Historische und sprachliche Faktoren im Identitätskonflikt in der 'Comunidad Valenciana' und auf den Balearen


Thèse de Master, 2014

55 Pages, Note: 1,7

Claus Arnold (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Basisdaten

3. Geschichtlicher Überblick
3.1 Von der Antike bis zum Ende des Franquismus
3.2 Politische Entwicklung seit der Transición

4. Sprachliche Entwicklung und Situation
4.1 Geschichte des Katalanischen und seiner Koexistenz mit dem Kastilischen
4.2 Kenntnis und Gebrauch des Katalanischen
4.3 Konflikt um das Valencianische und Balearische

5. Identitätskonflikt
5.1 Verbreitung verschiedener Identitäten
5.2 Politische Dimension
5.3 Historische und sprachliche Faktoren im Identitätskonflikt

6. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Das Königreich Spanien zeichnet sich durch seine kulturelle und sprachliche Vielfalt aus, die auf seiner Zusammensetzung aus historisch eigenständigen Gebieten basiert. Neben der Staatssprache Kastilisch, die häufig auch als “Spanisch“ bezeichnet wird, sind heute von Westen nach Osten Galicisch, Asturisch-Leonesisch, Baskisch, Aragonesisch, Aranesisch und Katalanisch anerkannte Regionalsprachen im größten Land der iberischen Halbinsel.1 Die Verfassung von 1978 wird der kulturellen Pluralität Spaniens gerecht, gesteht sie den historischen Regionen doch das Recht auf Autonomie zu, ohne dass die politische Einheit Spaniens gefährdet werden soll.2 Auf Grundlage dessen entwickelte sich Spanien nach dem Franquismus innerhalb weniger Jahre zu einem demokratischen Staat aus Autonomen Gemeinschaften. Die Verfassung garantiert auch die Achtung und den Schutz der unter Franco noch unterdrückten regionalen Sprachen. Zudem können diese neben der Staatssprache Kastilisch einen kooffiziellen Status auf regionaler Ebene erhalten, sofern die entsprechenden Autonomen Gemeinschaften dies in ihren Statuten festlegen.3

In Geschichte und Gegenwart stellt die kulturelle Pluralität Spaniens immer wieder eine Herausforderung für die Entstehung eines kollektiven spanischen Nationalbewusstseins und einer entsprechenden Identität wie auch für die staatliche Einheit des Landes dar. Gerade eine Regionalsprache kann die Grundlage einer eigenen Identität bilden, die regionaler oder sogar nationaler Art sein kann. Das zeigt sich vor allem in Katalonien und im Baskenland, wo die jeweilige autochthone Sprache relativ viele Muttersprachler hat. Besonders in diesen Fällen wird nicht nur die kulturelle Eigenständigkeit besonders betont, sondern geht einher mit Bestrebungen nach größerer politischer Autonomie oder sogar Unabhängigkeit.

Dementsprechend wird die politische Situation in diesen beiden Regionen in den Medien, aber auch in den Wissenschaften viel häufiger und stärker behandelt als die in anderen zweisprachigen Autonomen Gemeinschaften Spaniens. Dabei haben die Comunidad Valenciana und die Balearischen Inseln ähnliche historische und sprachliche Voraussetzungen wie Katalonien. Vor allem teilen diese mit dem Katalanischen eine gemeinsame Regionalsprache. Vor allem die eigene Sprache und eine eigene politische Geschichte bilden die Basis einer eigenen kulturellen Identität, die im Konflikt mit einer spanischen Identität steht. Auf politischer Ebene spiegelt sich eine eigene Identität in Bestrebungen nach größerer Autonomie wider, die regionalistische oder (regionale) nationalistische Parteien äußern.4 In Valencia und auf den Balearen5 kommt erschwerend hinzu, dass als politische und kulturelle Bezugsgröße sich nicht nur Spanien und die eigene Region gegenüberstehen, sondern auch der katalanische Sprachraum (wenn nicht sogar Katalonien selbst) und die eigene Region.

In dieser Arbeit soll nun erörtert werden, welche historischen und sprachlichen Faktoren sich heutzutage auf diesen komplexen Identitätskonflikt und die politische Situation in der Comunidad Valenciana und auf den Balearen auswirken. Dabei sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Regionen untereinander betrachtet werden. Ebenso finden hinsichtlich der genannten Aspekte gelegentliche Vergleiche zu Katalonien statt, das aber ansonsten unberücksichtigt bleibt.

Nach einer Einführung in die hier behandelten Autonomen Gemeinschaften anhand geographischer, demographischer und wirtschaftlicher Daten gibt Kapitel 3 einen Überblick über die Geschichte Valencias und der Balearen seit der Antike, wobei die politische Entwicklung seit 1975 gesondert charakterisiert wird. In Kapitel 4 geht es um die sprachliche Entwicklung und Situation in den genannten Regionen. Zunächst wird die Geschichte des Katalanischen und Kastilischen im katalanischen Sprachgebiet skizziert, um dann darzulegen, wie viele Menschen das Katalanische dort beherrschen und wie viele es auch verwenden, gerade im Vergleich zum Kastilischen. Ein weiteres Unterkapitel befasst sich mit der konfliktbeladenen Frage, ob es sich beim Valencianischen und Balearischen um eigenständige Sprachen oder Dialekte des Katalanischen handelt.

Nach der Darlegung der historischen und sprachlichen Bedingungen Valencias und der Balearen wird in Kapitel 5 die zentrale Fragestellung dieser Arbeit erörtert, nämlich wie sich diese auf den Konflikt zwischen verschiedenen kulturellen Identitäten in diesen Regionen ausgewirkt haben. Dabei geht es auch darum, wie sich der Identitätskonflikt auf politischer Ebene widerspiegelt, insbesondere in der Koexistenz unterschiedlicher politischer Modelle für die eigene Region und der entsprechenden politischen Richtungen bzw. Parteien. Folglich werden auch die historischen und sprachlichen Faktoren der aktuellen politischen Situation Valencias und der Balearen analysiert.

