung zum Schriftsteller.
2. Die literarische Verarbeitung des Traumas: Dieses Kapitel beleuchtet die verschiedenen Arten, wie Perec seine traumatischen Erfahrungen literarisch verarbeitet. Es analysiert die "contrainte" der OuLiPo-Gruppe und deren Einfluss auf sein Schreiben. Es werden die Lücken im Gedächtnis und ihre Darstellung in seinen Werken erörtert. Hier wird die Verbindung zwischen literarischen Techniken und der Bewältigung des Traumas hergestellt.
3. Trauma, Gedächtnis und Identität: Dieses Kapitel analysiert die komplexen Zusammenhänge zwischen Trauma, Gedächtnis und der Herausbildung der Identität. Es untersucht, wie Perecs Erfahrungen seine Identität als Jude und Schriftsteller geprägt haben. Die Beziehung von Gedächtnis, Identität und sozialen Gruppen wird im Detail untersucht.
4. Auf der Suche nach dem Gedächtnis: Dieses Kapitel fokussiert sich auf Perecs Suche nach seiner eigenen Geschichte und dem Umgang mit den Lücken in seinem Gedächtnis. Es analysiert "Je me souviens" als Beispiel für die Auseinandersetzung mit alltäglichen Erinnerungen und deren Bedeutung im Kontext der größeren, traumatisierten Vergangenheit.
5. Schreiben und Gedächtnis: In diesem Kapitel wird der Akt des Schreibens selbst als Mittel zur Bewältigung des Traumas und zur Erinnerung analysiert. Es untersucht die Funktion des Schreibens als Anker und als Mittel, um das Vergessen zu bekämpfen. Die Bedeutung von "écrire" im Werk Perecs wird umfassend untersucht.
Schlüsselwörter
Trauma, Gedächtnis, Identität, Georges Perec, Holocaust, OuLiPo, "contrainte", autobiographisches Schreiben, literarische Verarbeitung, Erinnerung, Vergessen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Literarische Verarbeitung von Trauma und Gedächtnis im Werk von Georges Perec
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die literarische Verarbeitung von Trauma und die damit verbundene Gedächtnisthematik im Werk von Georges Perec. Der Fokus liegt auf der Analyse ausgewählter Texte, um aufzuzeigen, wie Perecs persönliche Erfahrungen, insbesondere der Verlust seiner Eltern während des Zweiten Weltkriegs, seine literarische Produktion beeinflussen. Es wird die Beziehung zwischen Trauma, Gedächtnis und Identität beleuchtet.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit behandelt die literarische Verarbeitung des Traumas durch Georges Perec, den Zusammenhang zwischen Trauma, Gedächtnis und Identität in seinem Werk, die Rolle der Gruppe OuLiPo und der "contrainte" in seinem literarischen Schaffen, die Bedeutung des Schreibens als Bewältigungsmechanismus und Erinnerungsprozess sowie die Analyse ausgewählter Texte von Perec im Kontext seiner Biographie und des Holocaust.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Einleitung (Einführung in die Thematik), Biographie und Autobiographie (Skizzierung von Perecs Leben und Hintergrund), Die literarische Verarbeitung des Traumas (Analyse der literarischen Techniken und der Bewältigung des Traumas), Trauma, Gedächtnis und Identität (Zusammenhang zwischen Trauma, Gedächtnis und Identitätsbildung), Auf der Suche nach dem Gedächtnis (Perecs Suche nach seiner eigenen Geschichte und Umgang mit Gedächtnislücken), und Schreiben und Gedächtnis (Schreiben als Bewältigungsmechanismus und Mittel der Erinnerung).
Welche Texte von Georges Perec werden analysiert?
Die Arbeit analysiert ausgewählte Texte von Georges Perec, darunter explizit "La Disparition", "W ou le souvenir d'enfance" und "La Vie mode d'emploi". Weitere Texte werden implizit durch die Themen der Arbeit miteinbezogen.
Welche Rolle spielt die Gruppe OuLiPo?
Die Arbeit untersucht die "contrainte" der OuLiPo-Gruppe und deren Einfluss auf Perecs literarisches Schaffen und wie diese literarischen Techniken mit seiner Verarbeitung des Traumas zusammenhängen.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Trauma, Gedächtnis, Identität, Georges Perec, Holocaust, OuLiPo, "contrainte", autobiographisches Schreiben, literarische Verarbeitung, Erinnerung, Vergessen.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die literarische Verarbeitung von Trauma und Gedächtnis im Werk von Georges Perec literaturwissenschaftlich zu untersuchen und die komplexen Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten aufzuzeigen.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für Leser gedacht, die sich für die literarische Verarbeitung von Trauma, die Werke von Georges Perec, die Gruppe OuLiPo, Gedächtnisforschung und die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust interessieren. Sie eignet sich besonders für akademische Zwecke.
- Citation du texte
- Thomas Jörgens (Auteur), 2001, Trauma und Gedächtnis anhand ausgewählter Texte von Georges Perec, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28715