2. Basisdaten

Die beiden Regionen, die im Fokus dieser Arbeit stehen, stellen zwei der 17 Autonomen Gemeinschaften Spaniens dar. Die Comunidad Valenciana (kat. Comunitat Valenciana) liegt an der Ostküste des spanischen Festlands und nimmt hinsichtlich der Fläche mit 23.255 km2 einen mittleren Platz unter den spanischen Regionen ein.6 Mit ca. 5,1 Millionen Einwohnern ist sie aber eine der bevölkerungsreichsten und am dichtesten besiedelten von diesen; etwas mehr als jeder zehnte Einwohner Spaniens lebt hier.7 Die Autonome Gemeinschaft setzt sich aus den drei Provinzen Castellón, Valencia und Alicante zusammen. Valencia (kat. València) ist die Hauptstadt und mit 790.000 Einwohnern die größte Stadt der Comunidad Valenciana. Weitere Großstädte sind Alicante (kat. Alacant) mit 340.000 und Castellón de la Plana (kat. Castelló de la Plana) mit 180.000 Einwohnern.

Die Autonome Gemeinschaft der Balearischen Inseln (kat. Illes Balears, kast. Islas Baleares) umfasst eine Inselgruppe im westlichen Mittelmeer, die aus den drei Hauptinseln Mallorca, Menorca und Ibiza (kat. Eivissa) sowie Formentera besteht. Geographisch ist zu unterscheiden zwischen den Pityusen (Ibiza und Formentera) und den Gymnesischen Inseln (Mallorca und Menorca).8 Außerdem gehören zahlreiche kleine, unbewohnte Inseln zum Gebiet der Balearen. Diese gehören mit einer Fläche von 4.992 km2 zu den kleinsten Autonomen Gemeinschaften Spaniens, sind aber mit einer Einwohnerzahl von rund 1,1 Millionen vergleichsweise dicht besiedelt. Mallorca ist mit Abstand die großflächigste und bevölkerungsreichste Insel der Balearen. Hier leben knapp 870.000 Menschen, davon rund 400.000 alleine in der balearischen Hauptstadt Palma de Mallorca.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 1: Aktuelle politische Gliederung Spaniens in 17 Autonome Gemeinschaften und zwei Autonome Städte.9

Valencia und die Balearen gehören zu den wirtschaftsstärksten Regionen in Spanien. Vor allem auf der Inselgruppe ist das vor allem auf den Tourismusboom seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen; die Comunidad Valenciana profitierte ökonomisch bereits zuvor von der Industrialisierung.10 Generell hat das Wirtschaftswachstum Spaniens seit den 1980er Jahren die Einwanderungszahlen zunächst steigen und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts geradezu explodieren lassen.11

Die jüngsten Statistiken belegen zudem, dass die Balearischen Inseln im gesamtspanischen Vergleich eine besonders hohe Einwanderungsrate haben, wobei auch die Comunidad Valenciana über dem Landesschnitt liegt. Das betrifft sowohl die Immigration aus dem Ausland als auch die Binnenmigration aus anderen Autonomen Gemeinschaften. Auf den Balearen wurden nur 55 % der Bevölkerung, in der Comunidad Valenciana immerhin 65 % in der Region geboren. Der spanische Schnitt liegt bei 71 %. Der restliche Teil der Bevölkerung verteilt sich in den beiden Regionen wie auch in ganz Spanien quantitativ relativ gleichmäßig auf die, die in anderen spanischen Regionen, und die, die im Ausland geboren wurden. Entsprechend hoch ist auch der Ausländeranteil, der auf den Balearen bei 20 % liegt, in Valencia immerhin bei 17 %, in ganz Spanien dagegen bei nur 12 %.12

Zuletzt soll noch kurz auf Katalonien eingegangen werden, da diese Region in historischer, sprachlicher und politischer Hinsicht vieles mit Valencia und den Balearen gemeinsam hat und in dieser Arbeit des Öfteren zum Vergleich herangezogen wird. Katalonien ist mit 32.091 km2 flächenmäßig größer als diese beiden Regionen zusammen, jedoch mit 7,5 Millionen Einwohnern wesentlich dichter besiedelt. Aufgrund seiner Wirtschaftskraft zieht auch Katalonien mehr Zuwanderer an als die meisten anderen Regionen Spaniens. Der Anteil der außerhalb der Region Geborenen (36 %, davon knapp die Hälfte im Ausland) und der Ausländeranteil (15 %) sind dabei ähnlich hoch wie in Valencia und demnach niedriger als auf den Balearen.

3. Geschichtlicher Überblick

3.1 Von der Antike bis zum Ende des Franquismus

Wie andere Regionen der iberischen Halbinsel prägten verschiedene nicht autochthone Völker Valencia und die Balearen seit der Antike. Den stärksten kulturellen Einfluss übten die Römer aus. Nach der Zugehörigkeit zum Westgotenreich ab dem 5. Jahrhundert übernahmen die Mauren die Herrschaft über die Halbinsel ab dem 8. Jahrhundert, später auch über die Balearen. Noch im selben Jahrhundert eroberten die Franken das südöstlich der Pyrenäen gelegene Gebiet um die Städte Girona (kast. Gerona) und Barcelona zurück, das als “Spanische Mark“ als Schutzzone zum muslimischen Herrschaftsgebiet dienen sollte. Später war es unter Altkatalonien (kat. Catalunya Vella) bekannt.13

In den folgenden Jahrhunderten konnten sich die Grafen von Barcelona von den fränkischen Königen emanzipieren; parallel dazu bildete sich eine katalanische Identität heraus. Durch den Zusammenschluss mit Aragón zur Krone Aragón (kat. Corona d’Aragó) (1137) war der Weg Kataloniens zu einer Macht im Mittelmeerraum geebnet. Bis zum Ausgang des Mittelalters konnte die katalanisch-aragonesische Konföderation ihr Herrschaftsgebiet bis in Teile des heutigen Italiens und Griechenlands ausdehnen.14 Zunächst gelang die Eroberung Neukataloniens und von Teilen Okzitaniens.15 Zwischen 1229 und 1245 eroberte die Krone Aragón unter Jakob I. Mallorca, Ibiza und Formentera sowie das Gebiet der heutigen Comunidad Valenciana.16 Menorca blieb noch bis 1287 unter muslimischer Herrschaft.

Statt die eroberten Gebiete in das Königreich Aragón oder in das Fürstentum Katalonien zu integrieren, ließ Jakob I. die Königreiche Mallorca und Valencia einrichten. Doch während Mallorca in einem Lehnsverhältnis zum katalanisch-aragonesischen Monarchen stand, präsentierte sich das Regne de Valencia bald schon relativ autonom. Um den Einfluss des aragonesischen Adels einzuschränken, stattete Jakob I. es mit eigenen Gesetzen aus, den so genannten Furs.17 Seit 1261 verfügte man “über eine eigene Ständeversammlung, mit einer Organisation und Befugnissen, die denen Kataloniens glichen“.18 In der Folge der Eroberung wurden der valencianische Küstenstreifen und die Balearen hauptsächlich von Katalanen neu besiedelt, während die Aragonesen sich mit dem Hinterland im Westen Valencias zufriedengeben mussten.19 Die verbliebene jüdische und muslimische Bevölkerung wurde vertrieben oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt. 1492 wurden die Juden des Landes verwiesen, die in Valencia verbliebenen Mauren endgültig 1607.20

Die politische Organisation der Krone Aragón war bereits sehr modern. Sowohl in Katalonien als auch in Valencia formierten sich ein Parlament (Corts) und eine Regierung (Generalitat) als ständige Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Monarchen. Marí i Mayans spricht von einer “Vorwegnahme der parlamentarischen Monarchie“, wie es sie zu dieser Zeit sonst nur in England gab.21 Ausgehend von Mallorca wurde außerdem in jedem Herrschaftsgebiet der Krone Aragón ein königlicher Statthalter eingesetzt.22

Im 15. Jahrhundert übernahm Valencia die wirtschaftliche und kulturelle Vormachtstellung gegenüber Katalonien und den Balearen, die sich allerdings in einer ökonomischen und sozialen Krise befanden. Die Stadt Valencia entwickelte sich zur bevölkerungsreichsten christlichen Stadt der iberischen Halbinsel. In dieser Zeit entstand ein kollektives valencianisches Bewusstsein.23 Gleichzeitig begannen sich die Machtverhältnisse auf der iberischen Halbinsel zugunsten von Kastilien zu verschieben. Nachdem der aragonesische König Martin I. 1410 ohne Nachkommen gestorben war, übernahm mit Ferdinand I. von Trastámara erstmals ein Kastilier die Herrschaft der Krone Aragón.24 Als es 1479 in Folge der Heirat von Ferdinand II. von Aragón und Isabella I. von Kastilien zur Personalunion ihrer beiden Königreiche kam, stand dem Aufstieg Kastiliens nichts mehr im Weg. In dem neuen Staatenbund behielten die Herrschaftsgebiete der Krone Aragón zwar ihre Gesetze, verloren aber politisch an Gewicht.25 Katalonien, Valencia und die Balearen wurden auch wirtschaftlich nun an den Rand gedrängt, denn die Monarchen des neuen Staatenbundes konzentrierten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts nach der Entdeckung Amerikas immer mehr auf den Handel im atlantischen Raum.26 Darunter litt entsprechend der Mittelmeerhandel, der für die genannten Gebiete von großer ökonomischer Bedeutung war.

Ab 1519 ereigneten sich in Valencia Revolten der Germanies, bürgerlicher Brüderschaften, die versuchten die Macht im Königreich Valencia an sich zu reißen.27 Die letzten Aufstände wurden drei Jahre später niedergeschlagen und der Adel übernahm wieder die Vormachtstellung in der Gesellschaft. Auch auf den Balearen waren ähnliche Aufstände wenig erfolgreich. Die Hegemonie Kastiliens gegenüber der Krone Aragón zeigte sich dadurch, dass die Corts in deren Gebieten von den Königen immer weniger einberufen und nicht mehr in die Außenpolitik einbezogen wurden.28 In Valencia waren die Corts im frühen 17. Jahrhundert derart geschwächt, dass sie das Königreich zu hohen Steuerabgaben an die Krone verpflichten mussten und sich schließlich auflösten.29 Gleichzeitig bedeutete die Vertreibung der Mauren nicht nur einen demographischen Rückgang, sondern auch den Ruin der landwirtschaftlichen Produktion und entsprechend den der Mittelklasse.30

Der Beginn des 18. Jahrhunderts markierte einen Einschnitt in der Geschichte Valencias und der Balearen. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), in dem die Krone Aragón die Habsburger unterstützte, waren die Bourbonen siegreich.31 Der entsprechende Thronfolger Philipp V. errichtete daraufhin einen zentralistischen spanischen Staat, der sich allein auf die Identität Kastiliens berief.32 Durch die Decretos de Nueva Planta wurde das Kastilische die einzige offizielle Sprache und alle Autonomierechte (so auch die Furs in Valencia) verloren ihre Gültigkeit. So waren die Königreiche Valencia und Mallorca nur noch Provinzen.33 Immerhin verzeichnete Valencia im 18. Jahrhundert ein deutliches wirtschaftliches und demographisches Wachstum. Durch die Beteiligung von Alicante am Handel mit Amerika seit 1778 entwickelte sich im Gebiet auch eine Handel treibende Bürgerschicht in der noch landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft.34

Im konfliktbeladenen 19. Jahrhundert blieben die einst autonomen Regionen dem spanischen Nationalstaat unterstellt, den sowohl die Liberalen als auch die Absolutisten unterstützten.35 Dabei war Valencia im Gegensatz zu vielen anderen “Randgebieten“ Spaniens zumindest in politischer Hinsicht nicht marginalisiert. Die Elite der Region hatte sich frühzeitig mit der politischen und kulturellen Vereinheitlichung Spaniens arrangiert und wurde in der zentralspanischen Politik zu einem einflussreichen Akteur.36 Ab 1833 kam es unter Isabella II. zu einer Liberalisierung der Politik, die vor allem gesellschaftliche Auswirkungen hatte, etwa die Stärkung des Bürgertums und die Bildung republikanischer Gruppen. Hoffnung auf eine Wiedererstarkung der Regionalismen Spaniens brachte erst die 1873 ausgerufene, föderal ausgerichtete Erste Spanische Republik. Allerdings wurde die bourbonische Monarchie bereits zwei Jahre später unter Alfons XII. wieder restauriert.37

Die Renaixenc̡a, der Aufschwung der katalanischen Kultur und Sprache seit den 1830er Jahren, hatte im Gegensatz zu Katalonien in Valencia und auf den Balearischen Inseln keine politische Bedeutung.38 Das lag auch daran, dass die Industrielle Revolution vor allem Katalonien erfasste, so dass dort das Bürgertum wuchs und sich so ein neues regionales Selbstbewusstsein entwickeln konnte. Die Nachbarregionen blieben hingegen bis ins 20. Jahrhundert landwirtschaftlich geprägt.39

Erst im frühen 20. Jahrhundert formierte sich nach katalanischem Vorbild der politische Valencianismus, hatte aber wenig Erfolg. Ein regionales Parteienbündnis wurde von den Blasquisten und Konservativen bekämpft.40 Diese Gruppen gehörten zur politischen Elite Valencias und sprachen sich für die Zugehörigkeit des Gebiets zu Spanien aus. Der Blasquismus war eine von Vicente Blasco Iban͂ez angeführte republikanische Bewegung, die viele Anhänger in der Mittel- und Arbeiterschicht fand.41 Eine Autonomisierung Valencias scheiterte auch daran, dass ein Zusammenschluss seiner drei Provinzen aufgrund unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen vorerst unmöglich war.42 Auf den Balearischen Inseln war der Regionalismus recht heterogen. Ein Teil der Bewegung unterstützte den Zusammenschluss mit den anderen katalanischsprachigen Gebieten, ein anderer die alleinige Autonomisierung der Balearen. Darüber hinaus gab es Anhänger der Eigenständigkeit der eigenen Insel. Besonders ausgeprägt war dieses Phänomen auf Menorca.43

Die regionalistischen Bewegungen erlebten durch die Militärdiktatur von Primo de Rivera (1923-1930) einen herben Dämpfer. Auch die regionalen Kulturen und Sprachen wurden unterdrückt.44 Als 1931 die Zweite Republik ausgerufen wurde, war der Weg für die Autonomisierung der Regionen geebnet.45 Doch während Katalonien die Selbstverwaltung ein Jahr später wiedererlangte, scheiterte der Versuch in Valencia am Widerstand der Blasquisten und der auf den Balearen an der Nichtteilnahme Menorcas.46 Auch wenn der Valencianismus nach den Wahlen von 1936 gestärkt wurde, scheiterten mehrere Versuche der Autonomisierung.47 Der inzwischen ausgebrochene Bürgerkrieg erschwerte diese.

Aus diesem ging 1939 der General Francisco Franco als Sieger hervor. Dieser errichtete eine Diktatur, die auf die politische, kulturelle und sprachlichen Vereinheitlichung des spanischen Staates abzielte.48 Allerdings konnte der Franquismus die regionalen Kulturen und Sprachen nur bedingt unterdrücken, was auch an Lockerungen des Regimes ab den 1950er Jahren lag.49 Die internationale Integration Spaniens durch den Beitritt in die UNO (1955) legte die Basis für einen starken wirtschaftlichen und demographischen Wandel in Valencia und auf den Balearen. Die Industrialisierung und das Aufkommen des Tourismus führten zu einer verstärkten Zuwanderung aus anderen Regionen Spaniens, dem Heranwachsen urbaner Zentren und - vor allem auf der Inselgruppe – der Verbesserung des Bildungswesens.50 Nach dem ökonomischen Umschwung sollte es in Spanien bald auch einen politischen geben.

3.2 Politische Entwicklung seit der Transición

Der Tod Francos im Jahr 1975 läutete den als Transición bezeichneten Zeitraum ein, in dem Spanien allmählich demokratisiert wurde. Rasch formierten sich wieder oppositionelle Parteien.51 Die Regionen, allen voran Katalonien und das Baskenland, drängten auf eine Wiedergewinnung der Autonomierechte und förderten damit eine erneute Dezentralisierung des Königreichs.52 Bereits 1978 kam es zur Verabschiedung einer neuen Verfassung. Sie erkennt die kulturelle Vielfalt Spaniens an und gesteht den historischen Regionen das Recht auf Autonomie sowie die Offizialisierung der Regionalsprachen zu.53

Katalonien erlangte schon 1979 seine Autonomie wieder. In Valencia fanden zwar 1977 und 1979 demokratische Wahlen statt, die eine provisorische Regierung (Consell) hervorbrachten. Die endgültige Autonomisierung wurde aber durch den als Batalla de Valencia bezeichneten, teilweise gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen linken und konservativen Parteien verzögert.54 Dieser drehte sich vor allem um die eigene kulturelle Identität - ob genuin katalanisch oder nicht - und um entsprechende Symbole für die Region wie deren Namen - País Valencià gegenüber Regne de València.55 Als das Autonomiestatut 1982 schließlich verabschiedet wurde, waren die beiden politischen Seiten einige Kompromisse eingegangen, darunter die Bezeichnung der Autonomen Gemeinschaft als Comunidad Valenciana.56 Auf den Balearen war der Weg zur Selbstverwaltung noch langwieriger. Menorca und Ibiza stimmten dem Zusammenschluss zu einer Autonomen Gemeinschaft erst spät zu, da man innerhalb dieser eine Vorherrschaft Mallorcas befürchtete.57 Die Verabschiedung des Autonomiestatuts erfolgte 1983. Im selben Jahr wurden sowohl auf der Inselgruppe als auch in der Comunidad Valenciana die ersten Regierungen und Parlamente dieser neuen Autonomen Gemeinschaften gewählt.

Anders als in Katalonien, wo das katalanisch-nationalistische Parteienbündnis Convèrgencia i Unió (CiU) die Politik seit 1980 dominiert,58 konnte in der Comunidad Valenciana und auf den Balearischen Inseln bislang keine regionale Partei die Regierung und den Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft stellen. In diesen beiden Regionen regierte immer eine der beiden großen spanischen Parteien, die Partido Popular (PP) und die Partido Socialista Obrero de Espan͂a (PSOE), entweder alleine oder in einer Koalition. Die konservative PP engagiert sich tendenziell für eine Zentralisierung des spanischen Staates und lehnt jegliche nationalistische Tendenzen der Regionen ab. Auf der anderen Seite setzt sich die sozialdemokratische PSOE für eine starke Autonomie der Regionen in einem föderalisierten Spanien ein.59 Entsprechend unterschiedlich zeigen sich diese Parteien häufig in ihrer Sprachenpolitik in Valencia und auf den Balearen.60 Gerade auf regionaler Ebene muss die politische Ausrichtung der großen Parteien allerdings differenzierter betrachtet werden, da sie sich aus Gruppierungen mit unterschiedlichen Tendenzen zusammensetzen.61

In den ersten drei Wahlen der neuen Comunidad Valenciana erhielt die PSOE die Mehrheit der Stimmen und stellte folglich die Regierung.62 Erst 1995 kam es zu einem Regierungswechsel. Seitdem wird Valencia von der PP regiert. In den ersten vier Jahren war noch die regionalistische Unió Valenciana an der Regierung beteiligt. Auf den Balearen zeigten sich bereits seit der Gründung der Autonomen Gemeinschaft starke konservative Tendenzen im Wahlverhalten der Bevölkerung.63 Dort bildeten von 1983 bis 1995 verschiedene Bündnisse unter Führung der PP bzw. ihrer Vorgängerpartei Alianza Popular die Regierung. Anschließend regierten abwechselnd für je eine Legislaturperiode die PP und ein Linksbündnis die Inselgruppe, das sich abgesehen von der Konstante PSOE jedes Mal unterschiedlich zusammensetzte.64 Nach den Wahlen von 2011 werden sowohl die Comunidad Valenciana als auch die Balearen von der PP regiert, die Präsidenten sind Alberto Fabra bzw. José Ramón Bauzá.65

4. Sprachliche Entwicklung und Situation

4.1 Geschichte des Katalanischen und seiner Koexistenz mit dem Kastilischen

Das Katalanische ist eine romanische Sprache, dessen Sprachgebiet größtenteils in Spanien liegt, wo es Katalonien, den Großteil der Comunidad Valenciana66, die Balearischen Inseln, den östlichen “Grenzstreifen“ Aragoniens und einen kleinen Teil Murcias umfasst.67 Außerdem gehören das Fürstentum Andorra, die südfranzösische Provinz Roussillon und die sardische Stadt Alghero (kat. L’Alguer) zum katalanischen Sprachraum. Katalanisch hat von allen Regionalsprachen Spaniens die größte geographische Ausdehnung und vor Galicisch und Baskisch mit Abstand die meisten Sprecher.68 Laut dem Institut d’Estudis Catalans belief sich die Sprecherzahl im Jahr 2012 auf 10,1 Millionen und damit erstmals auf eine zweistellige Millionenzahl.69

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 2: Aktuelle sprachliche Gliederung der iberischen Halbinsel.70

Die Sprache entwickelte sich im frühen Mittelalter in Altkatalonien aus einer lateinischen Mundart, die dort seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. gesprochen wurde. Bereits im 9. Jahrhundert wurden schriftliche Unterschiede zum klassischen Latein in Urkunden sichtbar.71 Die Herausbildung der Sprache verlief parallel zum politischen Aufstieg der Grafen von Barcelona, die ihr Herrschaftsgebiet um Neukatalonien und Teile Okzitaniens vergrößerten, und der Entstehung einer katalanischen Identität. Im frühen 12. Jahrhundert tauchten in Texten erstmals die Begriffe “Katalonien“ und “katalanisch“ auf.72 Wenige Jahrzehnte später erschien erstmals Literatur komplett in den romanischen Volkssprachen. Katalanisch war die Sprache der Prosa, Okzitanisch die der Lyrik.73

Nachdem die Krone Aragón die Balearischen Inseln und Valencia von den Mauren zurückerobert hatte, breitete sich das Katalanische im 13. Jahrhundert durch die zahlreichen katalanischen Neusiedler auf diese Gebiete aus. Seitdem gehören sie zu seinem Sprachgebiet. Ausgenommen sind einige Gebiete im Westen und Süden der der heutigen Comunidad Valenciana, die vorwiegend von Aragonesen besiedelt wurden und deshalb historisch kastilischsprachig sind.74

In juristischen, religiösen und historiographischen Texten ersetzte das Katalanische in seinem Sprachgebiet ab dem 12. Jahrhundert immer mehr das Lateinische.75 In der Folge verbreiteten sich auch katalanische Prosa, Lyrik und Erzähltexte. Als Wegbereiter der katalanischen Schrift- und Literatursprache gilt der Mallorquiner Ramon Llull (ca. 1233-1316). Er hatte maßgeblichen Anteil daran, dass die Sprache zu dieser Zeit zu den einheitlichsten und am besten kodifizierten zählte.76 Die Stadt Valencia entwickelte sich zu einem der wichtigsten Zentren der nun aufblühenden katalanischen Kultur.77 Von hier stammten mit Jaume Roig, Joanot Martorell und Antoni Canals einige der herausragenden Autoren katalanischer Literatur ihrer Epoche.78 Der Aufstieg Valencias und die Entstehung einer valencianischen Identität spiegelten sich auch darin wider, dass man nun begann seine Sprache nicht mehr als “Katalanisch“, sondern als “Valencianisch“ zu bezeichnen.79

Seine größte geographische Verbreitung hatte das Katalanische im Spätmittelalter durch die Eingliederung einiger Mittelmeergebiete, darunter Neapel, Sizilien, Sardinien, Athen und Neopatria, in die Krone Aragón. Überall dort war es eine geläufige Sprache am Hof und fand häufig auch in offiziellen Dokumenten Verwendung.80 Mit dem Beginn der Neuzeit setzte ein Niedergang des Katalanischen als Kultursprache ein. Durch den politischen Aufstieg Kastiliens wuchs auch das Prestige der kastilischen Sprache, da sie am königlichen Hof bevorzugt verwendet wurde. Dieser Prestigegewinn zeigte sich dadurch, dass in Valencia der Adel und Klerus begannen diese Sprache zu sprechen, um sich von den anderen, katalanischsprachigen Schichten der Gesellschaft zu distanzieren.81 Anders als in Katalonien und auf den Balearen waren bald auch große Teile der dortigen Bevölkerung in der Lage das Kastilische zumindest zu verstehen.82

Als Sprache der Volksmasse, der Verwaltung und der Kirche konnte sich das Katalanische in seinem gesamten Sprachgebiet über Jahrhunderte zwar behaupten. Doch aufgrund des Prestigeverlusts wurde es bald als Kultur- und Literatursprache vom Kastilischen verdrängt und erlebte von nun an den als Decadència bezeichneten Niedergang, der bis ins 19. Jahrhundert anhielt.83 Der Mangel an katalanischer Literatur erschwerte in diesem langen Zeitraum regelmäßige Standardisierungen der Sprache und förderte die verstärkte Ausbildung von Dialekten.84 Dementsprechend ging im katalanischen Sprachraum allmählich das Bewusstsein verloren, dass man trotz der Dialektalisierung eine gemeinsame Sprache spricht. Das zeigte sich u.a. daran, dass sich in der Literatur die regionalen Sprachbezeichnungen valencià, mallorquí, menorquí und eivissenc anstelle von català etablierten, während die alte gemeinsame Sprache häufig llemosí genannt wurde.85

Die Kastilisierungspolitik, mit der die bourbonischen Könige im 18. Jahrhundert begannen, zeigte in Valencia größere Auswirkungen als auf den Balearen. Hier wurde das Kastilische nun auch vom niederen Adel und der höheren Bürgerschicht verwendet.86 Die Kenntnis der Sprache stellte längst auch für viele Bürger einen Anreiz dar, da sie zum sozialen Aufstieg verhelfen konnte.87 Der Großteil der Bevölkerung aber sprach in beiden Regionen auch weiterhin lediglich das Katalanische. Das lag auch daran, dass viele keinen Schulunterricht besuchten, der inzwischen nur auf Kastilisch stattfand.88

Ab den 1830er Jahren wurde das Katalanische dann im Zuge der Renaixenc̡a als Kultur- und Literatursprache wiederentdeckt. Anders als in Katalonien wurde diese regionale Bewegung in Valencia und auf den Balearen aber nur von einer intellektuellen Minderheit getragen.89 Gerade in Valencia gewann das Katalanische aber kaum an Prestige. Die oberen Schichten sprachen weiterhin Kastilisch. Sie sicherten damit dessen Vormachtstellung gegenüber dem Katalanischen, das nach wie vor mit ländlichen Gebieten, Rückständigkeit und Folklore konnotiert wurde.90 Dabei besaß das Katalanische auch den Nachteil, dass es anders als andere Kultursprachen wie das Kastilische keine Schriftnorm besaß.91

Erst im frühen 20. Jahrhundert kam es endlich zu einer “modernen“ Normativierung92. Diese basiert auf drei Hauptwerken von Pompeu Fabra, einem Mitglied des 1907 gegründeten Institut d’Estudis Catalans: Die Normes ortogràfiques (1913), die Gramàtica catalana (1918) und das Diccionari general de la llengua catalana (1932). Dabei war Fabra um eine Gleichberechtigung aller katalanischen Dialekte bemüht und berücksichtigte deshalb regionale Varianten.93 Dies trug sicherlich dazu bei, dass seine Normen in Valencia (1932 als Normes de Castelló) und auf den Balearen im Großen und Ganzen übernommen wurden.94 Die Normativierung und die Gründung des Institut d’Estudis Valencians fünf Jahre später weisen auf die Bemühung hin, das Valencianische vom Katalanischen abzugrenzen. Da kurze Zeit später der Bürgerkrieg ausbrach, konnte sich die Institution aber kaum entfalten.95

Im Franquismus wurde das Katalanische wie alle Regionalsprachen Spaniens wie abermals unterdrückt, um eine einheitliche spanische Nationalkultur und Identität zu schaffen, die in sprachlicher Hinsicht ausschließlich auf dem Kastilischen basieren sollte.96 Voß fasst diese repressive Sprachpolitik für den katalanischen Sprachraum wie folgt zusammen:

Der Gebrauch des Katalanischen in der Öffentlichkeit wurde verboten, kulturelle Institutionen aufgelöst. Sämtliche katalanischen Schilder und Aufschriften wurden entfernt, katalanische Orts- und Straßennamen umbenannt. Bibliotheken wurden geschlossen, der Druck von Büchern und Zeitungen auf Katalanisch untersagt. Das Katalanische wurde verboten für die Verwendung von Markennamen, im Kino, für Eigennamen, in der Werbung, in Telegrammen. Die katalanische Sprache wurde aus den Schulen und Universitäten, aus Radio und Verwaltung verbannt.97

Trotz seines Verbots in vielen Bereichen wurde das Katalanische im privaten Bereich weiterhin verwendet.98 Dies war besonders auf den Balearen der Fall, wo das Kastilische bis in die 1950er Jahre in der mündlichen Kommunikation noch schwach verbreitet war.99 Das Aufkommen des Tourismus brachte auf der Inselgruppe das Wachsen urbaner Zentren mit sich, in denen das Kastilische präsenter war als in ländlichen Gebieten. Dazu trugen auch die kastilischsprachigen Zuwanderer in dieser Zeit bei. Zudem förderte die Verbesserung des Bildungswesens die Verbreitung des Kastilischen unter der einheimischen Bevölkerung. Paradoxerweise wurden viele Insulaner gerade dann ihrer katalanischen Muttersprache untreu, als diese von der franquistischen Unterdrückung immer mehr befreit werden konnte.100 Gleichzeitig unterstützten aber auch weite Teile der Bevölkerung die Präsenz der Regionalsprache in der Öffentlichkeit. Es gründeten sich Kulturverbände, die u.a. Sprachkurse organisierten, die Universitäten lehrten wieder Katalanisch und katalanische Zeitschriften wurden veröffentlicht.101

In Valencia wurden seit Beginn der 1960er Jahre einige bedeutende Werke publiziert, die sich mit der eigenen Regionalsprache und Identität befassten. Darunter wurden mit La llengua dels Valencians von Manuel Sanchis Guarner und Nosaltres, els Valencians von Joan Fuster zwei Werke bekannt, die auf die sprachliche Einheit des Valencianischen und Katalanischen hinwiesen. An anderer Stelle schlug der Letztere die Bezeichnung Paїsos Catalans (‘Katalanische Länder‘) für die Gesamtheit der katalanischsprachigen Gebiete vor und idealisierte deren politischen Zusammenschluss, wobei die einzelnen Regionen – allen voran Katalonien, Valencia und die Balearen - grundsätzlich eigenständig und untereinander gleichberechtigt bleiben sollten.102 Mit seinen Thesen wurde Fuster zum Vater eines modernen, politisch links orientierten Valencianismus (Fusterianismo), gleichzeitig aber auch zum Feindbild des rechten, antikatalanischen Valencianismus, der auch als Blaverismo bekannt ist.103

Das Ende des Franquismus ebnete nicht nur den Weg für eine Demokratisierung Spaniens, sondern auch für eine umfassende Renaissance der regionalen Kulturen und Sprachen des Königreichs. Im katalanischen Sprachgebiet traten große Teile der Politik und Bevölkerung für die Normalisierung der Regionalsprache ein.104 Durch seine Unterdrückung im Franquismus war das Katalanische weitestgehend auf die mündliche Kommunikation im Privaten reduziert worden und befand sich folglich in einer “anomalen“ Situation. Die Normalisierung sollte diese beenden: “Letztendlich soll das Ziel erreicht werden, dass jeder Bürger […] ein katalanischsprachiges Umfeld vorfindet, in dem das Katalanische als normales Kommunikationsmedium verwendet wird.“105 Dies bedeutete eine Ausbreitung des Katalanischen auf alle öffentlichen und offiziellen Bereiche, insbesondere auch auf die schriftliche Kommunikation, in der es jahrhundertelang kaum verwendet wurde. Voraussetzungen dafür waren eine Förderung der Sprachkenntnisse sowie eine Steigerung des Prestiges und des kommunikativen Werts der Regionalsprache, gerade auch gegenüber dem Kastilischen.106

Die rechtliche Basis für die Normalisierung des Katalanischen legten zunächst die Autonomiestatute der drei primären katalanischsprachigen Regionen, in denen die Regionalsprache neben dem Kastilischen einen kooffiziellen Status erhielt. Die Statute Kataloniens und der Balearen bezeichnen sie dabei als “Katalanisch“, das der Comunidad Valenciana als “Valencianisch“.107 Neben den Autonomiestatuten sollten Sprachgesetze die Normalisierung begünstigen: Das Llei de normalització lingüística a Catalunya und das Llei d‘ús i ensenyament del valenciá traten 1983 in Kraft, das Llei de normalització lingüística de les Balears 1986.108

Dass der Normalisierungsprozess in der Comunidad Valenciana und auf den Balearen bislang dennoch nicht so fortgeschritten ist wie in Katalonien, hat nicht zuletzt politische Gründe. Katalonien wurde seit der Autonomisierung durchgehend von regionalen Parteien regiert, die sich stark für die Verbreitung des Katalanischen einsetzten. In den anderen beiden Regionen wurde die Regionalsprache weniger gefördert, was auch daran lag, dass die Politik hier stets von den großen spanischen Parteien PSOE und PP dominiert wurde. Allerdings zeigte die PSOE insgesamt wesentlich größeres Interesse an einer Normalisierung als die PP.109

Wie unterschiedlich die Sprachenpolitik der drei Autonomen Gemeinschaften ist, soll am Beispiel des Schulwesens verdeutlicht werden. Dieser Bereich spielt für die Normalisierung schließlich eine wichtige Rolle.110 In Katalonien sieht die Gesetzgebung vor, dass abgesehen vom Spanisch- und Fremdsprachenunterricht grundsätzlich auf Katalanisch unterrichtet werden soll.111 Auf den Balearen hat die Bildungspolitik das Katalanische bislang weniger gefördert als in Katalonien, aber weitaus mehr als in der Comunidad Valenciana. Ein Dekret von 1997 sah vor, dass in jeder Schule mindestens die Hälfte des Unterrichts auf Katalanisch stattfinden solle. Nach einigen Jahren wurde an etwa jeder zweiten Schule sogar ausschließlich auf Katalanisch unterrichtet -abgesehen von Fächern, die sich auf das Kastilische oder eine Fremdsprache beziehen.112

In der Comunidad Valenciana konnten die Schulen bis 2012 zwischen drei Programmen wählen, in denen nur in einem grundsätzlich auf Valencianisch unterrichtet wird.113 Dass im Schuljahr 2011/2012 nur 30,4 % der valencianischen Schüler ein Programm mit dem Valencianischen als grundsätzliche Unterrichtssprache wählten, weist nicht nur auf eine Bevorzugung des Kastilischen durch die Schüler hin, sondern auch durch die Mehrheit der Schulen. Das zeigt auch die Tatsache, dass das Valencianische im “kastilischen Programm“ nicht in dem Umfang zum Einsatz kommt wie ursprünglich vorgesehen.114

[...]


1 Vgl. Herling (2008: 67)

2 Vgl. a.a.O. (66)

3 Vgl. a.a.O. (68f.)

4 Diese sehen die eigene Region als Nation an und sind nicht zu verwechseln mit spanisch-nationalistischen Parteien.

5 Hier und im Folgenden werden meistens diese gängigen Namen für die Regionen verwendet. “Valencia“ bezeichnet also sowohl das historische Königreich Valencia als auch die Comunidad Valenciana. Handelt es sich um dessen gleichnamige Hauptstadt, wird dies entsprechend markiert oder kann aus dem Kontext erschlossen werden.

6 Hier und im Folgenden bezeichnet “Region“ neben einer historischen Regionen (wie z.B. einem Königreich oder Fürstentum) auch eine Autonome Gemeinschaft.

7 Alle Statistiken dieses Kapitels stammen vom Instituto Nacional de Estadística (INE). Stand für Bevölkerungszahlen: 01.01.2013, Stand für Flächen: 01.01.2012. Vgl. INE (2012, online), INE (2013, online).

8 Vgl. Lindau (2008: 32)

9 Aus Gobierno de Espan͂a, Ministerio de Educación, Cultura y Deporte (o.J.):https://www.educacion.gob.es/centros/img/ mapa.gif (abgerufen am 04.2014).

10 Vgl. Marí i Mayans (2003: 165)

11 Vgl. Kreienbrink (2008: 244)

12 Eigene Auswertung der Daten vom Instituto Nacional de Estadística (INE). Vgl. INE (2013, online).

13 Vgl. Marí i Mayans (2003: 27)

14 Vgl. Herling (2008: 34)

15 Vgl. Voß (2002: 32)

16 Vgl. Collado Seidel (2007: 37ff.)

17 Vgl. Voß (2002: 34)

18 Marí i Mayans (2003: 48)

19 Vgl. a.a.O. (45ff.)

20 Vgl. Doppelbauer (2006: 89)

21 Marí i Mayans (2003: 51f.)

22 Vgl. a.a.O. (50)

23 Vgl. Marí i Mayans (2003: 68f.)

24 Vgl. a.a.O. (69)

25 Vgl. a.a.O. (73f.)

26 Vgl. Herling (2008: 38)

27 Vgl. Doppelbauer (2006: 87)

28 Vgl. Marí i Mayans (2003: 85)

29 Vgl. Voß (2002: 91)

30 Vgl. Voß (2003: 90), Doppelbauer (2006: 89). Die Mauren wurden nach der Reconquista zwangskonvertiert und hießen fortan Morisken. Sie machten 1609 etwa ein Drittel der Bevölkerung des Königreichs Valencia aus.

31 Vgl. Herling (2008: 40)

32 Vgl. Marí i Mayans (2003: 89)

33 Eine Ausnahme bildete Menorca, das durch den Vertrag von Utrecht an die britische Krone fiel. Nach zwischenzeitlich französischer und spanischer Herrschaft wurde es 1802 endgültig spanisch. Vgl. Herling (2008: 41).

34 Vgl. Doppelbauer (2006: 91)

35 Vgl. a.a.O. (92)

36 Vgl. Coller (2013: 1018), Paniagua (2001: 133)

37 Vgl. Doppelbauer (2006: 92)

38 Vgl. a.a.O. (93f.).

39 Vgl. Herling (2008: 54), Doppelbauer (2006: 95).

40 Vgl. Marí i Mayans (2003: 138)

41 Vgl. Coller (2013: 1016)

42 Vgl. Voß (2002: 126)

43 Vgl. Herling (2008: 58f.)

44 Vgl. a.a.O. (59f.)

45 Vgl. Voß (2002: 127)

46 Vgl. Marí i Mayans (2003: 145)

47 Vgl. Voß (2002: 134)

48 Vgl. Marí i Mayans (2003: 157)

49 Vgl. Voß (2002: 136)

50 Vgl. Doppelbauer (2006: 98), Herling (2008: 64).

51 Vgl. Doppelbauer (2006: 114)

52 Vgl. a.a.O. (117)

53 Vgl. Herling (2008: 66)

54 Vgl. Doppelbauer (2006: 120f.), Coller (2013: 1023)

55 Vgl. Coller (2006: 119)

56 Vgl. Doppelbauer (2006: 120)

57 Vgl. Herling (2008: 66)

58 Vgl. Collado Seidel (2007: 206ff.), Parlament de Catalunya, Departament de Comunicació (o.J., online)

59 Vgl. Martín Cubas (2007: 10)

60 Vgl. Kapitel 4.1

61 Vgl. Martín Cubas (2007: 10), Kapitel 5.2

62 Vgl. Doppelbauer (2006: 124)

63 Vgl. Calvet Crespo (2011: [5ff.])

64 Vgl. a.a.O. (6f.)

65 Vgl. Generalitat Valenciana (o.J., online), Govern de les Isles Balears (o.J., online)

66 Ausgenommen sind hier einige kastilischsprachige Gebiete im Westen und Süden der Autonomen Gemeinschaft. Vgl. Abbildung 2.

67 Vgl. Abbildung 2

68 Vgl. Dietrich/ Noll (2012: 23)

69 Vgl. Montan͂és, José Ángel (2013, online )

70 Aus Dietrich/ Noll (2012: 36), adaptiert nach Berschin/ Fernández-Sevilla/ Felixberger (2012: 41).

71 Vgl. Marí i Mayans (2003: 28)

72 Vgl. a.a.O. (34)

73 Vgl. a.a.O. (38)

74 Vgl. Doppelbauer (2006: 85), Abbildung 2

75 Vgl. Marí i Mayans (2003: 57f.)

76 Vgl. a.a.O. (59)

77 Vgl. Doppelbauer (2006: 86)

78 Vgl. Marí i Mayans (2003: 62ff.)

79 Vgl. a.a.O. (68)

80 Vgl. a.a.O. (55f.)

81 Vgl. Herling (2008: 38)

82 Vgl. Marí i Mayans (2003: 91)

83 Vgl. Herling (2008: 39)

84 Vgl. Echenique Elizondo/ Sánchez Méndez (2005: 249)

85 Vgl. Herling (2008: 40)

86 Vgl. Doppelbauer (2006: 90)

87 Vgl. Paniagua (2001: 123)

88 Vgl. Herling (2008: 50)

89 Vgl. Doppelbauer (2006: 93ff.), Herling (2008: 55)

90 Vgl. Paniagua (2001: 123), Doppelbauer (2006: 54f.)

91 Vgl. Doppelbauer (2006: 95)

92 Alternativ wird auch die Bezeichnung “Normierung“ verwendet. Vgl. Voß (2002: 129).

93 Vgl. Voß (2002: 129ff.)

94 Vgl. Marí i Mayans (2003: 147f.)

95 Vgl. Voß (2002: 137)

96 Vgl. Marí i Mayans (2003: 157)

97 Voß (2002: 135)

98 Vgl. Herling (2008: 63)

99 Vgl. Herling (2008: 73)

100 Vgl. a.a.O. (64)

101 Vgl. Marí i Mayans (2003: 166)

102 Vgl. a.a.O. (177ff.), Martín Cubas (2007: 7f.)

103 Vgl. Coller (2013: 1021). Die Bezeichnung Blaverismo geht darauf zurück, dass seine Anhänger den blauen (kat. blau, blava) Rand in der valencianischen Flagge, die ansonsten mit der katalanischen übereinstimmt, als Unterscheidungsmerkmal zu Katalonien hervorheben. Vgl. Doppelbauer (2006: 148).

104 Vgl. Marí i Mayans (2003: 183)

105 Herling (2008: 110). Diese Zielsetzung bezieht sich auf die Balearen, kann aber problemlos auf die Normalisierung in Katalonien und Valencia bezogen werden.

106 Vgl. Herling (2008: 110)

107 Vgl. Doppelbauer (2006: 121), Herling (2008: 66)

108 Vgl. Marí i Mayans (2003: 196)

109 Vgl. a.a.O. (206), Doppelbauer (2006: 126)

110 Vgl. Herling (2008: 233)

111 Vgl. Manresa (2013b, online)

112 Vgl. Herling (2008: 243ff.)

113 Mit “Valencianisch” wird hier der offizielle und gängige Name für die katalanische Sprachvarietät in Valencia verwendet, die in späteren Kapiteln aber meistens als “Katalanisch“ bezeichnet wird. Vgl. Kapitel 4.3.

114 Vgl. Montaner (2014, online)

Fin de l'extrait de 55 pages

Résumé des informations

Titre
Historische und sprachliche Faktoren im Identitätskonflikt in der 'Comunidad Valenciana' und auf den Balearen
Université
Johannes Gutenberg University Mainz
Note
1,7
Auteur
Année
2014
Pages
55
N° de catalogue
V287185
ISBN (ebook)
9783656876656
ISBN (Livre)
9783656876663
Taille d'un fichier
1212 KB
Langue
allemand
Mots clés
Identität, Nationalismus, Regionalismus, Comunidad Valenciana, Balearen, Valencia, Katalonien, Cataluña, Spanien, Katalanisch, Valencianisch, valenciano, Sprachkonflikt, Sprachliche Identität, Katalanisches Sprachgebiet
Citation du texte
Claus Arnold (Auteur), 2014, Historische und sprachliche Faktoren im Identitätskonflikt in der 'Comunidad Valenciana' und auf den Balearen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287185

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